Ich bin gestern mal zum Spielen gekommen. Eindrücke:
Schon das Setup ist recht umfangreich, zumal das Spiel im Gegensatz z.B. zu Durance ein offenes Brainstorming an den Anfang stellt. In 5 Aspekten eine komplette SF-Welt aus dem Nichts zu entwerfen ist happig. Danach werden Orte und Figuren in der Welt erstellt, womit es zunehmend einfacher wird, weil jeder Ort an einem Aspekt und jede Figur an einem Ort hängt. Der interessanteste Punkt des Setups ist, zwei mögliche Endpunkte für die Entwicklung zu finden, die das gemeinsam entworfene Setting nimmt. In unserem Fall sind das "lebende" Städte aus Smart-Material, die sich entweder von der menschlichen Bevölkerung, die sie zur Verrichtung täglicher Arbeit aufsucht, isolieren werden oder sich im anderen Extremfall die Menschen und ihre Rückzugsgebiete einverleiben. Hier steckt an sich das meiste SF-Potential des Spiels, würde ich sagen. Insgesamt haben wir 1,5h für die Vorbereitung gebraucht, obwohl wir zügig vorgegangen sind. Im Gegensatz zu Posthuman Pathways, das einen ähnlichen Ansatz hat, wirkt das Setup überladen.
In der anderen Hälfte der Spielzeit haben wir die ersten Szenen gespielt. Man hat zwei Szenenarten zur Auswahl: "driving scenes", die den Plot voranbringen und "narrating scenes", die als freie Szenen Figuren oder die Welt näher beschreiben und für die man sich Beziehungs-Tokens verdient, mit denen man neue Beziehungen zwischen Figuren schaffen kann. Unsere Szenen waren eigentlich alle recht persönlich, da immer mehrere Haupt und Nebenfiguren beteiligt waren und es viel Dialog gab. Einen mechanischen Zwang zu solchen Szenen dürfte es erst später im Spielverlauf geben, wenn Figuren auf Hilfe von anderen angewiesen sind, um weiterzukommen. Da die Figuren an Orte gebunden bzw. die Orte eben Teil des Beziehungsnetzes sind, hat man recht vielfältige Kulissen, zwischen denen die Szenen wechseln. Das Setup hat sich hier definitiv ausgezahlt, weil mehr als genug Stoff für Szenen vorhanden war. "Driving scenes" lassen sich recht direkt aufsetzen, weil Hauptfigur, Ort und Inhalt - das Ziel, auf das die eigene Figur zusteuert - feststehen. Bei den "narrating scenes" hängt man ein bisschen in der Luft, weil sie überhaupt keinen inhaltlichen Anforderungen genügen müssen.
Das Spiel hat eine taktische Komponente: Erfolgreiche "driving scenes" der eigenen Figur treiben die Entwicklung der Welt dem Pol, dem die Figur zugeordnet ist, Token um Token entgegen. Jedes der so verdienten Change-Tokens setzt die anderen unter Zugzwang. Um mit der eigenen Figur erfolgreich zu sein, d.h. das eigene Ziel vor dem "Ende" der Welt zu erreichen, muss die Figur aber auch - und da verknüpft sich das Taktische mit dem Persönlichen - besonders gut vernetzt sein. Dadurch können Nebenfiguren ins Rampenlicht kommen, wie in unserem Fall der mysteriöse und penetrant-coole Urban Explorer Nightstrider. While the World Ends ist auf jeden Fall ein un-skandinavisches skandinavisches Rollenspiel, weil es im Gegensatz z.B. zu Archipelago sehr klar strukturiert ist (Feste Szenentypen, Pacing über die Token-Mechanik und Ziel/Gefahr-Counter, mechanisch relevante Beziehungen).
Aus Zeitgründen haben wir vom eigentlichen Spielinhalt, dem Versuch unserer Figuren, ihre persönlichen Ziele zu erreichen, noch nicht so viel gesehen, uns aber darauf geeinigt, die Runde bei Gelegenheit fortzusetzen. Die vom Autor empfohlenen 4 Stunden Spielzeit scheinen mir jedenfalls deutlich zu niedrig angesetzt. Ich würde eher mit dem Doppelten rechnen.
Vom Spielgefühl und den Szenen her hat mich While the World Ends an meine laufende Remember Tomorrow-Kampagne erinnert, weil man den parallel verlaufenden Geschichten verschiedener Hauptfiguren folgt, die sich hin und wieder mal überschneiden (hier deutlich mehr als in RT), aber trotzdem jede Figur ihrem eigenen Ziel nachjagt. Das Gefühl der angesichts einer sich um sie herum (!) radikal ändernden Welt immer ein bisschen verlorenen Figuren, das Posthuman Pathways so genial hinbekommt, und das ich hier auch erwartet hätte, will sich bisher allerdings nicht einstellen. Das Ende hat in While the World Ends wohl eine andere Bedeutung. Mir gefällt es bisher jedenfalls sehr gut und ich bin gespannt, wie es weitergeht.