Autor Thema: Der SL MUSS das Recht haben, die Regeln zu brechen. Oder: die Pam-Krabbé-Rochade  (Gelesen 53654 mal)

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Offline Lichtbringer

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Da hier im Forum die letzten Wochen rege Diskussionen geführt wurden dazu, welchen Einfluss der Spielleiter haben sollte, wollte ich hier ein wichtiges Beispiel anbringen. Es soll zeigen, warum der SL in fast jedem Regelwerk das Recht haben muss, die Regeln zu interpretieren und im schlimmsten Fall zu brechen. (Wer meine Vorträge oder Texte kennt, wird mein Standardbeispiel wiedererkennen.)

Das Beispiel ist die Pam-Krabbé-Rochade – der Fall, in dem es zwei Powergamern allen Ernstes gelang, eine Regellücke in den Schachregeln zu finden.
Bis 1972 besagten die Rochaderegeln einfach, König und Turm könnten rochieren, wenn beide zuvor nicht bewegt wurden, die Felder dazwischen frei sind und der König nicht im Schach steht, nicht ins Schach zieht und das Feld dazwischen ebenfalls nicht bedroht ist. Dann zieht man den König zwei Felder auf den Turm zu und setzt den Turm auf die andere Seite des Königs.
Da sagten Pam und Krabbé: "Das ist ja großartig! Dann kann man ja einen Bauern gegenüber des Königs auf die feindliche Grundlinie bringen und in einen Turm unterverwandeln. Der Turm wurde zuvor nicht bewegt, es gab ihn ja gar nicht. Also kann ich eine Schwerfigur über das gesamte Brett rochieren."
(Erklärende Abbildung hängt an.)

Schach hat sehr viel einfachere Regeln als viele Rollenspiele (sie passen auf wenige A4-Seiten), es wird von viel mehr Leuten gespielt und das teilweise für ziemlich viel Geld. Wenn die Schachregeln trotzdem über Jahrzehnte eine Regellücke enthielten, dann ist niemand davor sicher. Ende der Debatte.

Das heißt, jedes Rollenspiel, das komplexer ist als z. B. Pool oder TWERPS, kann nicht Rules as Written gespielt werden. Es wird unvermeidlich Regellücken enthalten, über die man im akuten Fall entscheiden muss. Jemand muss das Recht haben, sich über den Text der Regeln hinwegzusetzen.
Man kann dies theoretisch im demokratischen Diskurs ausarbeiten, aber der Aufwand ist praktisch nie gerechtfertigt. In fast allen realen Fällen, ist es für den Spielspaß besser, wenn der SL Regeln improvisiert.
Der SL muss zum Wohle der Runde das Recht haben, die Regeln im Extremfall zu improvisieren. Die wichtige Frage der Diskussion scheint mir daher nur darin zu liegen, wie extrem dieser Extremfall werden muss, bevor der SL sein Vetorecht nutzen sollte.

[gelöscht durch Administrator]

Luxferre

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Dann gehst Du wahrscheinlich davon aus, dass der SL die Regeln anders interpretieren oder brechen würde, als die Spieler am Tisch, oder?
Denn an sich werden Regellücken, und ja, die gibt es in jedem System!, doch gemeinsam verhackstückt und dann im Sinne der Gruppe umgesetzt.

Aber ich gebe Dir recht. Der SL hat auch bei uns immer das letzte Wort. Es ist schließlich seine Kampagne und seine Arbeit, die da drin steckt.
Wir diskutieren Regellücken (D&D5E ist da ein ganz formidables Beispiel, Pathfinder übrigens auch) gemeinsam und der SL entscheidet schließlich. Schmeckt nicht immer jedem, aber wir haben eine Lösung und es kann weitergehen.

Offline KhornedBeef

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Korrektur: Das alles gilt möglicherweise für Rollenspiele, die ihrer Natur nach wie Schach sind.

Edit: Ich hätte an "alles" noch "in seiner Gesamtheit" anhängen sollen. Einzelaussagen gelten sicherlich auch in anderen Fällen.
« Letzte Änderung: 29.08.2016 | 09:33 von KhornedBeef »
"For a man with a hammer, all problems start to look like nails. For a man with a sword, there are no problems, only challenges to be met with steel and faith."
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Offline Lichtbringer

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Korrektur: Das alles gilt möglicherweise für Rollenspiele, die ihrer Natur nach wie Schach sind.

Ich bin mir nicht sicher, was das überhaupt bedeuten soll. Bitte um Erklärung inklusive Gegenbeispiel.

Just_Flo

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Bitte erkläre warum die Pam-Krabbé-Rochade eine Regellücke und nicht ein geschickter Einsatz der Regeln ist.

Offline KhornedBeef

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Ich bin mir nicht sicher, was das überhaupt bedeuten soll. Bitte um Erklärung inklusive Gegenbeispiel.
Das ganze ist bei Schach ein großes Problem, weil Schach eben wie Schach gespielt wird. Es ist grundsätzlich kompetitiv, und der Reiz kommt gerade daher dass es keine Zufälle beinhalten soll. Je nachdem wie ich ein Rollenspiel spiele, kann so ein "exploit" auch einfach mit hochgezogenen Augenbrauen zur Kenntnis genommen und zugelassen werden. No Regelbruch needed.
Natürlich kann man auch hingehen und das ganze von der Gruppe statt von der SL entscheiden lassen, aber das ist etwas haarpspalterisch.
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Just_Flo

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Aber darum geht es doch hier, um das Haarespalten!!!! Bzw. darum, das es der Sl sein muss und nicht die Gruppe.

Offline 1of3

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Lichtbringer, dein Argument enthält ein Non-Sequitur.

Deine Prämissen:

- Rollenspiele enthalten Regellücken.
- Breite Diskussion über Regellücken lohnt nicht.

Folgerung:

- Die SL muss schnell entscheiden.


Das folgt nicht. Wenn überhaupt kann man daraus folgern: "Eine Person muss schnell entscheiden."

Für gewöhnlich wird auch eine Person oder eine Gruppe weniger Personen schnell entscheiden: Die Alpha-Spieler. Diejenigen die in der Gruppe eine gewisse Autorität, qua Kenntnis, Erfahrung, Einsatz oder Auftreten haben. Dies wird passieren, wenn man einfach diskutieren lässt. Demokratie findet in kleinen Gruppen regelmäßig nicht statt. Und wenn man es doch versucht, sieht es albern aus: Stadtverordnete, in einer Fraktion mit zwei Leuten, die in geheimer Wahl ihren Vorsitzenden wählen, weil das so vorgeschrieben ist.

Es ist nun aber keine generell gute Idee a priori, die "SL" mit der Interpretation von Regeln zu beauftragen. Denn womöglich ist die SL bei fraglichen Regeln nicht kompetent. Der Anspruch, dass sie so entscheiden muss, erhöht die Eintrittsschwelle für SL-Tätigkeiten. Die "SL" wird so auf eine Schwelle gehoben, welche mit allerlei nebensächlichem Ballast ausgestattet wird, wobei das Kerngeschäft eigentlich ganz einfach ist: NSCs spielen.

In allen Rollenspielen mit "SL" ist dies der germeinsame Nenner: Spielt diejenigen Charaktere, die nicht von anderen Leuten gespielt werden. Alles andere kann mal vorkommen und mal nicht. Der nächst häufigste Punkt dürfte die Beschreibung der Umwelt sein, gefolgt von der Rolle des Questgebers, also der Auftrag durch Exposition innerhalb des Spiels, ein zwischenzeitliches Spielziel festzulegen. Es macht also nur eingeschränkt Sinn über "SL" in allgemeiner Form zu handeln: Unter diesem Schild werden eine ganze Reihe relativ unabhängiger Tätigkeiten subsummiert und ein Zusammengeklumpe hilft dem Verständnis wenig.

Offline Lichtschwerttänzer

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Bitte erkläre warum die Pam-Krabbé-Rochade eine Regellücke und nicht ein geschickter Einsatz der Regeln ist.
+ 1!


Einen Bauern bis ans Ende zu bringen ohne den König vorher zu bewegen, ist eine Leistung, die sich auszahlen darf, doppelt beim Königsbauern!


Das Beispiel ist die Pam-Krabbé-Rochade – der Fall, in dem es zwei Powergamern allen Ernstes gelang, eine Regellücke in den Schachregeln zu finden.
Bis 1972 besagten die Rochaderegeln einfach, König und Turm könnten rochieren, wenn beide zuvor nicht bewegt wurden, die Felder dazwischen frei sind und der König nicht im Schach steht, nicht ins Schach zieht und das Feld dazwischen ebenfalls nicht bedroht ist. Dann zieht man den König zwei Felder auf den Turm zu und setzt den Turm auf die andere Seite des Königs.
Da sagten Pam und Krabbé: "Das ist ja großartig! Dann kann man ja einen Bauern gegenüber des Königs auf die feindliche Grundlinie bringen und in einen Turm unterverwandeln. Der Turm wurde zuvor nicht bewegt, es gab ihn ja gar nicht. Also kann ich eine Schwerfigur über das gesamte Brett rochieren."
mit anderen Worten forderst der SL darf die Regeln brechen um die Mitspieler zu dissen, downen etc. pp..
“Uh, hey Bob?”
“What Steve?”
“Do you feel like we’ve forgotten anything?”
Sigh. “No Steve. I have my sword and my bow, and my arrows and my cloak and this hobbit here. What could I have forgotten?”
“I don’t know, like, all of our stuff? Like the tent, the bedroll, my shovel, your pot, our cups, the food, our water, your dice, my basket, that net, our spare nails and arrowheads, Jim’s pick, my shovel, the tent-pegs…”
“Crap.”

Offline vanadium

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[...] wobei das Kerngeschäft eigentlich ganz einfach ist: NSCs spielen.
In allen Rollenspielen mit "SL" ist dies der germeinsame Nenner: Spielt diejenigen Charaktere, die nicht von anderen Leuten gespielt werden. [...] Der nächst häufigste Punkt dürfte die Beschreibung der Umwelt sein, [...]

Das sehe ich umgekehrt: RPG ohne NSCs ist möglich, RPG ohne Umwelt nicht.
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Offline Boba Fett

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Der SL muss zum Wohle der Runde das Recht haben, die Regeln im Extremfall zu improvisieren.

Nein, muß er nicht.
Er kann im Falle, dass eine Regellücke offenbart wird, durchaus erklären, dass sie dieses Mal akzeptiert wird (und den Spielern, die sie ausnutzen ihren Vorteil gewähren),
daß es aber in Zukunft dafür eine Hausregel geben wird, die diese Regellücke schließt.
So würde ich mich als Spielleiter verhalten - und zwar selbst dann, wenn die Regellücke dazu führt, dass eine andere Spielfigur stark benachteiligt wird.
Selbst wenn deswegen ein anderer Charakter zu Tode kommt, würde ich in dieser Situation die Regellücke anwenden (in der nächsten Sitzung wäre der Egoist, der auf so eine Regellücke beharrt dann aber sehr wahrscheinlich nicht mehr integrales Bestandteil meiner Spielerrunde).

Wie die Hausregel dann aussieht, wie sie zustande kommt, wer konstruktiv daran mitgestaltet und wem man da auch (Mit-)Entscheidungsrecht einräumt, ist wiederum eine Sache jeder Spielrunde.
Das KANN der Spielleiter alleine sein, muß es aber nicht.
« Letzte Änderung: 29.08.2016 | 10:34 von Boba Fett »
Kopfgeldjäger? Diesen Abschaum brauchen wir hier nicht!

ErikErikson

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Bei dem Schach Beispiel verstehe ich nicht, warum das eine Regellücke ist. Die Vorraussetzungen sind doch recht eng, und wenn mans machen kann dann bewegt man doch den König mitten ins gegnerische Feld-aka der Vorteil davon erschließt sich mir nicht.

Offline Der Nârr

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Ich glaube es bezweifelt niemand, dass man bei vielen (womöglich allen) klassischen Rollenspielen auf Regellücken stößt. Solche, wo schlicht eine Regel für eine Spielsituation fehlt oder wo es zwar eine Regel zu geben scheint, die aber in der konkreten Spielsituation zu etwas führt, was als Problem wahrgenommen wird. Ich finde es gut, als Prämisse zu setzen: Spielregeln sind nicht perfekt. Ferner kann auch dieselbe Regel für die eine Gruppe funktionieren, für die andere aber nicht.

Lichtbringer erklärt nun, dass die Lösung von solchen Regelfragen (z.B. in Form von Regel-Improvisationen oder "Rulings") einen Spielleiter erfordert, der über die Regeln entscheiden kann, ohne dass die anderen Mitspieler das Recht haben, diese Entscheidung in Frage zu stellen (mitzuentscheiden, nicht nur womöglich "angehört" werden). Alles andere rechtfertige die Anstrengung nicht. Er stellt also das Modell "Königtum" als das bessere vor und schlägt vor, zu überlegen, wie man dieses Modell in der Praxis am besten umsetzt, wie es ja viele Rollenspiele in ihren SL-Kapiteln auch versuchen. Das heißt (meine Schlussfolgerung) erst werden umfangreiche Rechte verliehen, dann werden Empfehlungen vorgenommen, diese Rechte nicht zu "missbrauchen".

Ich habe erst einmal zwei Anfragen an diese Argumentation:
  • Wer darf entscheiden, ob die angebliche Anstrengung eines Gegen-Modells gerechtfertigt ist oder nicht? Und was ist mit der Anstrengung, die für den Spielleiter durch diese Rechte aufkommen?
  • Wieso darf die Gruppe denn nicht wenigstens außerhalb des Spiels mit entscheiden, wie mit Regeln verfahren wird? Das Argument, das Diskussionen das Spiel aufhalten, zählt hier schließlich nicht. Gerade mit sog. Powergamern oder Regelfickern treten viele Regellücken ja schon vor dem eigentlichen Spiel zutage, wenn man einen Blick auf ihren Charakter wirft.

Nachtrag (Achtung - während Sie geantwortet haben, sind 7 neue Beiträge geschrieben worden. Sie sollten das Thema erneut lesen.): Was 1of3 schreibt +1.
« Letzte Änderung: 29.08.2016 | 10:04 von Der Narr »
Spielt aktuell Deadlands reloaded
Spielleitet aktuell gar nix
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Deep_Impact

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Bei dem Schach Beispiel verstehe ich nicht, warum das eine Regellücke ist. Die Vorraussetzungen sind doch recht eng, und wenn mans machen kann dann bewegt man doch den König mitten ins gegnerische Feld-aka der Vorteil davon erschließt sich mir nicht.

Nein, der König bewegt von der Grundlinie nur zwei Reihen auf den Gegner zu (e1 -> e3). Lichtbringer hat die Rochade nicht ganz korrekt erklärt.
« Letzte Änderung: 29.08.2016 | 10:06 von Deep_Impact »

Online Jiba

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Ich glaube dass die Entscheidung in einem solchen Fall nicht allein beim SL liegen muss, um eine schnelle Entscheidung zu sein. Zunächst muss ja, wie andere schon angedeutet haben, auf den Bruch hingewiesen werden. Der Bruch muss jemanden stören und der muss das kommunizieren. Wenn das niemand tut, wird die Regellücke akzeptiert. Derjenige, der die Diskussion startet muss nicht der SL sein. Nach der Logik des OP hätte aber nur der SL das Recht dazu die Regellücke zu monieren und abzuschaffen, denn nur dann ist sie auch abgeschafft, sozusagen mit der dafür nötigen Zuständigkeit.

Das muss aber nicht zwingend so sei, damit eine schnelle Entscheidung gefällt wird.

Folgende Varianten sind denkbar:
- Derjenige, der die Regellücke benutzt hat, entscheidet, ob er zurückrudert oder es durchzieht, sobald Zweifel aufgekommen sind
- Jeder am Tisch hat Veto-Recht, wenn er sagt "Nein", dann heißt es "Nein" ("Western City" hat z.B. explizit eine solche Regel)
- Es wird rasch abgestimmt, ohne große Diskussion; die Regelücke wird benannt, der SL oder ein anderer Spieler macht einen Gegenvorschlag, jeder der dafür ist hebt die Hand, fertig, weiter im Spiel... eventuelle Diskussionen nach der Runde
...

Es ließen sich womöglich noch weitere Varianten finden. Und natürlich muss im Vorfeld festgelegt werden, wer zuständig ist und welches Entscheidungsverfahren benutzt wird. Aber letztlich: Schnelle Entscheidungen sind auch ohne den allautoritäten SL möglich.
« Letzte Änderung: 29.08.2016 | 10:06 von Jiba »
Engel – ein neues Kapitel enthüllt sich.

“Es ist wichtig zu beachten, dass es viele verschiedene Arten von Rollenspielern gibt, die unterschiedliche Vorlieben und Perspektiven haben. Es ist wichtig, dass alle Spieler respektvoll miteinander umgehen und dass keine Gruppe von Spielern das Recht hat, andere auszuschließen oder ihnen vorzuschreiben, wie sie spielen sollen.“ – Hofrat Settembrini

Offline Isegrim

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Das folgt nicht. Wenn überhaupt kann man daraus folgern: "Eine Person muss schnell entscheiden."

Für gewöhnlich wird auch eine Person oder eine Gruppe weniger Personen schnell entscheiden: Die Alpha-Spieler. (...)

Formal hast du sicher recht, dass die Rolle des Entscheiders in solchen Fällen nicht die SL sein muss. Dein Hinweis, wer es wohl in der Praxis sein wird, ist ebenfalls korrekt. Die Übertragung dieser Autorität auf die SL hat allerdings den Vorteil, das während des Spiels keine Auseinandersetzung über die "Alpha-Spielerschaft" aufkommt. Abseits des Spiels, wo mE die Diskussionen über Regeln, Regellücken, -änderungen etc hin gehören, bildet sich auch meiner Erfahrung automatisch so etwas aus: Manche Spieler sind interessierter oder erfahrener oder regelfester oder schlicht schlauer, charismatischer oder (hierweiteresAttributeinfügen); ist menschlich. Diese dem Menschlich-Sein oft anhängende Neigung zu Dominanzgebaren und fruchtlosen Debatten lässt sich von der Festlegung "Während des Spiels entscheidet der SL. Punkt." ganz gut in Schach halten. Muss man sicherlich nicht machen, halte (auch) ich aber weiterhin für den besten Weg in den meisten Fällen.

Selbst wenn deswegen ein anderer Charakter zu Tode kommt, würde ich in dieser Situation die Regellücke anwenden (in der nächsten Sitzung wäre der Egoist, der auf so eine Regellücke beharrt dann aber nicht mehr integrales Bestandteil meiner Spielerrunde).

Du würdest ein Verhalten, dass du so kritikwürdig findest, dass du deshalb einen Spieler feuern würdest, während des Spiels erstmal akzeptieren? Warum? Oder versteh ich was falsch? Ich kann derartigen "Regel-Legalismus" nicht wirklich nachvollziehen.
"Klug hat der Mann gehandelt, der die Menschen lehrte, den Worten auch der Anderen Gehör zu schenken."  Euripides

Endless

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Man kann dies theoretisch im demokratischen Diskurs ausarbeiten, aber der Aufwand ist praktisch nie gerechtfertigt. In fast allen realen Fällen, ist es für den Spielspaß besser, wenn der SL Regeln improvisiert.

Das hat man aber schnell abgehakt. Ich bin mir nicht sicher, dass ich das so stehen lassen würde.

Der "demokratische Diskurs" ist doch in der Praxis oft nicht viel mehr als ein bis zwei Sätze. Ich habs zumindest nicht sehr häufig erlebt, dass sich da Einer querstellt und das Ganze in einen Prozess ausartet. Dementsprechend wäre es auch kein sonderlich größerer Aufwand, als die Einzelleistung des SL.

Die jedenfalls hat immer eine deutlich höhere Fehleranfälligkeit, weil sie im Fall von "SL improvisiert die Regeln alleine" erstmal eigenmächtig ist und ohne den angesprochenen Diskurs viel leichter zu Unmut oder Verwirrung führt. Vielleicht spiel ich aber auch nicht genug mit Pedanten, die bei einer Regellücke erstmal gleich das Spiel für ne Stunde unterbrechen und ein Fass darüber aufmachen müssen :D

Chiungalla

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Man kann dies theoretisch im demokratischen Diskurs ausarbeiten, aber der Aufwand ist praktisch nie gerechtfertigt.

Diese Aussage halte ich für falsch und entscheidend für die Validität Deiner gesamten Argumentation.

Abhängig von der Gruppe können die Kosten (und der entgangene Gewinn) eines autokratischen Regeln brechenden Spielleiterstils die Kosten eines demokratischen Diskurses mehr als rechtfertigen.

Zudem ist das im Grunde eine falsche Dichotomie: Es gibt nicht nur den einen autokratischen Regeln brechenden Spielleiterstil und nicht nur den einen demokratischen Diskurs. Wie hoch die Kosten und der Nutzen der unterschiedlichen Spielstile sind lässt sich nicht nur an der Achse autokratischer SL vs. demokratischer Diskurs festmachen. Vielmehr gilt es an dieser Stelle noch viele andere Fragen einzubeziehen. Kommuniziert der Spielleiter wenn er Regeln bricht? Bricht er sie dauerhaft oder im Einzelfall? Wie konstruktiv führt die Gruppe den Diskurs? Wie kreativ ist die Gruppe was konstruktive Vorschläge angeht?

Das Minimalbeispiel für den demokratischen Diskurs ist meines Erachtens nach der Spielleiter der sagt "Ich sehe hier ein Problem, wollen wir das so lösen, oder hat jemand anderes bessere Vorschläge?" Und in einer vernünftigen (!) Runde gibt es dann entweder bessere Vorschläge (Gewinn gegenüber dem autokratischen Spielleiter) oder Zustimmung (ohne nennenswerte Kosten). Außerdem bietet es schon einen großen nicht zu unterschätzenden Gewinn für viele Spieler das sie gefragt werden statt das über ihren Kopf entschieden wird. Menschen werden gerne in Entscheidungsfindungsprozesse einbezogen.

Diktaturen sind sehr effizient im Erreichen vieler Ziele aber sie sind selten sehr gut darin ihre Bürger glücklich zu machen.

Offline Boba Fett

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Selbst wenn deswegen ein anderer Charakter zu Tode kommt, würde ich in dieser Situation die Regellücke anwenden (in der nächsten Sitzung wäre der Egoist, der auf so eine Regellücke beharrt dann aber nicht mehr integrales Bestandteil meiner Spielerrunde).
Du würdest ein Verhalten, dass du so kritikwürdig findest, dass du deshalb einen Spieler feuern würdest, während des Spiels erstmal akzeptieren? Warum? Oder versteh ich was falsch? Ich kann derartigen "Regel-Legalismus" nicht wirklich nachvollziehen.

Wir haben uns auf ein "wir spielen nach diesen Regeln" geeinigt.
Wenn es eine Spielregel gibt, darf sie angewendet werden, egal zu welchen Folgen es führt.
Ich bin doch nicht der Sonderpädagoge meiner Spieler, dass ich da jetzt erzieherische Maßnahmen treffe.
Ich habe aber durchaus das Recht zu entscheiden, mit wen ich meine Freizeit (gemeinsam spielend) verbringen möchte und mit wem nicht.
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Offline bobibob bobsen

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Ich finde den titel etwas missverständlich. Er hat vielleicht das Recht die Regeln zu interpretieren in vielen Runden obliegt ihm auch das Recht der letzten Auslegung wenn es Dissenz über deren Aussage gibt.
Um bei deinem Schachbeispiel zu bleiben:

Jemand hat eine Regellücke gefunden. Jeder der beteiligten Spieler darf sie anwenden.

Zitat
Der "demokratische Diskurs" ist doch in der Praxis oft nicht viel mehr als ein bis zwei Sätze. Ich habs zumindest nicht sehr häufig erlebt, dass sich da Einer querstellt und das Ganze in einen Prozess ausartet. Dementsprechend wäre es auch kein sonderlich größerer Aufwand, als die Einzelleistung des SL.

+1

Offline Greifenklause

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@ndless
Das hat man aber schnell abgehakt. Ich bin mir nicht sicher, dass ich das so stehen lassen würde.

Der "demokratische Diskurs" ist doch in der Praxis oft nicht viel mehr als ein bis zwei Sätze. Ich habs zumindest nicht sehr häufig erlebt, dass sich da Einer querstellt und das Ganze in einen Prozess ausartet. Dementsprechend wäre es auch kein sonderlich größerer Aufwand, als die Einzelleistung des SL.

Die jedenfalls hat immer eine deutlich höhere Fehleranfälligkeit, weil sie im Fall von "SL improvisiert die Regeln alleine" erstmal eigenmächtig ist und ohne den angesprochenen Diskurs viel leichter zu Unmut oder Verwirrung führt. Vielleicht spiel ich aber auch nicht genug mit Pedanten, die bei einer Regellücke erstmal gleich das Spiel für ne Stunde unterbrechen und ein Fass darüber aufmachen müssen :D

Ich liebe meine alte Rollenspielrunde, aber über zwei Jahrzehnte hinweg, waren wir eher starke Diskutanten. In den vorletzten Jahren haben wir deshalb versucht, die Diskussionen an sich zurück zu fahren, weil sie Zeit kosteten und kaum etwas brachten.
In den letzten Jahren sind wir alle diplomatischer geworden - oh Wunder!- und seitdem würde ich auch Diskussion wieder vorziehen.

@Lichtbringer
...
Der SL muss zum Wohle der Runde das Recht haben, die Regeln im Extremfall zu improvisieren. Die wichtige Frage der Diskussion scheint mir daher nur darin zu liegen, wie extrem dieser Extremfall werden muss, bevor der SL sein Vetorecht nutzen sollte.
Ich würde sagen:
WENN die Regellücke für alle ersichtlich
WENN Exploits in der Runde eher abgelehnt werden (Manche LIEBEN sowas)
Dann ZACK weg damit.
Ebenso, wenn es sich einfach für alle komisch anfühlt.

Aber in diesen Fällen braucht es auch keinen SL, da sich ja eh alle einig sind.

Bleibt der Fall, wenn der Großteil keine Meinung hat oder Uneinigkeit herrscht, ob das wirklich ne Regellücke ist. Und wenn ja, ob das auch schlimm ist.
Früher hätte ich jederzeit PRO SL gestimmt, heute würde ich sagen "Kommt drauf an!".

Wenn es ein Fall ist, der sich im Nebel des "könnte man so und so sehen" verliert, würde ich als SL einfach zugeben "Ich komme damit einfach nicht klar! Tut mir leid. Kann ich dir ne Alternative vorschlagen?" oder im schlimmsten Fall "Sorry, das ist einfach nicht mein Spielstil. So kann ich nicht leiten."

Aber das kommt auf das einzelne Beispiel an. Das lässt sich schlecht theoretisieren.
« Letzte Änderung: 29.08.2016 | 11:07 von Babo Phet »
Spielt Gnomberserker und Dachgaubenzorros

Offline Lord Verminaard

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Dieses Problem stellt sich ja bei jeder Anwendung von Regeln, deswegen habe ich auch einen Großteil meines juristischen Studiums damit verbracht, Methoden, Prinzipien und Beispielfälle zu lernen, um mit Regelungslücken, Beurteilungs-/Ermessensspielräumen, Missbrauchs-/Umgehungsfällen und dergleichen prinzipiengeleitet, also nicht willkürlich, umzugehen. All diese Fälle haben aber eins gemeinsam: Es besteht zunächst Einigkeit darüber, dass die Regeln gelten. Der Regelanwender muss dann mit den unvermeidlichen Unvollkommenheiten des Regelwerks fertig werden. Die "Goldene Regel", für sich genommen, ist dazu ein denkbar schwacher Ansatz. Sie müsste mindestens prinzipiengeleitet sein, also sagen, nach welchen Grundsätzen zu verfahren ist, statt explizit Willkür zum Prinzip zu erheben. (Edit: Und dann würde man die Regeln auch nicht brechen, sondern ihnen im Gegenteil zu einer besseren Geltung verhelfen, als das bei stumpf wortgetreuem Befolgen der Regeln möglich wäre.)

Dem steht gegenüber der zweite Anwendungsfall der "Goldenen Regel", der mit dem oben geschilderten überhaupt nichts zu tun hat, was gerne mal bei Diskussionen durcheinander gerät. Der zweite Anwendungsfall ist eben Illusionismus, und der versteckt sich nur hinter der "Goldenen Regel" und benutzt diese als Teil seines Repertoires, mit dem er die Spieler hinters Licht führt. Die Diskussion, ob und unter welchen Umständen es okay sein kann, Spieler hinters Licht zu führen, kann man führen, aber es zeigt sich auch hier die Schwäche der "Goldenen Regel" in ihrer einfachsten, nicht prinzipiengeleiteten Form, daran, wie leicht und allumfassend sie sich vom Illusionismus instrumentalisieren lässt.
« Letzte Änderung: 29.08.2016 | 11:32 von Lord Verminaard »
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Offline 1of3

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Das sehe ich umgekehrt: RPG ohne NSCs ist möglich, RPG ohne Umwelt nicht.

Ich glaube, ich verstehe, was du meinst. Wenn das Spiel "Abenteuer" enthält, dann braucht es zunächst mal Umwelt, die man abenteuerlich erforschen kann. Ich kann also einen Abend mit Fallen und natürlichen Hindernissen bestreiten ohne, dass ein NSC auftritt. Es geht in diesem Fall aber weniger um die Umwelt an sich: Ich muss keine besonders plausible, ästhetische oder atmosphärische Umwelt schaffen, um so ein Abenteuer zu bestreiten. Da reicht, es wenn da "ein Fluss" ist oder "eine Fallgrube".

Diese Verwendung von Umwelt ist also daran gebunden, dass die SL die Überwindung dieser Gegebenheiten als Abenteuerziel darstellt. Wo kein Abenteuer da kann auch jede andere Person oder niemand so wirklich für die Umwelt zuständig sein.

Endless

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@Endless
Ich liebe meine alte Rollenspielrunde, aber über zwei Jahrzehnte hinweg, waren wir eher starke Diskutanten. In den vorletzten Jahren haben wir deshalb versucht, die Diskussionen an sich zurück zu fahren, weil sie Zeit kosteten und kaum etwas brachten.
In den letzten Jahren sind wir alle diplomatischer geworden - oh Wunder!- und seitdem würde ich auch Diskussion wieder vorziehen.

Das klingt gut, freut mich für euch. Aber die für den Thread relevante Frage ist doch: habt ihr weniger diskutiert / war es zeitsparender für euch, wenn der SL die Entscheidung alleine/eigenmächtig getroffen, also im Sinne des OP die Regel improvisiert hat?

Offline vanadium

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Ich glaube, ich verstehe, was du meinst. Wenn das Spiel "Abenteuer" enthält, dann braucht es zunächst mal Umwelt, die man abenteuerlich erforschen kann. Ich kann also einen Abend mit Fallen und natürlichen Hindernissen bestreiten ohne, dass ein NSC auftritt. Es geht in diesem Fall aber weniger um die Umwelt an sich: Ich muss keine besonders plausible, ästhetische oder atmosphärische Umwelt schaffen, um so ein Abenteuer zu bestreiten. Da reicht, es wenn da "ein Fluss" ist oder "eine Fallgrube".

Diese Verwendung von Umwelt ist also daran gebunden, dass die SL die Überwindung dieser Gegebenheiten als Abenteuerziel darstellt. Wo kein Abenteuer da kann auch jede andere Person oder niemand so wirklich für die Umwelt zuständig sein.

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