Autor Thema: Warum läuft Fantasy besser als jede anderes Genre?  (Gelesen 14960 mal)

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Online Fillus

  • Hero
  • *****
  • Beiträge: 1.488
  • Username: Fillus
Inspiriert durch den Beitrag "Warum läuft Splittermond besser als Myranor?" stell ich mir die Frage warum Fantasy Rollenspiele im Erfolg so deutlich über allen anderen stehen?

Schaut mal auf andere Medien ist das Ergebnis mitunter ein anderes. Es gibt kaum Fantasyfilme die nicht ein wenig ins alberne abdriften. Bücher gibt es zu hauf, aber diese Modeerscheinung lässt auch schon nach.

In der Öffentlichkeit würde man sich dem Spott preisgeben wenn man sagt das man einen Elfen, Zwerg oder Ork verkörpert. Wäre aber wahrscheinlich nicht anders als Monsterjäger und ähnlichem.

Woran liegt es also? Wahrscheinlich an vielen Gründen zusammen.

- Weil es das erste Genre war, das offiziell verkauft wurde?
- Einfacher zu Beschreiben? Bei einem dunklen Wald stellt sich jeder das selbe vor, bei einem Raumschiff eher nicht.
- Weils weiter von der Realität entfernt ist als Neuzeitliche- oder Zukunftssettings?
- Weil die natürliche Angst vor der Zukunft zum tragen kommt und deswegen z.B. SF eher unbeliebt ist?
- Weil es eine Art Back to Basic bewirkt und man mit einfachen Mitteln Probleme und Konflikte lösen muss?

Mir würden sicher noch viele weitere kleinere Vermutungen einfallen, mich würde aber interessieren wo ihr die Gründe seht. Hoffe das Thema lädt zum Diskutieren ein und war noch nicht so häufig vorgekommen. Ehrlicherweise habe ich grad nicht die Boardsuche benutzt da es mir eben erst in den Sinn kam. :)



 

Offline YY

  • True King
  • Titan
  • *********
  • Beiträge: 19.673
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: YY
Re: Warum läuft Fantasy besser als jede anderes Genre?
« Antwort #1 am: 18.08.2017 | 15:59 »
Bücher gibt es zu hauf, aber diese Modeerscheinung lässt auch schon nach.

Wie kommst du darauf?

In jedem x-beliebigen Bücherladen ist die Fantasyecke nicht nur relativ groß, sondern auch voller Bücher, von denen ich noch nie gehört habe. Und wenn ich das nächste Mal da bin, ist der Bestand gefühlt komplett durchgewechselt mit neuen Büchern, von denen ich noch nie gehört habe.
Plus ein immer vorhandenes Regal GoT und lieblose Klone... :P



Zum eigentlichen Thema:
Der Eskapismus-Faktor ist bei Fantasy gefühlt am Größten - oft genug unberechtigt.
"Kannst du dann bitte mal kurz beschreiben, wie man deiner Meinung bzw. der offiziellen Auslegung nach laut GE korrekt verdurstet?"
- Pyromancer

Offline aikar

  • Legend
  • *******
  • Beiträge: 6.866
  • Username: aikar
Re: Warum läuft Fantasy besser als jede anderes Genre?
« Antwort #2 am: 18.08.2017 | 16:01 »
In der Öffentlichkeit würde man sich dem Spott preisgeben wenn man sagt das man einen Elfen, Zwerg oder Ork verkörpert.
In Zeiten von WOW und andere MMOs? Nicht wirklich.
Für Fans von Aventurien, denen DSA zu komplex ist: Aventurien 5e: https://aventurien5e-fanconversion.de/

Offline KhornedBeef

  • Titan
  • *********
  • Beiträge: 12.129
  • Username: KhornedBeef
Re: Warum läuft Fantasy besser als jede anderes Genre?
« Antwort #3 am: 18.08.2017 | 16:08 »
Das mit den einfachen Mitteln ist nicht verkehrt: Die Welt ist erstmal "primitiv", den Rest erklärt dir das Regelwerk von Anfang an. Man ist sich dann bei vielen Sachen nicht allzu unsicher, wie sie in der Fiktion funktionieren, anders als beo hochtechnischen Dingen.
Wobei ein SciFi-Setting Technologie kaum anders als Magie behandeln müsste. Arthur C. Clarke lässt grüßen.
Und dann kommt noch dazu, dass wir uns Fäntelalter als freier vom Balast moderner kultureller Konzepte vorstellen dürfen, wenn wir wollen. Ein weniger komplizierte Welt eben. Das von der Zukunft anzunehmen wirkt unglaubwürdig.
"For a man with a hammer, all problems start to look like nails. For a man with a sword, there are no problems, only challenges to be met with steel and faith."
Firepower, B&C Forum

Ich vergeige, also bin ich.

"Und Rollenspiel ist wie Pizza: auch schlecht noch recht beliebt." FirstOrkos Rap

Wer Fehler findet...soll sie verdammt nochmal nicht behalten, sondern mir Bescheid sagen, damit ich lernen und es besser machen kann.

Offline Zwart

  • Beilunker Reiter
  • Famous Hero
  • ******
  • Beiträge: 2.822
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Zwart
Re: Warum läuft Fantasy besser als jede anderes Genre?
« Antwort #4 am: 18.08.2017 | 16:14 »
Das es eine wenige komplizierte Welt ist, unterschreibe ich.

Sci-Fi überfordert die Spieler und mich regelmäßig mit den Möglichkeiten.

Was geht mit Recherche im Internet(oder dem Äquivalent)? Was können Sensoren? Was ist hackbar und was nicht? Bei den Reichweiten moderner Drohnen fragt man sich wieso  Sci-Fi Abenteurer nicht einfach ALLES damit lösen sollten? Wie ist das mit dem Einkommen? Stichwort Geldwäsche, Steuern uvm.

Die Fragen stellen sich bei Fantasy nicht.

EDIT:
Beim weiteren darüber nachdenken, bin ich geneigt zu sagen, das Sci-Fi-Setting häufig nur als Kulisse funktionieren und die Fragen die im Rollenspiel häufig aufkommen unbeantwortet lassen, wodurch sie kaum auf dem Tisch funktionieren.
« Letzte Änderung: 18.08.2017 | 16:22 von Zwart »

Online Fillus

  • Hero
  • *****
  • Beiträge: 1.488
  • Username: Fillus
Re: Warum läuft Fantasy besser als jede anderes Genre?
« Antwort #5 am: 18.08.2017 | 16:15 »
Wie kommst du darauf?

In jedem x-beliebigen Bücherladen ist die Fantasyecke nicht nur relativ groß, sondern auch voller Bücher, von denen ich noch nie gehört habe. Und wenn ich das nächste Mal da bin, ist der Bestand gefühlt komplett durchgewechselt mit neuen Büchern, von denen ich noch nie gehört habe.
Plus ein immer vorhandenes Regal GoT und lieblose Klone... :P



Zum eigentlichen Thema:
Der Eskapismus-Faktor ist bei Fantasy gefühlt am Größten - oft genug unberechtigt.

Noch vor Jahren konnte man fast jedes Buch mit dem Thema Buch mit dem Thema bei einem Verlag unterbringen und SF z.B. brauchte man gar nicht groß versuchen, sofern man nicht schon einen Namen hatte. Der Markt an Fantasy ist gesättigt und leicht Rückläufig.
So jedenfalls habe ich es vernommen, was nicht heissen muss das es die unumstößliche Wahrheit ist. ;)




Offline YY

  • True King
  • Titan
  • *********
  • Beiträge: 19.673
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: YY
Re: Warum läuft Fantasy besser als jede anderes Genre?
« Antwort #6 am: 18.08.2017 | 16:22 »
Wobei ein SciFi-Setting Technologie kaum anders als Magie behandeln müsste. Arthur C. Clarke lässt grüßen.

Das kommt aufs Setting an - ebenso wie der Umstand, ob es bei SF überhaupt um "unsere" Zukunft geht.

Andersrum muss mir jedes Fantasy-Regelwerk auch neu erklären, wie die üblichen Verdächtigen in einem Setting X funktionieren, welche Unterschiede und Twists es gibt usw. usf.
Vom Thema Magie ganz zu schweigen. Da kommen dann nämlich haargenau die gleichen Fragen auf wie bei Hochtechnologie: Was kann sie, was warum nicht etc.


Gerade im Vergleich mit SF profitiert Fantasy mMn von einer deutlichen Fehlwahrnehmung speziell im Rollenspielkontext.
Da stellen sich viele Fragen nicht, weil man sie nicht stellen will. Wenn man sie in anderen Kontexten/Genres dann zwingend beantwortet sehen will, muss man sich an genau eine Nase packen, nämlich die eigene.



Der Markt an Fantasy ist gesättigt und leicht Rückläufig.

Zauberwort gesättigt.
Will heißen: es gibt dermaßen viel Fantasy-Kram, dass das selbst die eingefleischten Fans nicht mehr alles kaufen können. Und an diesen Punkt ist man gekommen, weil Fantasy so gut läuft, nicht weil es am Verschwinden ist.
Und das wird auch auf einem immer noch hohen Niveau bleiben.
"Kannst du dann bitte mal kurz beschreiben, wie man deiner Meinung bzw. der offiziellen Auslegung nach laut GE korrekt verdurstet?"
- Pyromancer

Online nobody@home

  • Steht auf der Nerd-Liste
  • Titan
  • *********
  • Beiträge: 12.979
  • Username: nobody@home
Re: Warum läuft Fantasy besser als jede anderes Genre?
« Antwort #7 am: 18.08.2017 | 16:52 »
Weil früher alles besser und einfacher war und das Leben heute schon so furchtbar kompliziert ist und sich daran in der Zukunft mit all ihrer futuristischen Hai-Tek auch nichts ändern wird. Das meine ich nicht mal primär historisch (wo es eh eine unzulässige Vereinfachung wäre), sondern vor allem von der persönlichen Entwicklung her -- mit Märchen und Magie und dergleichen sind viele von uns wahrscheinlich fast sofort in ihrer Kindheit in engere Berührung gekommen, als wir die ganzen Erwachsenenprobleme noch den Erwachsenen selbst überlassen konnten. Das ganze Gewicht der ärgerlichen und teils ganz offensichtlich unfair verwickelten "mundanen" Realität, in der man beispielsweise dem Drachen Finanzamt nicht mal eben mit einem schnellen heldenhaften Streich den Garaus machen kann, kam dagegen erst deutlich später.

Mit anderen Worten, der Rosarote-Brillen-Effekt. ;)

Offline Moonmoth

  • Adventurer
  • ****
  • Beiträge: 738
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Moonmoth
Re: Warum läuft Fantasy besser als jede anderes Genre?
« Antwort #8 am: 18.08.2017 | 16:56 »
Fantasy ist erst einmal wirklich sehr nah am Vertrauten. Zauberei und quasi-Mittelalter als Konzepte sind den Leuten vertraut und man kann leicht Bilder im Kopf entstehen lassen, ohne viel zu erklären. Du kannst z.B. Zwerge relativ leicht erklären, da die Konzepte eigentlich einfach eine bestimmte Stereotype für Menschen als Grundlage verwenden: „Konservative, untersetzte Handwerker mit Bart und Neigung zu hartem Alkohol.“

So ähnlich geht es mit den Szenarien weiter: Es ist nah an einer bekannten Realität. Eine Gausskanone? Gib den Spielern ein Schwert, das kennen sie oder haben zumindest eine Vorstellung.

Es gibt daher meiner Ansicht nach durchaus gute Gründe, warum z.B. Shadorun das mit Abstand erfolgreichste Rollenspiel mit starken Cyberpunk-Einschlag wurde - der Einstieg über bekannte Völker und Konzepte aus der Standart-Tolkienesken Fantasy.
Dauerhaft inaktiv.

Offline YY

  • True King
  • Titan
  • *********
  • Beiträge: 19.673
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: YY
Re: Warum läuft Fantasy besser als jede anderes Genre?
« Antwort #9 am: 18.08.2017 | 17:08 »
Es gibt daher meiner Ansicht nach durchaus gute Gründe, warum z.B. Shadorun das mit Abstand erfolgreichste Rollenspiel mit starken Cyberpunk-Einschlag wurde - der Einstieg über bekannte Völker und Konzepte aus der Standart-Tolkienesken Fantasy.

Einspruch:

SR bietet genau die Konzepte und Fragestellungen und macht sie zum zentralen Inhalt, die hier als problematisch benannt wurden.
Nicht nur, aber auch.
"Kannst du dann bitte mal kurz beschreiben, wie man deiner Meinung bzw. der offiziellen Auslegung nach laut GE korrekt verdurstet?"
- Pyromancer

Arlecchino

  • Gast
Re: Warum läuft Fantasy besser als jede anderes Genre?
« Antwort #10 am: 18.08.2017 | 17:17 »
Einspruch:

SR bietet genau die Konzepte und Fragestellungen und macht sie zum zentralen Inhalt, die hier als problematisch benannt wurden.
Nicht nur, aber auch.

Ja. Aber man spielt Elfen und Orks. Da muss man sich ja nur halb so weit von der Comfort Zone wegbewegen ;)

@Thread
Ich würde den meisten bisher genannten Punkten beipflichten. Vertrautheit, Simplizität und leichterer Einstieg durch popkulturelles cloud-Wissen.

Mit in den Topf würde ich die frühe (kindliche) Prägung werfen. Drachen, Magier und Ritter sind klassische Teile von Mythen, Geschichten, Legenden und eben auch Märchen, auf denen Fantasy basiert. Viele Menschen, die später irgenwie beruflich oder zumindest hobbymäßig bei Nerd- und Rollenspielkram landen können lebhaft über ihre ersten Erfahrungen mit Fantasykonzepten berichten. Es ist auch einfach Teil eines kollektiven Gedächtnis und einer Vorstellungswelt, die unmittelbar mit dem bloßen Konzept von Kreativität, Vorstellungskraft und Eskapismus assoziiert wird. Magier/Hexen und Drachen sind literally die ersten Dinge, die Leuten einfallen, sobald sie dazu aufgerufen werden, irgendwas aus dem Bereich "Anderswelt", "Märchen" o. ä. zu benennen.
« Letzte Änderung: 18.08.2017 | 17:20 von Arlecchino »

Offline Der Läuterer

  • Mythos
  • ********
  • Adjektivator des Grauens
  • Beiträge: 8.700
  • Username: Der Läuterer
Re: Warum läuft Fantasy besser als jede anderes Genre?
« Antwort #11 am: 18.08.2017 | 17:31 »
Fantasy kann jeder, auch ohne Hintergrundwissen. Es ist eingängig, vertraut und einfach strukturiert, wie die Märchen der Kindheit. Diese verklärte Bodenständigkeit erdet den Spieler.
Power Gamer: 38% | Butt-Kicker: 8% | Tactician: 67% | Specialist: 38%
        Method Actor: 96% | Storyteller: 83% | Casual Gamer: 13%

Nur wenige Menschen sind stark genug, um die Wahrheit zu sagen und die Wahrheit zu hören.
- Luc de Clapiers Marquis de Vauvenargues -

Arlecchino

  • Gast
Re: Warum läuft Fantasy besser als jede anderes Genre?
« Antwort #12 am: 18.08.2017 | 17:35 »
Ach, ich würd die Bodenständigkeit nicht unbedingt verklärt nennen, die kann schon sehr real sein - und damit auch völlig unproblematisch. Im Gegenzug würde ich auch nochmal betonen, dass Fantasy auch sehr komplex sein kann (und im besten Fall auch ist). Als Reflektion realer Historie oder gesellschaftlicher Umstände erfüllt es in vielerlei Hinsicht die gleiche Funktionen wie der Mythos als Solcher. Kann übrigens auch ein Teil des Erfolgskonzeptes sein.
« Letzte Änderung: 18.08.2017 | 17:40 von Arlecchino »

Offline Moonmoth

  • Adventurer
  • ****
  • Beiträge: 738
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Moonmoth
Re: Warum läuft Fantasy besser als jede anderes Genre?
« Antwort #13 am: 18.08.2017 | 17:38 »
Ja. Aber man spielt Elfen und Orks. Da muss man sich ja nur halb so weit von der Comfort Zone wegbewegen ;)
Genau. Darum schrieb ich auch ganz bewusst „Einstieg“.
Mit in den Topf würde ich die frühe (kindliche) Prägung werfen. Drachen, Magier und Ritter sind klassische Teile von Mythen, Geschichten, Legenden und eben auch Märchen, auf denen Fantasy basiert.
Genau das. Es recht eben oft aus, einfach einen ersten Ansatz für das Verständnis zu haben - sobald man dann tiefer in der Sache eintaucht, ist man eh verloren :-)
Dauerhaft inaktiv.

Offline Lyonesse

  • Legend
  • *******
  • Emeritierter MERS-Club Präsi
  • Beiträge: 4.576
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Lyonesse
Re: Warum läuft Fantasy besser als jede anderes Genre?
« Antwort #14 am: 18.08.2017 | 17:42 »
Fantasy wird immer bleiben, denn erstens ist das Genre riesig und zweitens so alt wie die Menschheit.
Die ersten überlieferten Geschichten sind Heldenreisen mit Göttern und Magie, also klassischen Fantasy-
elementen. Die waren auch nie weg, das Genre erlangte mit der Wiederentdeckung Tolkiens in der Umbruch-
zeit der 60er Jahre in den Studentenkreisen nur eine immense Popularität, die auch dank der zahllosen Epigonen,
die folgten, bis heute anhält. Das ist Sehnsuchtsliteratur nach einem romantisch verklärten Mittelalter und
einer intakten Natur, wo die Abenteuerlust des Individuums voll befriedigt werden kann. Darum muß da auch
wenig neues erfunden oder reformiert werden, es reicht in der Regel völlig, wenn die bekannten Versatzstücke
ein wenig gemischt und vermeintlich neu zusammen gesetzt werden. Und hin und wieder kann man heutzutage
auch mal das Wort ''Fuck'' einstreuen. :P
« Letzte Änderung: 18.08.2017 | 17:47 von Lyonesse »
''Mi dispiace, ma io so' io e voi non siete un cazzo!''
Marchese del Grillo
''Servants quail, allies betray, friends die.''
Conan
Bree-land is generally a quiet place, excitement
being considered bad for the crops and the health
of the inhabitants.
MERP
Nobody im Bus
Vor Gericht mit Vanessa Lutz
Major Lennox Answered With His Life!

Offline Zarkov

  • Ehrengeflügel
  • Hero
  • *****
  • Leicht unscharf
  • Beiträge: 1.899
  • Username: Zarkov
Re: Warum läuft Fantasy besser als jede anderes Genre?
« Antwort #15 am: 18.08.2017 | 17:45 »
Das ist eine Frage, die mich die letzten Jahre immer wieder mal beschäftig hat: Warum ist Fantasy im Rollenspiel mehr oder weniger Standard, und nicht z.B. Science Fiction? Ein Teil der Antwort liegt mit Sicherheit darin, daß Fantasy einen sehr soliden Genre-Kern hat, also ein ziemlich stabiles Bündel von Merkmalen, die prototypische Fantasy kennzeichnen. (Strukturalistisch ist das übrigens ziemlich interessant und ein Fest für jeden Philologen.)

Wenn einer sagt »wir spielen typisches Fäntelalter« oder auch »kitchen-sink fantasy«, weiß jeder, aber wirklich jeder, was ansteht. Quasi-mittelalterliches Setting, Schwerter, Pferde, Karte, Reise, Magie, Queste, Königstum, alte Blutlinien, Prophezeiung, Dark Lord … man muß nur zugreifen.

Standard-Genre-Fantasy eben. Das Modell ist supersolide etabliert, vom Setting über »Colour« bis zu Strukturelementen, und wenn man mal zurückverfolgt, wo das alles herkommt, dann landet man im Jahr 1965: da hat sich die große Genre-Explosion ereignet, als der Verlag Ace seine »pirate edition« des Herrn der Ringe auf den amerikanischen Markt geworfen hat. Vorher hatte Tolkien keine großen Wellen geschlagen, aber dann auf einmal, BAMM. Das fiel auch auf fruchtbarsten Boden, vor allem im Kalifornien der Zeit: Gründung der Society for Creative Anachronism, allererste Renfairs (d.h. erste Mittelaltermärkte), Cons, Cosplay … und später dann, daraus herauswachsend, das Rollenspiel. Die ganze Nerd-Subkultur, die wir hier ganz offen genießen, kommt daher – Photos aus der Zeit wirken ziemlich seltsam, weil sie gleichzeitig weit weg und ganz nah dran sind.

Jedenfalls, damit war in der Fantasy das zuvor dominierende Modell Conan/Grey Mouser erstmal weg vom Fenster, Fantasy war von da an für eine lange Zeit vom Tolkien-Epigonismus beherrscht. (»High-Brow Fantasy« und Gegenmodelle gab es natürlich schon in den 70ern, aber wirklich durchsetzen konnten sich erst Urban Fantasy und die Vampirschiene – bis vor recht kurzer Zeit dann im Rahmen des wieder aufgeflammten Kulturkampfes in den USA völlig neues Leben in das Genre kam. Bei Fantasy tut sich gerade so einiges, und das ist ziemlich interessant. Jedenfalls für mich als Anglist.)

In der SF gab es mal ein ähnliches Genre-Kernmodell: Raketenschiffe, Strahlenpistolen, Roboter … das Äquivalent zu Sword & Sorcery. Dann dominierte Hard SF eine Weile, aber etwas wie die Tolkien-Standardschablone konnte sich nie etablieren – SF hat nie ein derart standardisiertes Erzählmodell entwickelt wie Fantasy und sich auf sehr unterschiedliche Subgenres verspreizt.

Wenn ich zusammenfassen sollte, wie ich im Augenblick darüber denke, würde ich sagen: Fantasy zieht ihr Leben aus Mythologie und Vergangenheit, und blickt großen Teils in die selbe Richtung; SF zieht ihr Leben aus Gegenwart und strebt, je nachdem worauf der jeweilige Autor sein Augenmerk gerichtet hat und wie er es angeht, in völlig unterschiedliche Richtungen davon.

Oder, anders gesagt, bei Fantasy weiß man, was man kriegt und was zu tun ist, damit es läuft; bei SF muß man erst mal schauen, worum es gehen soll und wohin man kommt. Fantasy ist deshalb sehr dankbar fürs Rollenspiel. Daß die starke Schablone mit einer riesigen Flut von literarischem »pink slime«-Fantasy-Schrott einhergeht, ist halt die andere Seite der Medaille.
»… hier wirkt schon uneingeschränkt das sogenannte Lemsche Gesetz (Niemand liest etwas; wenn er etwas liest, versteht er es nicht; wenn er es versteht, vergißt er es sofort) …«*

Offline YY

  • True King
  • Titan
  • *********
  • Beiträge: 19.673
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: YY
Re: Warum läuft Fantasy besser als jede anderes Genre?
« Antwort #16 am: 18.08.2017 | 17:57 »
Ja. Aber man spielt Elfen und Orks. Da muss man sich ja nur halb so weit von der Comfort Zone wegbewegen ;)

Die Stärke von SR ist eher, dass es so vielseitig ist.
Einerseits hat es klassische Fantasy-Aspekte, andererseits werden die oft genug ins Gegenteil verkehrt oder zumindest mit einem gehörigen Twist versehen.

Da finden sich eben Leute zusammen, die sonst ganz unterschiedliche Spiele spielen "müssten". Auch wenn das nicht immer gut geht - aber dem Erfolg von SR tut das keinen Abbruch.


Daß die starke Schablone mit einer riesigen Flut von literarischem »pink slime«-Fantasy-Schrott einhergeht, ist halt die andere Seite der Medaille.

Genau das war der Grund, warum ich jahrelang um Fantasy einen Riesenbogen gemacht habe und das je nach Medium immer noch tue.
Lesen kann/will ich da immer noch nichts, aber ab und zu mal im Rollenspiel wieder ein bisschen annähern geht.

Lustigerweise in den letzten Jahren vor Allem mit The One Ring  ;D
"Kannst du dann bitte mal kurz beschreiben, wie man deiner Meinung bzw. der offiziellen Auslegung nach laut GE korrekt verdurstet?"
- Pyromancer

Offline Nebula

  • Hero
  • *****
  • Beiträge: 1.961
  • Username: Nebula
Re: Warum läuft Fantasy besser als jede anderes Genre?
« Antwort #17 am: 18.08.2017 | 18:09 »
in einem Fantasy Setting ist es einfacher zu bestimmen, was cool und mächtig ist. Man will ja was besonderes sein und keine Massenware von der Stange

Ist in Scifi der Roboter hammerharte Technik oder steht sowas in jeder Wohnung rumm?

Feuerbälle werfen, Drachen töten klingt nach Aufgaben für Helden, die schon einige Erfahrung haben.

Für Scifi lassen sich jedenfalls in meinem Bekanntenkreis weniger begeistern als für Fantasy, liegt auch daran, daß z.b. die meisten Frauen nicht so technik vernarrt sind wie viele Männer =)

Chiungalla

  • Gast
Re: Warum läuft Fantasy besser als jede anderes Genre?
« Antwort #18 am: 18.08.2017 | 18:13 »
Selbst in anderen Medien verkauft sich Science Fiction ja dann am besten/erfolgreichsten, wenn man noch eine übergroße Portion Fantasy mit drunter mischt (Star Wars, Dune, Babylon 5, Star Trek, ...). Und im Rollenspielbereich sind Science Fiction und Cyberpunk ja auch oft massiv mit Fantasy durchsetzt (Star Wars, Shadowrun). Also stellt sich eigentlich gar nicht wirklich die Frage ob es überhaupt ein anderes Genre gibt, dass ohne Fantasy-Elemente, am Thron der Fantasy kratzen könnte.

Und das Fantasy die Menschheit immer besonders interessiert hat ist ja auch gefühlt schon ewig so. Die klassische Fantasy Heldenreise ist ja seit der Antike (Odysse, Illias) beliebt und findet sich bei der Nibellungensage, dem Herrn der Ringe und Star Wars wieder.

Unabhängig davon ob man Geschichten in schwarz-weiß, gut-böse oder grau in grau erzählen möchte, bietet die Fantasy einen geradezu idealen Hintergrund. Weil sie genau dafür vor tausenden Jahren erfunden wurde. Sie bildet den Kampf der Protagonisten mit ihren inneren Dämonen und offensichtlich schrecklichen Feinden genau so anschaulich ab wie moralische Dilematta. Und ins besondere die klassischen Heldengeschichten sind sehr beliebt. Davon leben ja auch andere Genres, wie z.B. der Sport. Zudem wird das Mittelalter heute überaus romantisch überhöht wahrgenommen.

Und was für mich persönlich vielleicht entscheidend ist:
Eine Gruppe von sehr unterschiedlichen Charakteren, welche gemeinsam reist und auf ihren Reisen immer wieder neue und spannende Dinge erlebt (Abenteuer) geht mir nirgendwo so gut und ungezwungen von der Hand wie im Fantasy. Und das liegt glaube ich daran, dass eben diese Hintergründe dafür erschaffen wurden (Extrembeispiel Earthdawn, aber auch DSA, D&D, ...) und es einfach Jahrhunderte an Vorlagen gibt.

Im Science-Fiction, Cyberpunk u.s.w. klappt das auch. Und es klappt sogar gut, gerade wenn man echt viel Erfahrung hat. Aber es wirkt nirgendwo so ungezwungen und unkonstruiert wie im Fantasy Genre.

Ein bekennender Fantasy-Fanboy.

Offline Zarkov

  • Ehrengeflügel
  • Hero
  • *****
  • Leicht unscharf
  • Beiträge: 1.899
  • Username: Zarkov
Re: Warum läuft Fantasy besser als jede anderes Genre?
« Antwort #19 am: 18.08.2017 | 18:15 »
Genau das war der Grund, warum ich jahrelang um Fantasy einen Riesenbogen gemacht habe und das je nach Medium immer noch tue.
Lesen kann/will ich da immer noch nichts, aber ab und zu mal im Rollenspiel wieder ein bisschen annähern geht.

Wenn ich einen Vortrag über »mein Thema« Fantasy halte, fange ich meist irgendwann zu schimpfen an … nicht sehr akademisch, aber sehr befreiend. ^-^
»… hier wirkt schon uneingeschränkt das sogenannte Lemsche Gesetz (Niemand liest etwas; wenn er etwas liest, versteht er es nicht; wenn er es versteht, vergißt er es sofort) …«*

Offline YY

  • True King
  • Titan
  • *********
  • Beiträge: 19.673
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: YY
Re: Warum läuft Fantasy besser als jede anderes Genre?
« Antwort #20 am: 18.08.2017 | 18:21 »
 ;D

Chiungalla hat ja schon Recht: Fantasy bietet grundsätzlich eine enorme Bandbreite.

Nur sehe ich davon in der Literatur nichts und im Rollenspiel viel zu wenig - da sind anscheinend fast alle mit der Standardkost zufrieden und wenn man was anderes will, geht man am Besten doch den Weg über ein anderes Genre, damit es auch ja keine Missverständnisse gibt.
"Kannst du dann bitte mal kurz beschreiben, wie man deiner Meinung bzw. der offiziellen Auslegung nach laut GE korrekt verdurstet?"
- Pyromancer

Chiungalla

  • Gast
Re: Warum läuft Fantasy besser als jede anderes Genre?
« Antwort #21 am: 18.08.2017 | 18:27 »
Und wenn Du gezielt ein anderes Genre nimmst um etwas bestimmtes hervorzuheben erkennst Du unbewusst gleich an, dass Fantasy der Goldstandard ist von dem Du Dich absichtlich distanzierst.  >;D

Offline YY

  • True King
  • Titan
  • *********
  • Beiträge: 19.673
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: YY
Re: Warum läuft Fantasy besser als jede anderes Genre?
« Antwort #22 am: 18.08.2017 | 18:33 »
Wieso unbewusst?

Wenn die breite Masse eine so festgefahrene Erwartungshaltung hat, sobald bestimmte, sehr pauschale Stichworte fallen (oder bestimmte Systeme gespielt werden!), ist das der Weg des geringsten Widerstandes.

Ich hab ja nichts davon, wenn ich z.B. auf einem Con Fantasy gegen den Strich leite und sich dann zwar einer freut wie ein Schnitzel, weil das mal was anderes war, aber es sonst am Tisch nur lange Gesichter gibt.
"Kannst du dann bitte mal kurz beschreiben, wie man deiner Meinung bzw. der offiziellen Auslegung nach laut GE korrekt verdurstet?"
- Pyromancer

Chiungalla

  • Gast
Re: Warum läuft Fantasy besser als jede anderes Genre?
« Antwort #23 am: 18.08.2017 | 18:35 »
Wieso unbewusst?

Hätte "wenigstens unbewusst" schreiben sollen, weil das eher ausdrückt was ich gemeint habe.
Traue Dir durchaus zu den Schritt bewusst zu machen, viele machen ihn aber auch unbewusst.

Offline Lyonesse

  • Legend
  • *******
  • Emeritierter MERS-Club Präsi
  • Beiträge: 4.576
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Lyonesse
Re: Warum läuft Fantasy besser als jede anderes Genre?
« Antwort #24 am: 18.08.2017 | 18:45 »
Das hängt vermutlich mit Tolkiens Werk zusammen, das die moderne Fantasy erst definierte und dann das ganze Genre,
natürlich unbewußt, erschlagen hat. Hinzu kamen die unzähligen sehr erfolgreichen Tolkienkopien, die auch dazu führten,
dass neue Autoren Tolkien einfach mehr oder weniger kopierten. Da Fantasy ein weites Feld ist, gibt es natürlich immer auch noch
andere Genrespielarten wie Urban Fantasy oder Sword and Sorcery, etc ... aber gemessen am Erfolg, fährt man mit Epic-
oder High Fantasy im tolkienschen Sinne kommerziell immer noch am besten. David Eddings landete erst einen Bestseller,
als er Tolkien kopierte und hat das auch unumwunden zugegeben. Terry Brooks ist ein weiteres Beispiel für einen sehr erfolg-
reichen Tolkienkopisten, dem ja auch am Anfang heftige Plagiatsvorwürfe gemacht wurden.

Die Leser, ich inklusive, sind auf diesen Zug aufgesprungen, weil sie immer mehr vom selben wollten. Mal mit einem kleinen Salat
dabei oder Reis anstatt der Pommes, aber das Hauptgericht sollte doch bitte schön immer das gleiche sein und zwar Schnitzel.
« Letzte Änderung: 18.08.2017 | 18:51 von Lyonesse »
''Mi dispiace, ma io so' io e voi non siete un cazzo!''
Marchese del Grillo
''Servants quail, allies betray, friends die.''
Conan
Bree-land is generally a quiet place, excitement
being considered bad for the crops and the health
of the inhabitants.
MERP
Nobody im Bus
Vor Gericht mit Vanessa Lutz
Major Lennox Answered With His Life!