Was heißt dann "etabliert haben" in dem Fall? Als Charakter im Spiel erzeugt odr als Spieler und wenn dann vorher oder mitten im Spiel? Es gibt erst einmal keine Geschichte!
Aber es ist eine entsprechende konsistente Weltmaschine notwendig, damit die Sandbox entsprechend funktionieren kann. Da kann an ein paar Stellen angebaut werden, aber es könenn nicht munter neue Zahnräder reingeworfen werden. Und diese Stellen unterscheiden kann nur jemand der das Innere entsprechend kennt - und das ist der Spielleiter.
Es macht absolut keinen Unterschied ob die Etablierung als Charakter oder als Spieler passiert, denn im Endeffekt kommt es nur auf das gesagte an. Als Charakter ist es vielleicht stimmungsvoller - es ändert aber am Spiel sonst gar nichts.
Natürlich gibt es
erstmal auch keine Geschichte. Wozu, wenn nicht dazu sie gemeinsam zu erfinden/erleben, spielt man ein Rollenspiel? Eine Vorab-Etablierung ist für mich kein Player Empowerement, das ist gemeinsames Weltenbauen und hat für mich damit überhaupt nichts zu tun. Natürlich kann ich mich mit den Spielern die Rahmenbedingungen der Welt Vorab klären, kann man auch bis zu einem gewissen Grad machen und gewisse Dinge sind sicher sinnvoll. Darum ging es bei dem Vorschlag aber in keinster Weise. Player Empowerment ist das "interaktiv die aktuelle Szene mitzugestalten und dabei auch
wichtige Dinge zu etablieren". Nur weil der Spieler entscheidet, dass der Teppich rot ist, kann man noch nicht von Player Empowerement sprechen, er muss schon Dinge etablieren dürfen die den weiteren Verlauf bestimmen und festlegen.
Etablieren bedeutet, dass der Spieler für gewisse Dinge sagen kann: Das ist nun so und ab sofort ist das in der Welt auch so. Deine Weltenmaschine ist keine Zahnradmaschine - sonst könnten wir und kein anderer nicht so spielen, denn eine kleine Änderung würde viel kaputt machen. Egal welches Setting man nimmt, ein Setting und eine Welt geht nicht so schnell kaputt, die sind ziemlich robust die Dinger. Schwertküste und es gibt kein Baldurs Gate? Kein Weltuntergang. Shadowrun und Seattle wurde von einer nuklearen Rakete dem Erdboden gleichgemacht? Kein großes Problem. Dungeons & Dragons und Kobolde sind intelligent vorgehende kleine Mistviecher? Fühlt sich immer noch erstaunlich sehr nach D&D an. So weit geht es bei uns normalerweise nicht - aber selbst wenn, würde es kein Problem verursachen.
Settings sind ziemlich groß und bestehen meist aus einer Vielzahl an Beschreibungen. Eine gewisse gemeinsame Basis muss immer abgeklärt werden um das selbe Spiel zu spielen, das geschieht entweder weil jeder das Grundregelwerk liest oder es einfach vorab besprochen wird (z.B bei Eigenkreationen): Gibt es Magie? Gibt es Götter? Diese Dinge sind dann etabliert und werden von keinem anders beschrieben als es gemeinsam geklärt wurde. Niemand würde auf die Idee kommen dann trotzdem so tun als würde er in einer anderen Welt spielen.
Im konkreten Fall: Der Ort Donnersberg war nicht genannt bis der Spieler ihn sich ausgedacht hat, inklusive dem Beruf des Drachenjägers den er ausübte, der Akademie die jene dort ausbildet, die Tatsache, dass es die größte Akademie für Drachenwissen in der Welt überhaupt ist nach dem Stand des Wissens der Gruppe. Das zieht sich dann durch das gesamte Spiel. Das Spiel begann in Rakkisstein, einer Burg an strategisch wichtiger Stelle - mitten am Höhepunkt einer Belagerung. Es war noch nicht klar wer gegen wen kämpft, wem die Burg gehört, auf welcher Seite die Spieler überhaupt stehen oder ob sie durchreisende waren. All diese Entscheidungen wurde in die Hand der Spieler gelegt.
Spielerin A legte fest, dass es sich um ein einen bösen Herrscher handelte, ich ergänzte einen ganzen Spielabend später, dass es Dunkelelfen sind (es war davor einfach nicht wichtig und wurde von keinem genannt, ich konnte das also etablieren ohne bestehendes umzuwälzen)
Spieler B legte fest, dass sie auf der Verteidiger seite sind, ich legte die Mannstärke auf 800 Mann gegen 10.000 Angreifer fest, der Spieler erklärte sie seien nur Durchreisende und haben in der Burg nur halt gemacht.
Im Zuge der ersten Szene kamen von den Spielern noch folgende Dinge: Spieler B ist Drachenjäger, sein Haus verschuldet, darum sind sie hier, auf der Suche nach Drachen - weil das Geld bringt. Spieler C ist der örtliche Druide und soll als Führer und Ortskundiger helfen und Spielerin A eine Dracoide und wurde daher angeheuert "weil sie sich mit Drachen auskennt."
Was unterscheidet sich bei diesem Spielstil nun von grundauf vom klassischen Spielleiter-Spieler-Gefälle?
1. Die Geschichte kommt nicht allein vom Spielleiter, weil eben nicht nur Orte und Namen von den Spielern vergeben werden sondern Motivationen und Geschehnisse etabliert werden können!
2. Der Spielleiter baut die Geschichte aus den genannten Dingen. Im konkreten Fall waren es von mir als SL zwei Geschichten die den Rahmen des Geschehens in der Welt vorgeben: Die Welt ist im Wandel weil der Dunkelelfenherrscher die Oberfläche angreift und sich im Norden später die Toten erheben werden. Dies ist am ehesten zu vergleichen mit Fronten in PbtA oder Fraktionen in SWN oder Weltaspekten in Fate. Meine Aufgabe war es also diese zwei Geschichten mit den Geschichten der Spieler zu verweben. Die sich erhebenden Toten wurden mit dem Haus des Drachenjägers verwoben. Der Wunsch der Spieler unbedingt Lindwurmeier auszubrüten und jemanden zu finden der ihnen erklärt wie sie das tun können wurde zum Grund in den Norden zu reisen. Die Angriffe des Dunkelelfenherrschers wurden zum aktuellen Schatten der die jetzige Situation der Spieler überschattet. Egal welchen Ort sie bereisten, es lag immer das Knistern von Krieg in der Luft.
Das bedeutet man auch man nutzt die Erwartungshaltung der Spieler permanent aus. Spieler:"Wenn der Drachenjäger ist, müsste das doch heißen der weiß vielleicht wie man die Eier ausbrütet" SL: "Nein, aber er weiß wo." Spieler:"Ah! Ja im Norden gibt es unsere Akademie, da befindet sich dieses Wissen bestimmt." SL - Die Toten werden sich also im Norden erheben und an keiner anderen Stelle. Alles was ein Spieler einwirft wird zum potentiellen Akteuer für oder gegen die Spieler. Der Spieler geht ins Puff - die Puffmutter besitzt ein Spionagenetzwerk in der Stadt. Die Aufgabe des Spielleiters sollte es sein: So viele Verbindungen wie möglich zwischen den Dingen zu schaffen.
Um schlussendlich wieder zur eigentlichen Frage zu kommen, daraus enstehen natürlich ziemliche komplexe Plots mit vielen Akteuren und Motivatitionen. Wie behält man da den Überblick?
1. Unwichtige Dinge fallen lassen. Beispiel: Die Spieler verlassen einen Ort nachdem es dort einen großen Mord gab und einen Spielabend viele Szenen. Mitten drinn beschlossen die Spieler, dass sie dem Mord nicht mehr nachgehen wollen. Die fälschlicherweise verurteilten Bauern werden gehängt werden und im Zuge des Mords gibt es einige politische Rochaden. Wenn die Spieler nun aber immer weiter nach Norden reisen, kehren sie vielleicht nie zurück. Ich halte als kurze Notiz fest was hier nun geschieht und das wars. Weiter wird nicht mehr darauf eingegangen. Ein neuer Ort, neue Intrigen und Geschichten stehen im Fokus und die werden ausgearbeitet.
2. Vergessenes neu etablieren. Wenn ein Spieler später doch etwas aufgreift, dass lange zurück liegt und bei dem niemand mehr so genau weiß was da war, lässt man eben wieder neu etablieren: "Was war nochmal im Dorf X?" "Puh, keine Ahnung, erzähl mir woher du den kennst." Meistens bleibt ja irgendein Fragment hängen.
3. Der SL hat immer noch ein Hoheitsrecht und die Dinge die er noch für potentielle Plots braucht muss er selbst als Notiz haben oder wissen. Wenn er das hat, kann er jederzeit sagen: "Nene, das war aber anders. Nicht X hat Y getötet sondern Z den W". Wenn der SL es auch nicht mehr weiß - dann kann es nicht so wichtig gewesen sein und maximal ein Nebenplot der eben "irgendwie" ausging.
(Edit, mit Blick zu Wellentänzers Post): 4. Es wird nur etabliert was auch bespielt wird. Anstatt, dass der Spielleiter elendig lang erklärt wer alles gegen wen kämpft fokussiert man sich nur auf die Dinge mit denen sie in Kontakt kommen. Das ist natürlich nicht extrem zu sehen, der Spielleiter kann schon sagen "Da gibts diese und jenes" um den Ball ins Rollen zu bringen, aber damit das ganze Rund läuft, muss man sich genau auf jene Dinge konzentrieren die jetzt gerade im Augenblick wichtig sind. Dadurch entsteht ein extrem dichtes Rollenspiel, weil man ja mit allem jetzt sofort interagieren kann oder sich überlegen kann : "Verdammt, warum wurden die jetzt etabliert. Die müssen doch wichtig sein." Selbst wenn der SL "Die" jetz nicht als wichtig erachtete - wenn der Spieler sie für wichtig hält, werden sie wichtig gemacht wenn er nur irgendeine Möglichkeit dafür gibt.
Da finde ich das Tiddlywiki mit seinen Tags sehr praktisch. Wenn ich nicht mehr weiß, wer war alles Mitglied der "Rosenkrieger" im Ort "Düsterwald" kann ich eben alle Charaktere die gespeichert sind filtern nach "Rosenkrieger" & "Düsterwald". Das hilft dann bei der Vorbereitung wenn sich abzeichnet, dass die Spieler wieder mit denen zu tun haben obwohl das lange zurücklag. Und weil Tags erstmal keine intrinsische Bedeutung haben, kann man damit halt echt viele Dinge filtern und in Beziehung setzen.