Ich entdecke gerade den Illusionismus für mich, habe aber Verständnisfragen, bei denen mir Theoretiker vielleicht helfen können.
In der FAQ von Georgio heißt es nun:
Spielarten und Spielstile (I)
Illusionism
Kurz: Wenn nur der SL das Spiel vorantreibt und die Spieler es nicht wissen.
Erklärung: Ein Spielleiter-Stil bei dem die Spieler im Glauben gelassen werden, die Spielentwicklung maßgeblich und gezielt beeinflußen zu können, obwohl der SL die alleinige Entscheidungsgewalt für sich behält.
Warum?: Eine weit verbreitete Spielform mit der der Widerspruch des “Impossible Thing…” aufgelöst werden soll. In den Augen einiger ist sie im Kern dysfunktional, da sie eine Täuschung der Spieler voraussetzt.
Für mich klingt dies zunächst sehr negativ. Den Spielern wird etwas vorgegaukelt und sie könnten nichts maßgeblich oder gezielt beeinflussen. Also wie in der Definition angedeutet eben "im Kern dysfunktional". Leider legt die Formulierung der Definition nahe, dass es tatsächlich so ist und ich weiß nicht, ob die Definition da nicht vielleicht genau so formuliert wurde, dass sie der Kritik entspricht.
Vielleicht habe ich ein anderes Verständnis davon, wie tief greifend und das Spiel durchdringend Illusionismus ist. Ich kann mir vorstellen, dass es sich in einer extremen Form so verhalten kann. Daher möchte ich mal zwei Beispiele geben, wo ich Illusionismus einsetze:
1. Vor kurzem hatten die Spieler die Möglichkeit, in einer magischen Angelegenheit eine Wahrsagerin oder einen Magier um Hilfe zu bitten. Die Wahrsagerin hätte sie auf eine Traumreise geschickt, der Magier zu einem entlegenen Ort im Sumpf. In beiden Fällen hätte es mit kleinen Änderungen denselben Inhalt gegeben - eine Zufallsbegegnung wäre eine andere gewesen, ein paar Rahmenbedingungen wären andere (man gelangt in den Traum anders als in den Ort im Sumpf), ein wenig wäre die Stimmung eine andere (im Sumpf ist man noch auf derselben Welt, im Traum gibt es surreale Elemente). Aber die Gegner und ihre Werte sowie der konkrete Ort und was da zu tun war wären gleich gewesen. So gesehen habe ich die Spieler um eine Entscheidung beraubt - egal was sie tun, erleben sie im Grunde das gleiche. Warum ich das gemacht habe? Effizientes Spielleiten natürlich: Nur eine Sache vorbereiten, aber den Spielern eine Wahlmöglichkeit zu geben. Und natürlich hat die Wahl auch Auswirkungen. Stehen sie beim fremden Magier im Schuld oder haben sie sich auf die verrückte Wahrsagerin verlassen, ohne konkrete Nachteile beim NPC, dafür ist es in der Traumwelt etwas schwieriger, da die SC keine Ausrüstung mitnehmen konnten? Und erlebt man etwas im Sumpf, dann ist dort ein Ort etabliert. Sie hatten sich für die Traumwelt entschieden, nun wurde eben diese Traumwelt als möglicher weiterer Spielort etabliert, an den die Helden vielleicht noch öfter gelangen. Eine völlige Entwertung hat also nicht stattgefunden. Darüber hinaus kann ich nun im Sumpf einen anderen Ort platzieren. Die Spieler verpassen also auch nichts.
2. Ich habe wenig Zeit zur Abenteuervorbereitung, habe aber einen fertigen Dungeon vorbereitet. Der Dungeon ließe sich an einer Vielzahl an Orten plausibel unterbringen und es ließe sich aus einer Vielzahl an Quellen heraus auf ihn verweisen. Sobald die Spieler eine dieser Quellen erreichen, kann ich sie auf den Dungeon verweisen - ich könnte sie ihn sogar unterwegs zu einem anderen Ort als Random Encounter platzieren. Im Grunde ist es wie eine Zufallstabelle - nur dass in der Zufallstabelle keine Monster stehen, sondern der Dungeon und die Frage ist, wann darf ich auf die Zufallstabelle würfeln. So wie ich bestimme, im Wald auf die Wald-Zufallstabelle zu würfeln und im Dungeon Level 5 auf die Dungeon Level 5 Tabelle, kann ich auch bestimmen, in der Wüste meinen Wüsten-Dungeon zu platzieren - ohne mir vorher überlegt zu haben, auf welchem Hexfeld genau er zu stehen hat.
Ich kombiniere illusionistische Elemente also gerade auch mit Sandboxing.
Ferner bilden Illusionismus und Ergebnisoffenheit bei mir keinen Widerspruch. Mittels Illusionismus bringe ich vielleicht ein Problem, eine schwierige Situation, einen NSC, Gegner oder Dungeon ein. Aber ich gebe nicht vor, wie dies zu lösen ist. Die Spieler können gewinnen oder verlieren, die Herausforderungen bewältigen oder auch nicht. Und ihre Entscheidungen haben Gewicht - wie sie damit überhaupt umgehen. Und nach der Festlegung hat das ganze auch Konsequenzen.
Das ist ein bisschen wie Schrödingers Katze. Der Dungeon ist halt erst da, wenn man nachguckt.
Ich mache das eben auch, weil die Sandbox für mich so leichter von Sitzung zu Sitzung vorzubereiten ist. Es ist effizient. Aber der Illusionismus durchdringt auch nicht das ganze Spiel. Wenn ein Ort festgelegt ist und die Spieler gehen in die falsche Richtung, dann finden sie den Ort nicht, auch wenn das der eigentliche nächste Schritt im Abenteuer ist. Wenn die Spieler einen Ort suchen von dem ich auch nur weiß "der ist ungefähr da" lasse ich sie würfeln und wenn sie Probe schaffen kommen sie an und wenn die Probe misslingt eben nicht. Ergebnisoffenes Spiel halt. Sie können auch danach weitere Vorteile einkaufen, z.B. eine Suchmannschaft organisieren oder warten bis die Lichtverhältnisse besser sind oder oder oder. Aber ob ich mich entscheide, in der Taverne nach den neuesten Gerüchten zu hören und in die Dunkelwüste zum Dungeon geschickt zu werden oder den Magier frage ob man für ihn magische Materialien benötit und dann in die Finsterwüste geschickt wird, wo dann derselbe Dungeon ist... Das ist doch keine Spielerentscheidung, die man entwerten würde, wenn man da ein wenig Illusionismus betreibt und man erst nach Wahl der Spieler festlegt, dass da nun dieser vorbereitete Dungeon ist.
Es besteht womöglich auch eine Nähe zu nebellands Methodischer Spielleitung. Es ist ein paar Jahre her, dass ich es gelesen habe, aber soweit ich mich erinnere geht es in eine ganz ähnliche Richtung, nur dass es da hauptsächlich um die Verteilung von Informationen geht, um Flaschenhälse in Abenteuern zu reduzieren, soweit ich mich erinnere.