Ich sehe da vor allem ein eklatantes Missverständnis der Situation:
Regeln gibt es IMMER!
Von der Seite her kann man es auch aufziehen.
Ich versuch das dann mal aus der Perspektive zu erklären:
Der Spieler in den Beispielen gibt kurz die Regieanweisung an die SL und will immersiv im Spiel bleiben.
Im ersten Beispiel: "Ich will mit einem coolen Stunt erfolgreich aus der Situation rauskommen."
Das kann situativ funktionieren, wenn die SL die Spielerintension wie gewünscht umsetzten kann.
Die Umsetzung ist aber an (nicht nur aber vor allem) regelhafte Voraussetzungen gebunden:
1) Zuerst muss die SL die Intension des Spielers erkennen UND umsetzten wollen bzw. können.
Wenn der erste Halbsatz nicht gegeben ist, gibt es nur eine Möglichkeit für den Spieler: Aus der Immersion herauszutreten und auf der Metaebene klar machen, was er eigentlich will. Dann könnte man das Ganze über Stake Resolution oder Conflict Resolution klären. Wenn der Spieler nicht in die Co-Regie-Position wechseln will, dann ist die Szene für ihn verloren.
Der zweite Halbsatz (nach dem "UND" bezieht sich auf die Regeln:
2) Spielstilabsprachen ...
3) Regeln über den gemeinsamen Vorstellungsraum
4) die in der Gruppe vereinbarten Spielregeln
2)-4) folgen zusätzlich dem Prozessmodell von Maarzan.
Kurz: Aus dem Spiel heraus hat der Spielerwunsch enorm hohe Chancen zu scheitern, weil die Vorgaben nicht geklärt sind.
Im Fall des ersten Beispiels liegt damit die rechnerische Chance, dass der Spieler bekommt, was er will, ziemlich niedrig. Denn: Die SL hat sehr viele Möglichkeiten von anderen "Regelvereinbarungen" in Bezug auf die Ebenen und Prozesse auszugehen als der Spieler.
Da Rollenspiel ne soziale Sache ist, würde ich dem Spieler bessere Erfolgsaussichten einräumen. Allerdings, wenn die SL die Regieanweisung des Spielers umsetzt, besteht die Gefahr, dass sich die Runde in der Konsequenz Probleme einhandelt, weil die Aktion auf einer der Regelebenen oder/und Regelprozessentscheidungen nicht "legal" ist und die Vereinbarungen in der Runde gebrochen hat.
Ne kluge SL oder kluge Mitspieler würden wahrscheinlich auf die Metaebene wechseln, um die Intension des Spielers und die "Legalität" der Aktion zu verhandeln. Wobei das ja auch ne Teillösung wäre, die der anscheinend Spieler nicht will.
Und an der Stelle sind wir dann an dem Punkt, wo ich die gegenteilige Behauptung aufstellen würde:
Mehr Regeln sind gut für den Spieler. Denn: Alles, was in Spielregeln gepackt ist, ist von vornherein gesetzt. Das heißt: Ein Spieler braucht es nicht mit seiner Gruppe zu verhandeln. Man braucht dann halt auch die für die eigenen Wünsche "richtigen" Regeln. Im Prince Valiant Storytelling Game hätte der Streuner (unter der Voraussetzung, dass er einen Special Effect als Ressource hat und ausgibt) einfach "Save in Combat" auslösen können und seine waghalsige Flucht erzählen können. Das ist effektiv ne Rege mehr, die DSA an der Stelle nicht hat.
Die Scheinargumente gegen die Rule of Cool sind die gleichen, wie die Scheinargumente gegen storygetriebene Entscheidungen. In beiden Fällen weiß man angeblich nicht, was die Mitspieler als "kewl" ansehen bzw. was aus ihrer Sicht zu einer guten Story führt.
Dem ist aus den obigen Erklärungen heraus nicht zuzustimmen, denn: Beides setzt voraus, dass die Gruppe sich auf die "rule of cool" bzw. "storygetriebene Entscheidungen" geeingt hat. Davon kann man nun aber gerade nicht ausgehen. Weiterhin sind beides sehr unterschiedliche Techniken. Die "rule of cool" im hiesigen! Kontext betrifft Individualwünsche und -erwartungen. "Storygetriebene Entscheidungen" dagegen betrifft ganz stark die Spielweise einer Gruppe. (Oder: Mit der "rule of cool" kann man zumindest situativ eher arbeiten, wenn Absprachen fehlen oder Differenzen vorliegen. Für "storygetriebene Entscheidungen" muss sich ne Gruppe implizit oder explizit entschieden haben. Das sind ganz unterschiedliche Ebenen.