Wir bewegen uns in einer Rollenspielrunde üblicherweise in einem gut sozialisierten Bereich, in welchem Absprachen problemlos implizit getroffen werden können, weil man sich entsprechend gut kennt und mag, und ein entsprechendes Vertrauensverhältnis gegenüber den Mitspielern inklusive der Spielleitung besteht. Sollte man sich nicht gut kennen, muss man explizite Absprachen treffen und keinesfalls die Akzeptanz der Goldenen Regel implizit voraussetzen. Sollte man sich nicht mögen, dann sollte man nicht miteinander rollenspielen und sich meines Erachtens auch ansonsten meiden, so gut es geht.
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Sollte eine Fehlanwendung der Goldenen Regel nicht auf charakterlichen Defiziten, sondern auf Misverständnissen beruhen, dann redet man drüber. Mir ist dabei auch klar, dass Spielleiter, die über Jahre mit der Goldenen Regel sozialisiert wurden, Gefahr laufen, diese implizit als grundsätzlich gegeben voraussetzen. Kriegt man diese Einstellung nicht geändert, muss man in der Tat die Reißleine ziehen. Hier geht es aber nicht um die Goldene Regel an sich, sondern um abweichende Präferenzen, was den Spielstil angeht. Genau das gleiche ist allen Rollenspielern zu empfehlen, wenn die Vorstellungen der Gruppenmitglieder darüber, wie gespielt werden soll, inkompatibel sind.
Mir meinen Vorsätzen, erstmal nichts mehr dazu zu posten, brechend, muss ich unter diese Aussagen doch noch mal ein dickes "Amen" schreiben, wobei mir das fett hervorgehobene besonders am Herzen liegt.
Ansonsten zum Thema "implizite Absprachen": Ich neige da durchaus zu Wortklauberei und finde: Eine Absprache ist ganz gemäß Wortbedeutung, etwas Explizites, Ausgesprochenes, was eben genau dann wichtig wird, wenn man sich nicht darauf verlassen kann, dass eine implizite Übereinkunft vorliegt (wichtiger Begriffsunterschied:
Absprache/Übereinkunft).
Ich würde auch unter Freunden bei problematischen Themen wie "darf die SL heimlich oder offen Regeln ignorieren" nach wie vor zur Absprache neigen, einfach aus der Erfahrung heraus, dass die implizite Übereinkunft oft auch daran liegen kann, dass einfach nur eine Seite die Möglichkeit eines Konflikts scheut.
Beispiel: Wenn sich jemand aus meiner Zigarettenschachtel bedienen würde, ohne zu fragen, wäre ich beim ersten Mal vielleicht zu überrumpelt, um mit einem "Kannst du mal vorher fragen" zu reagieren; beim zweiten Mal gäbe es schon einen Präzedenzfall, und beim dritten mal würde ich mich langsam fragen, ob ich nicht vielleicht total spießig und blöd bin, weil ich erwarte, dass er mich vorher um Erlaubnis fragt ... schwupps haben wir eine von einer Seite angenommene "implizite Übereinkunft", die mich aber eigentlich stört. Da muss gar kein böser Wille des anderen dabei sein, vielleicht erwartet er einfach, dass ich mich genauso bei ihm bediene und merkt es nicht mal, wenn ich das nicht tue.
Wenn der andere dagegen ein, zwei Mal fragen würde, würde ich einfach "ja, klar, nimm dir, wenn du willst", sagen. Dann haben wir eine explizite Absprache, ich bin nicht insgeheim angepisst und das Ergebnis ist in der Praxis das Gleiche. (Weiß übrigens auch nicht, warum ich als Nichtraucher auf so ein Beispiel komme ...)
Genau deshalb wäre ich vorsichtig mit: "Aber wenn die Spieler sehen, dass ich verdeckt würfele, dann können sie sich doch denken, dass ich mich nach Lust und Laune über die Regeln hinwegsetze, das ist dann doch schon eine Absprache!" Nein, ist es nicht. Erst Fakten zu schaffen und dann davon auszugehen, dass alle einverstanden sind, solange niemand Widerspruch erhebt, ist immer problematisch. Das KANN zu einer stillen Übereinkunft führen, aber auch zu stillem Dissens oder Verunsicherung. Es gibt Typen, die haben kein Problem damit, sofort anzusprechen, wenn ihnen etwas nicht passt, und es gibt Typen, die erst mal mit Zweifeln ringen, vermuten, dass sie das jetzt doch falsch verstanden haben, niemandem etwas unterstellen wollen, mutmaßen, dass sie selbst einfach eine falsche Vorstellung davon haben, was hier jetzt "richtig" ist, weil sonst ja auch niemand was sagt ... und die sich dann monatelang Verunsicherung und leisen Frust reinziehen. Mir ging das auch schon so, und nicht, weil meine Mitspieler so schrecklich autoritär gewesen wären, sondern schlicht, weil ich Angst hatte, als der dazustehen, der "es nicht verstanden hat", wenn ich anspreche, dass mir dieser oder jener Aspekt des Spiels so nicht gefällt. Klar, da war ich Teenager. Aber das Gefühl kenne ich aus anderen Kontexten als dem Rollenspiel bis heute.
Deshalb finde ich explizite Absprachen so toll. Weil da die andere Seite dadurch nicht implizit sagt: "Ich mache das jetzt so, wie auch sonst?", sondern "Ich schlage vor, dass wir das so machen, seid ihr einverstanden?" Damit ist gleich ausgesagt, dass eine andere Sichtweise legitim ist - egal, bei welcher Verfahrensweise man ankommt, ist das Grundgefühl damit einfach besser, als wenn von einer Seite eine bestimmte Verfahrensweise als normal vorausgesetzt wird und man irgendwie "komisch" ist, wenn man ein Problem damit hat. Das muss auch nicht hochoffiziell stattfinden, aber ich wünsche mir zumindest eine Atmosphäre, die offen ist für explizite Absprachen ("Moment mal, wir machen das also so? Ach so. Sind wir uns da alle einig? Okay, können wir auch gerne mal auf die Art probieren, war mir nur nicht bewusst"), als eine, wo dann alle mit der Stirn runzeln ("Bleib uns weg mit deinem Meta-Gerede, du hast offenbar nicht kapiert, dass wir uns hier unausgesprochen alle längst einig sind. Außer dir offenbar.")