Autor Thema: Kritik erbeten - Bandwurmsätze  (Gelesen 1934 mal)

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Jess

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Kritik erbeten - Bandwurmsätze
« am: 14.06.2017 | 11:09 »
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Auf Englisch bekomme ich den ganzen Text genau auf den Punkt gebracht, aber ich habe den Verdacht, dass ich meine eigene Sprache inzwischen verlerne. Abgesehen von den vielen Kommata-Fehlern, was muss ich besser machen?
« Letzte Änderung: 16.06.2017 | 17:26 von Jess »

Offline Conan der Barbier

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Re: Kritik erbeten - Bandwurmsätze
« Antwort #1 am: 14.06.2017 | 12:36 »
Möchtest du eher eine allgemeine Beschreibung des Eindrucks oder eine detaillierte Kritik? Ich kann gern versuchen, auch letzteres zu liefern, bräuchte aber für eine "Klugscheißerei deluxe" etwas Zeit.
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Offline Alex

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Re: Kritik erbeten - Bandwurmsätze
« Antwort #2 am: 14.06.2017 | 13:43 »
Grundsätzlich funktioniert dein Stil mit langen Sätzen. Ich finde es liest sich gut. Das muss nicht schlecht sein (lies mal Salman Rushdie), vor allem bei Beschreibungen wie diesen ist das ein probates Mittel, im Gegensatz zu einer Action-Szene, wo die Geschwindigkeit höher sein muss.
Mir fällt auf, dass du sehr viele Adverbien und Adjektive verwendest. Manchmal zu viel. 

... dicken und grauen Wolkendecke und begannen eine schwarze und undurchdringliche, im Grunde schon bedrohliche Suppe zu bilden
Graue Wolken bilden eine schwarze Suppe? Außerdem, assoziiert man nicht mit Wolkendecke schon eine gewisse Dicke? Ähnlich wie man nicht „grünes Gras“ schreiben sollte, weil Gras immer mit grün assoziiert wird.

Verkürze es extrem und schaue, ob es noch reicht:
„Die Wolkendecke bildete eine bedrohliche Suppe.“ Genügt das schon? Nein, dann mache Wort für Wort dazu, bis es passt.
Btw. "begann zu bilden" ist doof. Aktiv, bitte. :)

Auch kann man Sätze umstellen und dadurch verkürzen.
Am Kai des Hafens, bringt das damals so kräftige und laute Wasser nur noch ein leises Wimmern in Form von Geplätscher über die Wellen. Hier laufen schon lange keine Schiffe mehr ein- oder aus. Es regiert nur Kälte, Stille und Dunkelheit.

Jess

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Re: Kritik erbeten - Bandwurmsätze
« Antwort #3 am: 14.06.2017 | 14:10 »
Möchtest du eher eine allgemeine Beschreibung des Eindrucks oder eine detaillierte Kritik? Ich kann gern versuchen, auch letzteres zu liefern, bräuchte aber für eine "Klugscheißerei deluxe" etwas Zeit.
Lass dir gern etwas länger Zeit. Ich betrachte mein "Werk" auch noch aus der Ferne und weiß nicht, ob ich es adoptieren oder den Fluss runter stoßen soll...
@Alex: Dein Beitrag macht mir Mut, dass noch nicht Hopfen und Malz bei mir verloren ist. Danke dafür. Deine Vorschläge setze ich um.

Jess

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Re: Kritik erbeten - Bandwurmsätze
« Antwort #4 am: 14.06.2017 | 14:19 »
... dicken und grauen Wolkendecke und begannen eine schwarze und undurchdringliche, im Grunde schon bedrohliche Suppe zu bilden
Graue Wolken bilden eine schwarze Suppe? Außerdem, assoziiert man nicht mit Wolkendecke schon eine gewisse Dicke? Ähnlich wie man nicht „grünes Gras“ schreiben sollte, weil Gras immer mit grün assoziiert wird.
Damit wollte ich ein aufziehendes Gewitter beschreiben. Von grau zu schwarz.

Offline Alex

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Re: Kritik erbeten - Bandwurmsätze
« Antwort #5 am: 14.06.2017 | 14:31 »
@Alex: Dein Beitrag macht mir Mut, dass noch nicht Hopfen und Malz bei mir verloren ist. Danke dafür. Deine Vorschläge setze ich um.
Erst mal: Jeder kann schreiben und schreiben lernen. Ist in 99% der Fälle nur eine Frage der Lust und Ausdauer bis zum guten Schreiberling. Dein Stil ist gut, daher gibt es kein Grund aufzuhören. :)
« Letzte Änderung: 14.06.2017 | 14:33 von Alex »

Offline Alex

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Re: Kritik erbeten - Bandwurmsätze
« Antwort #6 am: 14.06.2017 | 14:33 »
Damit wollte ich ein aufziehendes Gewitter beschreiben. Von grau zu schwarz.
Das war mir nicht klar. :)
Da würde ich auch noch die anderen Sinne hereinbringen, außer Sehen. Wie fühlt sich ein drohendes Gewitter an, wie riecht der Hafen?

Offline Conan der Barbier

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Re: Kritik erbeten - Bandwurmsätze
« Antwort #7 am: 14.06.2017 | 15:18 »
Einiges wurde ja bereits gesagt. Zunächst mal allgemein: Ich kann mich ebenfalls nicht der Meinung anschließen, deine Texterei sei so furchtbar schlecht. Sicherlich kann man stilistisch an verschiedenen Stellen noch optimieren, aber im Wesentlichen ist der Text flüssig zu lesen und zeigt auch keinen leblosen Sachtextstil.

Zu einzelnen Punkten mache ich vielleicht am besten Gegenvorschläge, um zu verdeutlichen, was ich meine. Dabei habe ich jeweils versucht, die Änderungen so nah wie möglich am Original zu halten:

Zitat von: Jess
Als ich, nach langer Zeit, in einer Zeit des hektischen Wandelns und des immerwährenden Strebens der Menschheit, einen Ort gefunden hatte, an dem es noch das kostbare Gut der Ruhe und des Friedens gab, begann die Welt um mich herum schon zu dämmern.

Gegenvorschlag: Die Welt um mich herum begann schon zu dämmern, als ich nach langer Zeit in einer Ära des hektischen Wandels und des fortwährenden Strebens der Menschheit einen Ort gefunden hatte, an dem es noch das kostbare Gut der Ruhe und des Friedens gab.


Zitat von: Jess
Asche der Industrietürme der entfernten Stadt

Für meinen Geschmack eine unnötige Aneinanderreihung von Genitivkonstruktionen. Gegenvorschlag: Asche der Industrietürme aus der entfernten Stadt o. ä.


Zitat von: Jess
eine schwarze und undurchdringliche, im Grunde schon bedrohliche Suppe

Im Grunde wirkt hier eher abschwächend, und ich nehme doch an, die Bedrohung soll etwas sein, zu dem sich der Satz steigern soll. Gegenvorschlag: eine schwarze, undurchdringliche, ja bedrohliche Suppe


Zitat von: Jess
das damals so kräftige und laute Wasser nur noch ein leises Wimmern in Form von Geplätscher über die Wellen bringt, regiert nur

Über die Wellen bringen ist vermutlich in Anlehnung in die Redewendung, etwas über die Lippen zu bringen? Ich habe keinen konkreten Vorschlag hierzu und habe das daher nicht verändert, stoße mich aber ein wenig an der Formulierung. Gegenvorschlag:das ehemals so kräftig und laut rauschende Wasser nur noch ein leises Geplätscher über die Wellen bringt, regieren nur


Zitat von: Jess
man es sich nie hätte träumen oder wünschen lassen.

Sich etwas träumen lassen ist ein wunderschöner Ausdruck, aber sich etwas wünschen lassen ist im Deutschen keine gängige Redewendung. Gegenvorschlag: man es sich nie hätte träumen lassen oder wünschen würde o. ä.


Zitat von: Jess
Hier, am Kai eines Hafens, wo schon lange

Gegenvorschlag: Hier, am Kai eines Hafens, in dem schon lange


Zitat von: Jess
Es ist ein Punkt, an dem man einfach stehen bleibt, weil man einfach müde ist

Gegenvorschlag: Einmal einfach streichen – eins genügt ;-)


Zitat von: Jess
die Hoffnungen versinken lässt

Gegenvorschlag: die Hoffnung sinken lässt


Zitat von: Jess
mit der eigentlichen Gewissheit

Gegenvorschlag: eigentlich mit der Gewissheit – oder sogar nur mit der Gewissheit


Wenn etwas mehrfach aufgetaucht ist, habe ich es jeweils nur einmal erwähnt. Abgesehen davon sind auch viele schöne Sätze in dem Text, an denen ich persönlich gar nichts auszusetzen habe. Und Bandwurmsätze habe ich beim Lesen nicht als prominentes Problem wahrgenommen.
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Jess

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Re: Kritik erbeten - Bandwurmsätze
« Antwort #8 am: 14.06.2017 | 15:30 »
@Conan: :-*
Ich muss den ganzen Text nochmal konstruktiv überarbeiten. Du hast tolle Vorschläge gemacht!

Jess

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Re: Kritik erbeten - Bandwurmsätze
« Antwort #9 am: 15.06.2017 | 00:00 »
Ist es zu depressiv, wenn ich das Buch mit diesem Monolog enden lasse? Der Bösewicht(TM) bringt den Helden(TM) um, führt diesen Monolog und begeht danach Suizid.
Das mag Leser bestimmt abschrecken. Ich habe jetzt 324 Seiten voll, möchte aber auch nicht mehr zu viel editieren. Oder doch ein Happy End? Ich weiß nicht...

Jess

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Re: Kritik erbeten - Bandwurmsätze
« Antwort #10 am: 15.06.2017 | 00:21 »
Ein weiterer Bösewicht-Monolog, viel früher im Buch:
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Auch hierzu ist Kritik gewünscht. Ist mein Bösewicht(TM) ein Arsch hoch zehn, ein totaler Unsympath, oder kann man MIT ihm fühlen?

Offline Conan der Barbier

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Re: Kritik erbeten - Bandwurmsätze
« Antwort #11 am: 18.06.2017 | 11:49 »
Auch hierzu ist Kritik gewünscht. Ist mein Bösewicht(TM) ein Arsch hoch zehn, ein totaler Unsympath, oder kann man MIT ihm fühlen?

Um etwas dazu zu sagen, müsste ich mehr von der Handlung kennen. Was den Textabschnitt angeht, diesmal ohne großen Kommentar:

Die nackten Bäume an unserer Straße streckten ihre Äste flehentlich in den Himmel [Im Prinzip ein schönes Bild, mir aber ein wenig zu stark. Die Bäume erscheinen hier wie belebte Persönlichkeiten. Aber das ist natürlich Geschmackssache. Meine Version wäre so etwas wie "Die Bäume, die unsere Straße säumten, reckten ihre nackten Äste in den grauen Himmel. Ein trostloser Anblick", womit dann auch die zwei kurzen Sätze später entfielen.]. Und es scheint [Tempus: "es schien", sonst klingt der Satz krumm], als wollten sie nur um Licht und Wärme bitten. Der Himmel war grau. Alles war grau. Der See gegenüber [Gegenüber der Straße? Evtl. "Der nahe See" o. ä.], gefroren und tot. Schnee bedeckte die Straße, die zittern würde vor Kälte, wenn sie sich ihrer eigenen Situation bewusst wäre [Siehe oben, wieder ein farbiges, aber mir zu vermenschlichtes Bild. Eine Straße ist sich keiner Situation bewusst und friert auch nicht ;-) Vorschlag: "Schnee bedeckte die Straße, die bei dieser klirrenden Kälte unter dem weißen Mantel von einem harten, eisigen Panzer überzogen sein musste."]. Schnee bedeckte auch die Fensterbank [Komma] an der ich lehnte. Wann hatte ich den alten Mann bemerkt? Waren es seine Schritte, den Schnee zertretend [Hier vielleicht eher so etwas wie "die im tiefen Schnee knirschten" – zertreten klingt für mich nach zerstören], die ich zuerst hörte? Schritt um Schritt kämpfte er sich durch die tote Umgebung. Sein Kreuz gebeugt, sein Atem dampfend. Lange starrte ich ihm nach [Ja, hier ist ein Komma nach den aktuellen Regeln optional, aber ich finde, es würde den Satz lesbarer machen] und als ich meinen Blick erhob, entdeckte ich Gesichter ["Augenpaare"?], die aus den Fenstern meiner Nachbarn glotzten. Es war still.
Als ich den alten Mann [mit meinen Augen – eventuell rauskürzen] suchte, lag er regungslos im Schnee. Niemand kam, um ihn zu helfen. Niemand schaute. Es war Winter. Draußen der Tod, anwesend [Komma] wohin man auch sah. Doch drinnen, ja, drinnen war Weihnachten.

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Jess

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Re: Kritik erbeten - Bandwurmsätze
« Antwort #12 am: 20.06.2017 | 01:21 »
Conan, du bist Gold wert. Einige Kritikpunkte habe ich dezent umgesetzt - besonders die Rechtschreibung. ;D

Mein Problem mit dieser abstrakten und verschaltelten Schreibweise ist die, dass mein Bösewicht(TM) in insgesamt 12 A5 Seiten im Buch seine eigene Sichtweise schildern soll. Er ist fernab von der Realität wie du, ich, oder auch der spätere Leser sie kennen. Der Bösewicht nimmt alles persönlich. Er sieht alles persönlich. Daher auch die gewagte Egoperspektive inklusive Personifizierung der Bäume, der Straße, usw. Am Ende soll der Leser genau darüber stolpern. Er betrachtet Mitmenschen als Dinge und Dinge als menschlich oder zumindest als natürlicher verglichen zu Menschen allgemein.

Kommt das rüber in den beiden Beispieltexten? Wenn nicht, dann habe ich noch sehr viel Arbeit vor mir.

LG

Offline Conan der Barbier

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Re: Kritik erbeten - Bandwurmsätze
« Antwort #13 am: 20.06.2017 | 09:29 »
Danke - ich betrachte das hier als kleine Fingerübungen für Lektoratsarbeiten an meinen eigenen Texten ;)

Er betrachtet Mitmenschen als Dinge und Dinge als menschlich oder zumindest als natürlicher verglichen zu Menschen allgemein.

Das ist eine wichtige Information zum Verständnis des Textes. Daher ja auch meine vorherige Aussage:

Um etwas dazu zu sagen, müsste ich mehr von der Handlung kennen.

Fragen danach, ob eine Charaktereigenschaft o. ä. in einem Text gut rüber kommt, kann man eigentlich nur richtig beantworten, wenn man sich über lange Textpassagen ein Urteil gebildet hat. Aber von dem kurzen Stück hier ausgehend sage ich mal, mit deiner Erklärung werden die verwendeten Bilder erklärbar, auch wenn sie mir noch immer in Teilen "schief" vorkommen (also auf sprachlicher Ebene, weil so unüblich und nie zuvor gesehen).
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