Bei dem erzkonservativen Haufen, den die meisten älteren Vampire bilden, zusammen mit der unglaublich kleinen Population würde es mich schon etwas wundern, wenn es viele Trans-Vampire gäbe. Zumal die Geschlechtsidentität wahrscheinlich durch den fehlenden Sexualtrieb und die weitaus größere Kluft Vampir/Mensch nach einer Weile stark in den Hintergrund tritt.
Wo fange ich da an? Ältere Vampire sind mitnichten erzkonservativ im menschlichen Sinne des Wortes. Ja, sie halten die Ideale und Vorstellungen ihrer Clans hoch, aber das hat nichts mit der Auswahl von Nachkommen zu tun. Bereits in Dark Ages wird klar gemacht, dass z.B. Frauen gleichberechtigt mit Männern agieren. Und dann beachte als nächstes, dass die Ahnen immer aus der Zeit gefallen sind. Ein römischer oder griechischer Ahn dürfte durch aus antike Ideale in seinen Nachkommen suchen. Und die Nachkommen sind dann u.U. alles andere als konservativ im Sinne der zu ihrer Zeit geltenden Vorstellungen.
Dazu kommt, dass die Sexualmoral des 19. bis 20. Jahrhunderts erst im 19. Jahrhundert durch die Nationalstaatsbewegung entstanden ist. Und seit 1968 löst sie sich in der Form auch wieder auf,
Da Vampire außerdem darauf achten, möglichst unerkannt und reibungslos unter Menschen zu existieren, wäre eine offensichtliche Transidentität extrem hinderlich für das Überleben (und wahrscheinlich auch für die Kuss-Erlaubnis, falls es die in V5 noch gibt).
Es sind zwei Paar Stiefel, was man nach außen trägt, und was man privat tut. Schau mal ins 19. Jahrhundert. Stichwort: Molly Houses.
Und eine Transidentität muss auch nicht unbedingt im Artwork sichtbar sein, da sie nicht zwangsläufig etwas ist, dass sich in besonderer Optik niederschlägt.
Ähm... da komme ich zum Punkt: Operationen zu einer Transidentität sind erst seit wenigen Jahrzehnten möglich. Also ältere Vampire können durchaus durch Andeutungen in der Artwork dargestellt werden.
Fehlende Diversität abseits von Hautfarben (also Körpertypen, Behinderungen, Geschlechtsidentitäten und sexuelle Orientierung) ist mMn in der Regel schon ein wichtiges Merkmal, um überhaupt für den Kuss infrage zu kommen. Und selbst bei den Hautfarben wird es schon schwierig: In Ländern mit sehr homogener Bevölkerung fallen Ausreißer einfach zu stark auf, um einen Kuss rechtfertigen zu können.
Du suchst den Nachkommen nicht nach Abwesenheits von Diversität aus. Erstens, weil ein erfolgreicher Vampir Charaktereigenschaften braucht, die in der Kernbevölkerung eher nicht so oft anzutreffen. Gerade jemand mit anderer Geschlechtsidentität hat sehr oft Anlagen zu einer guten Maskerade. Denn nicht zu allen Orten und Zeiten möchte man erkannt werden. Damit ist es für jemanden mit abweichender Geschlechtsidentität leichter die Maskerade aufrecht zu erhalten - er/sie ist es nämlich bereits gewöhnt sich in bestimmten Situationen zu verstellen und wichtige Eigenschaften nicht mitzuteilen.
Vampir zu werden, bedeutet mit gesellschaftlichen Konventionen und Rollenbildern zu brechen, Lebensentwürfe zu begraben und neue aufzubauen. Gerade Personen, die aus der gesellschaftlichen Norm abweichen sind dazu besser in der Lage als gesellschaftlich normierte Menschen.
Außerdem kommt da noch der ganze psycho-sexuelle Komplex der Vampirgeschichten von Bram Stoker über Anne Rice und Poppy Z. Brite bis hin zu Laurell K. Hamilton dazu. Maskerade positioniert sich klar in deren Fahrwasser.
Ergänzung: Vampire sind das andere, das begehrenswerte, der Weg aus gesellschaftlicher Norm und Anstand. Der geheime Wunsch auszubrechen.
Die Vampir-Gesellschaft funktioniert halt nur als Spiegel der Mehrheitsgesellschaft (und den Aspekten einer Person, die ihr in dieser Vorteile verschaffen), wenn sie nicht auffliegen und zugleich für Machtzuwachs sorgen soll.
So gar nicht. Vampire sind grundsätzlich außergewöhnlich. Gerade wenn sie überleben wollen. Starke Persönlichkeiten sind von Vorteil, wenn man Jahrhunderte überleben möchte. Wer ist besser dazu geeignet, als Personen, die bereits zu Lebzeiten wissen, was es bedeutet um Anerkennung zu kämpfen, und sich zu nehmen, was man haben möchte?
Und Ahnen dürften in ihren Nachkommen auch Eigenschaften suchen, die sie selber bewundern bzw. als erstrebenswert betrachten. Da interessiert die Mehrheitsgesellschaft nen feuchten Kericht. Die ändert sich nämlich extrem schnell. Was in den 50ern Jahren noch Mainstream war, ist heute praktisch nicht mehr lebbar. Was im 19. Jahrhundert noch als gesellschaftlicher Anstand galt, lässt einen heute auffallen wie einen bunten Hund. Gar nicht zu reden von Vampiren aus dem Barrock, Mittelalter, Antike, etc.