Autor Thema: Foren und Theorie, Actual Play und praxisorientiertes Design  (Gelesen 961 mal)

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Offline tartex

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Keine Ahnung, ob das im Tanelorn schon ausgebreitet wurde, aber hier gibt es eine Übersicht über eine interessante Tweet-Abfolge von Mike Mearls.

Die verkürzte Grundthese: ab den späten 1990igern war Rollenspiel-Design vor allem von Trockendebatten in Internet-Foren beeinflußt. Deshalb wurden die Spiele komplexer oder theorielastiger. Mit Actual-Play-Videos und -Streams kam es zu einer Rückbesinnung auf das tatsächliche Spielerlebnis am Tisch, das jetzt von den Designern viel besser analysiert werden konnte.

Hier im Forum sind ja die meisten Leute Actual-Play-Skeptiker. Also, wie seht ihr das?
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Offline Wandler

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Was ist ein aktual play Skeptiker? Streams spielen sich anders als live runden, Adam Koebel bietet dazu mehrere videos.
« Letzte Änderung: 28.09.2016 | 11:15 von Wandler »

Ucalegon

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Zunächst: Ich liebe gut gemachte APs und habe besonders Role Playing Public Radio bestimmt die Hälfte meines Stils und meiner Spielvorlieben zu verdanken. APs (Audio, Video aber natürlich auch Text in Form des guten alten Spielberichts) sind für mich nach dem tatsächlichen Ausprobieren die beste Art und Weise, einen Einstieg in ein neues System, Setting oder Szenario zu finden. Darüber hinaus kann man sich so bei anderen Gruppen was abschauen oder Probleme identifizieren et cetera. Alles super.

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Mearls bläst das aber viel zu sehr auf. Das hier:

Zitat
This is HUGE because it shifts the design convo away from "How do we design for forum discussions?" to "How do we design for play?'

soll der besondere Verdienst von Actual Play-AV und Streaming sein? Klingt unsinnig.
« Letzte Änderung: 28.09.2016 | 00:48 von Ucalegon »

Offline 1of3

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Ich meine das irgendwo schon mal gelesen zu haben.

Zu beachten scheint mir, dass Live-Mitschnitte von Spielrunden ein anderes Sampling-Bias haben als Forendiskussionen. Es ist also richtig, dass man sehen kann, wie Leute spielen. Es ist auch richtig, dass das einen Kontrapunkt zu geschriebenen Diskussionen bieten kann. Wahrscheinlich wird man dann aber genau diejenigen erwischen, die eine besonders gute Show machen. Also nicht 08/15-Spielende, sondern die mit schauspielerischen Fähigkeiten oder zumindest dem Wunsch vor der Kamera zu stehen. Das dürfte eine durchaus andere Gruppe sein, als diejenigen, die in Foren schreiben.

Das heißt jetzt nicht, dass es ein schlechte Idee wäre Let's Plays als Quelle heranzuziehen. Eine solche Blaupause kann bestimmt befruchtend wirken.

Offline tartex

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Also nicht 08/15-Spielende, sondern die mit schauspielerischen Fähigkeiten oder zumindest dem Wunsch vor der Kamera zu stehen. Das dürfte eine durchaus andere Gruppe sein, als diejenigen, die in Foren schreiben.

Vertraue mir, es gibt inzwischen tausende Let's-Plays von Spielgruppen, denen sowohl die schauspielerische Fähigkeit als auch sonst so einiges fehlt. Die haben natürlich nicht die Subscriberzahlen von Geek&Sundry, aber wenn man bei Youtube nach Nischensystemen oder Let's-Plays zu bestimmten Abenteuern sucht, wird man eindeutig fündig.

Die größte Erkenntnis die ein Designer dabei meiner Ansicht haben kann, ist aber schlicht, dass Rollenspiel in vielen Gruppen 90% Gelaber und nur 10% Gewürfel ist. Wenn ich mir gerade über Würfelwahrscheinlichkeiten den Kopf zerbreche, denke ich da ja auch nicht dran...
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Offline ArneBab

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Die größte Erkenntnis die ein Designer dabei meiner Ansicht haben kann, ist aber schlicht, dass Rollenspiel in vielen Gruppen 90% Gelaber und nur 10% Gewürfel ist. Wenn ich mir gerade über Würfelwahrscheinlichkeiten den Kopf zerbreche, denke ich da ja auch nicht dran...
Die Erkenntnis hatten wir letzten Samstag auch wieder (in unserem actual play, ähm unserer Rollespielrunde ☺): Es gibt viele schreckliche Würfelmethoden und grässliche Anreize im Regelsystem. Wenn das Buch toll geschrieben ist und den richtigen Leuten das Gefühl gibt, dass ihr Stil jetzt gewollt ist, dann kann das Spiel trotzdem toll sein und viele tolle Spielrunden liefern - möglicherweise Runden, die mit keinem anderen Rollenspiel vorher funktioniert haben.

Ich sehe den Vorteil der Videos eher darin, dass man Runden zuschauen kann, in denen man nicht selbst drin sitzt. Allerdings halt nur Runden von Leuten, die sich dabei wohl fühlen, beim Spielen beobachtet zu werden.
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Offline Crimson King

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Ich halte ja schon Mearls Kernthese für maximal halbrichtig. Der Großteil komplexer Systeme kommt aus den 80ern und frühen 90ern. Die Theorie hat eher dafür gesorgt, Systeme fokussiert auf ihre Kernkompetenzen hin zu designen, was oft auf Kosten der Anpassungsfähigkeit an unterschiedliche Spielvorlieben ging. Ich vermute eher, dass die Anzahl an Let's Plays dem Fakt Rechnung trägt, dass der Fokus eines Systems gegenüber der Flexibilität als in der Praxis weniger wichtig angesehen wird.
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Offline Antariuk

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Ich halte die These - aus dem von 1of3 genannten Grund - für groben Unfug und die ganze Nummer als einen zu späten und unfreiwillig komischen Versuch von Mearls mit der anhaltenden Kritik an seiner Arbeit als RPG-Designer umzugehen (vor allem weil er kräftig an 4E mitgearbeitet hat, was einige 5E Fans vielleicht gar nicht wissen). Vor allem um am Ende dann schön auf den Satz hinzuleiten dass bei 5E die Regeln keine Barriere mehr seien. Was das mit Lets Plays zu tun haben soll erschließt sich mir nicht.
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Online nobody@home

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Ich stoße mich auf den ersten Blick vor allen Dingen an diesen beiden:

Zitat
2. 3e, and then into 4e, D&D was very dense, rules heavy, complicated, and filled with character building options. That was the game.

3. That spread to other RPGs, placing the baseline complexity of the typical RPG at the extreme upper end of what we saw in 80s/90s.

Also, weil sich speziell D&D ab dem Jahr 2000 (Ersterscheinen der 3. Edition) entschieden hat, noch komplizierter zu werden, als es beispielsweise AD&D1/2 ohnehin schon waren, hat der Rest der Rollenspielindustrie natürlich gleich mitgezogen und dasselbe gemacht? Herr Mearls, das habe ich irgendwie anders in Erinnerung... >;D

(Schön, ich hab' mich auch aus der ganzen D20-Blase weitgehend herausgehalten. Ich stand da schon längst mehr auf andere Systeme, D&D3 war hauptsächlich wegen der damaligen bequemen Living Adri-Spielgelegenheiten auf den örtlichen Cons interessant.)

Offline tartex

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Also, weil sich speziell D&D ab dem Jahr 2000 (Ersterscheinen der 3. Edition) entschieden hat, noch komplizierter zu werden, als es beispielsweise AD&D1/2 ohnehin schon waren, hat der Rest der Rollenspielindustrie natürlich gleich mitgezogen und dasselbe gemacht? Herr Mearls, das habe ich irgendwie anders in Erinnerung... >;D

Naja. Man könnte sagen, dass Indie-Rollenspiele eben die andere Seite der Medaille waren, aber dass Rollenspiel-Foren in ihrer Genese eine noch größere Rolle gespielt haben.

Es wurde nicht alles komplizierter. Manches wurde auch konzeptioneller.
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