Autor Thema: Illusionismus immer negativ behaftet?  (Gelesen 21065 mal)

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Offline Der Nârr

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Illusionismus immer negativ behaftet?
« am: 24.08.2016 | 18:48 »
Ich entdecke gerade den Illusionismus für mich, habe aber Verständnisfragen, bei denen mir Theoretiker vielleicht helfen können.

In der FAQ von Georgio heißt es nun:

Spielarten und Spielstile (I)

Illusionism
Kurz: Wenn nur der SL das Spiel vorantreibt und die Spieler es nicht wissen.
Erklärung: Ein Spielleiter-Stil bei dem die Spieler im Glauben gelassen werden, die Spielentwicklung maßgeblich und gezielt beeinflußen zu können, obwohl der SL die alleinige Entscheidungsgewalt für sich behält.
Warum?: Eine weit verbreitete Spielform mit der der Widerspruch des “Impossible Thing…” aufgelöst werden soll. In den Augen einiger ist sie im Kern dysfunktional, da sie eine Täuschung der Spieler voraussetzt.

Für mich klingt dies zunächst sehr negativ. Den Spielern wird etwas vorgegaukelt und sie könnten nichts maßgeblich oder gezielt beeinflussen.  Also wie in der Definition angedeutet eben "im Kern dysfunktional". Leider legt die Formulierung der Definition nahe, dass es tatsächlich so ist und ich weiß nicht, ob die Definition da nicht vielleicht genau so formuliert wurde, dass sie der Kritik entspricht.

Vielleicht habe ich ein anderes Verständnis davon, wie tief greifend und das Spiel durchdringend Illusionismus ist. Ich kann mir vorstellen, dass es sich in einer extremen Form so verhalten kann. Daher möchte ich mal zwei Beispiele geben, wo ich Illusionismus einsetze:

1. Vor kurzem hatten die Spieler die Möglichkeit, in einer magischen Angelegenheit eine Wahrsagerin oder einen Magier um Hilfe zu bitten. Die Wahrsagerin hätte sie auf eine Traumreise geschickt, der Magier zu einem entlegenen Ort im Sumpf. In beiden Fällen hätte es mit kleinen Änderungen denselben Inhalt gegeben - eine Zufallsbegegnung wäre eine andere gewesen, ein paar Rahmenbedingungen wären andere (man gelangt in den Traum anders als in den Ort im Sumpf), ein wenig wäre die Stimmung eine andere (im Sumpf ist man noch auf derselben Welt, im Traum gibt es surreale Elemente). Aber die Gegner und ihre Werte sowie der konkrete Ort und was da zu tun war wären gleich gewesen. So gesehen habe ich die Spieler um eine Entscheidung beraubt - egal was sie tun, erleben sie im Grunde das gleiche. Warum ich das gemacht habe? Effizientes Spielleiten natürlich: Nur eine Sache vorbereiten, aber den Spielern eine Wahlmöglichkeit zu geben. Und natürlich hat die Wahl auch Auswirkungen. Stehen sie beim fremden Magier im Schuld oder haben sie sich auf die verrückte Wahrsagerin verlassen, ohne konkrete Nachteile beim NPC, dafür ist es in der Traumwelt etwas schwieriger, da die SC keine Ausrüstung mitnehmen konnten? Und erlebt man etwas im Sumpf, dann ist dort ein Ort etabliert. Sie hatten sich für die Traumwelt entschieden, nun wurde eben diese Traumwelt als möglicher weiterer Spielort etabliert, an den die Helden vielleicht noch öfter gelangen. Eine völlige Entwertung hat also nicht stattgefunden. Darüber hinaus kann ich nun im Sumpf einen anderen Ort platzieren. Die Spieler verpassen also auch nichts.

2. Ich habe wenig Zeit zur Abenteuervorbereitung, habe aber einen fertigen Dungeon vorbereitet. Der Dungeon ließe sich an einer Vielzahl an Orten plausibel unterbringen und es ließe sich aus einer Vielzahl an Quellen heraus auf ihn verweisen. Sobald die Spieler eine dieser Quellen erreichen, kann ich sie auf den Dungeon verweisen - ich könnte sie ihn sogar unterwegs zu einem anderen Ort als Random Encounter platzieren. Im Grunde ist es wie eine Zufallstabelle - nur dass in der Zufallstabelle keine Monster stehen, sondern der Dungeon und die Frage ist, wann darf ich auf die Zufallstabelle würfeln. So wie ich bestimme, im Wald auf die Wald-Zufallstabelle zu würfeln und im Dungeon Level 5 auf die Dungeon Level 5 Tabelle, kann ich auch bestimmen, in der Wüste meinen Wüsten-Dungeon zu platzieren - ohne mir vorher überlegt zu haben, auf welchem Hexfeld genau er zu stehen hat.

Ich kombiniere illusionistische Elemente also gerade auch mit Sandboxing.

Ferner bilden Illusionismus und Ergebnisoffenheit bei mir keinen Widerspruch. Mittels Illusionismus bringe ich vielleicht ein Problem, eine schwierige Situation, einen NSC, Gegner oder Dungeon ein. Aber ich gebe nicht vor, wie dies zu lösen ist. Die Spieler können gewinnen oder verlieren, die Herausforderungen bewältigen oder auch nicht. Und ihre Entscheidungen haben Gewicht - wie sie damit überhaupt umgehen. Und nach der Festlegung hat das ganze auch Konsequenzen.

Das ist ein bisschen wie Schrödingers Katze. Der Dungeon ist halt erst da, wenn man nachguckt.

Ich mache das eben auch, weil die Sandbox für mich so leichter von Sitzung zu Sitzung vorzubereiten ist. Es ist effizient. Aber der Illusionismus durchdringt auch nicht das ganze Spiel. Wenn ein Ort festgelegt ist und die Spieler gehen in die falsche Richtung, dann finden sie den Ort nicht, auch wenn das der eigentliche nächste Schritt im Abenteuer ist. Wenn die Spieler einen Ort suchen von dem ich auch nur weiß "der ist ungefähr da" lasse ich sie würfeln und wenn sie Probe schaffen kommen sie an und wenn die Probe misslingt eben nicht. Ergebnisoffenes Spiel halt. Sie können auch danach weitere Vorteile einkaufen, z.B. eine Suchmannschaft organisieren oder warten bis die Lichtverhältnisse besser sind oder oder oder. Aber ob ich mich entscheide, in der Taverne nach den neuesten Gerüchten zu hören und in die Dunkelwüste zum Dungeon geschickt zu werden oder den Magier frage ob man für ihn magische Materialien benötit und dann in die Finsterwüste geschickt wird, wo dann derselbe Dungeon ist... Das ist doch keine Spielerentscheidung, die man entwerten würde, wenn man da ein wenig Illusionismus betreibt und man erst nach Wahl der Spieler festlegt, dass da nun dieser vorbereitete Dungeon ist.

Es besteht womöglich auch eine Nähe zu nebellands Methodischer Spielleitung. Es ist ein paar Jahre her, dass ich es gelesen habe, aber soweit ich mich erinnere geht es in eine ganz ähnliche Richtung, nur dass es da hauptsächlich um die Verteilung von Informationen geht, um Flaschenhälse in Abenteuern zu reduzieren, soweit ich mich erinnere.
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Offline fivebucks

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Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
« Antwort #1 am: 24.08.2016 | 19:06 »
Ja, so gehts...  :d

Offline 1of3

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Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
« Antwort #2 am: 24.08.2016 | 19:13 »
Man kann das Gedankenexperiment noch mal weiterspinnen: Was wenn du nichts vorbereitet hättest, also weder etwas für die Traumwelt noch für den Sumpf, sondern frei improvisiert hättest? Dann hätten die Spieler ja auch nicht mehr Entscheidung gehabt.

Oder wenn du jetzt eine Zufallstabelle benutzt hättest und die sowohl für den Sumpf als in der Traumwelt bemüht hättest, dann macht die Entscheidung ja keinen Sinn. Ist ja die gleiche Zufallstabelle.

Und überhaupt: Sie konsultieren diese Leute doch zum Erreichen irgendeines Ziels. Und das Ziel lässt sich doch auf beide Weisen erreichen. Also ist die Entscheidung so oder so nicht entscheidend für das Erreichen des Ziels und "ändert die Spielentwicklung nicht maßgeblich". Oder wie?

Kurz und gut: Die ganzen Diskussionen, um "Ergebnisoffenheit" gehen fehl, schlicht und ergreifend, weil gar nicht vorher feststeht, was eigentlich das Ergebnis ist, das da offen bleiben soll, oder welche Beeinflussung des Spielverlaufs eben "maßgeblich" ist.

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Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
« Antwort #3 am: 25.08.2016 | 08:57 »
Nein, 1of3. Da unterliegst Du meiner Ansicht nach einem Fehlverständnis. Ich bin ein bisschen bestürzt über diesen kompletten Thread hier, denn er zeigt, dass das ganze Thema meiner Ansicht von sehr vielen Leuten noch nicht hinreichend durchdrungen wurde.

Der Autor dieses Topics, Der Narr, beispielsweise wehrt sich massiv gegen Würfeldrehen und hält das für eine unterlegene, schlechte Technik. Soweit würde ich sogar noch mitgehen. Entscheidend ist aber nicht, ob der eine an Würfeln dreht oder der andere Railroading betreibt - oder meinetwegen auch wie hier im Thread propagiert Railroading in Form von Illusionismus. Entscheidend für die Bewertung eines Umstands und für das Verständnis des Themas ist meiner Ansicht nach etwas anderes. Die zentrale Frage lautet:

Handelt der SL mit der Absicht einer dramaturgischen Gestaltung?

In diesem Thread lautet die Antwort eindeutig: JA. Außerdem wird hier sehr schnell klar, dass Würfeldrehen, Railroading, goldene Regel und Illusionismus allesamt Teil eines dramaturgiegetriebenen Maßnahmenpaketes sind. Es ist nämlich vollkommen egal, ob es eine Zufallstabelle gibt, auf der der SL "zufällig" den bereits vorbereiteten Dungeon "erwürfelt" (vulgo: Würfeldrehen) oder ob es halt nur einen einzigen Dungeon gibt und der halt überall auftauchen kann (vulgo: Railroading). Letztendlich kann man mit verschiedenen Techniken das gleiche Resultat erreichen: eine dramaturgiegetriebene Spielleitung.

Ich habe mit derlei Techniken wenig Probleme. Es muss halt nur der gefestigte Eindruck bei mir in der Rolle des SL entstanden sein, dass das für die Gruppe in Ordnung ist und ich mich nicht über die anderen Köpfe hinweg in Willkür übe. Genau so etwas beschreibe ich ja andauernd, wenn ich davon spreche, dass ein gesund dosiertes Maß an handlungsbeschneidenden Maßnahmen durch den SL durchaus sinnvoll sein kann. Das ist sogar ausgesprochen sinnvoll. NATÜRLICH kann man einen cooleren Dungeon bauen, wenn man den nicht improvisieren muss. Also: Railroading oder goldene Regel oder Illusionismus oder Würfel drehen. Im Kern das gleiche. Es kommt da auf das richtige Händchen des SL an. Innerhalb des Dungeon dann wieder volle Freiheit? Wunderbar!

Was mich an diesem Thread so sprachlos macht, ist der Autor und dessen bisherige Inhalte. Das ist so eine unfassbare Diskrepanz zwischen den Äußerungen und der Praxis am Spieltisch. Irgendwo muss da noch - vielleicht auch bei mir - ein ganz gewaltiges Missverständnis verborgen sein. Denn wenn ich von Würfeldrehen, Railroading, goldener Regel und so weiter spreche, dann meine ich EXAKT solche Situationen wie die hier beschriebenen.

Derlei SL-Techniken sind heikel, weil sie in die Handlungsfreiheit der Spieler eingreifen.
Sie sind plump, weil im Kern ja "die Story" mit dem Holzhammer auf die Schiene gezwungen wird.
Und sie sind schwierig dosierbar, weil die individuellen Präferenzen der Spieler in Reaktion auf freiheitsraubende Maßnahmen höchst unterschiedlich sind.

Dennoch halte ich den behutsamen Einsatz von derlei Techniken, wenn denn der berechtigte Eindruck der Akzeptanz in der Runde besteht, für vollkommen legitim und sogar hilfreich. Case closed.


Endless

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Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
« Antwort #4 am: 25.08.2016 | 09:10 »
Ich kenne viele Spieler, die diese Illusion wollen, mich eingeschlossen. Für uns ist es also sicher nicht negativ.

Wenn ich mal der Definition folge, wäre dann nicht jede Form von Improvisation eine Art des Illusionismus? Wenn der Spielleiter nicht immer wieder deutlich deklariert, sich irgendein Spielelement spontan ausgedacht zu haben, ist doch das Ziel der Improvisation in den allermeisten Fällen die Erzeugung einer Illusion von Konzeptsicherheit und stimmungsvollem Design, oder überseh ich da was?

So gesehen sehe ich es sogar als Teil der spielleiterischen Aufgabe zu entscheiden, wann und wie ein bestimmter Dungeon oder ein anderes Element in die gespielte Geschichte eingewoben wird. Diese Willkür ist also im Grunde immer vorhanden.. ist das dann illusorisch? Betrügt man damit die Spieler? Doch nur wenn sie zu jeder Zeit absolute Überwachung und Kontrolle über den Spielverlauf einfordern.

Offline KhornedBeef

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Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
« Antwort #5 am: 25.08.2016 | 09:16 »
[...] ist das dann illusionistisch? Betrügt man damit die Spieler? Doch nur wenn sie zu jeder Zeit absolute Überwachung und Kontrolle über den Spielverlauf einfordern.
Fixed it for you. Wobei ich keine Garantien abgebe, Fachwörter ausnahmslos richtig zu gebrauchen, das wäre völlig illusorisch :)
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Wellentänzer

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Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
« Antwort #6 am: 25.08.2016 | 09:17 »
Wenn ich mal der Definition folge, wäre dann nicht jede Form von Improvisation eine Art des Illusionismus?

Nein. Du kannst entweder den natürlichen Fortgang der Spielwelt in Abhängigkeit der Aktionen der Spieler zu simulieren versuchen. Das ist dann keinerlei Illusionismus. Oder Du kannst, etwa weil Du gerade eh einen saucoolen Dungeon vorbereitet hast, die Spieler in eine bestimmte Richtung manövrieren. Das sind dann Aktivitäten des SL mit einer dramaturgiegetriebenen Absicht. Letztendlich kann man das als Spieler erst nach einer gewissen Zeit erkennen. Die meisten SPieler, die ich so kenne, hätten tatsächlich gegen sanfte, dramaturgische Eingriffe des SL nichts einzuwenden. Stimmt.

Offline Boba Fett

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Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
« Antwort #7 am: 25.08.2016 | 09:22 »
Illusionismus ist dysfunktional? Ja, ist er wohl.
Wer würde bestreiten, dass man seinen Spielleiter nicht irgendwann gut genug kennt, um zu erkennen, wann er den Leuten Handlungsoptionen vorgaukelt, die gar nicht existieren.

Trotzdem kann Illusionismus in Rollenspielgruppen funktionieren - immerhin beweisen das viele Gruppen.
Und zwar immer dann, wenn man entweder nichts anderes kennt oder sich bewußt darauf einläßt.

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Offline Der Nârr

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Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
« Antwort #8 am: 25.08.2016 | 09:26 »
Wenn ich mal der Definition folge, wäre dann nicht jede Form von Improvisation eine Art des Illusionismus?
Ja, das denke ich auch. Es gibt aber auch Stimmen, die sagen, dass der SL auch in der Improvisation seine Entscheidungen im voraus trifft und wenn es den Bruchteil einer Sekunde vorher ist und dass der SL dies aufgrund von Wissen über die Welt macht, er also nicht willkürlich entscheide, sondern die Entscheidung treffe, die die einzig richtige sei. Ich meine, so etwas beim RPG Pundit gelesen zu haben, kann mich aber auch irren.
Das Improvisieren von z.B. NPC im normalen Spiel würde ich da sowieso nicht drunter fallen lassen.

So gesehen sehe ich es sogar als Teil der spielleiterischen Aufgabe zu entscheiden, wann und wie ein bestimmter Dungeon oder ein anderes Element in die gespielte Geschichte eingewoben wird. Diese Willkür ist also im Grunde immer vorhanden.. ist das dann illusorisch? Betrügt man damit die Spieler? Doch nur wenn sie zu jeder Zeit absolute Überwachung und Kontrolle über den Spielverlauf einfordern.
Es wird deutlicher beim Dungeon. Steht der Dungeon vorher fest, hast du tolles freies Spiel mit lauter Entscheidungen, die etwas wert sind. Es macht einen Unterschied, ob du links oder rechts gehst - vielleicht kämpfst du zuerst gegen die Goblins oder zuerst gegen die Hobgoblins, ein maßgeblicher Einfluss der Spieler auf die Story. Wenn ich die Räume oder Gegner aber in einer festgelegten Reihenfolge abarbeite, egal ob die Spieler links oder rechts gehen, und sie zuerst gegen die Goblins und dann die Hobgoblins kämpfen müssen, dann ist das Illusionismus. Sie denken, sie hätten Einfluss darauf gehabt, ob sie links oder rechts gehen, in echt hatten sie die Wahl aber gar nicht. Denn die Wahl zwischen Goblins oder Hobgoblins ist ihnen ja genommen worden.

Die Frage wäre, wie Willkür und Illusion überhaupt zusammen hängen. Ich denke, das muss überhaupt nicht sein. Wenn ich den Raum links und rechts im voraus verteile ist das ja auch Willkür. Es ist also nicht willkürlicher, wenn ich es im Nachhinein festlege, sondern einfach ein anderes Kriterium, nach dem ich arbeite.



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Offline Maarzan

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Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
« Antwort #9 am: 25.08.2016 | 09:30 »
Bezgl. Wortabgrenzungen:

Wenn die Spieler wissen, dass - z.B. wegen bekannterweise begrenzter Spielzeit auf einem Con - der Spielleiter das Spiel letztlich scripted war das meiner Erinnerung nach Partizipismus.

Wird nur die Ablaufrichtung (bekannterweise) vorgegeben, aber die Handlungen an den Stationen nur wo es unbedingt notwendig ist die nächste Station zu erreichen, hieß es meine ich Trailblazing.

Und Illussionismus ist es, wenn die Spieler nichts von der Manipulation wissen und glauben frei handeln zu können.

Edit: Wollen sie das aber, gibt es eben üblicherweise Stunk, wenn sie dahinter kommen - ebenso üblicherwiese, weil es irgendwann einmal einen Richtungskonflikt gibt, den die Spieler dann nicht "schlucken" oder der Spieleliter sich mit irgend einem Detail verhaspelt und in Widersprüche verwickelt hat und dann zu grob oder einmal zu oft Schienen legen musste.


Bezgl. Improvisationen:
Die wird es immer geben müssen. Die entscheidende Frage ist dann in wie weit der Spielleiter diese Entscheidungen nach dem Geiste des vorher in Aussicht gestellten Spielstils trifft.






« Letzte Änderung: 25.08.2016 | 09:35 von Maarzan »
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Offline 1of3

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Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
« Antwort #10 am: 25.08.2016 | 09:33 »
Nein, 1of3. Da unterliegst Du meiner Ansicht nach einem Fehlverständnis. Ich bin ein bisschen bestürzt über diesen kompletten Thread hier, denn er zeigt, dass das ganze Thema meiner Ansicht von sehr vielen Leuten noch nicht hinreichend durchdrungen wurde.

Ja, also das nehme ich auch bei einer anwesenden Person an. Die Frage ist doch nicht, ob das Spiel "dramaturgiegetrieben" ist oder dergleichen. Die Frage ist, wie man effizient Spielrunden vorbereitet. Ich zitiere den Eingangsbeitrag:

Zitat
Warum ich das gemacht habe? Effizientes Spielleiten natürlich: Nur eine Sache vorbereiten, aber den Spielern eine Wahlmöglichkeit zu geben.

Die überhaupt höchste Wahrscheinlichkeit, dass jemand "Railroading!" schreit, ist nicht, der Wunsch der SL irgendeine Dramaturgie zu erschaffen. Meistens ist es eben genau, dass nur dies oder jenes "vorbereitet" ist, aber die Grenzen dieser Vorbereitung nicht klar kommuniziert wurden. Was der Standard für hinreichende Vorbereitung ist, ist natürlich von Person zu Person verschieden.

Ich beschreibe mal eine typische Situation: Wir haben auf Eberron gespielt und es begab sich, dass die SCs von Sharn her zum südlichen Kontinent Xendrik fuhren, um in der dortigen Ansiedlung etwas zu erledigen. Dies ging von statten. Nach Erledigung der Sache wollte die Truppe "den Dschungel erforschen". Meine Vorstellung war allerdings gewesen, dass sie das nächste Schiff zurück nehmen und jene Dinge erledigen, die zu Hause eben so waren.

Hier lag offensichtliche Fehlkommunikation vor.
Was ich dachte gesagt zu haben: Geht mal dahin, macht diesen Auftrag und dann machen wir mit der Haupthandlung weiter.
Was die Truppe gehört hat: Wir sollen auf einen unerforschten Kontinent voller Ruinen, Monster und Abenteuer? BINGO!

Ich hätte jetzt natürlich versuchen können, sie in fiktionaler Verpackung (durch Auftraggeber, Belohnung, Drohung) darauf hinzuweisen, was ich vorbereitet hatte, dass sie also das nächste Schiff zurück nähmen. Mit dieser Maßnahme hätte ich ganz sicher Schreie wegen "Railroading!" provoziert. Ich wählte nach kurzem Zögern die vernünftige Reaktion: "Tja, also, das hab ich nicht vorbereitet." - "Kein Problem, Stefan, das kriegst du hin."

Die Runde lief dann ganz OK weiter. Ich möchte hinzufügen, dass ich die Runde nicht als besonders "dramaturgisch" in irgendeiner Weise bezeichnen würde. Es war D&D4; man haute vor variabler Szenerie verschiendentliche Monster tot. Aber hier zeigt sich: "Railroading!" ist nichts, was man tut, sondern Ergebnis eines Kommunikations-GAUs. Wir wären nie in diese Situation gelangt, wenn ich vorher anders kommuniziert hätte.

Wenn du also vermeiden willst, dass dir "Railroading!" vorgeworfen wird, musst du nicht anders vorbereiten oder alles einplanen oder interessenlos agieren oder irgendwas von diesen tollen Tipps. Statt dessen: Mache glasklar, wo das Abenteuer ist. Der Glaube, dass Spieler auf jeden Fall unerwartete Dinge tun, ist falsch. Wenn es zu dieser Situation kommt, hast du dich selbst überlistet.
« Letzte Änderung: 25.08.2016 | 09:39 von 1of3 »

Offline KhornedBeef

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Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
« Antwort #11 am: 25.08.2016 | 09:40 »
[...] Mache glasklar, wo das Abenteuer ist. [...]
Das ist ein schöner Tipp, den man nie vergessen sollte. Nichtmal in Gruppen, die eigentlich wegen was anderem am Tisch sind.

Zu den unerwarteten Dingen, ich sage nur

1of3: "Den Charakteren ist ja klar, was zu tun ist"
Ein bestimmte Sorte Spieler: "Challenge accepted!"

Aber wenn man seine Pappenheimer kennt ist das wahrscheinlich alles schon soweit, dass die wissen, wie sie sich austoben, ohne deinen Plot/Abenteuer zu vernichten ;)
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Endless

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Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
« Antwort #12 am: 25.08.2016 | 09:41 »
Fixed it for you. Wobei ich keine Garantien abgebe, Fachwörter ausnahmslos richtig zu gebrauchen, das wäre völlig illusorisch :)

thx for the spellcheck :P ;)

Nein. Du kannst entweder den natürlichen Fortgang der Spielwelt in Abhängigkeit der Aktionen der Spieler zu simulieren versuchen. Das ist dann keinerlei Illusionismus. Oder Du kannst, etwa weil Du gerade eh einen saucoolen Dungeon vorbereitet hast, die Spieler in eine bestimmte Richtung manövrieren. Das sind dann Aktivitäten des SL mit einer dramaturgiegetriebenen Absicht. Letztendlich kann man das als Spieler erst nach einer gewissen Zeit erkennen. Die meisten SPieler, die ich so kenne, hätten tatsächlich gegen sanfte, dramaturgische Eingriffe des SL nichts einzuwenden. Stimmt.

Okay ja. Wobei "natürlicher Fortgang" ja auch eher eine subjektive Einschätzung ist und in erster Linie wohl davon abhängt, was der Spielleiter (und im Nachhinein die Spieler) als natürlich empfinden. Man könnte ja theoretisch auch nur die Illusion aufbauen, dass das ein natürlicher Fortgang ist, wenn man die Simulation etwas in die eine Richtung drückt .. also im Grunde beide Möglichkeiten miteinander vereint. Ich hab das Gefühl, dass das in vielen Runden der Fall ist. Wann bekommt ein subjektiver Mensch schon immer eine astreine, objektive Simulation hin?

Ja, das denke ich auch. Es gibt aber auch Stimmen, die sagen, dass der SL auch in der Improvisation seine Entscheidungen im voraus trifft und wenn es den Bruchteil einer Sekunde vorher ist und dass der SL dies aufgrund von Wissen über die Welt macht, er also nicht willkürlich entscheide, sondern die Entscheidung treffe, die die einzig richtige sei. Ich meine, so etwas beim RPG Pundit gelesen zu haben, kann mich aber auch irren.

Das stimmt schon so, denke ich. Wenn man nicht völlig willkürlich improvisiert wird man sicher vorher immer versuchen Kohärenz zu bewahren, sonst fällts auch zu sehr auf oder stört. Aber ob das verhindert, das man die Illusion aufbaut? Gerade dann lenkt man doch, möglicherweise noch ohne Einflussnahme der anderen Spieler, weil man in diesem "Bruchteil der Sekunde" völlig subjektiv bewertet. Und ob dabei das einzig Richtige bei rauskommt ist ja dann wieder Gegenstand der Debatte am Tisch. Wenn nur einer findet, dass dem nicht so ist, wird aus der folgerichtigen Simulation ein illusionistischer (KhornedBeef ;)) Versuch der Einflussnahme durch den Spielleiter?

Zitat
Es wird deutlicher beim Dungeon. Steht der Dungeon vorher fest, hast du tolles freies Spiel mit lauter Entscheidungen, die etwas wert sind. Es macht einen Unterschied, ob du links oder rechts gehst - vielleicht kämpfst du zuerst gegen die Goblins oder zuerst gegen die Hobgoblins, ein maßgeblicher Einfluss der Spieler auf die Story. Wenn ich die Räume oder Gegner aber in einer festgelegten Reihenfolge abarbeite, egal ob die Spieler links oder rechts gehen, und sie zuerst gegen die Goblins und dann die Hobgoblins kämpfen müssen, dann ist das Illusionismus. Sie denken, sie hätten Einfluss darauf gehabt, ob sie links oder rechts gehen, in echt hatten sie die Wahl aber gar nicht. Denn die Wahl zwischen Goblins oder Hobgoblins ist ihnen ja genommen worden.

Ah okay. Ja, das kann ich nachvollziehen.

Offline Maarzan

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Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
« Antwort #13 am: 25.08.2016 | 09:43 »
Die Situation vom 1of3 ist sicher eine Variante. Allerdings eine, wo die Auflösung dann doch recht einfach ist, weil kein Interessenskonflikt vorliegt und es tatsächlich nur eine Kommunikationspanne ist.

Und sobald man "im richtigen Abenteuer ist" geht es ja auch wieder normal weiter.

Der "dramagetriebene" Fall ist in der Sicht problematischer und somit präsenter, weil es nicht nur um das Finden des Abenteuerbereichs geht, sondern auch der Rest unter der "Storyqualitätsprämisse" vom SL gegängelt wird, bzw. der Abenteuerbereich ganz wo anders liegt als vorher "verkauft".



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Wellentänzer

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Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
« Antwort #14 am: 25.08.2016 | 09:53 »
Wenn du also vermeiden willst, dass dir "Railroading!" vorgeworfen wird, musst du nicht anders vorbereiten oder alles einplanen oder interessenlos agieren oder irgendwas von diesen tollen Tipps. Statt dessen: Mache glasklar, wo das Abenteuer ist. Der Glaube, dass Spieler auf jeden Fall unerwartete Dinge tun, ist falsch. Wenn es zu dieser Situation kommt, hast du dich selbst überlistet.

Hm, jetzt verstehe ich Dich besser und Du hast auch gar nicht falsch verstanden. Sorry dafür. Du haust auf die gleiche Pauke wie ich nur mit ner anderen Perspektive.

Was mich daran so wundert: das ist doch blanker Partizipationismus!

Ich finde das total in Ordnung, aber jahrelang wurde man doch hier im Forum mit dem Gegenteil beschallt: Freiheit für die Spieler!!! Dass sich der Wind so schnell wieder gedreht hat, finde ich vollkommen überraschend.

Offline Der Nârr

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Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
« Antwort #15 am: 25.08.2016 | 10:02 »
Ja, also das nehme ich auch bei einer anwesenden Person an. Die Frage ist doch nicht, ob das Spiel "dramaturgiegetrieben" ist oder dergleichen. Die Frage ist, wie man effizient Spielrunden vorbereitet.
Ja, genau. Ich bin mir nicht sicher, ob es überhaupt "nicht dramaturgiegetriebenes" Spiel geben kann. Selbst wenn ich eine ARS-zertifizierte Sandbox leiten würde, wäre ja die Gestaltung der Sandbox selbst schon dramaturgiegetrieben gewesen. Selbst wenn ich eine Sandbox mit Zufallstabellen komplett auswürfle - die Erstellung der Tabellen war ja dramaturgiegetrieben. Und wenn ich die Sandbox oder die Tabellen vorher kaufe und sie von jemand Fremden sind, dann ist die Wahl ja dramaturgiegetrieben, z.B.: "Dwimmermount, epischer Megadungeon? Klingt nach einer coolen (=dramaturgiegetrieben) Sandbox, nehm ich, leite ich."

Was ich dachte gesagt zu haben: Geht mal dahin, macht diesen Auftrag und dann machen wir mit der Haupthandlung weiter.
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Mir ist kürzlich etwas ähnliches in kleiner passiert - da hatte ich nun den Dungeon und die verschiedenen Möglichkeiten zu ihm zu gelangen, aber vorher gab es eine Fluff-Szene mit Pilgern, die durch ein Dorf kamen. Zwei Stunden Beschäftigung mit den Pilgern später hatten die Spieler sich entschieden, sich den Pilgern anzuschließen bzw. ihnen sogar vorauszureiten und den Pilgerort vor ihnen zu erkunden. Tja, da muss man dann durch und fröhlich improvisieren. Allerdings muss ich sagen, dass ich genau diese eigenen Aktionen der Spieler auch haben und sehen will. Wenn die sich für die Pilger interessieren mache ich ja auch lieber was mit den Pilgern als mit dem Kram den ich mir im stillen Kämmerlein ausdenke.

Allerdings muss ich auch sagen, dass nach dem letzten SL, der eben wirklich immer sehr klar gemacht, wo das Abenteuer ist, die Spieler natürlicherweise bei allem was einen Namen hat oder irgendwie aus dem Rahmen fällt das Abenteuer vermuten. Das ist ja auch eine effektive Strategie, die die Spieler anwenden und zeigt eigentlich, dass man es mit einer sehr freundlichen Gruppe zu tun hat, die auf alles eingeht :). Dummerweise habe ich eine Namensliste und bei mir hat jeder NPC potentiell einen Namen, hrhrhr.
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Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
« Antwort #16 am: 25.08.2016 | 10:03 »
Die wesentliche Frage, ob bei so etwas nun Illusionismus vorliegt oder nicht, ist doch, ob hier eine Spielerentscheidung entwertet und dies dem Spieler verschleiert wird. Um zu erkennen, ob eine Spielerentscheidung entwertet wird, müsste man erst mal wissen, welche Entscheidung die Spieler treffen. Denn einfach nur nach a oder b gehen ist es nicht. Man geht ja aufgrund einer bestimmten Motivation nach a oder b. So lange diese Motivation bedient wird, sehe ich hier keinen Illusionismus. Der wäre gegeben, wenn die Spieler dort auf etwas treffen wollten, von dem sie ausgehen konnten, dass es da ist, aber durch den Dungeon ersetzt wurde, oder wenn sie davon ausgehen konnten, dass ihre Entscheidung dazu führt, dass sie keinen Dungeon betreten müssen etc.

Railroading, das hinter dem Begriff des Illusionismus steckt, beinhaltet ja nicht nur eine Entwertung oder Einschränkung von Handlungsmöglichkeiten der Spieler, sondern auch die Motivation seitens der Spielleitung, die Entwertung oder Einschränkung gegen die Interessen der Spieler vorzunehmen. Und letzteres ist hier zunächst mal nicht der Fall.

Insofern: das hier läuft vermutlich nicht auf Illusionismus raus, sondern auf blanken Partizipationismus.
« Letzte Änderung: 25.08.2016 | 10:07 von Crimson King »
Nichts Bessers weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen
Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei,
Wenn hinten, weit, in der Türkei,
Die Völker aufeinander schlagen.
Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus
Und sieht den Fluß hinab die bunten Schiffe gleiten;
Dann kehrt man abends froh nach Haus,
Und segnet Fried und Friedenszeiten.

J.W. von Goethe

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Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
« Antwort #17 am: 25.08.2016 | 10:06 »
Ja, genau. Ich bin mir nicht sicher, ob es überhaupt "nicht dramaturgiegetriebenes" Spiel geben kann. Selbst wenn ich eine ARS-zertifizierte Sandbox leiten würde, wäre ja die Gestaltung der Sandbox selbst schon dramaturgiegetrieben gewesen. Selbst wenn ich eine Sandbox mit Zufallstabellen komplett auswürfle - die Erstellung der Tabellen war ja dramaturgiegetrieben. Und wenn ich die Sandbox oder die Tabellen vorher kaufe und sie von jemand Fremden sind, dann ist die Wahl ja dramaturgiegetrieben, z.B.: "Dwimmermount, epischer Megadungeon? Klingt nach einer coolen (=dramaturgiegetrieben) Sandbox, nehm ich, leite ich."

Eine Sandbox muss im Vorfeld natürlich dramaturgiegetrieben konstruiert werden. Entscheidend ist aber, dass die Handlungsmaschine nach Anlaufen NICHT MEHR nach dramaturgiegetriebenen, sondern nach simulativen Mustern arbeitet. Sonst isses keine Sandbox mehr. Das konstitutive Element einer Sandbox ist die Simulation des Geschehens anhand klarer Regeln oder aus der Weltlogik abgeleiteter Rulings. Während des Spiels gilt das Credo "Der SL hat kein Eigeninteresse zu verfolgen. Er hat die Welt zu simulieren.". Das ist ein fundamentaler Unterschied zu dramaturgiegetriebenen SL, die gerne mal sowas wie die Rule of Cool nutzen.

@ Crimson: Ja klar. Aber ob es sich nun um Illusionismus (also verborgene Bahnung des Spielgeschehens gegen den Willen der Spieler) oder Partizipationismus (also verborgene Bahnung des Spielgeschehens mit dem Einverständnis der Spieler) handelt, finde ich letztlich nicht so bedeutsam für die Diskussion im Thread. Da unterwerfen wir uns quasi freiwillig und ohne Not den Wortungetümen der Forge. Oder?
« Letzte Änderung: 25.08.2016 | 10:08 von Wellentänzer »

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Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
« Antwort #18 am: 25.08.2016 | 10:10 »
Eine Sandbox muss im Vorfeld natürlich dramaturgiegetrieben konstruiert werden.

Sollte, nicht muss. Klassische Hexcrawls scheißen glaube ich auf jedwede Form von Plotgetriebenheit, der meines Erachtens der bessere Begriff ist. Dramaturgie beinhaltet nicht nur, dass Handlung fortlaufen soll, sondern auch bestimmte Formen und Strukturen des Handlungsverlaufs.
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Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
« Antwort #19 am: 25.08.2016 | 10:12 »
Sollte, nicht muss. Klassische Hexcrawls scheißen glaube ich auf jedwede Form von Plotgetriebenheit, der meines Erachtens der bessere Begriff ist. Dramaturgie beinhaltet nicht nur, dass Handlung fortlaufen soll, sondern auch bestimmte Formen und Strukturen des Handlungsverlaufs.

Stimmt. Point taken. Ich hätte bei dem Begriff der Plotgetriebenheit die Befürchtung, dass dann direkt die Frage aufkommt "Was ist denn der Plot?". Damit stürzt Du Dich direkt in die nächste Diskussionsruine. Aber inhaltlich stimme ich zu und probiere das in Zukunft gerne aus.

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Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
« Antwort #20 am: 25.08.2016 | 10:13 »
Die wesentliche Frage, ob bei so etwas nun Illusionismus vorliegt oder nicht, ist doch, ob hier eine Spielerentscheidung entwertet und dies dem Spieler verschleiert wird. Um zu erkennen, ob eine Spielerentscheidung entwertet wird, müsste man erst mal wissen, welche Entscheidung die Spieler treffen. Denn einfach nur nach a oder b gehen ist es nicht. Man geht ja aufgrund einer bestimmten Motivation nach a oder b. So lange diese Motivation bedient wird, sehe ich hier keinen Illusionismus.
Wenn ich mir rückblickend in meinem Sumpf vs Traumwelt Beispiel die Wahl ansehe... In meiner Vorstellung ging es da vor allem um Sumpf oder Traumwelt, weil ich damit gearbeitet habe. Aber die Spieler haben die Wahl aufgrund sozialer Beziehungen getroffen - sie haben von beiden, Wahrsagerin oder Magier, zwar Hilfe erwartet, der Wahrsagerin aber eher ihr Vertrauen geschenkt. Und auf dieser sozialen Ebene hatte diese Wahl ja auch echte, konkrete, maßgebliche Auswirkungen. Ob es dann in die Traumwelt oder den Sumpf gegangen wäre und dass da jeweils die gleichen Encounter warteten, das war den Spieler weder bekannt noch für sie interessant. (Ich hatte es ihnen auch hinterher erklärt, wie ich das vorbereitet habe, weil ich wissen wollte, ob es so für die Spieler OK ist). Weil also die Entscheidung, die die Spieler treffen wollten (eine soziale) nicht entwertet wurde, wäre es kein Illusionismus?

Du würdest also der strengen Auslegung folgen, in der Illusionismus zwangsläufig eine Entwertung von Spielerentscheidungen ist? Das würde auf jeden Fall helfen, den Illusionismus-Begriff zu schärfen.

Ich muss doch noch mal in die Methodische Spielleitung von nebelland hineinlesen.
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Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
« Antwort #21 am: 25.08.2016 | 10:19 »
Kurze Frage:
Seht ihr "Dramaturgie" als negativ konnotiert an?

Zu Illusionismus:
Ein ganz klares "kommt drauf an".
Als DSA-Fanboy stelle ich da gerne die "7 Gezeichneten-Kampagne" und die "Hinter dem Thron"-Kampagne gegenüber.
Aus meiner ganz subjektiven Sicht war erstere Railroading in Reinkultur und das im negativen Sinne, denn bei meinen Spielern kam durchaus rüber "Es ist an sich egal was wir machen, das Ende steht fest!" (Klar: Hatten wir auch schöne Momente, aber darum geht es hier nicht).

Die zweite hingegen ließ den Spielern viel Freiheiten für welche Seite sie sich entscheiden und oft auch, welche Miniplots sie wie lösen oder eben auch nicht. Auch der Spielleiter hatte extrem viele Freiheiten, welche Szenarien und Abenteuer er kombiniert. Wir hatten grßtls einen Schweinespaß (von manchen langatmigen Detektivplots abgesehen).
ABER auch hier stand das Ende fest. "Railroading durch die Hintertür", "Railroading mit mehreren Schienen", "Railroading mit Zwischenstop in der Sandbox", whatever.
War das Illusionismus? Sicher! Denn auch dort galt ""Es ist an sich egal was wir machen, das Ende steht fest!".
Nur halt mit dem Unterschied, dass es sich - auch bei gleichbleibendem Ergenis in 185 Gruppen - als ein "eigenes Werk" anfühlte.

Ich betrachte - zumindest dieses eine Beispiel - dies daher  als sehr positives Beispiel für Illusionismus.

EDIT zur Frage des Narren:
Man sollte vielleicht vorher "Entwertung von Spielerentscheidungen" definieren. Im moralischen Sinne? Oder nur im tatsächlichen Sinne (Ende steht eh fest)?
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Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
« Antwort #22 am: 25.08.2016 | 10:20 »
@ Crimson: Ja klar. Aber ob es sich nun um Illusionismus (also verborgene Bahnung des Spielgeschehens gegen den Willen der Spieler) oder Partizipationismus (also verborgene Bahnung des Spielgeschehens mit dem Einverständnis der Spieler) handelt, finde ich letztlich nicht so bedeutsam für die Diskussion im Thread. Da unterwerfen wir uns quasi freiwillig und ohne Not den Wortungetümen der Forge. Oder?

Geht so. Ich finde, es ist schon ein Unterschied, ob die Spielleitung die Spieler einschränkt, oder ob die Spieler es selbst tun. Rollenspiel ist ja nun mal eine soziale Tätigkeit (und gerade die Forge hat ihre Theorien vor diesem Hintergrund erstellt, sie hat vor allem versucht, die sozialen Zusammenhänge im Rollenspiel zu beschreiben), und die Auswirkungen von Techniken auf das soziale Gefüge sind natürlich von Interesse. Wenn die Spieler irgendwann feststellen, dass all ihre ach so freien Entscheidungen in Wirklichkeit das Resultat knüppelharter Manipulation seitens des SL waren, reagieren sie möglicherweise ungehalten. Wenn sie dagegen feststellen, dass ihre Entscheidungen vor allem dort manipuliert wurden, wo die Spieler eh keine besonderen Interessen hatten, dürfte das eher unproblematisch sein.


Wenn ich mir rückblickend in meinem Sumpf vs Traumwelt Beispiel die Wahl ansehe... In meiner Vorstellung ging es da vor allem um Sumpf oder Traumwelt, weil ich damit gearbeitet habe. Aber die Spieler haben die Wahl aufgrund sozialer Beziehungen getroffen - sie haben von beiden, Wahrsagerin oder Magier, zwar Hilfe erwartet, der Wahrsagerin aber eher ihr Vertrauen geschenkt. Und auf dieser sozialen Ebene hatte diese Wahl ja auch echte, konkrete, maßgebliche Auswirkungen. Ob es dann in die Traumwelt oder den Sumpf gegangen wäre und dass da jeweils die gleichen Encounter warteten, das war den Spieler weder bekannt noch für sie interessant. (Ich hatte es ihnen auch hinterher erklärt, wie ich das vorbereitet habe, weil ich wissen wollte, ob es so für die Spieler OK ist). Weil also die Entscheidung, die die Spieler treffen wollten (eine soziale) nicht entwertet wurde, wäre es kein Illusionismus?

Meines Erachtens war das kein Illusionismus. Die für die Spieler relevanten Entscheidungen wurden nicht entwertet.


Kurze Frage:
Seht ihr "Dramaturgie" als negativ konnotiert an?

Nö. Dramaturgische Techniken sind in bestimmten Spielweisen hilfreich, in anderen eher störend, wie so ziemlich jede andere Technik auch.
« Letzte Änderung: 25.08.2016 | 10:25 von Crimson King »
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Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
« Antwort #23 am: 25.08.2016 | 10:23 »
Aber ob es sich nun um Illusionismus (also verborgene Bahnung des Spielgeschehens gegen den Willen der Spieler) oder Partizipationismus (also verborgene Bahnung des Spielgeschehens mit dem Einverständnis der Spieler) handelt, finde ich letztlich nicht so bedeutsam für die Diskussion im Thread. Da unterwerfen wir uns quasi freiwillig und ohne Not den Wortungetümen der Forge. Oder?

Das ist meines Erachtens der entscheidende Unterscheid, weil es den Unterschied macht zwischen informierten, damit willigen und idealerweise sogar in die Richtung aufmerksamen Mitspielern und solchen, die unwissend da ggf sogar "Plotbomben" gebaut haben, spätestens aber wenn sie stinkig werden, wenn sie für völlig legitim angenommene Spielbeteiligung jetzt wiederholt die Schiene zu spüren bekommen. 
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Offline ArneBab

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Re: Illusionismus immer negativ behaftet?
« Antwort #24 am: 25.08.2016 | 10:34 »
Für mich wird eine Spielerentscheidung erst dann entwertet, wenn sich die Spieler explizit gegen etwas bestimmtes entscheiden und die  SL es trotzdem durchdrückt.

Sumpf vs. Traumwelt: Ihre Entscheidung wurde berücksichtigt: Das Szenario hatte als Hintergrund die Traumwelt, wie sie es wollten, und damit ist die Traumwelt entsprechend festgelegt — der Sumpf aber nicht.

Im Endeffekt geht es um die Intention: Wenn die SL der Intention der Spielerinnen und Spieler zuwider handelt, ist es ein Problem. Oft sieht man das daran, was passiert, wenn Leute versuchen, aus dem Plot auszubrechen. Greift die SL auf Zwang zurück oder führt Szenen ein, die zwar formell der Entscheidung der Leute folgen, aber die  Intention brechen, dann war das die negative Form von Illusionismus. Greift sie die Entscheidung auf und ändert die Situation entsprechend der Intention der Spielerinnen und Spieler, dann war es die positive Form von Illusionismus.
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