Noch mal eine kurze Antwort zu Vermi: Die steilen Thesen zum GNS, ja, okay, die lasse ich gerne fallen. Klickbait
. Angemessener ist wahrscheinlich so was wie: "Viele Ansätze von Rollenspieltheorie befassen sich mit der Entwicklung von Rollenspielen aus sich selbst heraus, und wahrscheinlich spielt das soziale Drumrum aber auch eine Rolle beim Triggern gewisser Entwicklungen von allen, die denkbar wären." Das sind ja aber auch, wie schon geschrieben, die unwichtigsten Gedanken.
Den Rest erhalte ich aber schon so aufrecht. Dass die von mir beschriebene "Spielkultur" sich mit dem Sammeln und Geld ausgeben -- wo die Kohle herkommt, klar -- gar nicht beißt, zeigen ja schon einige Beiträge hier im Thread. Reine Sammler, die wirklich unbesehen alles kaufen und ins Regal stellen, gibt es vielleicht in einer Nische bei DSA und manchen D&D-Ablegern. Ich bin aber ziemlich überzeugt davon, dass die meisten Leute doch noch irgendwie spielen wollen. Und da greifen halt all die Mechanismen, die ich beschrieben habe.
Was macht man als schlauer Rollenspielanbieter? Man konzipiert Spiele, die einen ganz schlanken Teil mit einheitlich strukturierten Regeln haben und bappt hinten einen wahnsinnig umfangreichen Settingteil dran, der unglaublich schick und teuer aufgemacht ist: Numenera. Oder: streamlined das älteste Rollenspiel der Welt und klatscht es in einem sündhaft teuren Hardcoverband mit Illustrationen voll, die das Gefühl von damals besser verkörpern, als alles von damals: DCC. Flankiert wird das ganze von ganz und gar als Spielmaterial ausgelegten Kurzabenteuern, die auch wieder superschick aufgemacht sind. Vielleicht verschenkt man die sogar (13th Age). Die wichtigen Regelteile gibt´s natürlich eh gratis als PDF (so ziemlich jedes moderne Rollenspiel).
Die Regeln sind gerade so komplex und bieten gerade so viel Optionen, dass vernünftiges Barbiespiel möglich wird. Die Optionen sind aber auf jeden Fall so gebalanced, dass auch Spieler ganz ohne Zeit keine großen Nachteile zu befürchten haben.
Und warum ist das so? Weil das die alten Hipster aus dem Internet kaufen. Und die brauchen´s so, wie ich es eingangs beschrieben habe. Die haben das Geld, die hängen im Netz rum, die halten ihre Kindheit lebendig. Neue Rollenspieler werden doch nicht auf dem Schulhof von irgendwelchen Gleichaltrigen angeworben.Und neue Rollenspieler bringen auch nicht das Geld an. Und selbst wenn der Erstkontakt im Jugendzentrum, in der Schule, bei den Eltern usw. stattfindet: wenn du als Jugendlicher angefixt bist, gehst du doch ins Netz. Und da findest du doch nicht nur DSA und Vampire.
Die Spiele, die ich im Eingangsposting aufgezählt habe, sind doch kein Hipster-Spezialwissen. Die kannst du auf jeder größeren Con spielen, die werden auf deutsch rausgebracht, die werden bei Orkenspalter-tv beworben, die findest du im Internet. Ich glaube einfach nicht an dieses Tal der Ahnungslosen, wo Leute den ganzen Tag treudoof nach Regeln DSA5 spielen, weil die das im Jugendzentrum so beigebracht gekriegt haben. So läuft das doch heute wirklich nicht mehr. Also, dieses "Hipster-Verallgemeinerung"-Ding, das glaube ich nicht.
Weiter: Ich sprach ja im Eingangsposting von "neuen, zukünftigen Rollenspielen, die Erfolg haben sollen". Erfolg haben kann nicht heißen, dass ich mich an DSA orientiere. DSA lebt nach wie vor von den 250 000 Boxen, die Schmidt Spiele in einer anderen Ära mit Fernsehwerbung verkauft hat. 5% der Käufer von damals sind noch übrig und halten die Marke am Leben. Ich bin götterfroh, dass Ulisses den Job macht, für meine private Nostalgieecke. Und sie machen ihn gut. Gerade in den letzten Jahren entstehen da wirklich wieder tolle Sachen. Aber wie viele feste Mitarbeiter haben die noch mal? Wieviel bezahlen die nochmal für eine Übersetzung? Wieviel Geld kriegen da die freien Autoren? Wie ist doch gleich der Jahresumsatz?
Vampire? Gibt´s das eigentlich gerade auf Deutsch? Hm.
Nee, unter rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten wilst du dich an der halben Million orientieren, die Numenera eingesammelt hat. Oder an DCC. Dungeonslayers mag nicht so viel abwerfen, aber wenn du es semiprofessionell machst, für den Spaß und den Fame, tja, da ist das auch ein besseres Modell als "Ich werd DSA-Autor".
Wenn ich heute ein Rollenspiel machen will, dann sammel ich mir ein Team von Kreativen und guten Gestaltern, setze ein Crowdfunding auf, bewerbe das mit Filmchen und einer lebendigen Community. Und wenn das laufen soll, tja, dann brauche ich die Generation Ü35, und die Spiele müssen ungefähr so aussehen, wie ich das beschrieben habe. Nimm meinetwegen sogar Degenesis, ein Spiel, das ja nun wirklich der Hipness und des Indietums völlig unverdächtig ist. Was haben die gemacht? Genau. Siehe oben.
Oder?