Am Kaiserdamm
Aber das Straßenpflaster bleibt, was es immer war: Stein und Erde ... rissig und aufgeworfen zwar, aber immer noch fester Boden. Dennoch bin ich erleichtert, als ich endlich den Unfallwagen erreiche. Der Mann auf der Kühlerhaube ist bei Bewusstsein. Aber er blutet heftig aus einer Schnittwunde am Bauch. Alle anderen Verletzungen scheinen mir eher unerheblich ... kleine Stiche und Schnitte diverser Glassplitter vor allem am Kopf, mit dem der Mann die Frontscheibe zertrümmert hat. Ich öffne das zerrissene Hemd des Mannes und betrachte die Wunde am Bauch. Die Scherbe ist nicht tief eingedrungen und ich kann sie vorsichtig entfernen. Dann presse ich mein weißes Taschentuch fest auf die Wunde, um die Blutung zu stoppen.
Der weiche, gefaltete Stoff beginnt sofort, den Lebenssaft in sich aufzusaugen. Das Weiß verwandelt sich vor meinen Augen in ein dunkles und doch kraftvoll leuchtendes Rot. "Ob Gott ein solches Bild im Sinn hatte, als er die Farbe von Blut auswählte?" Es erscheint mir offensichtlich, dass das, was immer die Menschen erschaffen hat, ihrem gewaltsamen Tod jedenfalls eine kräftige, lustvolle Farbe geben wollte. ... Fasziniert beobachte ich das sich stetig wandelnde Gemälde. Der Anblick ist für mich nicht unbekannt, aber jedes dieser Bilder ist neu ... einzigartig ... magisch ... wie aufziehende Wolken der Kontrolle der Menschen entzogen ... ein vierdimensionales Bild, von einer höheren Macht gezeichnet, das unserer Phantasie leise mahnende Botschaften jenseits unserer Verständnisfähigkeit zuflüstert. Den Blick von von dem vergänglichen Werk zu lösen, würde bedeuten, einen Teil der Botschaft zu versäumen ... nicht reproduzierbar ... ... Man kann nur die Leinwand für neue Bilder reichen, SO malen kann der Mensch nicht selbst.
Noch immer habe ich ein dumpfes Gefühl in meinen Ohren, aber die Geräusche um mich herum dringen wieder zu mir. "Bleiben Sie ruhig liegen, bis die Ambulanz hier ist", sage ich ruhig und emotionslos zu dem Verletzten, den Blick unverändert auf das Tuch gerichtet. Nach einem kurzen Augenblick setze ich nach: "Was ist hier eigentlich passiert?"