Mir ist schleierhaft, weshalb die in vielen Runden bestehende Sozialnorm "Regelfragen nach dem Spiel klären" so offensiv als Irrlehre bezeichnet wird. Da schwingt für mich ein Mangel an Erfahrung mit, den ich eigentlich nicht vermutet hätte.
Deine erste Vermutung war richtig. Soll heißen: Es ist gerade nicht ein Mangel an Erfahrung.
In meiner Erfahrung ist es aber in der absoluten Mehrheit der Fälle erheblich cleverer, durch ein Diktum wie "Regelfragen nach dem Spiel klären" etwaige Wogen zu glätten und zu einem späteren Zeitpunkt in einem emotional ruhigeren Zustand zu diskutieren.
Wie gesagt: Ich finde das als Dikum völlig verkehrt. Normalerweise hat die Gruppe als Ganzes ein gutes Gespür dafür, was gerade angemessen ist: wirkliche Diskussion oder Weiterspielen. Klärung sofort, in der nächsten Pause, am Ende der Spielsitzung, zwischen den nächsten Spielsitzungen oder zu Beginn des nächsten Treffens. Ohne Unterbrechung, die zumindest diese Absprache ermöglicht, würde ich nicht spielen wollen.
Ich erinnere mich an eine ganze Reihe von Situationen, bei dem es dem Spiel besser getan hätte die sofortige Klärung einzuleiten.
Das muss nicht bedeuten, dass sofort alles ausdikutiert werden muss. Meist hilft es schon das Problem zu benennen, zu einer zügigen, vorübergehenden Lösung zu kommen und die umfangreichere Problembearbeitung zu terminieren.
Bei Bedarf kann ich gerne aus den einschlägigen Erfahrungen aus meinen mehrjährigen Earthdawn-Runden zum Besten geben.
Alle drei Runden (z.T. mit den selben Spieler(inne)n ) bieten da außergewöhnlich viel Stoff.
Die Punkte "Regelfragen nach dem Spiel klären" und "bloß im Spielfluss bleiben" dienen da als sozial für alle Beteiligten ohne Gesichtsverlust akzeptable Strategie zum Abkühlen.
Ja. Nachvollziehbar. Wobei mir die angesprochene Konstellation schon nicht gefällt. Mir ist es (sehr) wichtig eine Atmosphäre zu schaffen, in der ein Gesichtsverlust nicht zu befürchten ist. Umgekehrt: Wenn jemand tatsächlich gerade dabei ist sich völlig zum Honk zu machen, dann reagieren hoffentlich Gruppenmitglieder und verlangen die Verschiebung.
Was ich nicht verstehe ist, warum der Spielfluss (oder die Integrität der Runde) zum Dogma erhoben werden sollte(n).
Als Beispiel:
Vor einer Weile habe ich mit einigen Spielern das "Gleich-Losspiel-Abenteuer" des Lone Wolf Adventure Game gespielt.
Wir hatten vorher vereinbart das "as written" zu probieren. Nur: Setting (das die Spieler vorher nicht kannten) und Erwartungen des Abenteuers an die SC, haben nicht besonders gut zu den Spielern gepasst. Dazu kam, dass das Paraphrasieren der englischen Vorlesetexte ungünstig für den Spielfluss war. Die erste Intervention war, dass ich - in Absprache - die Vorlesetexte (englisch) vorgelesen bzw. vorgetragen habe. So, dass sie gut verständlich waren. Im Anschluss haben wir dann kurz Inhalte und unklare Vokabeln geklärt. Als im weiteren Spielverlauf einer der Spieler angefangen hat herumzualbern und einer der anderen Spieler sich willkürlich oder unwillkürlich angeschlossen hatte, war für mich der Punkt erreicht, wo ich am liebsten abgebrochen hätte. Wir haben uns dann die Zeit genommen das zu bereden. Das Ergebnis war: Wir wollen weiterspielen, aber es geht nicht anders als mit gewissen albernen Distanzierungen seitens der Spieler. Die Bewertung des Spielabends lief ab dem Zeitpunkt als "rollenspielerisches Experiment".