Auf Bekanntes zurückzugreifen heißt ja nicht, dass sich Geschichten, Details und Themen wiederholen. Mit dem Monster of the Week "Gespenst" kann ich so unterschiedliche Sachen wie
Dark Water,
The Others,
13 Ghosts,
What Lies Beneath und
Ghostbusters herausbekommen. Das Wissen, dass es sich um eine Geistergeschichte handelt, entwertet oder spoilert ja nicht die ganze Handlung. Vor allem, weil "oh, es ist ein Geist, wir müssen seine Gebeine einsalzen und verbrennen" nicht unbedingt den Konflikt der Geschichte lösen muss. Umgekehrt fände ich den "ich will eine Geistergeschichte erzählen aber Geister kennt jeder darum nehme ich was was genauso ist wie ein Geist aber explizit kein Geist"-Ansatz eher befremdlich. Ghoule, Farben aus dem All, Dhaoloth und der König in Gelb sind für mich noch lange nicht ausgelutscht, dass ich sie ersetzen müsste.
Bei Lovecraft ist es ja schon so, dass seine Protagonisten vor allem gebildete Menschen sind, die einerseits viel Kontext und Vorwissen mitbringen und andererseits über die geistige Ausrüstung verfügen, den Mythos zu verstehen.
At the Mountains of Madness legt nahe, dass das gesamte Forscherteam schon zu Studienzeiten das Nekronomikon gelesen hat (aber für abergläubischen Kokolores hält). Das ermöglicht Dyer später aber nicht nur, die Elder Things korrekt zu identifizieren und ihre Historie aus Wandreliefs zu rekonstruieren, sondern auch, Empathie mit den Monstern zu empfinden. Generell ist das Thema oft, dass die Charaktere alle Infos besitzen und das Monster sozusagen nur dazu dient, deren Wahrheitsgehalt zu beweisen. Umgekehrt scheinen eher ungebildete Charaktere wie Ammi Pierce oder Gustaf Johansen (oder Conan) die Tragweite des Schreckens bis zum Ende nicht zu verstehen, was es ihnen ja gerade ermöglicht, Cthulhu erfolgreich mit einem Schiff zu rammen oder ihre mutierten Nachbarn per Spaten zu entleiben.
Wobei ich auch ganz klar sagen muss, dass ich in meinem Bekanntenkreis jetzt auch nicht der Hohepriester bin, der die ahnungslose Menschheit in den Kult des Großen Cthulhu einführt. Fast jeder, den ich kenne, hat im Bereich "Everything Cthulhu" ausreichend Vorwissen, ob jetzt von den Originalgeschichten, dem Rollenspielkram, Comics oder dem Arkham Horror-Brettspiel. SL ist auch jeder lange genug gewesen. Da gefällt es mir persönlich besser, mit den Leuten auf Augenhöhe zu interagieren und mir vielleicht noch etwas Input zu holen als mir die Spieler künstlich kleinzuhalten. Dass die dann ihren Charakter nicht alles wissen lassen, was sie wissen, ist dann wieder eine andere Sache...
Hm... möchte ich fast anzweifeln.
Die Angst vor dem Unbekannten ist ja ein beliebtes Thema in allen Horrormedien - zumindest zu Beginn.
Dass natürlich dann am Ende Wissen herrscht, das ist klar. Aber zu Beginn das Nichtwissen einer unbekannten, nicht klassifizierbaren, nicht in Schubladen verstaubare Bedrohung, das hat schon seine Berechtigung.
Wobei das ja eher auf die Charaktere zutrifft. Der Zuschauer/Leser hat häufig vorher den Klappentext gelesen/den Trailer gesehen und weiß, dass er einen Vampirfilm sieht oder ein Buch über Aliens gekauft hat. Ein Teil der Spannung entsteht ja auch gerade dadurch, dass ich weiß, dass es (im Buch) Werwölfe gibt und darum in jedem Baumschatten und bei jedem raschelnden Blatt ein Monster erwarte, während der Charakter ahnungslos durch den Wald spaziert. Das Problem ist eben, das so zu spielen und nicht zu sagen "ich habe da so eine Ahnung und packe das Sturmgewehr mit der geweihten Silbermunition in den Picknickkorb". Dann spiele ich statt
The Ninth Gate ganz schnell
End of Days. Ich würde das aber nicht lösen wollen, indem ich den Spieler/Zuschauer/Leser so kurz halte wie den Charakter.