Autor Thema: [SoA 1. Akt] Tot & begraben - Fr., 16.09.1927  (Gelesen 29042 mal)

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Re: [SoA 1. Akt] Tot & begraben
« Antwort #25 am: 2.10.2017 | 13:53 »
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Ich gehe mit meiner Frau zu der engsten Familie des Verstorbenen und bedanke mich höflich für die Einladung. Nachdem das geschehen ist, nehmen wir an dem gedeckten Tisch Platz.

Es plätschert leise Kaffee in Prozellan und das Klackern der Löffel gegen die Tassenränder klingt in der merkwürdigen Stimmung des Raumes ungewöhnlich laut. Ich traue mich kaum die Tasse zu heben, nachdem Zucker und Milch verrührt sind.

Da ich erwarte, dass der Sohn des Verstorbenen einige Sätze sagt, nachdem nun alle Trauergäste eingetroffen sind, warte ich ab, was als nächstes passieren wird.

Leise sage ich zu Agathe.
"Ich wusste gar nicht, dass der arme Mann keine Haushälterin hat. Er sah immer so adrett aus. Was wohl aus dem Haus nun wird?"
« Letzte Änderung: 31.10.2017 | 13:03 von Der Läuterer »
Hans Hermann Lohenstein
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Re: [SoA 1. Akt] Tot & begraben
« Antwort #26 am: 2.10.2017 | 23:07 »
IM SALON

Ich begleite meinen Mann und spreche den Angehörigen mit gedämpfter Stimme ebenfalls meinen Dank für die Einladung aus. Als ich mich setze, werfe ich der älteren Dame auf dem Platz neben mir ein freundliches Lächeln zu. Irgendwie tut sie mir Leid, wie sie so alleine dasitzt und vor allem mit der Kaffeetasse vor sich beschäftigt zu sein scheint.

"Ich denke, die Dame, die sich uns als Trudi vorgestellt hat, ist die Haushälterin. Sie trug zwar noch das schwarze Sonntagsgewand, aber als Gattin hätte sie sich mir wohl mit vollem Namen vorgestellt, denke ich. Kanntest du die Familie eigentlich besser?", antworte ich Hans mit leiser Stimme.
« Letzte Änderung: 31.10.2017 | 13:08 von Der Läuterer »
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Joran

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Re: [SoA 1. Akt] Tot & begraben
« Antwort #27 am: 3.10.2017 | 17:42 »
VOR DEM HAUS DER VON EISENSTEINS

Der Regen will nicht aufhören. Auf der Straße haben sich bereits große Pfützen gebildet. "Den Abend werde ich damit zubringen, die Schuhe zu putzen und den Wagen zu reinigen", denke ich missmutig. Andererseits gefällt es mir, den Wagen auch nach einem solchen Tag am nächsten Morgen blitzend aus der Garage zu fahren, als wären fleißige Heinzelmänner am Werk gewesen.

"Ich muss im Sichtweite des Wagens bleiben das ist klar." Ich verrenke mir den Nacken bei dem Versuch, die ganze Straße einzusehen und vielleicht doch ein Café zu entdecken. Aber die Straße wirkt so trübsinnig wie der Anlass unseres Besuchs. Eine Stadtvilla neben der nächsten. Kein Mensch auf der Straße.
« Letzte Änderung: 31.10.2017 | 13:09 von Der Läuterer »

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Re: [SoA 1. Akt] Tot & begraben
« Antwort #28 am: 4.10.2017 | 17:38 »
IM SALON

Zu Agathe gewandt

"Ein wenig besser ja. Wir waren viele Jahre Kollegen. Hin und wieder haben wir nach unseren Kolloquien noch zusammen etwas getrunken. Zu Feiertagen auch Karten ausgetauscht."

Ich halte etwas inne und bekomme einen nachdenklichen Gesichtsausdruck. Dann ein schmales, kleines Lächeln."

"Wenn ich es mir so recht überlege, kannten wir uns wohl doch nicht so gut."

Etwas Wehmut schleicht sich in den Blick.

"Manchmal wünscht man sich, dass man die Zeit zurückdrehen kann, nicht wahr? Sich mehr Zeit nehmen würde. Da fragt man sich schon, ob die Welt wirklich so dringend auf den Aufsatz zur maximillianischen Thronabdankung gewartet hat."
« Letzte Änderung: 31.10.2017 | 13:10 von Der Läuterer »
Hans Hermann Lohenstein
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Re: [SoA 1. Akt] Tot & begraben
« Antwort #29 am: 5.10.2017 | 23:00 »
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"Ach Hans, sei doch nicht so trübsinnig.", antworte ich mit sanfter Stimme, "Du bist doch nicht nur Wissenschafter, sondern für viele auch ein guter Freund und mir ein wunderbarer Ehemann. Und natürlich sind deine Aufsätze bedeutsam!". Während ich spreche, streicht meine Hand sanft über Hans Hand.

Nur aus den Augenwinkeln bekomme ich mit, dass die ältere Dame neben mir vergeblich versucht, mit ihrer zittrigen Hand die Zuckerschale zu erreichen. "Kann ich Ihnen helfen?", erkundige ich mich sogleich und reiche der Frau die kleine Porzellanschüssel. Von dem einen Löffel Zucker, den die Dame nimmt, erreichen die meisten Körner ihr Ziel und der wenige verstreute Zucker ist auf der weißen Tischdecke kaum zu erkennen. "Verzeihen Sie.", spreche ich sie dann nochmals an, nachdem sie fertig ist, "Aber ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Agathe Lohenstein, und das ist mein Mann, Professor Hand Lohenstein. Mein Beileid."
« Letzte Änderung: 31.10.2017 | 13:21 von Der Läuterer »
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Re: [SoA 1. Akt] Tot & begraben
« Antwort #30 am: 6.10.2017 | 00:30 »
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"Vielen Dank, Frau Lohenstein."

Ein leichtes Lächeln huscht über das Gesicht der Witwe, ohne dass sie Dich dabei anschauen würde. "Sehr liebenswürdig von Ihnen."

"Ich bin seit dem Tod meines Mannes recht zittrig und fahrig geworden."
Sie rührt mit unsteter Hand den Löffel in der Tasse hin und her. Wieder. Wieder. Und wieder. Gedankenverloren. Völlig mitgenommen.

"Wissen Sie..." Sie schaut Dir diesmal direkt in die Augen und Du siehst, wie ihre Augen glänzen und dass sie rot gerändert sind. "Es kam alles so schrecklich schnell... So unerwartet. Ich denke manchmal, dass... dass ich ihn noch spüren könnte... Ich glaube fast, er käme gleich aus dem Nebenzimmer. Ich... ich habe das Gefühl verrückt zu werden."

Einige Meter entfernt fällt etwas klappernd zu Boden und Frau von Eisenstein fährt unwillkürlich zusammen. Tee schwappt aus der Tasse auf den Unterteller. Fast entschuldigend schaut sie zu Dir auf. "Und ich bin äusserst schreckhaft geworden... trotz der... der Beruhigungsmittel, die mir der Arzt verschrieben hat."

"Mein Mann sagte immer, wenn wir eine Sternschnuppe sahen, ich solle mir etwas wünschen. Ich solle es aber aussprechen, damit er es auch erfüllen könne." Wieder lächelt sie. Aber mehr in sich hinein und fängt dann zu schluchzen an.

Sie holt mit einer Hand ein Taschentuch aus ihrer Handtasche, um sich ihre Tränen zu trocknen, wobei sie die Tasse schlecht abstellt, diese vom Tisch rutscht und klirrend auf dem Parkett zerspringt.

"Verdammt... Verdammt... Verdammt." Sie springt wie von der Tarantel gestochen auf, fasst sich mit beiden Händen an die Wangen und schüttelt den Kopf. "Neeein. Ich d...r...e...h...e noch durch." Und rennt schnell aus dem Zimmer.
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Re: [SoA 1. Akt] Tot & begraben
« Antwort #31 am: 6.10.2017 | 19:57 »
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Ich lege der alten Dame sanft die Hand auf die Schulter und hoffe, dass dies eine beruhigende Wirkung auf die ausübt. "Aber das ist doch nur verständlich.", antworte ich mit einem aufmunternden Lächeln, als sie über ihre Schreckhaftigkeit erzählt und lege die Serviette, die noch unberührt neben meinem Teller liegt, möglichst unauffällig auf den übergeschwappten Tee.

Als die Dame aufspringt, eile ich ihr hinterher. Da ich sie nicht zu fest anpacken möchte, gelingt es mir erst im nächsten Raum, die Frau einzuholen. "Es ist alles gut! Keine Angst, Sie sind hier sicher und es kann Ihnen nichts passieren. Das sind bloß die Nerven, die einem manchmal einen Streich spielen.", rede ich mit beruhigender Stimme auf die Frau ein, während ich sie in die Arme geschlossen festhalte.

Unwillkürlich ermöglicht mir diese Position einen guten Blick in den Raum, in dem sich neben einem Klavier und mehrernen Bücherregalen auch mehrere Bilder an der Wand befinden. Obwohl es mir unangenehm ist, mich in diesem Raum aufzuhalten, in den man mich nicht eingeladen hat, ist meine Neugier doch stark genug, um letztere genauer zu betrachten. Es handelt sich um Bleistiftzeichnungen, die wohl vor vielen Jahren ein durchschnittlich begabter Künstler von den Familienmitgliedern angefertigt haben dürfte.
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Re: [SoA 1. Akt] Tot & begraben
« Antwort #32 am: 7.10.2017 | 11:45 »
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Der Raum, in dem Du Dich befindest, weist einige Lücken in den Regalen auf. Hier wurden Werke entnommen, die verbleibenden Bücher wurden jedoch nicht wieder zusammen gerückt, um die Einheit wieder herzustellen. Verbliebene Lücken wurden teilweise durch jetzt schräg stehende Bücher und nur notdürftig geschlossen.
Im rechten Eck des Zimmers steht ein Lesepult mit einem aufgeschlagenen Buch darauf.
Im linken Eck des Zimmers befindet sich ein, bequem aussehender, Ledersessel mit einer Füssablage. Daneben steht ein einbeiniger, runder Rauchertisch mit grüner Marmorplatte.

An der Wand, vor dem Fenster neben dem Sessel, befindet sich eine krautige Pflanze mit wirklich grossen Blättern. Eine robust aussehende Pflanze mit langen Luftwurzeln. Die dunkelgrünen Blätter haben die Grösse der Sitzfläche eines Sessels und ziehen sich nicht nur über die Wand, sondern verlaufen auch unter der Decke entlang, fast bis zur gegenüber liegenden Wand. Die Blätter sind herzförmig und fiederspaltig, was den Blättern einen klauenähnlichen Eindruck verleiht.

"Hier habe ich ihn gefunden..." Sie deutet auf den Sessel. "Er hatte mit der Post ein kleines Päckchen von seiner Tochter erhalten..." Sie schluchzt. "Er hat sich so über eine Nachricht von ihr gefreut... und dann... und dann... dann war er plötzlich tot."
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Re: [SoA 1. Akt] Tot & begraben
« Antwort #33 am: 7.10.2017 | 13:19 »
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Hieronymus gibt Bastian ein Zeichen und dieser schiebt den Rollstuhl an. Leonhardt folgt den beiden.
"Herr Lohenstein? Professor?"

Der Pastor kommt Dir in seinem Rollstuhl fast ungebührlich nahe. Er hebt mahnend die mumienhafte, rechte Hand mit dem gestreckten Zeigefinger.
Seine Gesichtshaut ist unnatürlich glatt für sein Alter. Ohne Falten spannt sie sich straff über den Schädel wie ein gewachstes Pergament. Fast durchscheinend.
"Es ist sicher. Ganz sicher. Nicht. Der richtige Zeitpunkt. Wir müssen mit Ihnen. Dringlichst reden."

Seine Stimme ist jetzt kräftiger, aber dennoch leise und noch immer kratzig.
"Sie glauben. Sicherlich, dass Sie meinen. Bruder kannten. Aber vermutlich taten Sie das. Nicht wirklich. Mein Bruder. War kein. Guter Mensch."

Leonhardt, der älteste Sohn des Toten, nickt mit gesenktem Kopf.

Die Lippen des Pastors sind schmal. Zu schmal für seine Zähne, so dass man annehmen könnte, er würde entweder lächeln oder die Zähne fletschen.
"Verstehen Sie. Mich nicht falsch."
Seine Augen glänzen und sind hellwach. Sie huschen über Dein Gesicht, als würden sie jegliche Emotion, jedwede Regung registrieren.

Ein bösartiges Zucken entsteht kurz in seinem linken Mundwinkel. Dann ist es verschwunden.
"Er war. Auch kein schlechter Mensch."

Verächtlich stülpen sich die Lippen des Mannes nach vorne und eine Strähne seines langen Haares fällt ihm ins Gesicht.
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Re: [SoA 1. Akt] Tot & begraben
« Antwort #34 am: 8.10.2017 | 11:58 »
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"Es tut mir sehr Leid, dass Sie das miterleben mussten.", antworte ich mir sanfter Stimme und streiche der Frau beruhigend über den Rücken. "Hat Ihn die Nachricht seiner Tochter vielleicht so sehr aufgeregt, dass er sein Herz nicht mehr wollte?"

Dann deute ich auf eine der Zeichnungen, die ein junges Mädchen mit frechem Blick und Sommersprossen auf der Nase zeigt. "Ist das Ihre Tochter?"
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Re: [SoA 1. Akt] Tot & begraben
« Antwort #35 am: 8.10.2017 | 14:57 »
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"Was?" Elfie erzittert und zuckt unwillkürlich zusammen, als Du sie berührst, so dass Du erschrickst. Die Witwe scheint noch immer überaus tief in der Vergangenheit gefangen zu sein.

"Was meinen Sie?" Die Witwe ist anscheinend doch sehr, sehr verwirrt.

Der Tod des Professors muss sie tief erschüttert haben. "Welche... Welche Nachricht?"

"Da war keine... Nachricht."

"Als wir meinen Phillip fanden, sass er... zusammengesunken... in seinem Ledersessel. Am Boden das Packpapier und die Verpackungsschnur."

"Und auf seinem Schoss... eine einfache, geschnitzte Kiste... eine... primitive Schatulle."

Dann, nach einer Weile. "Nein. Das ist nicht meine Tochter. Phillip hat eine Tochter mit seiner ersten Frau. Das ist sie. Ein Jugendbildnis von ihr. Phillip's Tochter arbeitet schon seit Jahren als Missionarin auf einer Inselgruppe vor Siam."
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Re: [SoA 1. Akt] Tot & begraben
« Antwort #36 am: 9.10.2017 | 17:32 »
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Ich scheine aus einer Überlegung aufzuschrecken und jetzt erst den ganzen Tumult um mich herum zu bemerken. An den Pastor im Rollstuhl gewandt sage ich

"Was genau meinen sie damit?"

Die körperliche Nähe verursacht mir anscheinend Unwohlsein und ich rücke etwas ab. Ein Hauch von Ärger geht über mein Gesicht.

"Drücken sie sich etwas deutlicher aus, bitte."
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Re: [SoA 1. Akt] Tot & begraben
« Antwort #37 am: 9.10.2017 | 23:15 »
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"Was. Ich damit meine? Sie." Ein leicht verächtliches Lächeln umspielt die dünnen Lippen des mumienhaften Pastors. "Kannten ihn wohl doch. Nicht so. Gut wie Sie."

"Meinen. Wie könnten Sie. Auch mein." Seine Augen funkeln böse. "Bruder war genial. Als Gelehrter ein. Selbstdarsteller mit dem Hang. Zur Blendung. Und puren. Egoismus."

Seine dürre Hand streicht die Haarsträhne zurück. "Einige wesentliche. Ideen und. Erkenntnisse waren. Nicht die seinen geborgt. Geliehen. Gestohlen könnte. Man auch sagen. Geistiger Diebstahl. Sozusagen."

"Und er hat das. Glück. Der Familie seinen. Wissenschaftlichen Interessen. Immer untergeordnet."

Ein Zischen wie von einem Teekessel kommt zwischen seinen Zähnen durch. Und schüttelt enttäuscht den Kopf. "Mein Bruder war. Ein kluger Kopf doch. Ohne. Herz."

"Sein Sohn." Der Kopf des Pastors nickt in Richtung Leonhardt. "Ist kein reicher. Mann. Der aber harte Arbeit. Leistet." Die Stirn des Pastors glänzt, als sei sie mit Butter bestrichen.

"Seine Elfi. Wird nicht viel. Erben Hypotheken Sie verstehen? Seine beiden. Anderen. Kinder werden noch. Weniger erhalten."

Er reibt seine wachsartigen Hände. "Lydia ist in. Indochina Hubertus. In Griechenland. Sie wissen. Nicht dass. Ihr Vater tot. Ist und fast sein. Gesamtes. Geld in einer öde. Sternwarte versenkt hat er. Hat damit zwei. Russen unterstützt dieser. Mann hinter mir am. Tisch, der mit der. Grauen Fliege hat. Auch viel. Geld hinein gesteckt er ist. Ein alter Freund meines. Bruders aus Tagen. Der Studienzeit. Karl. Joseph Blumberg ein. Freizeit Astronom." Erneut funkeln die Augen des Pastors böse.
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Re: [SoA 1. Akt] Tot & begraben
« Antwort #38 am: 9.10.2017 | 23:58 »
IM WOHNZIMMER

Die gerahmte Zeichnung der Frau zeigt das Bildnis eines sehr attraktiven Menschen.

http://view.stern.de/de/rubriken/menschen/portrait-frau-available-light-schwarz-weiss-sommersprossen-natuerlich-original-2463311.html
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Re: [SoA 1. Akt] Tot & begraben
« Antwort #39 am: 11.10.2017 | 00:25 »
IM WOHNZIMMER

Agathe blickt sich im Raum nach einer Sitzgelegenheit um. Die alte Dame wirkt, als könnte sie jeden Augenblick zusammenbrechen. Doch außerdem dem Ledersessel, in dem der Tote gefunden wurde, scheint es keinen Sessel zu geben. Kurzerhand holt Agathe daher den Schemel vor dem Klavier und stellt ihn hinter der Frau ab. "Kommen Sie, setzen Sie sich.", redet sie auf die Frau ein und stützt diese gleichzeitig, während sie Platz nimmt. Dann rafft Agathe ihren Rock und hockelt sich vor der Dame hin, sodass die beiden Frauen wieder auf Augenhöhe miteinander sprechen können. Wieder ergreift Agathe die Hand ihres Gegenübers: "Die Tochter ihres Mannes hat also eine Holzschatulle geschickt? Womöglich gar aus Siam? Wissen Sie, was sich darin befand? Oder sollen wir uns das Teil einmal gemeinsam ansehen?" Agathe versucht, ihrer Stimme Zuversicht zu geben und viel zu lächeln, um die Frau ein wenig aufzumuntern.
« Letzte Änderung: 31.10.2017 | 13:51 von Der Läuterer »
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Re: [SoA 1. Akt] Tot & begraben
« Antwort #40 am: 11.10.2017 | 08:36 »
IM WOHNZIMMER

An der Wand neben dem Klavier hängt eine Fotografie - eine Gruppe Männer.
Die vier stehen vor einer Sternwarte. Darunter der Professor. Und auch ein Mann, den Du auf der Beisetzung gesehen hast und der sich auch hier im Haus befindet. Der Mann mit der grauen Fliege. Der Mann, den Elfi auf dem Friedhof Kajo nannte.
Alle auf dem Foto scheinen bester Laune zu sein und die beiden anderen halten eine Zeitung hoch.

Während Du nachdenkst, hörst Du Elfis Stimme. "Sie glauben doch nicht etwa...? Nein, das kann nicht... Denken Sie etwa...?" Elfi ist aufgeregt. "Das wäre doch schrecklich."

Sie ruft nach Trudi. "Haben wir das Verpackungsmaterial des Päckchens bereits verbrannt? Und hol bitte auch die kleine Kiste." Die Haushälterin kommt mit Packpapier, Schnur und Kästchen zurück.

Völlig unbedarft greift Elfi nach der groben Schatulle und öffnet diese. "Es ist leer." Sie richtet die geöffnete Schatulle in Deine Richtung. "Sehen Sie? Leer. Nichts drin. Absolut LEER. Nur eine schlichte, kleine Kiste."

Elfi erscheint aufgebracht, macht grosse Augen, schnappt nach Luft, verdreht ihre Augen und kippt nach hinten.
« Letzte Änderung: 31.10.2017 | 13:50 von Der Läuterer »
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Re: [SoA 1. Akt] Tot & begraben
« Antwort #41 am: 12.10.2017 | 23:53 »
IM WOHNZIMMER

Neugierig betrachte ich das Bild mit der Sternwarte und versuche zu erkennen, wo sie liegt. Während einige meiner Bekannten Dutzende Sternbilder erkennen, blieb der Himmel für mich jedoch immer ein einziges großes Durcheinander, sodass ich weder mit Sternwarten noch mit Astrologie sonderlich vertraut bin, obwohl ich bei meinen Nachforschungen schon öfter von Völkern oder Gruppierungen las, die den Sternen große Bedeutung zu kommen lassen. Gerade will ich Elfi nach dem Hintergrund des Bildes fragen, da ruft diese auch schon nach ihrer Haushälterin.

Neugierig blicke ich in die Schatulle, bevor sich mein fragender Blick auch schon Elfi zuwendet, die jedoch just in disem Augenblick kollabiert. Ich fange sie gerade noch auf, wie sie von Schemel gleitet, lege sie auf den Boden hin, die Beine auf dem Klavierhocker. "Holen Sie ein Glas Wasser und einen Arzt!", erkläre ich der Haushälterin und versuche, mir meine Nervosität nicht anmerken zu lassen. Unterdessen halte ich Elfis Kopf und versuche zu spüren, ob sie noch atmet. Ich habe zwar keine Ahnung von Erster Hilfe, hoffe aber einfach, dass es sich nur um eine kurzfristige Ohnmacht handelt. Während ich darauf warte, dass Hilfe eintrifft, nütze ich die Gelegenheit, um mir die Schatulle und das Verpackungsmatieral noch einmal genauer anzusehen. Womöglich ist sogar ein Absender darauf zu erkennen?
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Re: [SoA 1. Akt] Tot & begraben
« Antwort #42 am: 13.10.2017 | 08:49 »
IM WOHNZIMMER

Die Buchstaben sind gut-leserlich mit Kohle auf dunkel-braunem Packpapier geschrieben worden, wohl aber ist die Schrift leicht verwischt. Die Verpackungsschnur wurde aus Fasern geflochten und ist durchgeschnitten worden. Die Adresse lautet...

विशेष कार् कुष्ठ रोग
Leprosy Mission
Port Blair
British Raj राज

Das Papier fühlt sich dick und grob-faserig an - beinahe wie raue, alte Haut. Und das Ganze verströmt einen intensiv-würzigen Geruch nach Gräsern, der angenehm aber aufdringlich ist.

Das Kästchen ist einfache Handwerkskunst. Holzstäbchen mit Streifen aus Bambus, jedoch hingebungsvoll verarbeitet und ... leer.
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Re: [SoA 1. Akt] Tot & begraben
« Antwort #43 am: 13.10.2017 | 13:26 »
IM WOHNZIMMER

Trudi schlägt beide Hände vors Gesicht. "Oh nein. Doch nicht auch noch sie?"

Sie weicht von Elfi's Körper erschreckt zurück. "Gift? Ist es Gift? Nein. Ist sie auch tot?"

Schnell setzt sich Trudi in Bewegung. "Den Arzt holen! Ja, ja. Ich beeile mich." Sie wirkt fahrig, blickt verwirrt nach links und rechts. "Doktor Winterfeld anrufen. Den Doktor anrufen. Mach ich." Sie eilt gehetzt davon - durch die Tür, in den Salon. "Den Doktor anrufen."

"Die arme Frau. Jetzt hat es auch sie erwischt... wie den Professor." Im Salon entsteht ein Tumult. Unruhe. Fragen. Ein Durcheinander an Stimmen. Unverständliche Gerede. Und die Meute der Ahnungslosen setzt sich in Bewegung.
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Re: [SoA 1. Akt] Tot & begraben
« Antwort #44 am: 13.10.2017 | 17:48 »
In Berlin hat es mittlerweile aufgehört zu regnen.

VOR DEM HAUS DER VON EISENSTEINS

Die Haustür der Nummer 14 wird hastig aufgerissen.


Eine kleine, ältere Frau mit schulterlangen, gewellten, schlohweissen Haaren stürzt aus dem Wohnhaus heraus.
Sie trägt über dem schwarzen Rock und der schwarzen Bluse eine mit weissen Rosen geblümte Schürze und Filzpantoffeln an den Füssen.

"Einen Arzt, einen Arzt. Um Himmelswillen, wir benötigen einen Arzt."

Die Frau ist völlig ausser Atem. "Frau von... Eisenstein stirbt... So helfe uns doch jemand." Dann sinkt sie schluchzend auf ihre Knie.
« Letzte Änderung: 31.10.2017 | 13:48 von Der Läuterer »
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Nur wenige Menschen sind stark genug, um die Wahrheit zu sagen und die Wahrheit zu hören.
- Luc de Clapiers Marquis de Vauvenargues -

Joran

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Re: [SoA 1. Akt] Tot & begraben
« Antwort #45 am: 14.10.2017 | 18:27 »
VOR DEM HAUS DER VON EISENSTEINS / IM WOHNZIMMER

Ich zögere einen Moment und sehe mich reflexartig um. Aber da sind keine Sanitäter hinter mir, die routiniert nach ihrer Ausrüstung greifen. Und auch auf der Straße ist niemand. "Einen Arzt? Verflucht, ich bin kein Arzt!", murmele ich, steige dann aber doch aus und begebe mich in zum Hauseingang.

"Hat hier in der Nachbarschaft irgendjemand Telefon?", frage ich die Frau in Filzpantoffeln im vorbeigehen. "Dann gehen Sie hin und rufen Sie einen Arzt. Vorerst sehe ich einmal nach der von Eisenstein." "... Und beim nächsten mal machste gefälligst den Lieferanteneingang auf, wenn man keinen Hund nich vor die Tür schicken würd!"

Hinter der Eingangstür trete ich mir sorgsam die Schuhe ab und lausche. Aufgeregte Stimmen weisen mir die Richtung. Nichts von dem, was ich auf meinem Weg sehe, lässt mich annehmen, die Außenfassade gäbe nicht zutreffend die wirtschaftlichen Verhältnisse der Bewohner wieder. "Dieses Haus ist so tot wie sein Besitzer!", drängt sich mir der Eindruck auf. Zunächst ist es nur eine nüchterne Feststellung. Zuviel Tot habe ich schon gesehen, als dass mich der Gang durch ein bewohntes Mausoleum so leicht aus der Ruhe bringen könnte.

In dem Raum mit dem Leichenschmaus lasse ich meinen Blick seufzend über die Speisen streichen und merke, dass ich Hunger habe. "Du hast doch immer Hunger!", tadele ich mich selbst, indem ich meine Mutter zitiere, bevor ich resigniert weitergehe. Vor einem Zimmer drängen sich die Trauergäste und versuchen einen Blick durch die breite, zweiflüglige Tür zu werfen. "Was ist denn passiert?", frage ich laut, um auf mich aufmerksam zu machen und mir einen Weg durch die Menschen zu bahnen. Meine Statur und die Resonanz meines Brustkorbs ... vermutlich auch mein Gesicht ... können in solchen Momenten äußerst effektiv sein.

Als sich eine Gasse bildet und nicke ich dem Professor im Vorbeigehen zu. Die Frau Professor hockt neben der Frau "von und zu" und hält deren Kopf in ihrem Schoß. Die Haut der Hausherrin wirkt blass. Die Wangen eingefallen und glänzen feucht. Die Augen sind stark gerötet. Neben den beiden Frauen liege eine kleine Schatulle und Packpapier auf dem Boden.

"Wollen sehen, was wir hier haben!", sage ich ruhig, als ich neben die Frau Professor auf die Knie gehe. Ich sehe keine Grund, Aufregung zu heucheln. Dieses blasse Geschöpf am Boden vor mir bedeutet mir nichts. "Entweder ich kann ihr helfen oder sie passt perfekt in diese Gruft, die sie ihr Haus nennt, weil sie den Geruch nach Mottenkugeln und Tod schon lange nicht mehr wahrnimmt."

Ich entledige mich meiner Lederhandschuhe und fühle nach dem Puls der Dame. Zuerst an den Knöcheln ... dann am Hals. Nichts! "Verdammte Hände!", fluche ich in mich hinein. Doch mein ernstes Gesicht veranlasst irgendjemanden zu einem lauten Schluchzer. Ich frage die Frau Professor nach einem Taschenspiegel, den sie mir unverzüglich reicht. "Gold ... oder Silber vergoldet?", überlege ich, während ich das Glas unter die Nase der Frau von Eisenstein halte. ... ... ... Es dauert eine Weile, dann bildet sich ein schwacher Nebel auf dem kalten Spiegel.

"Sie atmet ...", sage ich laut "... noch", beende ich den Satz still für mich.

Ich setze alles auf eine Karte: Blutarmut ... Aufregung ... Trauerkleidung, die vermutlich aus jüngeren Tagen stammt. "Sie braucht Luft!", sage ich zu den Umstehenden. Öffnen Sie ein Fenster. Dann greife ich mir eine Fußbank und lege die Beine "meiner" Patientin darauf.

"Nun ... vielleicht ... es wäre hilfreich ...", stammele ich etwas unschlüssig. Das wäre nicht die erste Bluse, die ich öffne, allerdings nicht vor solchem Publikum. Wären ich alleine mit dieser Frau, so hätte ich mir nicht erst die Mühe gemacht, diese kleinen, perlenförmigen Knöpfe aufzunesteln ... Aber so wie die Dinge stehen. "Das schwarze Band um den Hals, der Kragen ... es ist alles etwas ... eng!", setze ich vorsichtig nach und blicke Agathe aus unziemlicher Nähe in die Augen, während deren Parfüm, der Geruch von Mottenkugeln, der dem Kostüm der Witwe entströmt, und ein dritter undefinierbarer Geruch eine verstörende nekrophile Verbindung von Leidenschaft und Verfall eingehen. ... Ein Gefühl von Beklemmung und Ekel ergreift mich unerwartet mit eiserner Hand. Es zwingt mich, den Kopf für einen Augenblick abzuwenden. Mit meinem erprobt ausdruckslosem Gesicht des dummen Riesen versuche ich meinen Widerwillen zu verbergen.

"Wenn Du jetzt auf die Witwe reiherst, kannst Du Dir gleich eine neue Stelle suchen! ... Atme durch den Mund!" Mein Blick streift flüchtig Portraitzeichnungen an den Wänden. Grau wie Geister in diesem sterbenden Haus verharrt der Reigen der farblosen Verwandten in gespannter Erwartung und beobachtet körperlos an der Tapete baumelnd das Geschehen. Gesicht für Gesicht ein Spektrum von Emotionen: Schadenfreude, Tadel, geifernde Lüsternheit, Mitleid, Kälte, ... Jedes Gesicht scheint das Geschehen auf eine eigene Weise zu bewerten.

"Vielleicht könnten Sie ... wenn wir den Raum verlassen ...?", zwinge ich mich erneut, Agathe anzublicken.

"Hat vielleicht eine der Damen Riechsalz?", frage ich laut in die Runde und blicke mich dabei zu den Gästen um. "Dir selbst täte auch eine Prise gut!"
« Letzte Änderung: 31.10.2017 | 13:47 von Der Läuterer »

Offline Katharina

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Re: [SoA 1. Akt] Tot & begraben
« Antwort #46 am: 15.10.2017 | 19:01 »
IM WOHNZIMMER

"Was machen Sie hier?", rufe ich irritiert aus, als ich Anton erblicke, "Wir brauchen hier einen Arzt! Oder wollen Sie die Dame gleich in Spiel bringen?"

Rasche merke ich jedoch, dass ich Anton offenbar unterschätzt hatte. So deplaziert er in dieser Umgebung auch wirkt, er scheint zu wissen, was er tut. Ohne groß zu zögern, raffe ich meinen Rock und knie mich neben die alte Dame, um Anton zur Hand zu gehen, damit er nicht mit seinen rauen, dreckigen Fingern an der Kleidung der Dame herumnäseln muss. "Sie ist wohl nur ohnmächtig, kein Grund zur Sorge, erkläre ich derweil den umstehenden Personen. Da erblicke ich Trudi, die immer noch ganz nervös zu sein scheint. "Trudi, wenn sie uns bitte noch ein feuchtes Tuch und einen Polster bringen?", fordere ich sie auf, in der Hoffnung, das die Arbeit sie ablenkt.

Ich gebe wohl ein völlig lächerliches Bild ab, wie ich hier am Boden herumkrieche. Hoffentlich schadet das Hans nicht . Aber man muss doch der armen Dame helfen? Und vielleicht erzählt sie dann ja sogar noch mehr, über dieses merkwürdige Päckchen?
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Joran

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Re: [SoA 1. Akt] Tot & begraben
« Antwort #47 am: 16.10.2017 | 13:27 »
IM WOHNZIMMER

Agathe Lohenstein stellt meine Selbstbeherrschung auf die Probe, als sie mich zunächst zur Rede stellt. Gelassenheit gehört nicht zu meinen Stärken ... eher im Gegenteil: Kleinigkeiten können mich zu unangemessenen Reaktionen verleiten. Doch hier gelingt es mir, mich auf ein Schnaufen beim Niederknien neben Frau von Eisenstein zu beschränken. Und während der Behandlung schwindet die kritische Haltung der Frau Professorin, was mein Gemüt beruhigt.

Ihr kritischer Blick auf meine Hände entgeht mir allerdings nicht. Ich schwanke zwischen dem Impuls, meine Hände hinter meinem Rücken zu verstecken, und der Neigung, Scham in Wut zu wandeln. Stattdessen nutze ich den Moment, um dem betäubenden Gemisch an Gerüchen zu entgehen, indem ich nach meinen Lederhandschuhen greife und ein paar Schritte zurückweiche, um mit der Gruppe gaffender Trauergäste zu verschmelzen.

Nun stehen wieder Agathe Lohenstein und Frau von Eisenstein im Zentrum der Aufmerksamkeit. Die Intensität, mit der die feinen Herrschaften mich von diesem Moment an NICHT mehr zur Kenntnis nehmen, scheint förmlich mit Fingern auf mich zu zeigen. Vermutlich erwartet man, dass ich nun gefälligst einen stillen Abgang mache.

"Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, ... . Nee, ihr feinen Pinkel! So nich' mit mir. So leicht mache ich es Euch nich' und trete einfach von der Bühne ab! Wollen erst sehen, ob ich zu hoch gepokert oder ins Schwarze getroffen habe. Vielleicht springt etwas für mich dabei heraus? Kannste nich' wissen!" Und so bleibe ich mit Unschuldsmiene am Rande der Gäste stehen ... mit dem Selbstverständnis eines Hotelpagen, der auf sein übliches Trinkgeld wartet, nur ohne geöffnete Hand. Stattdessen streife ich die Handschuhe sorgsam über: Die Erfahrung zeigt, dass Trinkgelder leichter fließen, wenn man nicht Gefahr läuft, den niedriger Gestellten direkt zu berühren. Meine Handschuhe sind nicht weiß, wie die eines Pagen, aber besser als nichts.

Den festen Willen der Umstehenden, mich keines Blickes zu würdigen, nutze ich für mich, um mein Umfeld zu mustern und mir ein Bild von den Anwesenden und dem Raum zu machen. Erneut betrachte ich die Zeichnungen an den Wänden, die nun - nachdem ich den Gerüchen entkommen bin - unschuldig wirken. Und doch erscheint mir der unbeteiligte Eindruck, den die Geister nun erwecken, trügerisch, nachdem ich einen kurzen Moment hinter die Fassade blicken konnte: hinterlistige, boshafte Geschöpfe, die durch gerahmte Fenster in den Raum blicken und die Lebenden gekonnt über ihre wahre Natur täuschen. Ich fühle mich belauert, als kauere irgendwo verborgen in den Schatten ein Raubtier bereit zum Sprung ... bereit die Beute zu verteidigen, die mitten im Zimmer verendend am Boden liegt.
« Letzte Änderung: 31.10.2017 | 13:42 von Der Läuterer »

Offline trondetreublatt

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Re: [SoA 1. Akt] Tot & begraben
« Antwort #48 am: 23.10.2017 | 17:38 »
VOR DEM HAUS DER VON EISENSTEINS

Um mir nach stundenlangem Stehen am OP-Tisch wenigstens noch kurz die Beine zu vertreten, habe ich mich ein paar Blöcke entfernt von der Waldseebrücke absetzen lassen und marschiere nun mit schnellen Schritten durch den Regen. Den Regenschirm erhoben, darauf bedacht, meine polierten schwarzen Schuhe nicht von all den Pfützen durchnässen zu lassen. Ein aussichtsloses Unterfangen.

Trotzdem, Bewegung tut gut. Regen hin oder her. Ich hauche warme Luft in meine kühle Hand und stecke sie tief in die Tasche meines dunklen Wollmantels. Geburtstage, Taufen, Hochzeiten und nun auch Beerdigungen. Verpasst, zu spät gekommen, leider keine Zeit gehabt. Jaja, das Leben ist kurz, die Kunst ist lang... und die Pflicht geht immer vor.   Zum dutzendsten Mal muss ich in Gedanken zurück zur Magenoperation, deren Beendigung ich meinem jungen Assistenzarzt überlassen habe. Ich hoffe nur, dieser Schwachkopf Müller hat alles ordentlich zu Ende gebracht. Er musste ja nur noch zunähen, aber trotzdem, dem ist alles zuzutrauen... schon im zweiten Jahr und das war das erste Mal, dass er bei einer Billroth II dabei war. Unglaublich! Ich wette, in München muss man sich nicht mit solchen unfähigen Assistenten rumschlagen. Wo Sauerbruch das Regiment führt, herrscht eine ganz andere Zucht, da bin ich mir sicher. Wenn der nur mal an die Charité käme als neuer Chef, das wäre was! So, Moment, hier war es doch irgendwo... Ich blicke auf  und wundere mich wie schon beim letzten Besuch über das ziemlich vernachlässigte Gebäude, dass so gar nicht zum stets gepflegten Prof. von Eisenstein passen will. Schon seltsam, bevor ich das Haus zum ersten Mal gesehen habe, hätte ich nie gedacht, dass es von Eisenstein an Geld mangelt... oder vielleicht nur am Willen, sich angemessen um seinen Besitz zu kümmern? So gern ich ihn auch mochte, es war ja schon einiges seltsam an ihm. Nicht zuletzt sein plötzlicher Tod natürlich. Ein bitteres Lächeln stiehlt sich in mein Gesicht. Ich wüsste wirklich gern, woran er gestorben ist. Gab es eigentlich eine Obduktion? Wenn, dann ist er hoffentlich nicht bei diesem Idioten Weber gelandet. Wenn der obduziert, weiß man am Ende weniger als man vorher wusste. Im besten Fall.

Mit diesen Gedanken gehe ich auf die Haustür zu, als diese sich plötzlich öffnet und Trudi herausgerauscht kommt. Ganz unzeremoniell packt sie mich am Arm und zieht mich ins Haus, während sie die ganze Zeit plappert: "Dr. Degebach, Gott sei Dank, dass Sie da sind. Ich habe Sie vom Fenster aus gesehen. Nun kommen Sie doch. Die Frau Professor ist umgekippt. Tot, womöglich! Können Sie da was machen? Ogottogott..."

Obwohl sie mich ziemlich überrumpelt hat, entgeht mir die Komik ihrer letzten Bemerkung nicht. "Man hält ja schon große Stücke auf meine Fähigkeiten, aber von den Toten habe ich bisher noch niemanden zurückgeholt," necke ich sie, während ich meinen Mantel an den Haken hänge und ihr sodann mit regennassen Schuhen in Richtung Wohnzimmer zur Patientin folge. "Wie? Was?" fragt Trudi verwirrt und wird dann unversehens rot: "Also wie können Sie in so einem Moment solche Scherze machen? Der Frau Professor geht es wirklich schlecht!"

"Das sehen wir ja gleich," sage ich ruhig und schiebe mich an den Trauergästen vorbei, die immer noch in der breiten zweiflügligen Tür zum Wohnzimmer stehen. Diese Frauenzimmer, die müssen immer gleich hysterisch werden. Wahrscheinlich hat die Frau Professor auch bloß hyperventiliert. Bei ihr ist es ja wenigstens verständlich. Aber wenn Trudi auch so weiter macht, habe ich hier gleich noch eine zweite Patientin.

Frau Prof. von Eisenstein liegt auf dem Boden, die Beine auf eine Fußbank hochgelegt. Eine jüngere Frau kniet neben ihr und scheint sich um sie zu kümmern. Ich werfe zunächst einen Blick in die Runde der Trauergäste im Wohnzimmer. Manche kenne ich, zumindest flüchtig, andere wiederum habe ich noch nie gesehen. "Guten Tag die Herrschaften. Für diejenigen unter Ihnen die mich noch nicht kennen, mein Name ist Dr. Degebach, ich bin Arzt. Ich werde mich jetzt um Frau von Eisenstein kümmern. Als erstes möchte ich Sie alle bitten, den Raum zu verlassen," lasse ich meine befehlsgewohnte Stimme ertönen. Beim Heer, im Krankenhaus, oder sonstwo in der Welt: einer befiehlt, die anderen gehorchen. Man muss nur aufpassen, dass man möglichst der ist, der befiehlt. "Bleiben Sie bitte zunächst hier," fahre ich an Trudi gewandt fort. "Außerdem könnte ich einen Helfer gebrauchen..." mein Blick schweift noch einmal über das Grüppchen, das soeben dabei ist, den Raum zu verlassen. "Sie. Bleiben Sie doch bitte noch einen Moment, ja?" wende ich mich an den großen, kräftig aussehenden Kerl, der sich zuvor im Hintergrund gehalten hatte. Der sieht aus, als würde er tun, was man ihm sagt und sich dabei auch nicht zu blöd anstellen.

Nun wende ich mich dann doch endlich der Patientin zu, ohne der Dame, die sich bisher scheinbar um sie gekümmert hatte, Beachtung zu schenken.
Ja, jetzt einen Arztkoffer da zu haben, das würde schon helfen...naja, mal sehen. "Guten Tag Frau Professor, können Sie mich hören?" rüttle ich die Bewusstlose unsanft. Keine Reaktion. Ich beuge mein Ohr über den offenen Mund der Frau. Hören, Sehen, Fühlen. Höre ich ihren Atem? Fühle ich ihn auf der Wange? Hebt sich der Brustkorb unter der weißen Spitze, die das Aufknöpfen der Trauerkleidung zutage gefördert hat? Dreimal ja, dreimal ganz leicht. Dabei nehme ich noch den Puls. Auch dieser eher schwach, aber spürbar und regelmäßig. Als nächstes schaue ich mir die Pupillen der Patientin an. Gleichmäßig, rund. Na, die müsste man doch wachbekommen. Einen entsprechenden Schmerzreiz vorausgesetzt... Ein kräftiger Kniff in den Unterarm hat hoffentlich den erwünschten Effekt.
« Letzte Änderung: 31.10.2017 | 13:40 von Der Läuterer »
Dr. Ludwig Gotthold Degebach
Chirurg, 38
Charakter für das Tanelorn-Forenspiel Spawn of Azathoth

Joran

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Re: [SoA 1. Akt] Tot & begraben
« Antwort #49 am: 23.10.2017 | 19:18 »
IM WOHNZIMMER

"Der hat mir ja nun gerade noch gefehlt! ... Der Arzt betritt die Bühne und ich bin Nebensache. ... Egal ob der Mohr nun abtritt oder nicht, ab jetzt werden die feinen Herren mich nicht einmal mehr bemerken. ... Schönen Dank auch und adé Trinkgeld! ... Na toll, jetzt kneift er sie auch noch ... das hätte ich mir mal herausnehmen sollen!"

Unzufrieden bleibe ich im Raum, als die Gäste das Wohnzimmer verlassen.
« Letzte Änderung: 31.10.2017 | 13:36 von Der Läuterer »