Was hier ursprünglich als "Regel" behandelt wurde, war wohl die "geschriebene Spielregel"
und weniger die "Hausregel" oder die "Vereinbarung".
Jein. Es wurde vorausgesetzt, dass nur Spielmechanismen Regeln sind.
Im Lauf der Diskussion wurde darauf hingewiesen (u.a. von 1of3 und mir), dass Regeln viel weiter zu verstehen sind, weil nicht nur Spielmechanismen das konkrete Spiel einer Gruppe bestimmen.
Dann kam irgendwann die Einschränkung "es soll hier nur um den Bruch von Spielmechanismen" gehen - woraufhin erwidert wurde: "Was der Bruch von Spielmechanismen bedeutet, hängt insbesondere den Spielprozesse-Regeln ab, die sich eine Gruppe gegeben hat - unabhänig davon lässt sich das nicht vernünftig diskutieren".
... und zwischendrin finden sich jede Menge Diskussionen um "wir machen das so, weil es toll ist". Mal mit dem Versuch zu erklären, welche Vorstellungen von SL und Spielern zugrunde liegen, mal ohne. Die Diskussion dreht sich auch immer wieder darum, warum es sinnvoll ist anzunehmen, als SL dürfe man von Haus aus die Spielmechanismen brechen oder nicht brechen.
Meine Antwort ist:
Die SL darf weder die Spielmechanismen brechen noch sich dran halten. Es gibt keine andere Grundeinstellung, die passt. Deswegen ist die einzig gültige Form der Goldenen Regel für mich auch die
hier zietierte aus DragonQuest. Weil sie klar macht, wie Regeln, SL und Spieler sich üblicherweise grundsätzlich zueinander verhalten.
Dennoch: Die Spielleitung legt Präferenzen fest, was ihr wichtig ist und unter welchen Bedingungen sie spielleiten will. Das muss mMn kommuniziert werden (außer vielleicht bei One-Shots oder Con-Runden - dazu später mehr). Und dann wird verhandelt ...
Das muss nicht in einem Vorgespräch passieren. Das kann auch im Laufe von Charaktererschaffung und den ersten Spielsitzungen passieren - verlangt aber, dass alle Spielenden immer wieder schauen ... "Kommen wir zu einem gemeinsamen Ergebnis? Wo stehe ich mit meinen Wünschen und Erwartungen, wo die anderen?"
Wie mühsam das eigentlich ist, habe ich in unserer SL-losen Everway-Runde erleben dürfen. Wir haben zu zweit angefangen und dann einen Freund dazu eingeladen. Zu zweit ging es noch ganz gut - zu dritt ist es schon relativ schwierig. Natürlich auch deswegen, weil jeder von uns auch (reihum/nach Gusto) Szenenleitung ist und das Spiel trotzdem kohärent bleiben muss. Trotzdem: Die Aufgabe, dass die Spielprinzipien (Spielprozessregeln/Absprachen) irgendwie gemacht werden müssen, trifft jede Runde. Bei Con-Runden oder bei One-Shots ist mMn die Grundannahme: "Als Spieler überlasse ich an dieser Stelle die Setzungen der Einfachheit halber weitestgehend der SL - wenn ich damit nicht klar komme, gehe ich."
Bei Tischrunden, die länger gehen sollen, kann man das aber so nicht machen. (Unsere damalige, langjährige Earthdawn-Runde hat das nicht getan und wäre beinahe des Öfteren zerbrochen. Was uns damals schon ein großes Stück weitergeholfen hat, waren die Laws'schen Spielertypen - damit waren zumindest die Spielererwartungen und -wünsche diskutierbar.)
Kurz: Das Einhalten der Spielmechanismen ist zunächst bedeutungslos. Die Bedeutung kommt über ihre Verbindung zu den Absprachen.
Und die erste der Absprachen ist immer "wir spielen dieses konkrete Spiel, das im Gesamten folgenden Korpus an Spielregeln/-mechanismen bereit hält". Und mit der Entscheidung für ein Spielsystem stehen schon bestimmte Annahmen im Raum. In Bezug auf RAW-treue kann man mMn nicht viel annehmen als "wir wollen die Grundausrichtung des Spieles". Aber selbst da ist schon irre viel Raum für unterschiedliche Vorannahmen (Erfahrungen mit anderen RSP, Erfahrungen mit der Spielwelt, der Marke, ...). Diese Vorannahmen sind z.B. ein Grund, warum ich WFRP2 kaum/nicht mehr spiele. Ich will nicht gegen High-Magic-Erwartungen (durch WFB 8 und Age of Sigmar begründet) antreten müssen. Ein paar weitere Gründe hab ich
hier aufgeschrieben.
Dies war eines der Hauptargumente, warum ein SL keine Sonderrechte (hier allein die Regel zu brechen) haben dürfe.
Dazu kurz: Sehr viele Indie-Spiele geben der SL ganz konkrete Regeln vor, die sie befolgen MUSS - ohne die läuft das Spiel nicht. Und? Die Spiele werden trotzdem gern gespielt. Soll heißen: Es gibt keinen Grund warum die SL von Haus aus Sonderrechte haben sollte. Es gibt nur eine Vielzahl von Gründen, die im verwendeten System und den Gruppenspielregeln liegen.