Spielst Du auf Eskapismus an? (Frage bezieht sich auf den Eingangsbeitrag.) Genau das wird - auch ganz selbstverständlich von Rollenspielern - gern als Funktion des Rollenspiels gesehen. Verallgemeinert oder besser: von dort kommend als eine Funktion des Spielens an sich.
Ich halte davon gar nichts. Eskapismus ist mE eine für sich genommen eher herabwürdigende Beschreibung einer Handlung, die keine Ernsthandlung ist. Dahinter steckt mE die strukturfunktionalistisch eingefärbte gedachte Dichotomie zwischen Ernsthandlung und Spielhandlung. Demnach wäre eine Ernsthandlung eine unter gesellschaftlichem Blickwinkel sinnvolle, unmittelbar oder mittelbar produktive Handlung. Eine Spielhandlung wäre folglich nur dann eine sinnvolle und verantwortungsvolle Handlung, wenn sie das Individuum besser in die Lage versetzt, Ernsthandlungen zu vollbringen.
Dieses Ideengerüst haben viele Menschen im Kopf. "Mache doch mal stattdessen zur Abwechslung was Sinnvolles!" heißt es dann, wenn man gedenkt, sich zum Rollenspiel zu treffen oder am Rechner zu zocken. "Arbeite oder bilde dich weiter!"
Die meisten akademischen Abhandlungen über das Rollenspiel der 80er und 90er Jahre (und ich kenne davon das Gros) haben den Fehler begangen, sich zum Anwalt des Rollenspiels zu machen, und zwar zu einem zweifelhaften Anwalt. Denn sie haben sich zunächst in einen Kontext zu den am Rollenspiel vorgebrachten Kritiken gesetzt, dann aber nicht versucht, oben genanntes Denkmuster zu durchbrechen, sondern sind diesem verhaftet geblieben und versuchten, innerhalb dessen eine Rechtfertigung für das Rollenspiel zu finden. Oha, man staune! Mit einem Mal erfüllt das Rollenspiel ganz wichtige Lern- und Einpassungsfunktionen für das Individuum. Jenes wird sozial trainiert, redegewandt, gebildet, blablabla!
Dieser Versuch ist tendentiell zum Scheitern verurteilt, macht er sich doch davon abhängig, dass eine förderliche, dh das Individuum für die Gesellschaft wertvoll machende Wirkung des Hobbys nachgewiesen werden kann. Das ist ganz dünnes Eis. Die in den Abhandlung vorgebrachten Nachweise zumindest sind ziemlich mager. Nun ja, studentische Abschlussarbeiten eben. (Das ist gar nicht böse gemeint, selbst angehende Soziologen mit statistischer Bildung erreichen für ihre Abschlussarbeiten nicht die Reichweite für einen wirklichen Nachweis von "Früher war Ernst schüchtern und ein Außenseiter. Doch dank D&D besetzt er nun eine gute Arbeitsstelle als Abteilungsleiter, der sein Team zu Hochleistungen anspornt.")
Jetzt weiß ich, was ich durch Rollenspielen kompensieren möchte: Meine Unfähigkeit, in Foren ständig verschrobenes Zeug zu schreiben!