Die aktuelle Folge des
3W6 Podcast trägt den Titel "Retrospektive: Dungeon World und PbtA". Ich habe eine mittelmäßige Apocalypse World Erfahrung gemacht und an Dungeon World habe ich des Genres wegen kein allzu großes Interesse. Hin und wieder überlege ich mir, ob sich PbtA damit für mich erledigt hat. Dann aber gibt es da ja so unglaublich viele spannend klingende Systeme... Sollte ich doch nochmal etwas in der Richtung angehen?
Dieser Frage wegen habe ich den Podcast mit Interesse gehört. Meistens habe ich allerdings keine Zeit für Podcasts. Hier habe ich deshalb ausnahmsweise für alle, denen es ähnlich geht, ein Exzerpt der Folge erstellt. Alles was folgt, ist nicht meine Meinung, sondern eine Paraphrase des Podcasts.
1: Dungeon World mit dem selben Charakter über etliche Sitzungen hinweg, geht nicht wirklich gut.
Grund: So schnell, wie man ins Spiel kommt, so schnell werden auch die Charaktere auf die Spitze getrieben, die meisten Spielzüge zielen auf Eskalation ab, das geht nicht über 50 Sitzungen, sondern eher über 6 - 10 Sitzungen. Mit jeder Sitzung werden die Charaktere entscheidend größer und verändern sich schnell.
2: Dungeon World bedeutet kampflastiges Spiel. Die narrative Ebene funktioniert manchmal gut, wenn die Inspirationen allerdings versiegen, nerven 6- Ergebnisse aber auch ("Oh Gott, noch ein Trupp Echsenmenschen?"). Das liegt auch daran, dass es einiger Kampfrunden bedarf, um einen Kampf zu entscheiden und das System auf der anderen Seite (wie auch Apocalypse World) zu wenig alternative Schwepunkte setzt (Sozialmechaniken und Hilfsmittel für charaktergetriebenes Spiel beispielsweise... neuere PbtA-Spiele kümmern sich verstärkt um diese Spielaspekte, als positives Beispiel wird "Hearts of Wulin" genannt, bei dem es nur noch einen Wurf für einen ganzen Kampf gibt). Tipp: Mögliche 6- Ergebnisse für Konflikte im Vornherein ausarbeiten.
3: Erfahrungspunkte für Fehlschläge wie bei Dungeon World haben sich bei anderen PbtA Spielen kaum durchgesetzt. Liegt daran, dass viele PbtA Spiele von vielleicht höchstens fünf oder sechs Steigerungsvorgängen ausgehen. Dafür braucht es keinen ausgefeilten Erfahrungspunkte-Mechanismus.
4: Balance der Moves. Offene Spielzüge oder festgelegte Fragenlisten? Das ist die zentrale Designfrage. Spielzüge mit Auswahlmöglichkeiten helfen auch weniger Kreativen am Spiel teilzunehmen, Leute, die Freiräume ausnutzen, brauchen offenere Spielzüge. Diese offeneren Spielzüge können immerhin zu einer Deeskalation führen, weil eine Spielrunde oft ihren gesunden Menschenverstand zur Anwendung bringt, wenn es um Grenzen des Settings geht. Letztlich kommt es aber wohl auf die Mischung an. Als interessant wird erneut "Hearts of Wulin" erwähnt, bei dem es noch während des Spiels die Möglichkeit gibt, einen Spielzug offener oder strukturierter einzusetzen.
5: Erwähnt wird auch World of Dungeons, das auf Spielzüge verzichtet und nur die Grundregel (6-, 7-9, 10+) beibehält. Das ist ein Beispiel für ein extrem offengehaltenes System und wird als spannender, universeller Ansatz gesehen. Der Versuch über die Spielzüge die Geschichte, die erzählt werden soll, zu bestimmen wird als Gegenbewegung verstanden (die sich offensichtlich durchgesetzt hat).
6: Spielzüge, in denen Fragen beantwortet werden, werden oft genug vom Spieler benutzt um Fakten zu schaffen ("Ich möchte gern wissen, wo der Eingang zum Dungeon ist!"). So ist der Spielzug nicht gemeint, so wird er aber öfter eingesetzt.
Am Schluss folgt eine ganz interessante Gegenüberstellung von PbtA und Fate, da es ja inzwischen Spiele gibt, die sich aus beiden Baukästen bedienen. Als Gemeinsamkeiten wird gesehen, dass die Spielwelt bei beiden Systemen noch während des Spiels weitergestaltet wird. Beide Spiele bedürfen außerdem wenig Vorbereitungszeit und erzeugen Geschichten, die eher mit grobem Pinsel gemalt sind. Detailverliebtheit ist eher unangebracht und kann die Spiele zum Stillstand bringen. Beide Spiele sind außerdem nicht unbedingt OneShot geeignet.
Die Unterschiede bestehen darin, dass man bei PbtA
mit fertigen Figuren startet, an die sich die Welt anpasst, während man bei Fate mit Figuren startet, die sich an die Welt anpassen müssen, damit es funktioniert. Daher ist Fate auch tendenziell mehr Plot-gesteuert, die Geschichte steht mehr im Vordergrund und der Spielleiter hat eine größere Verantwortung für die Geschichte. PbtA sagt hingegen: Spiel erstmal deinen Charakter, dann sehen wir mal, was sich für eine Geschichte ergibt.
Als Fazit scheint mir der Podcast zum einen besondere Verdienste von PbtA transportieren zu wollen. Dabei wird erwähnt, wie PbtA den Zufall einsetzt. Es wird nicht primär gewürfelt um zu wissen, was geschieht, es wird auch nicht gewürfelt um ganz allgemein Dramatik zu steigern, es wird stattdessen gewürfelt, um etwas zu erzeugen, was für die beabsichtigte Form von Geschichte relevant ist (also Würfeln um das Genre abzubilden). In diesem Zusammenhang wird PbtA als Schnittmenge zwischen traditionellem Rollenspiel und freieren Storygames wie "Itras By" und "Fall of Magic" gesehen.
Als wichtig wird auch angesehen, dass sich PbtA von Apocalypse World und Dungeon World aus weiterentwickelt hat. Das ist auch der Grund dafür, dass trotz der vielen PbtA-Spiele noch nicht das Gefühl der Übersättigung eingetreten ist, denn bei PbtA handelt es sich nicht um ein fertiges Produkt, sondern um eine Designphilosophie, aus der jeder eigene Schlüsse zieht und für sein Spiel mitnimmt, was er möchte. Es entstehen sogar Spinoff-Schulen (wie "Forged in the Dark", was auf "Blades in the Dark" basiert, was wiederum die Entwicklung von PbtA genutzt hat, aber etwas eigenes daraus gemacht hat). Dungeon World im Speziellen wird daher heute eher als Einsteigersystem für die PbtA Systemwelt gesehen. Kurz: PbtA ist lebendig und wächst.