Autor Thema: Angst vor Railroading?  (Gelesen 22313 mal)

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Offline Edwin

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Angst vor Railroading?
« am: 13.05.2017 | 11:10 »
Liebe Spielleiter,

Ich habe beim Spielleiten eine zunehmende Angst davor, zu Railroaden. Frage ich meine Spieler, sagen diese allerdings, sie würden sich nicht in irgendeiner Weise gegängelt fühlen. Trotzdem geht dieses, ich nenne es mal "latente Schuldgefühl", nie ganz weg und nimmt mir inzwischen teilweise die Lust am Spielleiten. Die Unbekümmertheit die ich früher hatte ist einfach weg.

Oft schaue ich auf vergangene Spielabende zurück und frage mich ob ich die Spieler irgendwie in eine Richtung gezwungen habe. Beispielsweise kamen die SC vor Kurzem in eine Situation, in der sie entweder einer Gruppe von freundlichen, aber relativ machtlosen Aliens helfen konnten kulturelle Artefakte zu behalten oder einer mächtigen, aber zwielichtigen Geheimorganisation eben diese Artefakte in die Finger zu bekommen. Meine Erwartung war eher, dass die SC sich auf die Seite der Aliens stellen. Statt dessen verhandelten die SC überraschend für mich mit der Geheimorganisation aus, diesen die Artefakte zu besorgen und im Gegenzug mehr über die Organisation zu erfahren. Sie erhofften sich so, die Pläne des Geheimbundes auf diese Weise besser durchkreuzen zu können (sollte dies nötig sein). Anscheinend habe ich also den Spielern die Freiheit gelassen, unkonventionelle Lösungen zu finden, oder? Trotzdem gerate ich dann ins Grübeln, ober ich überhaupt das "Recht" habe, Erwartungen an eine Problemsituation zu haben ("Die SC werden wahrscheinlich den Aliens helfen, also arbeite ich schon mal Kampfwerte für die Geheimbündler aus.") oder ob ich durch solche Erwartungen nicht schon irgendwie unterbewusst Druck in diese Richtung auslöse. Was ich damit sagen will: ich bin mir nie vollkommen sicher, nicht gegängelt zu haben, irgendwie ist da immer das Gefühl: "Das war RR = Das war schlecht!" Und das wirkt sich natürlich zunehmenden auf die Lust aus, weiter SL zu sein.

Offensichtlich steht dieses ständige Hinterfragen mit den zahlreichen Diskussionen über RR unter Anderem hier im  :t: in Verbindung, die für mich häufig den Eindruck hinterlassen, dass eigentlich fast alles (außer sehr spezifischen Formen des Sandboxings) RR ist.

Dieser Thread ist einerseits ein Ausheulen und andererseits eine Frage nach: "Geht es euch auch so?"
Konntet ihr euch davon irgendwie befreien?
Guten Tag! Ja, ich bin ein sprechendes Pferd mit einer Kerze auf dem Kopf, aber kommunizieren Sie doch bitte mit mir so unbefangen wie mit bipedalen vernunftsbegabten Lebewesen auch!

Offline Der Nârr

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Re: Angst vor Railroading?
« Antwort #1 am: 13.05.2017 | 11:20 »
Also Erwartungen zu haben oder in eine bestimmte Richtung vorzubereiten ist noch lange kein Railroading.

Leider ist der Begriff Railroading verwässert worden, manche verstehen jeden Spielleitereingriff als Railroading. Leider gibt es gar kein Rollenspiel ohne Spielleitereingriff, wenn es einen Spielleiter hat. Du siehst also: Spielleitereingriff ist nicht automatisch Railroading. Trotzdem schaffen diese Unklarheiten viel Unsicherheit.

Railroading ist ein Idealtypus, in dem massiver Spielleitereingriff stattfindet, um die Spieler "auf Spur" zu halten und ein vordefiniertes Ende zu erreichen. Es ist also sowohl das Ende vorgegeben als auch, wie die Spieler dort hin kommen.

Dem gegenüber steht die Sandbox als freies Spiel als entgegengesetzter Idealtypus.

Dazwischen gibt es unendlich viele Abstufungen und irgendwo da werden gefühlt 90% der Spielleiter liegen. Die anderen 10% sind eben die Spielleiter, die sich bewusst entscheiden, Sandbox oder Railroading zu machen (oder irgendwelche Fertigprodukte spielleiten, die so aufgebaut sind).

Wenn du ein Abenteuer vorbereitest in der Art "da gibt es dieses Problem und diese NPC und wahrscheinlich werden die Spieler dieses und jenes machen", dann klingt das nicht nach Railroading. Railroading ist eher "epische Backstory, die die Helden nie erfahren, und dann passiert das, und die Helden begegnen, und dann passiert das, und dann machen die Helden das, und dann das, und dann passiert den Helden folgendes, und dann müssen die Helden".  Railroading nimmt auch in Kauf, Spielerentscheidungen und Spielerfähigkeiten zu entwerten, damit das gewünschte Ergebnis herbeigeführt wird (also Würfelergebnisse fälschen, "in dieser Situation wirkt deine genau definierte Fähigkeit nicht" etc.).

Viele Spielleiter bekennen sich bewusst zu etwas zwischen Sandbox und Railroading. Mir ist zum Beispiel ergebnisoffenes Spiel sehr wichtig und dass die Spieler selbst ihren Weg finden, das Abenteuer zu lösen. Es ist mir aber wichtig, dass es überhaupt ein Abenteuer gibt. Das ist ja schon der erste Schritt zur dunklen Seite des Spielleitens ;).

P.S.: Wobei ich als Disclaimer hinzufügen sollte, dass ich nach Ansicht mancher Forenmitglieder ja auch ein scheinheiliger Railroader bin: https://www.tanelorn.net/index.php/topic,99515.0.html
« Letzte Änderung: 13.05.2017 | 11:25 von Der Narr »
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Offline Wandler

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Re: Angst vor Railroading?
« Antwort #2 am: 13.05.2017 | 11:40 »
Schöner Thread. Railroading macht das Hobby kaputt. Nicht nur Leute die railroaden, sondern dauernd Angst haben zu müssen, jeden mit Samthandschuhen anfassen zu müssen. Du sprichst mir aus der Seele und ich verstehe dich voll und ganz.

Der einzige Tipp den ich geben kann: Sich selbst weniger anscheißen und nicht vergessen, dass man selber als Spieleiter auch Spaß haben will und vor allem DARF. Wenn jemand mit einer konkreten Handlung oder Entscheidung dann wirklich ein Problem hatte, dann sollte man sowas nach den Runden besprechen. Es sollte nicht so sein, dass du als Spielleiter dich dauernd eingeengt fühlst weil du vielleicht railroadest. Wie viel tolle Momente sind dadurch schon zerstört worden, weil man nicht die für ALLE viel bessere vielleicht railroading Alternative gewählt hat, nur weil man Angst hatte zu railroaden. Hey, versteht das nicht falsch, ich find railroading auch nicht schön und es ist immer ein Zeichen schlechtes Abenteuerdesigns oder eines miesen Spielleiters ABER mein Gott, dürfen wir nicht auch mal schlechte Abenteuer spielen und mal schlechte Spielleiter sein die nicht adhoc ganze Welten aus dem Nichts stampfen und jede Eventualität mit einer Qualität erfinden die einen Literaturnobelpreis verdient hätte.

Konnte mich selbst nur befreien in dem ich die Gruppe aufgelöst habe und mir Spieler gesucht habe, die bereit sind den gemeinsamen Spaß über alle Rollenspieltheorien, konzepte und an manchen Abenden auch die eigenen Wünsche zu stellen. Sehe bisher auch keine andere Möglichkeit.

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Offline Settembrini

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Re: Angst vor Railroading?
« Antwort #3 am: 13.05.2017 | 11:48 »
@Edwin:
Du machst das doch alles richtig: Erwartungen haben, dafür vorbereiten, aber bereit sein, sie unmustoßen. Mehr braucht es nicht.

Vergiß nicht, daß die Versionen von RR, die Dir eingetrichtert wurde, eine reductio ad absurdum sind! Und zwar von BEFÜRWORTERN des RR! Die rannten rum, rennen immer noch rum, wollen ihre RR-Scheiße retten und ihre Spielerentmündigung, und behaupten dann ALLES außer totaler Zen-Spielleiterei sei RR!

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Offline Lord Verminaard

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Re: Angst vor Railroading?
« Antwort #4 am: 13.05.2017 | 11:56 »
Ja, das Gefühl kann man schon bekommen, wenn man sich hier im :T: und anderswo bewegt und an den Diskussionen teilnimmt. Ging mir streckenweise ganz genau so. Letztendlich ist das Problem, dass in Forenthreads eher das Plakative die Überhand behält, während der Lebenssachverhalt dann doch oft nuancierter ist. Und was diese fixe Idee angeht, ein SL dürfe nicht planen, ja, auch das liest man aber das war schon immer grober Unsinn und ich behaupte, der SL, der sich vorbereitet, aber nicht plant, den gibt es gar nicht. Letztendlich ist es aber gar nicht so leicht, sich von solchen Gedanken wieder zu befreien. Ich musste dazu erst mal wieder ein eigenes Verständnis entwickeln, das ich an die Stelle von diesen ganzen Worthülsen setzen konnte. Es ging mir da teilweise auch so, dass mir das Leiten keinen Spaß mehr gemacht hat, halt auch, weil ich mit irgendwelchen Sachen rumexperimentiert habe, die nicht so richtig funktionieren wollten.

Ganz davon abgesehen, dass immer nur Leiten halt auch anstrengend ist und es schön ist, wenn man auch mal selber spielen kann. In grauer Vorzeit war ich auch einer von diesen "immer SL" Typen, aber seit ich mal das Privileg hatte, in einer Runde mit starken Mitspielern und starkem SL Spieler sein zu dürfen, möchte ich das nicht mehr missen.
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Offline KhornedBeef

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Re: Angst vor Railroading?
« Antwort #5 am: 13.05.2017 | 12:03 »
Wenn du trotz anderslautender Aussagen deiner Spieler so eine Panik vor railroading hast und deswegen  keinen Spaß an einer Runde, dann solltest du dich als erstes mit deinen Ängsten befassen, und erst weit danach mit deinem Spielleiten. Sonst läufst du Gefahr, dir darin nie zu genügen.
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Offline Settembrini

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Re: Angst vor Railroading?
« Antwort #6 am: 13.05.2017 | 12:05 »
@Wandler: Für wenig spontane Spielleiter (< "Literaturnobelpreis") gab und gibt es die patentierte Lösung: Dungeons. Freiheit in Tüten.
Die Eisenbahn geht bis zum Eingang. Innen drinne ist dann alles möglich. Dem Pragmatismus wie dem Spielererlebnis ist genüge getan.

Die große Lüge und der große Irrtum der 90er ist, daß ein wenig spontaner, mittelmäßiger Spielleiter außerhalb des Dungeons irgendwas reißen könnte. Nein, da wird es dann grauselig und gruselig. Als mittelmäßiger Spielleiter KANN man sich durch Vorbereitung auch dem RR-Desaster entziehen. Rel-Maps, Handlungsmaschinen etc. pp. Aber so richtig geil wird's halt nie.
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Re: Angst vor Railroading?
« Antwort #7 am: 13.05.2017 | 12:11 »
Ich denke, einfach nur vorbereitet zu sein, zählt noch nicht als Railroading. ;) Bei den meisten Systemen muß man ja mit einer zumindest halbwegs ausgearbeiteten Abenteueridee antanzen, will man seine Spieler nicht mitten in der Sitzung um eine halbe Stunde schöpferische Pause zum schnellen Ausarbeiten des völlig ungeplant aufgetauchten neuen Oberschurken samt Leibwache und Privatfestung bitten...

In der Mehrzahl der Fälle sollte man auch schon erwarten können, daß sich die Spieler auf die von der SL präsentierte Situation zumindest erst mal einlassen; Ausnahmen können die Regel bestätigen, aber ich würde doch davon ausgehen, daß die durchschnittliche Gruppe nicht vor jedem Abenteuer gezielt davonrennt, wenn so etwas wie eine gemeinsame Kampagne dabei herauskommen soll. Was sie dann aus der Situation machen, ist allerdings ihre eigene Sache -- und solange das so bleibt, brauche ich mir auch keine Sorgen zu machen, daß ich schon irgendwie ins Camp der fiesen Railroader übergewechselt sein könnte. :)

Eulenspiegel

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Re: Angst vor Railroading?
« Antwort #8 am: 13.05.2017 | 12:26 »
Leider ist der Begriff Railroading verwässert worden, manche verstehen jeden Spielleitereingriff als Railroading.
Prinzipiell gibt es zwei Definitionen von Railroading:
1. Definition: RR sind Spielleitereingriffe.
2. Definition: RR sind Spielleitereingriffe, die den Spielern keinen Spaß machen.

Das erste RR ist nicht schlecht. Das zweite RR ist per definitionem schlecht. Aber hier musst du nur in die Augen deiner Spieler schauen, um zu beurteilen, ob es RR nach der 2. Definition ist.

Bei den meisten Systemen muß man ja mit einer zumindest halbwegs ausgearbeiteten Abenteueridee antanzen, will man seine Spieler nicht mitten in der Sitzung um eine halbe Stunde schöpferische Pause zum schnellen Ausarbeiten des völlig ungeplant aufgetauchten neuen Oberschurken samt Leibwache und Privatfestung bitten...
Jain. Man kann darauf verzichten.
Aber du hast insofern Recht, dass die meisten ABs zumindest am Anfang RR betreiben. Aber das ist nichts Schlimmes!
« Letzte Änderung: 13.05.2017 | 12:28 von Eulenspiegel »

Eulenspiegel

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Re: Angst vor Railroading?
« Antwort #9 am: 13.05.2017 | 12:36 »
Ich stimme dir zu!
Ich halte diese Definition auch für dümmlich und unbrauchbar. Und ich habe auch schon in diversen Threads geschrieben, dass ich diese Definition für dümmlich und unbrauchbar halte. Aber das ändert nichts daran, dass viele RR nach dieser 2. Definition benutzen. Und das, was du und ich als RR bezeichnen, wird von diesen als "Partizipationismus" bezeichnet.

Ucalegon

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Re: Angst vor Railroading?
« Antwort #10 am: 13.05.2017 | 12:39 »
@Edwin: Was macht dir denn Spaß am Leiten?

Ich meine, von der SL-Kanzel und allem was dazugehört, kommt man ja selbst in Systemen mit klaren Regeln für die Rolle nicht runter. Und als Spieler(in) ist man halt im Zweifel am "receiving end" davon. Weil ich auf den ganzen Spökes zunehmend keine Lust mehr habe, sind SL-lose Rollenspiele für mich der Königsweg.

Online Maarzan

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Re: Angst vor Railroading?
« Antwort #11 am: 13.05.2017 | 12:53 »
Prinzipiell gibt es zwei Definitionen von Railroading:
1. Definition: RR sind Spielleitereingriffe.
2. Definition: RR sind Spielleitereingriffe, die den Spielern keinen Spaß machen.


3. Definition: RR sind Spielleitereingriffe, welche ihm aus der Position des erklärten Spielstils so nicht zustehen.

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Offline Blizzard

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Re: Angst vor Railroading?
« Antwort #12 am: 13.05.2017 | 12:59 »
Dieser Thread ist einerseits ein Ausheulen und andererseits eine Frage nach: "Geht es euch auch so?"
Konntet ihr euch davon irgendwie befreien?
Kurz gesagt: Nein, mir geht es nicht so-aber ich musste mich davon auch nicht befreien.

Vorweg: Ich denke, deine Angst ist unbegründet bzw. du musst keine Angst haben, solange deine Spieler zufrieden sind (und das sind sie ja wohl). Dennoch kann ich deine Sorge oder Angst vor RR nachvollziehen-auch wenn sie imho wie gesagt unbegründet ist.

Lang gesagt: Das Problem bist nicht du oder es liegt nicht bei dir, sondern am Begriff des RR und wie damit umgegangen wird. Das Problem mit RR ist  dass viele Leute per se den Begriff viel zu negativ auslegen. Sie überdramatisieren ihn bis zum geht nicht mehr ins Negative. Es gibt eigentlich keine klare Definition von RR. Die Frage ist doch: Wo fängt RR an und wo hört RR auf? Jeder hat eine andere Sichtweise dazu. Die einen halten RR für ein bewährtes Mittel, weil...das haben sie immer schon so gemacht (Oldschool). Dem gegenüber stehen die fanatischen Sandboxer (Newschool),die RR als Wurzel allen Bösen (Rollenspiels) verteufeln. Und du als SL bist sozusagen mittendrin, sitzt quasi zwischen diesen beiden (Leitstil-)Stühlen. Der SL liegt sozusagen im Spannungsfeld zwischen Sandbox und RR. Ich versuche das mal grob darzustellen:

Sandbox(Freeform;Newschool)---------->SL<----------RR(Determinismus;Oldschool)

Die zentrale Frage ist doch: Wo siehst du dich und deinen Leitstil in obigem Schema? Eher links? Eher rechts? Genau in der Mitte? Irgendwo dazwischen? Wie stehst du als SL zum Thema "Spielleitereingriff"? Wann ist es zu wenig? Wann zu viel? Sollte der SL womöglich gar nicht oder so oft wie nötig eingreifen?
Ich denke, du musst für dich einfach klar darüber werden, wie du persönlich RR siehst. Und wenn du dir darüber klar geworden bist, dann geht auch das mit der (unbegründeten) Angst weg.

Ich persönlich sehe RR ja auch nicht als Bug sondern als Feature an. Ich biete meinen Spielern seit einigen Jahren eine abgesteckte Sandbox, in der sie sich frei bewegen und agieren können. Aber es braucht einfach einen gewissen Rahmen. Ich versuche, ihnen größtmögliche Handlungs-und Bewegungsfreiheit zu lassen. Gemäß dem Motto: " So eng wie nötig, so frei wie möglich". Und bin damit in den letzten Jahren super gefahren-und um das Thema RR habe ich mir absolut gar keine Gedanken gemacht-und auch nicht machen müssen.
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Offline Lord Verminaard

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Re: Angst vor Railroading?
« Antwort #13 am: 13.05.2017 | 13:23 »
Letztendlich ist Railroading ja nur ein verbreitetes Beispiel für einen Mangel an Fairness und Aufrichtigkeit in der Verhandlung der Fiktion. Man darf aber nicht das Beispiel mit der Sache an sich verwechseln. Und man muss den Kontext sowohl innerhalb der Fiktion als auch am Spieltisch berücksichtigen.

Es gibt auch viele Beispiele von mangelnder Fairness und Aufrichtigkeit, die mit Railroading nichts zu tun haben, wie z.B. der Spielleiter, der den Plan der Spieler kennt, und die NSCs/Monster so spielt, als ob sie ihn auch kennen, obwohl sie das gar nicht tun. Oder der Spielleiter, der die Situation schlecht beschrieben hat, aber darauf beharrt, dass die Spieler, nachdem die Verwirrung aufgelöst ist, ihre angesagten Aktionen nicht zurücknehmen dürfen, und wenn diese noch so unsinnig sind. Oder der Mitspieler, der am Spieltisch sozialen Druck auf den Spielleiter ausübt, um eine bestimmte Reaktion eines NSCs zu bekommen. Oder der Mitspieler, der beim Würfeln schummelt.
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Offline Bad Horse

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Re: Angst vor Railroading?
« Antwort #14 am: 13.05.2017 | 13:56 »
@Edwin:
Du machst das doch alles richtig: Erwartungen haben, dafür vorbereiten, aber bereit sein, sie unmustoßen. Mehr braucht es nicht.

Das hier.

Es ist völlig okay, Erwartungen zu haben und für bestimmte Dinge zu planen, solange du nicht darauf beharrst, dass das jetzt so passieren muss - du hast die alternative Lösung der SCs ja zugelassen, also: Alles im grünen Bereich.

@Der SL will ja auch mal Spaß haben: Ich habe weniger Spaß, wenn alles genauso läuft, wie ich das geplant habe, und ich von nichts mehr überrascht werde. Mir macht es am meisten Spaß, wenn die Spieler mit der Situation interagieren und auf völlig unerwartete, plausible Lösungen kommen. :)
Zitat von: William Butler Yeats, The Second Coming
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Offline Bad Horse

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Re: Angst vor Railroading?
« Antwort #15 am: 13.05.2017 | 14:06 »
Ein bisschen Selbstreflektion schadet nicht, aber das sollte natürlich nicht zur lähmenden Angst werden. Da stimme ich dir zu.
Zitat von: William Butler Yeats, The Second Coming
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Eulenspiegel

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Re: Angst vor Railroading?
« Antwort #16 am: 13.05.2017 | 14:34 »
Die Frage sollte nicht lauten: "Ist das, was ich leite, eher Sandbox oder eher RR?"
Die viel wichtigere Frage ist: "Macht das, was ich leite, mir und den anderen Spielern Spaß oder nicht?"

Wenn man zur Einstellung kommt: "Egal ob Sandbox oder RR, hauptsache es macht uns Spaß", ist allem am Spieltisch geholfen.

Erzdrakon

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Re: Angst vor Railroading?
« Antwort #17 am: 13.05.2017 | 15:04 »
Die Frage sollte nicht lauten: "Ist das, was ich leite, eher Sandbox oder eher RR?"
Die viel wichtigere Frage ist: "Macht das, was ich leite, mir und den anderen Spielern Spaß oder nicht?"

Wenn man zur Einstellung kommt: "Egal ob Sandbox oder RR, hauptsache es macht uns Spaß", ist allem am Spieltisch geholfen.
In diesem Satz steckt viel Weisheit drin. Bin da voll beim Eulenspiegel.

Gottseidank sind wir ja langsam wieder weg vom Gedanken das Railroading schlechtes Spielen ist. Will sagen, es kann schlechtes Spiel sein oder auch gutes, das hängt letztlich nur von der Gruppe (bestehend aus SL und Spielern) ab. Niemand sonst kann das entscheiden.

@Edwin: Ich glaube du brauchst dir keine Gedanken zu machen. Wenn du kein RR magst (und so klingt es ja raus), machst du alles richtig, denn du scheinst ja auf die Ideen der Spieler einzugehen und ihnen zu erlauben den Plot herumzuschubsen und zu gängeln, bis er ihnen passt. Und da es ihnen wohl auch gefällt wie du leitest haben sie auch den passenden SL.

Online Maarzan

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Re: Angst vor Railroading?
« Antwort #18 am: 13.05.2017 | 15:22 »
In diesem Satz steckt viel Weisheit drin. Bin da voll beim Eulenspiegel.

Gottseidank sind wir ja langsam wieder weg vom Gedanken das Railroading schlechtes Spielen ist.

Ganz sicher nicht!
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Offline Blizzard

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Re: Angst vor Railroading?
« Antwort #19 am: 13.05.2017 | 17:33 »
3. Definition: RR sind Spielleitereingriffe, welche ihm aus der Position des erklärten Spielstils so nicht zustehen.
Interessant. Kannst du das mal anhand eines Beispiels näher erläutern? Ich kann mir da nämlich grade nichts drunter vorstellen.


Gottseidank sind wir ja langsam wieder weg vom Gedanken das Railroading schlechtes Spielen ist. Will sagen, es kann schlechtes Spiel sein oder auch gutes, das hängt letztlich nur von der Gruppe (bestehend aus SL und Spielern) ab. Niemand sonst kann das entscheiden.
Welch' wahre Worte. Ich predige das ja schon lange, dass RR ein Feature und kein Bug ist.

...allerdings hege ich angesichts solcher Aussagen wie
Railroading macht das Hobby kaputt.
oder aber
Vergiß nicht, daß die Versionen von RR, die Dir eingetrichtert wurde, eine reductio ad absurdum sind! Und zwar von BEFÜRWORTERN des RR! Die rannten rum, rennen immer noch rum, wollen ihre RR-Scheiße retten und ihre Spielerentmündigung, und behaupten dann ALLES außer totaler Zen-Spielleiterei sei RR!
doch ernsthafte Zweifel, ob das auch wirklich der Fall ist. ::)
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Re: Angst vor Railroading?
« Antwort #20 am: 13.05.2017 | 17:46 »
@ Blizzard: Es geht da für mein Gefühl eher um Propaganda als um echtes Herzblut. Außerhalb eines wirklich eng begrenzten Rahmens, etwa eines klar umrissenen Dungeons, wird man eine fundamentalistische Ablehnung von Railroading oder artverwandter Techniken kaum aufrecht erhalten können. Entsprechend verstehe ich aggressive Einlassungen mittlerweile, auch wenn das Tanelorn nach meinem Eindruck eigentlich kein geeigneter Ort dafür ist.

Im Gegenteil erzeugt eine übertriebene Wahrnehmung von Diskussionen rund um Spielerfreiheit bisweilen kontraproduktive Stilblüten. In diesem Sinne verstehe ich diesen Thread. Der Edwin müht sich ab, die Spieler finden es super und  dennoch wird das Fallbeil einer nicht existenten Obrigkeit gefürchtet, welche womöglich ketzerische Gedanken in Richtung einer dramaturgisch orientierten Bahnung des Spielleiters hart sanktioniert - internalisiert rein in der Gedankenwelt des Spielleiters wohlgemerkt. Das nenne ich mal eine gelungene rollenspieltheoretische Indoktrination. Gruselig find ich das trotzdem in gleich mehrfacher Hinsicht.

@ Edwin: Entspann Dich. Du bist bestimmt ein toller Spielleiter. Mach einfach Deinen inneren Kompa1zum Maßstab Deines Handelns und lass Dich nicht beirren. Alles gut. Hätte große Lust, mal bei Dir mitzuspielen.

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Re: Angst vor Railroading?
« Antwort #21 am: 13.05.2017 | 18:08 »
Interessant. Kannst du das mal anhand eines Beispiels näher erläutern? Ich kann mir da nämlich grade nichts drunter vorstellen.

Welch' wahre Worte. Ich predige das ja schon lange, dass RR ein Feature und kein Bug ist.


Mangelnde Vorstellungskraft, z.b. dass es auch noch andere Mitspieler mit eigenem Geschmack, einem Anrecht auf Bewahrung ihres Spielspaßes und dazu der Einhaltung von Absprachen geben könnte dürfte dann auch die zweite Aussage erklären... .


Aus dem Spielstil leitet sich eine Vorgabe ab, in welchem Geiste/Ziel der Spielleiter seine Entscheidungen zu treffen hat.
Wenn es eine herausforderungorientierte Gruppe ist, dann hat er sich an die Spielregeln zu halten und das Spiel "fair" aufzuziehen und umzusetzen.

Ist es ein eher simulatorisches Spiel gilt Ähnliches für die Umsetzung der Simulation und die Bewahrung der Plausibilitäten.

Zu einem Spielstil gehört ein entsprechender Satz an Spielerbeiträgen und mit denen hat der Spielleiter dann eben erst einmal umzugehen.

Letztlich haben sich die Leute für eine bestimmte versprochene Art von Spielspaß an den Tisch gesetzt und dieser Typ ist entsprechend dann auch zu liefern.

Abweichungen sind natürlich immer möglich, aber eben dann offen und im Konsens und nicht von der hohen Warte herunter,wie eben durch railroading .
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Offline Chiarina

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Re: Angst vor Railroading?
« Antwort #22 am: 13.05.2017 | 18:17 »
Zitat von: Maarzan
Aus dem Spielstil leitet sich eine Vorgabe ab, in welchem Geiste/Ziel der Spielleiter seine Entscheidungen zu treffen hat.
Wenn es eine herausforderungorientierte Gruppe ist, dann hat er sich an die Spielregeln zu halten und das Spiel "fair" aufzuziehen und umzusetzen.

Ist es ein eher simulatorisches Spiel gilt Ähnliches für die Umsetzung der Simulation und die Bewahrung der Plausibilitäten.

Kleine Ergänzung: Und auch bei einem storyorientierten Spiel schadet es in meinen Augen nichts, wenn der Spielleiter sich im Klaren darüber ist, dass auch ein Spieler Geschichten erzählen kann.

Zitat von: Maarzan
Zu einem Spielstil gehört ein entsprechender Satz an Spielerbeiträgen und mit denen hat der Spielleiter dann eben erst einmal umzugehen.

...genau.
[...] the real world has an ongoing metaplot (Night´s Black Agents, The Edom Files, S. 178)

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Re: Angst vor Railroading?
« Antwort #23 am: 13.05.2017 | 18:19 »
@Maarzan
Ich glaube, du verwechselst gerade "Railroading" mit "Schummeln".

Alles, was du in deinem letzten Post geschrieben hast, stimmt. Es hat aber nichts mit Railroading zu tun, sondern mit Schummeln.

alexandro

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Re: Angst vor Railroading?
« Antwort #24 am: 13.05.2017 | 18:20 »
Im Grunde ist eine lineare Abfolge von Ereignissen nichts prinzipiell schlechtes (und es gibt genug Perlenschnur-Dungeons, so auch die Caves of Chaos, welche genau so funktionieren - das AB wird romantisch verklärt, weil die Oberwelt so frei ist, aber innerhalb des Dungeons hat man keine Freiheit bezüglich der Reihenfolge, in der man die Räume angeht), solange man innerhalb dieser frei agieren kann.

Das Problem tritt nur auf, wenn der SL nicht über diese Art von Abenteuer hinausdenken kann und versucht ein Abenteuer mit Abzweigungen auf eine lineare Art zu leiten (indem er sich im Voraus einen bestimmten Abenteuerverlauf herauspickt und diesen durchzudrücken versucht). Oder wenn Abenteuerschreiber zwar die Möglichkeit einer Abzweigung ins Abenteuer einbauen, jede Entscheidung diese zu nehmen aber in einer extrem frustrierenden und zeitfressenden Sackgasse enden lassen (oft noch kombiniert mit Bestrafung der SC, für den maximalen Frustrationsgrad). Das ist in jeder Form abzulehnen.