Was mich wundert: Warum wollen die Leute, die ein grobes Fertigkeitensystem wollen, so viele Talente? Das bedeutet doch letztendlich, dass sie die Komplexität, die sie durch das grobe Fertigkeitensystem einsparen, sich durch die Talente wieder aufhalsen.
Das grobe Fertigkeitensystem hat den Vorteil, dass es grundsätzlich recht übersichtlich ist
und es selten dazu kommt, dass die Spieler mit herunter gelassenen Hosen erwischt werden, weil eine zu hoch spezialisierte Fertigkeit nie die Erfahrungspunkte wert war.
Die Talente sorgen dann dafür, dass man sich innerhalb der groben Fertigkeiten (oder auf die groben Fertigkeiten) spezialisieren kann um darin noch besser zu werden Das erlaubt unterm Strich Spezialisten sehr eindrucksvolle Leistungen in ihrem Spezialgebiet (je nach System auch mal larger than life) und sichert ihnen damit ihre Nische, während das Fertigkeitensystem gleichzeitig breit aufgestellte Charaktere erlaubt (und teilweise sogar fördert).
Das kann, gut umgesetzt, zu einer wunderbaren Balance führen die One-Trick-Ponies verhindert ohne Spezialisten abzuwerten.
Bei EotE gibt es z.B. "nur" ~34 Skills. Am Ende kann über die Attribute jeder Charakter alles schon ganz ordentlich und mit 1-2 Rängen in einer Fertigkeit (die nicht die Welt kosten) kann er es dann schon richtig gut. Es gibt überhaupt nur 5 Ränge für jede Fertigkeit, Attribute sind schwer und langsam zu steigern (am Ende des Talentbaums gibt es einen Attributpunkt). Damit ist sehr schnell die Fahnenstange erreicht wenn es um reine Skills geht.
Dafür hat halt jeder Charakter mindestens einen Talentbaum in dem er sich spezialisiert. Dadurch hebt er sich dann von den Allroundern ab.
Der Pilot holt mehr Speed aus seinem Raumschiff, sein Raumschiff wird schlechter getroffen, u.s.w.
Der Doktor heilt mehr Schaden, kann Charaktere dopen, u.s.w.
Der Politiko inspiriert seine Kameraden, schüchtert seine Feinde mit Trashtalk ein, darf soziale Proben (1mal pro Session) wiederholen u.s.w.
Der Söldner bekommt Boni auf Leadership, kriegt höhere Boni durchs Zielen, kann Granaten weiter werfen, u.s.w.
Ich persönlich mag viele Klassensysteme sehr ungerne, weil sie die Charaktere zu sehr beschränken. Rein offene Systeme scheitern aber oft daran Spezialisten hinreichend für ihre Spezialisierung zu belohnen und so ihre Nischen zu beschützen. Ein sehr offenes Skillsystem das jedem ermöglicht fast alles zu können, gepaart mit einem Talentsystem das Spezialisten belohnt finde ich hingegen sehr elegant. Und es macht mir sehr viel Spaß.
Nicht alle Systeme sind GURPS.
Und weder GURPS noch Shadowrun sind Leichtgewichte was die Regeln angeht. Und beide haben "Talente" in der einen oder anderen Form.