Das Tanelorn spielt > [Cthulhu] Spawn of Azathoth

[SoA 2. Akt] Am Kaiserdamm - Fr., 16.09.1927

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Der Läuterer:
Die Minuten vergehen. Langsam. Träge. Schleppend. Wie in Zeitlupe.

Fussgänger bleiben stehen und schauen neugierig. Kaum jemand hilft. Und keiner geht weiter.
Mehr und mehr gesellen sich hinzu. Eine grosse Menschentraube entsteht.

Berauscht vom Unglück des Einzelnen. Sie alle können den Blick nicht abwenden. Sie scheinen gefangen zu sein. Gefangen von einem Bannspruch, der sie zwingt.

Das Blut. Das Grauen. Das alle fasziniert. Und alle sind froh, dass nicht sie es sind. Dass es einen anderen getroffen hat und atmen durch. Das Blutopfern ist dargebracht worden. Aber vielleicht ist man morgen schon selbst an der Reihe. Doch niemand weiss es mit Sicherheit.

Einige schütteln den Kopf. Andere tuscheln miteinander oder halten sich erschreckt die Hand vor den Mund. Sie deuten mit dem Finger auf dies und das, als wüssten sie was geschehen ist. Unwissende Narren. Nicht einmal Knallzeugen. Aber jeder weiss etwas. Manche sprechen sogar zu Gott.

Doch Gott ist gerade nicht hier.
Dafür aber die Physik. Sie hat allen Anwesenden ihr Prinzip der Fliegkraft demonstriert.

Die schwarzen Regenschirme der Menschen formen einen düsteren Regenwald riesiger Pilze. Bedrohlich. Und doch feige.

Die Situation scheint sich wieder normalisiert zu haben, als aus der Ferne ein Signalhorn zu hören ist. Vermutlich nähert sich der Rote Kreuz Wagen.

Der Zustand des Verunglückten ist noch immer gleich. Kritisch? Noch lebt er. Sein Körper hebt und senkt sich. Wenn er nicht stirbt, gilt das Ritual als nicht vollzogen. Dann ist ein anderer fällig. Der Moloch ist gierig und will befriedigt werden.

Blut tropft. Agathes Blut. Tropft in eine Pfütze aus Wasser und Öl. Schlieren in Regenbogenfarben verbreiten sich kreisförmig. Ein kleines, fast unmerkliches Kunstwerk. Ein Werk aus Schmerz und Schmutz.

Niemand nimmt jedoch dieses Kunstwerk wahr. Niemand sieht es entstehen oder hörte den Tropen aufschlagen. Ein faszinierend schönes Schauspiel. Und schon ist es wieder vorbei.

Die Ambulanz hält. Zwei steigen aus. Drei steigen ein...

Der Unfallwagen verändert sich nicht mehr. Hat er sich überhaupt verändert?

Und noch immer ist unklar, was hier überhaupt geschehen ist.

Joran:
Am Kaiserdamm

Gedankenverloren bleibe ich noch einen Moment auf der Straße stehen und betrachte das Tuch in meinen Händen. Ich werde es sorgsam trocknen und dann zu den anderen legen. Eine Sammlung, von der jedes einzelne Stück die Geschichte eines Lebens schreibt ... und die nur ich zu lesen vermag ...

Nachdem die Ambulanz sich eilig entfernt hat, wird der Verkehr wieder drängender. Das gelegentliche Hupen und die Motorengeräusche der beschleunigenden Fahrzeuge rufen meine Aufmerksamkeit auf die Straße zurück. Eilig trete ich ein paar Schritte zurück und verschmelze mit der in Auflösung begriffenen Menge der Gaffer. Ich nutze die Anonymität der Menge als Mantel, aber ich fühle mich diesen Menschen nicht verbunden. Sie haben nicht gesehen, was ich erkennen kann. Daher nutze ich die erste sich bietende Möglichkeit, um die Straße sicher in Richtung Villa zu überqueren. Ich werfe noch einen Blick zurück, um mich zu vergewissern, ob die Lohensteins ebenfalls folgen oder sich noch näher mit dem Unfallwagen beschäftigen.

Katharina:
Am Kaiserdamm

"Hans!", rufe ich aus, als meinen Gatten erblicke. Endlich ein vertrauter Anblick, während doch alles andere so seltsam wirkt. Erleichtert werfe ich mich Hans an die Brust und merke gar nicht, wie das Blut meiner Hand sein Hemd beschmutzt. Das Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit lässt die Anspannung von mir abfallen. Meine Hände beginnen zu zittern - oder zittern sie schon die ganze Zeit und ich merke es erst jetzt? Auch meine Beine fühlen sich weich an. "Was ist hier los, Hans?", frage ich, eine Spur von Verzweiflung in der Stimme. "Warum bewegt sich plötzlich alles so langsam? Und was war das für ein seltsamer Unfall? Das war kein Auffallunfall, sondern da war etwas. Das Auto muss gegen eine unsichtbare Wand gefahren sein."

Joran:
Am Kaiserdamm

"Nun, hier störe ich nur ... der 'Held' ist erschienen ...", registriere ich mit gemischten Gefühlen das Bild.

Ich wende mich dem Dienstboteneingang der Villa zu, um meinen guten Anzug gegen die Arbeitskleidung zu tauschen ... und das Tuch zu trocknen.

Nachdem dies geschehen ist, öffne ich die Garage, setze den Wagen herein und wasche den Dreck vom Friedhofsparkplatz ab. Eine leise rauschende Gaslaterne spendet mir Licht, wo ich es brauche. Ich genieße die Abgeschiedenheit und Ruhe der Garage ... mein Reich. Draußen ist es bereits dunkel, als Lack und Chrom wieder zu meiner Zufriedenheit glänzen. Als ich nach getaner Arbeit den Eimer mit einer trübe Brühe aus geweihter Erde, Wasser und Seife in den Rinnstein gieße, fällt mein Blick erneut auf den Unfallwagen. Die Straße hat sich inzwischen geleert. Der Zinkeimer gibt ein leises Scheppern von sich, als ich ihn neben mich auf den Bürgersteig setze und den Lappen über den Henkel hänge. Einen Augenblick ringe ich mir, den Wagen nach Wertsachen zu durchstöbern. Ein Blick über meine Schulter zeigt mir, dass die Fenster der Villa noch erleuchtet sind. Ich wäge Chancen und Risiken gegeneinander ab und überlege es mir anders.

Wieder blicke ich zum Wagen. Die Umstände des Unfalls gehen mir noch einmal durch den Kopf. "Merkwürdige Sache das! Niemand scheint etwas gesehen zu haben."

Mit einem Achselzucken schaffe ich den Eimer zurück in die Garage und verschließe diese sorgsam. Nachdem ich mich gewaschen habe, treffe ich das Mädchen in der Küche beim Abwasch. Ich greife mir das Trockentuch und beginne eine belanglose Unterhaltung. Das Mädchen steht leicht über das Becken gebeugt vor mir, die Schürze eng um ihre Taille gebunden. Meine rückwärtige Position gestattet es mir, sie unverholen und eingehender zu betrachten als es der Schicklichkeit entspricht. Als die Arbeit fast getan ist, nutze ich die Gelegenheit, nach Ausgaben des Berliner Adressbuchs der letzten Jahre zu fragen.

Der Läuterer:
AM KAISERDAMM - CHAUFFEURSWOHNUNG

Du suchst Dir die beiden letzten Adressbücher von Berlin heraus und nimmst diese mit in Dein Quartier - die Jahrgänge 1919 und 1924.

Im jüngsten Band ist ein K. Nebolowski unter Königsallee 133a, Grunewald, gelistet, der im vorherigen Band noch fehlte.

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