Pen & Paper - Spielsysteme > Gumshoe
The Yellow King
sma:
Aus seinem Podcast :-)
Sarakin:
Lohnen sich die Bücher auch zum reinen Schmökern, wenn man - mangels passender Spielgruppe - gar nicht vorhat, das System/Setting zu bespielen?
sma:
Du findest im ersten Buch ~50 Seiten Hintergrundmaterial über Paris und Leute, die dort lebten, sowie 20 Seiten Abenteuer, welches vorbildlich in untereinander verknüpfte Szenen unterteilt ist, was aber sequentielles Lesen erschwert. Zum Schmökern erscheint mir das zu wenig.
Mehr Spaß macht da denke ich das Begleitbuch Absinthe in Carcosa, welches – soweit ich das verstanden habe – Paris beschreibt, wenn man denn bereits unter dem Einfluss realitätsverändernder Drogen oder Entitäten steht.
Scimi:
--- Zitat von: Sarakin am 30.10.2019 | 08:37 ---Lohnen sich die Bücher auch zum reinen Schmökern, wenn man - mangels passender Spielgruppe - gar nicht vorhat, das System/Setting zu bespielen?
--- Ende Zitat ---
Es sind halt typische Rollenspielbücher mit Regelteil und Hintergrundteil. Natürlich enthalten die allerlei Dinge und Ideen zum Setting und zum Spiel, aber das Ganze ist wie üblich eher nüchtern und sachlich präsentiert und läd nicht wirklich zum Durchlesen ein. Der Teil zum Fin de Siècle-Paris hat dabei am meisten Mehrwert, weil da eine obskure, aber für Rollenspiele recht ergiebige Nische der Weltgeschichte beschrieben wird, die man z.B. für Cthulhu auch mal gut verwursten kann. Das Setting der anderen Bücher ist da viel spezieller und bietet keine unmittelbare Anwendungsmöglichkeit außerhalb des YKRPG.
Das Ganze ist schon sehr auf Verwendung in einem Spiel ausgelegt. "Absinthe in Carcosa" ist dafür ein reines Stimmungsbuch, vollfarbig und mit Fotos und Handouts vollgeklatscht, das mehr eine Atmosphäre vermitteln will als reine Fakten und vor allem der Inspiration dient.
Aber wer irgendetwas zu dem Thema lesen will, dem würde ich "The Missing and the Lost" empfehlen, der Roman von Robin D. Laws, in dem er im Prinzip das "Aftermath"-Setting vorstellt. Fand ich interessant und gut lesbar und vermittelt viele Aspekte der Carcosa-Parallel-Realität, die man auch woanders mal gewinnbringend unterbringen kann…
Achamanian:
Gestern Abend habe ich "Doors to Heaven" aus dem Free-RPG-Day-Heft als One-Shot geleitet. Das Abenteuer hat mir vom Lesen her gut gefallen, hat aber ein paar Bälle fallen lassen - im historischen Hintergrund gab's einen leicht zu ergoogelnden Schnitzer, der auch innerhalb des Abenteuers Lüchen und Ungereimtheiten zur Folge hatte, und für mein Gefühl wurden offensichtliche Gelegenheiten verschenkt, das Finale wirklich gruselig und verstörend zu machen. Habe da natürlich meinem Geschmack entsprechend nachgebessert.
Mit dem Ergebnis war ich sehr zufrieden - Grundidee des Abenteuers und Grundaufbau haben hervorragend funktioniert, die Ermittlungen gingen flüssig voran, die Gruppe konnte sich recht non-linear durchs Szenario arbeiten und hatte in jeder Szene das berechtigte Gefühl, weitere Puzzleteile zu finden. Atmosphäre war von romantisch-unheimlich bis leise bizarr, mit ein paar trashigen Elementen im Finale, hat für meinen Geschmack gut in das Paris-1895-Setting und auch halbwegs zu den Chambers-Stories gepasst.
Regelseitig ist der Ermittlungsteil eben Gumshoe - ich bin da inzwischen sehr freeformig und schaue ehrlich gesagt kaum noch auf die Investigative Abilities, sondern eher darauf, ob ein Approach Sinn ergibt und im Großen und Ganzen zur Rolle des Charakters in der Gruppe passt.
Das "Time-Boxed"-Kampfsystem, in dem jeder SC genau eine Probe gegen den statischen Widerstand des Gegners hat und bei Misserfolg eine von maximal 3 Verletzungen kassiert, und in dem die Gesamtbilanz der Proben aller Beteiligten SC dann darüber entscheidet, ob sie ihr Ziel im Kampf erfolgreich erreicht haben, hat mir im Prinzip gut gefallen - ist narrativer, als man das auf dem Papier so denkt, und baut durchaus Spannung auf. Allerdings ist mir ein Problem aufgefallen: Im Abschlusskampf haben die SC versucht, ihren Gegner zu töten, und sind gescheitert. Da die Regeln festlegen, dass der Gegner die SC trotzdem nicht einfach seinerseits töten kann und ihnen auch keine weiteren Verletzungen reindrücken, sondern dass sie halt nur ihr Ziel nicht erreichen, musste der Gegner letztendlich die Flucht ergreifen, obwohl er überlegen war. In der Situation ließ sich das noch halbwegs plausibel hinbiegen - aber man kann als Gruppe auch Kampfziele wie "Fliehen" wählen. Wenn man jetzt als Gruppe versucht, vor einem Gegner zu fliehen, dessen Ziel es ist, einen zu töten, und dabei scheitert, dann kann das doch eigentlich nur definitionsgemäß einen TPK bedeuten, oder?
Klar kann man sagen: Bitte als SL keine Situationen erzeugen, in denen ein Feind die SC einfach nur töten will. Aber genau so war der Endkampf des Szenarios as written dummerweise gestrickt ...
Das Vollregelwerk gibt da, soweit ich es sehe, auch keine Antwort. Ich würde da bei einem Horrorsystem ehrlich gesagt auch durchaus zu einem TPK neigen, wenn der Kampf total schiefgeht.
Insgesamt hat sich der gute Gesamteindruck bestätigt. Der Settingteil des Parisbands ist, soweit ich ihn quergelesen habe, übrigens auch sehr hilfreich - knapp und prägnant, aber mit genug Informationen, um ein halbwegs rundes Bild zu zeichnen, auch, wenn man sich nicht so großartig mit Paris auskennt ...
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