@Wellentänzer: Liegt das nicht eher daran, dass die meisten {oder viele} das nicht unter Railroading verstehen?
Die Diskussion, ob RR per Definitionem negativ besetzt ist oder ein "neutraler" Begriff, hatten wir hier ja schon irgendwann mal ... ich habe mich damals davon überzeugen lassen, dass es dann sinnvoll ist, von RR zu sprechen, wenn die SL die SC geheim oder offen dazu nötigt, eine bestimmte Richtung eizuschlagen/ein bestimmtes Ergebnis herbeiführt. Wenn der Deal ist, dass die Gruppe gemeinsam daran arbeitet, den Plot, den die SL vorgibt, mit Leben zu erfüllen, und dafür den großzügig aufgestellten Wegweiser der SL selbstverständlich auch folgt, dann ist es eben Partizipationismus oder was weiß ich.
Mir erscheint die Unterscheidung inzwischen vor allem deshalb so sinnvoll, weil sie an einen anderen Punkt kratzt, den ich immer wieder als eigentlichen Kern solcher Diskussionen empfinde: Wie allzuständig soll die SL sein? Und wie wichtig ist die Illusion von SL-Perfektion? In beiden Fällen hat die Verringerung der SL-Zuständigkeit und das Aufgeben jeder Illusion von Perfektion mein Spiel einfach enorm bereichert. Ja, das heißt, dass es bei mir normalerweise keine genau abgestimmte Musikuntermalung, keine vorgeplanten Überraschenden Wendungen, keine großen, in schwülstigen Worten beschriebenen Set-Pieces gibt, sondern lauter Skizzen und hoffentlich dazwischen immer wieder kleine Momente, die eine Stimmung vermitteln oder überraschend sind, ohne, dass das genau so geplant war. Da wird dann mehr gelacht, mehr geblödelt, es gibt mehr Ereignisse, die auf den ersten Blick völlig absurd wirken (und im Rückblick manchmal die tollsten RSP-Stories sind, wie neulich, als die SC auf die Idee kamen, ihr in der Flaute liegendes Schiff einfach von einem becircten Wiesenwal ziehen zu lassen, der dann auf die Schleppnetze eines Fischerbootes losging, das gerettet werden musste - das hat alle überrascht und die SC aus dem eigentlich vorbereiteten Unterwasser-Setting katapultiert; aber es war ein großer Spaß!). Ich finde das schöner. Andere wollen tolle atmosphärische Beschreibungen und die Garantie einer spannenden Wendung pro Abend von der SL. Auch okay. Und da sind wir halt wieder beim Regelbrechen: Wenn ich als SL all das GARANTIEREN will, und die Regeln machen mir einen Strich durch die Rechnung, dann muss ich da halt auf die schnelle was ändern. Und ich kann das auch nicht offen mit der Gruppe absprechen, wenn klar ist, dass die Illusion von Perfektion teil der garantierten Leistung der SL ist.
Ich gebe auch zu, dass es mir schwerfällt, wohlwollend über einen Stil zu schreiben, der die Illusion von Perfektion über die Offenheit am Spieltisch stellt, einfach, weil mir dieser Perfektions-Kram jahrelang das Leiten versaut hat und streckenweise auch das Spielen. Liegt mir einfach nicht. Und deshalb diskutiere ich natürlich heftig gegen jede Position an, die die Perfektionsillusion als erstrebenswert oder gar alternativlos darstellt. Vielleicht ist das blöde - denn andere können sie natürlich gern erstreben und sich auch darüber austauschen, wie das am besten geht. Wirklich, nix dagegen. Lasst doch bitte nur auch ein "ich will das nicht" oder "Ich habe schlechte Erfahrungen damit gemacht, meins ist das eben nicht" oder ein "Diese und jene Probleme kann es damit allerdings geben/habe ich erlebt" stehen, ohne zu unterstellen, dass man missionieren wollte oder "es nur nicht verstanden hat/falsch macht."
EDIT: Falls das nicht klar geworden ist - wenn die Gruppe einfach im allgemeinen Einverständnis den Wegweisern folgt, hat das für mich nichts mit der für mich so problematischen Perfektionsillusion zu tun, im Gegenteil: Die SL kann hier ja jederzeit offen mit dem Zaunpfahl wedeln, und keiner der Spieler wird die Nase darüber rümpfen, wenn im Dienste der Story ganz offen die Würfel gedreht werden. Alle können ohne Gekrampfe die Problemchen zusammen ausbügeln oder sie von der SL ausbügeln lassen. Da spiele ich dann auch gerne mal mit.
Nur, wenn die Perfektionsillusion gewünscht ist, dann geht halt eventuell kein Weg am heimlichen Railroaden vorbei, damit das nächste tolle Set-Piece, die nächste überraschende Wendung, klappt. Und wie gesagt kann ein guter Spielleiter sicher auch das zur Zufriedenheit seiner Gruppe bewerkstelligen. Mir geht's inzwischen so, dass eine Runde, die in dieser Beziehung "zu perfekt" rüberkommt, mir einfach keinen Spaß mehr macht, selbst, wenn ich nicht merke, ob und wie ich in meinen Entscheidungsmöglichkeiten eingeschränkt werde.