Autor Thema: Die Regeln sind da, um die Regeln des Genres zu brechen  (Gelesen 12470 mal)

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Achamanian

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Um noch ein Randthema zu der von Contains Diseases m.E. im Schisma-Thread schön zusammengefassten Diskussion (http://www.tanelorn.net/index.php/topic,99828.msg134416961.html#msg134416961) aufzumachen: Was macht eigentlich eine "gute Geschichte" aus?

Die Frage stelle ich vor dem Hintergrund, dass der gute/befriedigende Verlauf der Geschichte oft als Grund für die Unabdingbarkeit des Regelbruchs durch die SL angeführt wird. Typische angeführte Beispiele sind z.B. der im Endkampf viel zu früh das zeitliche segnende Hauptgegner oder die große Nemesis, die nach geplanten 2/3 der Kampagne von den SC besiegt wird, oder auch der SC, der sein leben sang-, klang- und bedeutungslos mit einem Goblinmesser in der Kehle ausgurgelt. Die viel zu frühe Enthüllung des Strippenziehers, usw. ...

All das kann man mit Recht unbefriedigend finden. Aber es steht in keiner Weise einer guten Geschichte entgegen - es steht lediglich einem ganz bestimmten Schema von Geschichte entgegen, bei der der Held/die Helden gegen einen Erzfeind oder ein übel zu Felde ziehen, unterwegs herbe Rückschläge einstecken und am Ende wider alle Wahrscheinlichkeit doch noch knapp den Sieg davontragen (die pratchett'sche Chance von 1:1 Million halt). Ein Schema, dass wahrscheinlich am klarsten in guten Action-Filmen zum Ausdruck kommt.

Der Vorteil dieses Schemas ist, dass alle, die mit klassischen Abenteuer-Genres vertraut sind, es intuitiv beherrschen und es im Rollenspiel in der Regel auch anwenden, indem sie auf genau solche Verläufe hinspielen. Die meisten Spieler wollen Rückschläge, anhand derer ihre SC beweisen können, dass sie trotzdem fähig sind, sich durchzubeißen, und sie wollen zumindest gefühlt knapp gewinnen. Und wenn gerade letzteres "gefühlte knappe Gewinnen" erzielt werden soll, dann MUSS die SL bereit sein, stillschweigend die Regeln zu brechen.

Der Nachteil des Schemas ist, dass es durch seine Vertrautheit auch ziemlich langweilig werden kann. Ich persönlich lege Bücher weg, wenn ich merke, dass sie auf dieses Schema hinauslaufen - bei Filmen nehme ich das schon eher in Kauf oder genieße es auch, sind ja nur zwei Stunden oder so ... begeistern tue ich mich in der Regel aber doch eher für Geschichten, die mit diesem Schema brechen, es unterwandern oder erst gar nicht zum Einsatz bringen.

Im Rollenspiel bin ich da ambivalent: Das Schema macht mir gerade als Spieldramaturgie durchaus Spaß; gerade, wenn Geschichten nach diesem Schema aber zu großem Drama aufgebauscht ("Du hast meinen Bruder getötet, jetzt bist du des Todes!") werden, kann ich das nur noch als Zitat eines Klischees genießen. Szenen, die als besonders immersiv gelten, weil sie das Schema besonders gut erfüllen, reißen mich gerne mal am meisten raus, weil ich da gar nicht anders kann als in die Meta-Perspektive zu gehen. Ich muss mich dann auch schwer zusammenreißen, um solche Szenen nicht irgendwie zu ironisieren. Das macht schon auch alles Spaß, aber eher im Sinne einer liebevoll-ironischen Kommunikation über vertraute Genreelemente. Schön und gut, aber ich tue mich schwer damit, mir so etwas als höchstes der Gefühle in Sachen "gute Geschichten" verkaufen zu lassen.

Da kommt für mich dann die Regeltreue ins Spiel. These: Wenn alle das Schema kennen und beim Spiel intuitiv befolgen, sind die Regeln dazu da, es immer mal wieder zu brechen. Plötzlich ist der Hauptgegner zum völlig falschen Zeitpunkt Matsche. Plötzlich wird der angekettete Prinz gefressen und die Gruppe hat gar keine andere Wahl, als sich auf einen Deal mit dem Drachen einzulassen. Das kann man unbefriedigend finden, und es kann die Vorbereitung der SL über den Haufen werfen. Aber der große Vorteil davon ist, dass man locker nach Gefühl - nach Schema - spielen kann und trotzdem eine Geschichte herausbekommt, die immer wieder mit dem Schema bricht. Das Gespür der Gruppe für Klischees ist der Kleber, der die Geschichte thematisch zusammenhält, die darauf einprasselnden Würfel sorgen für Brüche.

Mir ist schon klar, dass gerade der Bruch mit dem intuitiv angestrebten Schema von vielen auch als enttäuschte Erwartung erlebt wird - und vielleicht steckt da dann auch wirklich eine gewisse Inkompatibilität von Erwartungen drin. Für viele ist die Geschichte ohne eine befriedigende Abschlusskonfrontation eben keine gute Geschichte. Für mich ist die befriedigende Abschlusskonfrontation eher ein Spiel-Element, das Spannung erzeugen und Spaß machen kann; aber auf der Ebene der Geschichte bin ich wahrscheinlich deutlich begeisterter über den Oberbösewicht, der auf halbem Weg von einem Querschläger getötet wird. (nebenbei: meine beiden absoluten Lieblings-Shadowrun-Romane sind Pesadillas und Wiedergänger von Maike Hallmann, in denen genau so Zeug passiert ...)

So würde ich dann auch das Gebot für die SL, sich an die Regeln zu halten, für mich persönlich fassen: Der Moment, in dem die Regeln zum Einsatz kommen, ist der, in dem offen gesagt wird: Wir überlassen den Verlauf jetzt einem Mechanismus, der nicht von unserer auf ein bestimmtes Schema gepolten Intuition gesteuert wird, damit wir potenziell etwas anderes herausbekommen. Wenn dann die SL ein unerwartetes Ergebnis wieder auf das Schema einnordet, dann wird eben die Abmachung, um die es für mich an diesem Punkt geht, gebrochen.
« Letzte Änderung: 19.09.2016 | 09:18 von Rumpel »

Offline 1of3

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Re: Die Regeln sind da, um die Regeln des Genres zu brechen
« Antwort #1 am: 19.09.2016 | 09:28 »
Das ist ziemlich clever. Der folgende Satz fasst es für mich besonders gut zusammen:

Zitat
Wir überlassen den Verlauf jetzt einem Mechanismus, der nicht von unserer auf ein bestimmtes Schema gepolten Intuition gesteuert wird, damit wir potenziell etwas anderes herausbekommen.

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Re: Die Regeln sind da, um die Regeln des Genres zu brechen
« Antwort #2 am: 19.09.2016 | 09:33 »
@ Rumpel
Sehr schöner und ambivalenter (!) Post!
Durch solche Posts fällt es einem leichter die scheinbar so wahnsinnig unterschiedlichen Standpunkte nachzuvollziehen.
Anscheinend sind unsere "Ur-Ansätze" gar nicht so verschieden.
Erst in der Verfeinerung der eigenen Standpunkte basierend auf dem von dir dargestellten Dilemma, wandert man dann in unterschiedliche Richtungen.
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Offline KhornedBeef

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Re: Die Regeln sind da, um die Regeln des Genres zu brechen
« Antwort #3 am: 19.09.2016 | 09:53 »
Schönes Ding, Verbindung zwischen dem "Besonderen etwas", das so viele im Rollenspiel suchen, und der Erwartungshaltung. +1
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Offline Arldwulf

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Re: Die Regeln sind da, um die Regeln des Genres zu brechen
« Antwort #4 am: 19.09.2016 | 10:09 »
Ganz früher, als ich mit dem Rollenspiel anfing hatten wir nur eine Regel: Der Spieler sagt was er tut, der Spielleiter ob es klappt. Es gab keine Würfel, keine Charakterblätter. Nur diese Regel. Und selbst diese wäre nicht nötig gewesen.

Geht man davon aus, dass alles was es im Rollenspiel gibt auch ohne festgeschriebene Regeln spielbar wäre, und jede Regel durch die Gruppe und den SL improvisierbar (selbst die Frage wer gerade SL ist, und ob es einen gibt), so bleibt eigentlich nur ein einziger Zweck für Regeln übrig.

Regeln sind dafür da um zu helfen Situationen schneller aufzulösen für die man sich ansonsten abstimmen müsste.

Und deshalb macht eigentlich auch die Aussage: "wir überlassen dies dem Mechanismus" keinen Sinn - diese Regel zu verwenden ist eine bewusste Entscheidung. Und dementsprechend auch nicht anders als eine improvisierte Variante davon oder sonst ein Mittel um aufzulösen wie eine Situation weitergeht. In erster Linie sind Regeln einfach nur Hilfsmittel - und ob man sie zum Ausbrechen oder drin bleiben im Schema nutzt oder für sonst etwas hängt eher von der eigenen Zielsetzung ab.

Offline KhornedBeef

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Re: Die Regeln sind da, um die Regeln des Genres zu brechen
« Antwort #5 am: 19.09.2016 | 10:17 »
Ganz früher, als ich mit dem Rollenspiel anfing hatten wir nur eine Regel: Der Spieler sagt was er tut, der Spielleiter ob es klappt. Es gab keine Würfel, keine Charakterblätter. Nur diese Regel. Und selbst diese wäre nicht nötig gewesen.

Geht man davon aus, dass alles was es im Rollenspiel gibt auch ohne festgeschriebene Regeln spielbar wäre, und jede Regel durch die Gruppe und den SL improvisierbar (selbst die Frage wer gerade SL ist, und ob es einen gibt), so bleibt eigentlich nur ein einziger Zweck für Regeln übrig.

Regeln sind dafür da um zu helfen Situationen schneller aufzulösen für die man sich ansonsten abstimmen müsste.

Und deshalb macht eigentlich auch die Aussage: "wir überlassen dies dem Mechanismus" keinen Sinn - diese Regel zu verwenden ist eine bewusste Entscheidung. Und dementsprechend auch nicht anders als eine improvisierte Variante davon oder sonst ein Mittel um aufzulösen wie eine Situation weitergeht. In erster Linie sind Regeln einfach nur Hilfsmittel - und ob man sie zum Ausbrechen oder drin bleiben im Schema nutzt oder für sonst etwas hängt eher von der eigenen Zielsetzung ab.
Für mich macht es schon einen Unterschied ob ich sage "Ich schieße auf ihn!" und man das Ergebnis dann dem Charakterblatt, dem Würfel oder der Meinung der Mitspieler überlässt.
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Achamanian

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Re: Die Regeln sind da, um die Regeln des Genres zu brechen
« Antwort #6 am: 19.09.2016 | 10:17 »
Und deshalb macht eigentlich auch die Aussage: "wir überlassen dies dem Mechanismus" keinen Sinn - diese Regel zu verwenden ist eine bewusste Entscheidung. Und dementsprechend auch nicht anders als eine improvisierte Variante davon oder sonst ein Mittel um aufzulösen wie eine Situation weitergeht. In erster Linie sind Regeln einfach nur Hilfsmittel - und ob man sie zum Ausbrechen oder drin bleiben im Schema nutzt oder für sonst etwas hängt eher von der eigenen Zielsetzung ab.

Genau das schrieb ich ja: Es ist eine bewusste Entscheidung, die Auflösung der Situation einem Mechanismus zu überlassen. Und mit dieser Entscheidung benutze ich die zur Verfügung stehenden Regeln als Hilfsmittel, um die Möglichkeit eines Ausbrechens aus dem Schema (ebenso wie die Möglichkeit eines Verbleibens darin) zu erzeugen.

EDIT: Tippfehler.
« Letzte Änderung: 19.09.2016 | 10:23 von Rumpel »

Offline Arldwulf

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Re: Die Regeln sind da, um die Regeln des Genres zu brechen
« Antwort #7 am: 19.09.2016 | 10:43 »


Für mich macht es schon einen Unterschied ob ich sage "Ich schieße auf ihn!" und man das Ergebnis dann dem Charakterblatt, dem Würfel oder der Meinung der Mitspieler überlässt.

Klar, aber am Ende ist dies nur die Ausgestaltung der Mechanik mit der man bestimmt wie das ganze ausgeht. Mit jeder dieser Optionen wäre sowohl ein spielen innerhalb des Schemas als auch außerhalb dessen möglich.

Beispielsweise könnte der Gegner die Fähigkeit "Schuss ausweichen" haben und diese nutzen, oder aber besonders gut würfeln und ausweichen oder aber einfach festgelegt werden: "Der weicht aus" und jede dieser Möglichkeiten könnte so dargelegt werden, dass sie entweder zu früheren Handhabungen und dem "erwartbarem" Ergebnis führen oder eben aus dieser Erwartungshaltung ausbrechen.

Genau das schrieb ich ja: Es ist eine bewusste Entscheidung, die Auflösung der Situation einem Mechanismus zu überlassen. Und mit dieser Entscheidung benutze ich die zur Verfügung stehenden Regeln als Hilfsmittel, um die Möglichkeit eines Ausbrechens aus dem Schema (ebenso wie die Möglichkeit eines Verbleibens darin) zu erzeugen.

Ja, möglich ist dies. Aber kein Zwang - genausogut können Regeln auch das Schema stärken indem sie die Erwartungshaltung der Spieler festigen.

Wie gesagt: Am Ende können Regeln bei beliebigen Dingen helfen.

Achamanian

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Re: Die Regeln sind da, um die Regeln des Genres zu brechen
« Antwort #8 am: 19.09.2016 | 10:56 »
Ja, möglich ist dies. Aber kein Zwang - genausogut können Regeln auch das Schema stärken indem sie die Erwartungshaltung der Spieler festigen.

Wie gesagt: Am Ende können Regeln bei beliebigen Dingen helfen.

Da hast du natürlich Recht - insofern hätte ich den Thread eher "Regeln können dazu dienen, die Regeln des Genres zu brechen" nennen sollen.

Worauf es mir ankommt, sind zwei Sachen:

Erstens: Wenn man die Spielregeln verwendet, um Abweichungen vom unbewussten Genre-Konsens zu provozieren, ist es wichtig, dass man sich - wenn die Regeln einmal zum Einsatz kommen - auch an die Ergebnisse hält.

Zweitens: Wenn einem die korrekte Einhaltung des von mir umrissenen Schemas wichtig ist, dann kann einem der Einsatz von Spielregeln sehr leicht einen Strich durch die Rechnung machen, weshalb man dann eventuell die Notwendigkeit des Regelbruchs sieht (alternativ kann man in den entsprechenden Situationen natürlich auch gleich auf den Einsatz von Spielregeln verzichten und den gewünschten Ausgang erzählen).

Offline KhornedBeef

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Re: Die Regeln sind da, um die Regeln des Genres zu brechen
« Antwort #9 am: 19.09.2016 | 10:57 »

Klar, aber am Ende ist dies nur die Ausgestaltung der Mechanik mit der man bestimmt wie das ganze ausgeht. Mit jeder dieser Optionen wäre sowohl ein spielen innerhalb des Schemas als auch außerhalb dessen möglich.

Beispielsweise könnte der Gegner die Fähigkeit "Schuss ausweichen" haben und diese nutzen, oder aber besonders gut würfeln und ausweichen oder aber einfach festgelegt werden: "Der weicht aus" und jede dieser Möglichkeiten könnte so dargelegt werden, dass sie entweder zu früheren Handhabungen und dem "erwartbarem" Ergebnis führen oder eben aus dieser Erwartungshaltung ausbrechen.
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Äh, nein, Sir. Wenn meine Erwartung ist "Ich treffe" und die Würfel entscheiden "nope", obwohl ich einem gefesselten Sean Bean ein 44er Magnum vors Gesicht halte nachdem der große Bosskampf gewonnen ist, dann bricht das meine Erwartung eben weil Schicksal. Und das kann unter Umständen eben nicht mehr so hingebogen werden, dass es der Erwartung entspricht.
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Offline Arldwulf

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Re: Die Regeln sind da, um die Regeln des Genres zu brechen
« Antwort #10 am: 19.09.2016 | 11:25 »
Äh, nein, Sir. Wenn meine Erwartung ist "Ich treffe" und die Würfel entscheiden "nope", obwohl ich einem gefesselten Sean Bean ein 44er Magnum vors Gesicht halte nachdem der große Bosskampf gewonnen ist, dann bricht das meine Erwartung eben weil Schicksal. Und das kann unter Umständen eben nicht mehr so hingebogen werden, dass es der Erwartung entspricht.

Klar. Aber das gleiche kann dir bei jeder der anderen 2 Möglichkeiten (und jeder beliebigen weiteren) geschehen.

Offline Arldwulf

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Re: Die Regeln sind da, um die Regeln des Genres zu brechen
« Antwort #11 am: 19.09.2016 | 11:26 »
Da hast du natürlich Recht - insofern hätte ich den Thread eher "Regeln können dazu dienen, die Regeln des Genres zu brechen" nennen sollen.

Ja, das trifft es sicher besser. Ich würde sogar noch weiter gehen und einfach sagen: Es ist gut ab und an die Regeln des Genres zu brechen.

Wie gesagt: Regeln sind Hilfsmittel, die können auch dabei helfen. Aber in erster Linie geht es um die Zielsetzung überhaupt ausbrechen zu wollen. Wie dies dann gemacht wird ist eigentlich ziemlich egal.

Was dein 2. angeht: Sowas kommt ja eher zustande wenn man Regeln verwendet die nicht zu der eigenen Erwartungshaltung an das Genre passen (beispielsweise eine sehr Realwelt bezogene Spielweise bei der plötzlich Regeln zum Einsatz kommen die übernatürliche Ergebnisse produzieren). Das würde ich dann aber eher negativ betrachten.
« Letzte Änderung: 19.09.2016 | 11:29 von Arldwulf »

Achamanian

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Re: Die Regeln sind da, um die Regeln des Genres zu brechen
« Antwort #12 am: 19.09.2016 | 11:33 »
Ja, das trifft es sicher besser. Ich würde sogar noch weiter gehen und einfach sagen: Es ist gut ab und an die Regeln des Genres zu brechen.


So stark wertend würde ich das gar nicht - und das ist ehrlich gesagt auch eine ganz andere These als die, um die es mir hier geht. Ich will nicht sagen: Man muss ab und zu mit den Erwartungen brechen, sonst wird's langweilig (auch, wenn ich das persönlich so empfinde). Ich will sagen: Wenn man (aus welchen Gründen auch immer) ab und zu mit den Erwartungen brechen will, dann sind Regelmechanismen eine Möglichkeit, diese Brüche nach dem Zufallsprinzip herbeizuführen.

Ich persönlich finde es gut, wenn ab und zu die Genre-Erwartungen gebrochen werden, und ich finde es gut, die Entscheidung dafür an einen Mechanismus zu übertragen, damit alle sich überraschen lassen können (und weil die Regeln auch richtig gemeines Zeug machen dürfen, ohne, dass jemand sich deshalb schlecht fühlen muss).

Offline Blechpirat

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Re: Die Regeln sind da, um die Regeln des Genres zu brechen
« Antwort #13 am: 19.09.2016 | 11:36 »
Wenn du dir pbtA ansiehst, dann ist das eigentlich die einzige Aufgabe der Regeln dort. Insofern würde ich dir zustimmen und danke dir dafür, dass du etwas so deutlich ausdrückst, was ich bisher noch nicht gesehen habe.

An anderen "Erzählspielen" überlege ich noch herum: Erzählrechteverteilung hat ja vielleicht nicht notwendig diese Aufgabe.

Offline D. M_Athair

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Re: Die Regeln sind da, um die Regeln des Genres zu brechen
« Antwort #14 am: 19.09.2016 | 11:58 »
Erzählrechteverteilung hat ja vielleicht nicht notwendig diese Aufgabe.
Ich würde sogar sagen: Verteilte Erzählrechte machen die Brüche gleichzeitig schwieriger und einfacher.
Schwieriger, weil die Gruppe zusammen arbeiten muss, um das Schema überhaupt zu erreichen und entsprechend "fester" ist dann der Zugriff des Schemas auf die Gruppe. Das erschwert ein Ausbrechen. Einfacher, weil ein Spieler einfach den Bruch "herbeierzählen" kann, ohne, dass der Rest der Gruppe wirklich drauf Einfluss hätte.

@ Rumpel:
Schöne Sache mal drauf zu schauen, was Regelanwendung und das Durchhalten oder Ändern des Ergebnisses situativ bewirkt.
Hätte ich so nicht beschreiben können, finde ich einleuchtend und ich kann nachvollziehen woher der Gedanke kommt.
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Offline korknadel

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Re: Die Regeln sind da, um die Regeln des Genres zu brechen
« Antwort #15 am: 19.09.2016 | 13:15 »
Ich denke, dass es nicht nur um Genre-Erwartungen, sondern auch um das Spielgefühl im Bezug auf das "Spielen" geht. Ich habe ja sehr, sehr lange DSA nach dramaturgischen Gesichtspunkten geleitet und erst in den letzten Jahren angefangen, auf dramaturgische Eingriffe so gut ich kann zu verzichten und dafür die Regeln entscheiden zu lasen, wie es weitergeht. Bei Systemen wie DCC, wo die Regeln sehr weitreichende Konsequenzen haben können, habe ich mittlerweile als SL ein ähnliches Gefühl wie als Spieler: Das Spiel ist gefährlich im Sinne von unberechenbar. Insofern werden nicht nur dramaturgische (Genre-)Konventionen gebrochen, sondern das ganze Spielgefühl hat sich für mich geändert.

Die meisten der denkwürdigsten Spielsituationen der letzten Jahre sind für mich genau solche, die Rumpel beschreibt. Da sind Würfel gefallen, und plötzlich ging etwas, was man nie für möglich gehalten hatte, oder die zehnfach überlegene Armee, die alle Vorteile und die Götter auf ihrer Seite hatte, wurde vollständig ausgelöscht … Klar, dadurch entstehen teilweise auch wieder neue Genre-Konventionen, man gewöhnt sich an das Unerwartete ...

Kleiner Exkurs zu meiner anhaltenden Numenera-Kritik bezüglich des Themas Dramaturgie-Bruch:
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Achamanian

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Re: Die Regeln sind da, um die Regeln des Genres zu brechen
« Antwort #16 am: 19.09.2016 | 14:45 »
Kleiner Exkurs zu meiner anhaltenden Numenera-Kritik bezüglich des Themas Dramaturgie-Bruch:
(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)

Da gebe ich dir Recht – Numenera verleitet schon sehr dazu, die Ereignisse mittels Intrusions in eine bestimmte Richtung zu biegen, und so toll ich die Dinger an sich als Regel finde, weil sie einem ganz viel Buchhaltung ersparen, so oft denke ich nach einem Treffen, dass ich hier oder da vielleicht auch der Versuchung nachgegeben habe, eine bestimmte Entwicklung durchzudrücken und damit evtl. was Schönes abgewürgt habe.
Das ist übrigens ein Grund, warum ich bei aller liebe auch gerne mal wieder – ob als SL oder Spieler – so ein System wie DCC, RuneQuest, Ubiquity oder FantasyAGE spielen würde. (Ich frage mich nebenbei bemerkt ja immer, warum du den BRP-Systemen so misstrauisch gegenüberstehst, wo die doch wunderbar dieses Sudden-Triumph-and-Death-für-alle-Prinzip erfüllen).

Offline Arldwulf

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Re: Die Regeln sind da, um die Regeln des Genres zu brechen
« Antwort #17 am: 19.09.2016 | 15:03 »
Ich will sagen: Wenn man (aus welchen Gründen auch immer) ab und zu mit den Erwartungen brechen will, dann sind Regelmechanismen eine Möglichkeit, diese Brüche nach dem Zufallsprinzip herbeizuführen.

Mhh...ich würd dir da widersprechen, zumindest halte ich es nicht für eine gute Idee hier das Zufallsprinzip zu verwenden: Solche "überraschenden" Regelauswirkungen würden nicht nur die Genre-Erwartungen durchbrechen, sondern auch die Spielerwartungen und Spielwelterwartungen. Siehst du darin nicht das Problem schlichtweg fehlender Akzeptanz nach dem Motto: Ok, das durchbricht zwar unsere Genreerwartung, doch eigentlich ist es nur eine schlecht durchdachte Regel? Und wäre es nicht schlichtweg einfacher direkt die Genreerwartung zu brechen - bewusst und im Zweifel mit einer ganz eigenen, neuen Mechanik welche darauf ausgelegt ist diesen Bruch auch im Spiel darzustellen?

Aber vielleicht würde auch einfach ein Beispiel helfen um besser zu verstehen was du meinst.
« Letzte Änderung: 19.09.2016 | 15:05 von Arldwulf »

Offline Greifenklause

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Re: Die Regeln sind da, um die Regeln des Genres zu brechen
« Antwort #18 am: 19.09.2016 | 15:13 »
@ Ardwulf:
Diese Diskussion hatte ich schon mit Rumpel. Wir haben da diametrale Feststellungen, was Würfel tun sollen.
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Achamanian

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Re: Die Regeln sind da, um die Regeln des Genres zu brechen
« Antwort #19 am: 19.09.2016 | 15:15 »
Mhh...ich würd dir da widersprechen, zumindest halte ich es nicht für eine gute Idee hier das Zufallsprinzip zu verwenden: Solche "überraschenden" Regelauswirkungen würden nicht nur die Genre-Erwartungen durchbrechen, sondern auch die Spielerwartungen und Spielwelterwartungen. Siehst du darin nicht das Problem schlichtweg fehlender Akzeptanz nach dem Motto: Ok, das durchbricht zwar unsere Genreerwartung, doch eigentlich ist es nur eine schlecht durchdachte Regel? Und wäre es nicht schlichtweg einfacher direkt die Genreerwartung zu brechen - bewusst und im Zweifel mit einer ganz eigenen, neuen Mechanik welche darauf ausgelegt ist diesen Bruch auch im Spiel darzustellen?

Aber vielleicht würde auch einfach ein Beispiel helfen um besser zu verstehen was du meinst.

Ich glaube, du verstehst mich falsch …
wie gesagt, es geht mir nicht drum, dass man „öfters mal die Genreerwartungen brechen sollte“ oder so. Klar kann ich das auch mit allen möglichen anderen Mitteln machen. Klar mache ich das auch, wenn mir danach ist. Aber ich will normalerweise nicht am Tisch sitzen und die ganze Zeit überlegen, wie ich jetzt besonders smart die Konventionen unterwandere, damit es nicht langweilig wird.
Deshalb sind die Spielmechanismen, die ja eh in der Regel zur Hand sind, da ein sehr geeignetes Werkzeug, um dafür zu sorgen, dass ab und an alle mit aufgerissenen Augen am Tisch sitzen und „Hä?“ machen.

Offline Greifenklause

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Re: Die Regeln sind da, um die Regeln des Genres zu brechen
« Antwort #20 am: 19.09.2016 | 15:17 »
@ Rumpel & aliae
Ich gebe aber zu, dass mir gelegentlicher Slapstick, der sich aus komischen Würfelergebnissen ergibt, ganz schön finde.
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Offline Arldwulf

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Re: Die Regeln sind da, um die Regeln des Genres zu brechen
« Antwort #21 am: 19.09.2016 | 15:20 »
@Rumpel: Genau so hab ich dich verstanden.

Verstehen tue ich nur nicht warum genau ich gleich nochmal mit offenen Augen dasitzen und zufallsbasiert "hä!?" rufen wollen sollte?

Ist doch kein Qualitätsmerkmal für sich.  ;)
Es gibt andere Möglichkeiten um Erwartungen zu konterkarieren, und gerade das Zufallselement sehe ich da eher als schädlich an. Weil es viele Gelegenheiten für so etwas auch einfach verschwenden wird.

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Re: Die Regeln sind da, um die Regeln des Genres zu brechen
« Antwort #22 am: 19.09.2016 | 15:23 »
@Rumpel: Genau so hab ich dich verstanden.

Verstehen tue ich nur nicht warum genau ich gleich nochmal mit offenen Augen dasitzen und zufallsbasiert "hä!?" rufen wollen sollte?

Ist doch kein Qualitätsmerkmal für sich.  ;)
Es gibt andere Möglichkeiten um Erwartungen zu konterkarieren, und gerade das Zufallselement sehe ich da eher als schädlich an. Weil es viele Gelegenheiten für so etwas auch einfach verschwenden wird.
Gnihihi, Rumpel, ich habe einen Wingman gefunden, jetzt schieß mal zurück  ~;D
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Re: Die Regeln sind da, um die Regeln des Genres zu brechen
« Antwort #23 am: 19.09.2016 | 15:34 »
Um mal ein klassisches Beispiel zu nennen:

Gegeben sei eine Abenteuerstruktur wie es sie in vielen Dungeoncrawls gibt. Die Spieler verhauen erst eine Menge Unterlinge und anschließend irgendwann den Boss. Zumindest ist dies die Planung und Erwartungshaltung.

Und es stimmt - aus dieser auszubrechen, z.B. weil in einem der Kämpfe der Gegner stolpert und dabei seine Waffe so doof fallen lässt, dass die Spieler ihm gleich die Klingen an den Hals setzen können wäre eine Abwechslung (geht auch als Beispiel in die andere Richtung, aber egal)

Doch wenn das bei Murk dem Goblin in Halle 3 passiert ist es eigentlich verschwendet, die Spieler haben bei ihm ja von Anfang an nicht unbedingt den großen Bosskampf erwartet und im Zweifel vielleicht nicht mal einen Grund ihn zu verschonen. Bei Dunkeldark dem Oberfiesling wirkt es schon wesentlich lustiger und kann das Abenteuer auch weiterführen indem dieser gefangen genommen statt getötet wird und versucht auszubrechen oder sonstetwas anzustellen. Vielleicht hat er ja sogar geplant zu stolpern? Dem ist alles zuzutrauen.

Oder wenn du es etwas weniger klassisch willst. Nimm mal an du hast Regeln für Zufallsbegegnungen die auch definieren was die Kreaturen gerade machen. Wache schieben, Patrollieren, Witze erzählen, heimlich in der Ecke knutschen, sich gegenseitig die stinkenden Rationen klauen oder Schiss vor Abenteurern haben.

Ist lustig, ist zufällig. Und Freak rolls könnten dann zu einem ganz besonders lustigem, unerwartetem Resultat führen. Aber in vielen Fällen wäre es verschwendet, würde nicht zur Situation passen und Glaubwürdigkeit aus dieser herausnehmen. Viel mehr noch als wenn ich einfach von vornherein gesagt hätte was denn da so lustiges passieren kann.

Das soll jetzt nicht heißen als SL mag ich nicht überrascht werden. Aber die Spieler sollen überraschen. Oder umgedreht der Spielleiter diese. Nicht die Regeln. Die sollen lieber helfen.
« Letzte Änderung: 19.09.2016 | 15:38 von Arldwulf »

Achamanian

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Re: Die Regeln sind da, um die Regeln des Genres zu brechen
« Antwort #24 am: 19.09.2016 | 15:37 »

Ist lustig, ist zufällig. Und Freak rolls könnten dann zu einem ganz besonders lustigem, unerwartetem Resultat führen. Aber in vielen Fällen wäre es verschwendet, würde nicht zur Situation passen und Glaubwürdigkeit aus dieser herausnehmen.

Ich habe einfach dieses Glaubwürdigkeitsproblem nicht. Im Gegenteil: Wenn der Paladin von einem Goblin per Freak Roll getötet werden kann, fühlt sich das für mich eben mehr nach einer "echten" Welt an als wenn das nicht möglich ist.

Ich habe ehrlich Schwierigkeiten, es besser zu erklären …
Es geht mir nicht darum, dass die SL durch irgendwelche Twists (die ja selbst schon eine Konvention sind) die Konventionen unterwandert, sondern darum, dass ich ruhig entspannt gemäß der Konventionen dahinspielen kann und gleichzeitig immer mal wieder unerwartet etwas reingehauen kriege, was da jetzt scheinbar gar nicht reinpasst. Nichts groß Virtuoses. Und dann muss man das so nehmen und stellt ziemlich oft fest: Die Geschichte wird toller als alles, was man sich allein hätte ausdenken können. Und manchmal sicher auch blödsinniger. Eventuell beides.
Ein Beispiel hatte ich neulich als Spieler in einer RuneQuest-Runde, wo durch einen kritischen Erfolg ein Hinterhalt von uns der totale Overkill war und es keinen spannenden Endkampf gab, weil die Gegner sich nach dem Sofort-Tod ihrer Anführerin sofort ergeben mussten. Das war gar kein toller subtiler Bruch, aber halt einfach anders, als erwartet, weil das Finale kein Finale war. Und es hat Spaß gemacht, weil alle verblüfft dasaßen und es innerhalb der Spielwelt sogar Sinn ergeben hat.