Vielen der Menschen hier im Thread kommt in meiner Wahrnehmung die Möglichkeit erst gar nicht in den Sinn, dass die Leute mit Würfeldrehen, Railroading oder Goldener Regel womöglich viel, viel, VIEL geilere Runden erleben als sie selbst. Stattdessen wird versucht, durch ein buntes Potpurri an gut gemeinten Ratschlägen den offensichtlich defizitären Verhältnissen in den anderen Runden auf die Sprünge zu helfen. Es wird zwar nicht explizit gesagt, dass man selbst NATÜRLICH die überlegene Spielform betreibt, aber zumindest für mich scheint das zwischen wahnsinnig vielen Zeilen durch.
Ohne zumindest eine Erklärung des eigenen Standpunkts gibt es keine Diskussion. Das Begreifen, was an der anderen Position eventuell ebenso tragfähig ist, kommt dann (manchmal) im Rahmen der Debatte. Wenn alle von vorneherein sagen: "Ach wie interessant! Das ist sicher mindestens genauso gut wie das, was ich mache!", dann kommt man wahrscheinlich gar nicht dazu, die andere Position zu begreifen, weil die ernsthafte Auseinandersetzung mit ihr fehlt. Es ist natürlich schön, die eigene Position zu hinterfragen, noch ergiebiger ist es aber meistens für alle Beteiligten, die eigene Position von anderen hinterfragen zu lassen und dabei deren Positionen zu hinterfragen. Sonst bleibt man immer nur an der Oberfläche.
So, Ende der Predigt zu Diskussionsweisen ...
Abgesehen davon würde ich nicht entwerten, dass viele hier (mich eingeschlossen) ihre Kritik aus der Position konkreter schlechter Erfahrungen mit Würfeldrehen formulieren und auch kaum jemand sagt: "Das ist prinzipiell schlecht!", sondern die meisten: "Wenn ihr das so machen wollt okay, aber ich habe da keinen Bock drauf wegen (Gründe)." Ich sehe darin keine besondere Arroganz, nur eine klare und begründete Aussage darüber, was man persönlich gut findet und was nicht.
Bei mir kommt dann dazu noch viel Diskussionsverve daher, dass Babo Phet in dem Thread ziemlich oft (und wahrscheinlich nicht in böser Absicht) den Unterschied zwischen Würfeldrehern als denjenigen, denen es um die Story und das gute Spielerlebnis geht, und Nicht-Würfeldrehern als denjenigen, die Regeln für heilig und unantastbar halten, aufmacht. Und darin finde ich mich und viele andere Positionen in dieser Diskussion nun mal überhaupt nicht wieder und habe extremen Klarstellungsbedarf (und dabei leider das Gefühl, das doch ziemlich viel des Geschriebenen ungehört verhallt und dann im nächsten Post wieder das gleiche Vorurteil zur Kritik am Würfeldrehen kommt ...).
Zuletzt würde ich mal darauf hinweisen, dass viele hier, die nichts vom Würfeldrehen halten, das Spiel mit Würfeldrehen ja laut eigener Aussage durchaus lange praktiziert haben und für die "normale" Spielweise hielten, d.h. ihnen ist lange Zeit gar keine Alternative in den Sinn gekommen - und der Versuch mit offen-Würfeln und entweder das Ergebnis in jedem Fall gelten oder Problemfälle offen zu besprechen für die meisten bereits ein Experiment, also ein Blick über den Tellerrand, war. Das schließt natürlich nicht aus, dass man nach Jahren jenseits des alten Tellerrands vielleicht feststellt, dass es auf dem Teller doch besser war (ich schätze inzwischen auch innerhalb eines neuen Kontexts manchen Rollenspielkram, von dem ich mich bereits verabschiedet hatte). Aber bitte doch nicht gleich den Vorwurf erheben, dass jeder, der seine Sichtweise verteidigt, verstockt und verbohrt wäre. Wie gesagt, ich kenne das mit dem Würfeldrehen bei SL, habe es jahrelang hochzufrieden so hingenommen und erst nach langer Unzufriedenheit, die irgendwann einsetzte, festgestellt, dass es offenbar ein Teil des Problems ist, das Rollenspiel für mich langweilig werden lässt.