Medien & Phantastik > Lesen
Reading Challenge 2018
Lyris:
Sorry! :-X
Ich komm dann mal auch wieder zum Thema zurück.
Kevin Hearne: Aufgespießt, Die Chronik des eisernen Druiden 8 (Ein Buch in dem Trolle vorkommen)
Allgemein zur Serie: Atticus O'Sullivan ist der letzte Druide und dass seit 2000 Jahren. Das macht ihn interessant im positiven wie negativen Sinn und so bekommt er es mit unterschiedlichsten Wesen wie Göttern, Vampiren, Werwölfen, Hexen, Feen etc., in allen möglichen Teilen der Welt und anderen Gefilden zu tun. So weit so gut und nett bis spannend zu lesen. Je nachdem wie sehr einem das momentane Thema, Umgebung, Nebencharaktere etc. zusagen.
Der derzeit neueste Band ist mE eine Steigerung. Das liegt hauptsächlich daran, dass inzwischen doch noch weitere Hauptcharaktere aufgetaucht sind (die mir auch durchaus mehr liegen als Atticus selbst) und das ganze Buch in drei Handlungssträngen verläuft, die sich immer mal wieder gegenseitig beeinflussen und am Ende auch wieder zusammenlaufen. Besonders gut gefällt mir Owen, für den 2000 Jahre die Zeit stillstand und nun mit der viel zu modernen Gegenwart konfrontiert wird.
Huhn:
@Lyris: Da deine Zählung etwas komplizierter ist - wie ist denn dein aktueller Stand? :D
@Challenge: Oh weh, Goodreads schimpft mit mir, weil ich schon 16 Bücher hinterm Plan hinterherhänge. Mal gucken, ob ich das noch irgendwie aufhole bis zum Ende des Jahres...
Lynn Flewelling - Shadows Return
(Challenge: 40 Bücher lesen)
Das ist der vierte Band der Nightrunner-Reihe, die ich im Frühjahr während meiner Krankheit gesuchtet habe. Vor diesem Band hab ich mich lange gedrückt, weil ich dank Goodreads-Rezensionen ein paar halbgare Spoiler gelesen hatte, die mich daran zweifeln ließen, ob ich Bock auf das Buch habe. Hat sich dann so nicht bewahrheitet, aber es ist in der Tat der bislang düsterste Band der Reihe und etwas schwer verdaulich. Ein wenig Spannung war raus, weil ich schon wusste, dass es weitere drei Bücher gibt... vermutlich war der bei Erscheinen noch nen Tacken dramatischer. :D
Alec und Seregil tun sich nach ihren Erlebnissen schwer damit, sich wieder in Rhíminee einzuleben. Deswegen sind sie eigentlich ganz froh darüber, als sie auf einer fragwürdigen Mission zurück nach Aurënen geschickt werden. Doch unterwegs wird ihre Reisegruppe überfallen und die beiden Protagonisten finden sich, voneinander getrennt, als Sklaven in Plenimar wieder. Der Alchemist Yhakobin erwirbt Alec und hat finstere Pläne mit dem Halbblut. Seregil wiederum trifft im Haushalt seines geheimnisvollen Meisters einen alten Bekannten wieder, auf den er gut hätte verzichten können.
Wie gesagt ein sehr düsteres Buch, in dem, ich lehne mich mal an eine der Rezensionen auf Goodreads an, die Protagonisten entführt, versklavt, vergiftet, gefoltert, gedemütigt und missbraucht werden - und das ist nur die erste Hälfte. Mir persönlich wars stellenweise zu viel. Insbesondere deswegen, weil die beiden Helden der Geschichte die meiste Zeit über absolut chancenlos sind. Sie können sich weder wehren, noch flüchten und haben keine Aussichten auf Besserung und keine Hoffnung, zumal sie über weite Teile des Buches nicht einmal sicher sind, ob der jeweils andere überhaupt noch am Leben ist. Und dieses alchemistische Experiment ist rundweg... weird. Nichtsdestotrotz war das Buch spannend und ab einem gewissen Punkt gehts auch wieder bergauf. Dennoch... die ein oder andere "der Protagonist wird halbtot geprügelt"-Szene weniger hätte dem Ganzen sicher nicht geschadet.
Menthir:
#21
Timothy Snyder - The Road to Unfreedom
(Aus der POPSUGAR-Challenge: A book that's published in 2018)
Ein Buch, ein Auftrag. Letztlich führt Timothy Snyder hier aus, was er in seinem kleinen und inzwischen recht verbreiteten Essay "On Tyranny" abstrakter entwickelt hat, ohne jetzt dezidierte Handlungsanweisungen geben zu wollen, auch wenn er am Ende in die Richtung deutet.
Das Buch verfolgt die Absicht, zum einen zu zeigen, wie faschistoiden Tendenzen, aber auch wirklich faschistisch-philosophisches Gedankengut wieder an Relevanz gewinnt, zum anderen zu zeigen, wie dieser ideologische Überbau zu diversen Handlungen führt. Er versucht diese Handlungen nachzuvollziehen.
Im Detail bedeutet das, dass Snyder aufzeigt, wie vor allem Russland in die Denkstrukturen der 20er und 30er Jahre zurückgekehrt sind (allerdings auch in Europa), angelehnt an Denker wie Iljin oder Carl Schmitt. Er versucht aufzuzeigen, wie heutige Rechtsdenker diese alte Schriften - im Zentrum die Idee ewiger russischer Unschuld - in die russische Moderne übertragen haben. Und wie aus diesem Überbau geopolitisches Handeln entsteht, weil Putin sich - nach Annahme Snyders - diesem Überbau verpflichtet sieht.
Anhand dieser Leitlinie versucht der Autor nachzuvollziehen, wie diverse russische Entscheidungen auf diesen Gedankenlinien verlaufen und das tut er recht plausibel. Dabei spiegelt er russische Interventionen zunehmend auf die Geopolitik in Abgrenzung und mit der Absicht der EU zu schaden, und dann auch in Bezug auf die USA und die Kandidatur von Trump.
Dabei geht er auf eine Myriade aktueller Themen ein, in denen seiner Ansicht nach russische Fäden gezogen werden. Er behandelt unter anderem moderne russische Propaganda und ihre Funktionsweise (Abschaffung lokaler Medien, um Nachrichten abstrakter zu machen, die Begrifflichkeit der Fake News, die durch Trump an Bedeutung gewann, aber staatstheoretisch in Russland bspw. verankert ist - Influencer - Bot-Accounts bei Twitter, Facebook etc. - Den Versuch Presse unglaubwürdig zu machen, um eigene Unglaubwürdigkeit zu decken etc.), akut geführten Cyberkrieg und setzt auch die Ukrainekrise in den Zusammenhang der eurasischen Idee.
Im letzten Part geht es dann vor allem daran, wie Amerika sich hat vorführen lassen und den "russischen" Kandidaten Donald Trump bekam. Er zeichnet nach, wie Trumps Kampagne, aber auch die Person Trump seine russischen Kontakte nutzt und nutzte (beispielhaft sei die Rolle Paul Manaforts genannt), sein "Finanzimperium" auf russischen Kreditfüßen steht und inwieweit dessen handeln oligarchisch-faschistisch ist. Zunehmend gewinnt der Gedanke der modernen Oligarchie an Bedeutung im Buch und Snyder weißt daraufhin, dass Russland begonnen habe - da es nicht in der Lage war, nach dem Ende der Sowjetunion westlichen Erfolg zu importieren - russische Probleme zu exportieren. Ein ewiger Krisenkreislauf, von Snyder Politics of Eternity genannt, in der Fakten, Modernität und Hoffnung an Bedeutung verlieren und tagtägliche Krisen von den eigentlichen Strukturen und Problemen ablenken.
Snyder macht das Ganze in einem klaren, politischen Auftrag. Seine Meinung von den amerikanischen Drahtzieher ist dabei schlecht und er sieht die meisten als schlechte Kopien der russischen Originale (bspw. Steve Bannon), dennoch erkennt er, dass die amerikanische Gesellschaft dem auch Tür und Tor geöffnet hat. Er macht sich Gedanken, wie dem Phänomen begegnet werden kann, findet dafür jedoch keine abschließenden Handlungsmaximen.
Jetzt kann man von dem Werk halten, was man möchte und darf sich vergewissern, dass es einen klaren politischen Auftrag und eine ebenso klare politische Botschaft hat, allerdings ist die Argumentation Snyders nicht von der Hand zu weisen, wenn vielleicht auch etwas extrapoliert. Wer das Werk zu engstirnig sieht, wird eine russische Weltverschwörung wittern, was dem Werk meines Erachtens nicht gerecht wird, auch wenn der russisch-politische Krisenimpetus sehr ausführlich zur Aussprache kommt. Allerdings ist das Abbild der russischen Geopolitik glaubwürdig, gerade in Bezug auf den Rechtsruck Amerikas und Europas. Es ist schließlich bekannt, dass fast alle rechtsnationalen Klientelparteien in Europa russisch finanziert oder zumindest unterstützt sind, sei es der Front Nationale Le Pens oder Gauland und seine AfD.
Insofern ist es ein ungemein eindringliches Werk, dessen Lektüre empfehlenswert ist. Es ist zu betonen, dass Snyder im Übrigen nicht das russische Volk angreift, sondern lediglich dessen oligarchische Führungselite, aber dass man dies bei der Stilisierung des russischen Feindes leicht vergessen kann. Dieses Buch sollte mit einem gewissen Abstand gelesen werden, will mehrfach gelesen und gut durchdacht werden. Denn selbst sich gegen seinen eindringlichen Inhalt zu stellen, ist bedenkenswert und begrüßenswert, aus Sicht des politischen Diskurses. Es ist ein Stück weit polarisierend, es will es auch sein. Es ist ein Stück weit extrem in seinen eigenen Ansichten und schlägt auch zwei, drei Mal unter die Gürtellinie, wo die Emotionalität des Autors in seine Analyse wandert (er bezeichnet Trump bspw. als "American loser" an einer Stelle), und mahnt einen gerade dadurch unabsichtlich und implizit, einen ruhigen Kopf zu bewahren.
Es ist ein lohnenswerter Gedanke. Es ist nichts weniger, als unsere geopolitische Gegenwartsbewegung in eine greifbare Form zu gießen und eben davor zu warnen. Es ist letztlich auch eine Verteidigung amerikanischer Demokratie, aber auch das Eingeständnis, dass das Ende der Geschichte nach dem Ende der Sowjetuntion nicht erreicht war. Es ist nichts weniger als die Aufforderung, Demokratie wieder zu leben mit all seinen Facetten und sie nicht der Oligarchie und totalitärem Denken hinzugeben, oder es dieses zumindest zu erdulden. Es ist die Erkenntnis, dass Faschismus längst nicht tot ist, auch wenn er sich bisweilen als antifaschistisch kleidet (vor allem in Russland).
Es ist ein mutiges und zu diskutierendes Buch.
Es ist ein gutes Buch.
9 von 10 Punkten.
Menthir:
#22
Wajdi Mouawad - Anima
(Aus der POPSUGAR-Challenge: A book by an author of a different ethnicity than you)
Im Was lest ihr gerade?-Thread hatte ich bereits dazu geschrieben:
--- Zitat von: Menthir am 19.08.2018 | 22:02 ---Eine Art Kriminalthriller, der aus der Sicht von Tieren geschildert wird, welche den Protagonisten auf seinem Weg beobachten.
Sehr interessant komponiert, manchmal ist die Brachialität des Inhaltes zu konstruiert für die jeweilige Szene, häufiger aber ist es sehr eindrücklich. Habe jetzt etwa 50% des Buches gelesen und bin insgesamt angetan, auch durch die vielen, detailreichen Einzelperspektiven. Manchmal will Mouawad zu viel mit dem Holzhammer, in anderen Szenen will er manchmal zu zärtlich sein. Ich werde es dennoch beenden und, da es Teil meiner Reading Challenge ist, auch noch genauer beleuchten.
--- Ende Zitat ---
Es ist mehr als ein Kriminalthriller, es ist aber auch ein Manifest dessen, wenn ein Autor zu viel möchte. Es beginnt als Kriminalthriller als die Frau des Protagonisten getötet wird. Die Perspektivität des Romans ist dabei in den ersten zwei von vier Kapiteln die große Stärke des Buches, denn wir begleiten den Protagonisten Wahsch Dibsch scheinbar durch die Augen der vielen Tiere, die ihm auf dem Weg begegnen.
Allerdings befasst sich das Buch nicht damit, den Mörder finden zu wollen. Der ist bekannt, doch die Polizei will ihn nicht festnehmen, weil er ein wichtiger Informant ist und ihn noch braucht. Also macht sich der Protagonist selbst auf die Suche nach dem Mörder, nicht um ihn zu stellen, sondern anfangs mit dem Gedanken, dem Mörder seiner Frau nur ins Gesicht schauen zu wollen.
Wahsch macht sich also auf die Suche und gerät dabei zunehmend zwischen die Mühlen, erfährt, dass der Mörder ein Mohawk-Indianer ist und gerät in die Kriminalität des Reservats, wird Teil eines politischen Spiels durch die Indianer, bei denen aber - durch die Tiere beobachtet - der Mensch immer die Bestie bleibt. Soweit, so gut. Also was der Mensch auch probiert - der Protagonist oder seine Mitstreiter oder gar Antagonisten - am Ende steht bestialische Gewalt. Und so wird aus Wahschs Jagd bald eine wilde Flucht, weil der Mörder seiner Frau ihn ausfindig macht. Das Werk gewinnt an Abstrusität, der erst teils an brutale Surrealität grenzt, denn so wird der Protagonist durch den Antagonisten im Laufe des Buches bspw. vergewaltigt. Ungefähr in der Mitte des Buches begegnen sie sich dann zum tödlichen Kampf, den der Protagonist gewinnt. Auf dem Weg werden die entsprechenden Mittel verstreut, und man merkt, dass der Autor eigentlich Theatermann ist, und im Sinne von Checkhov's Gun eben die entsprechend dramatischen Gegenstände verteilt, denn natürlich wird der Mohawk-Mörder durch ein Sioux-Messer getötet. Ab hier endet die Perspektivität durch verschiedene Tiere und wird ersetzt durch die Perspektivität eines Tieres. Eines wilden Wolfes, der den Protagonisten nach dem Kampf mit dem Antagonisten rettet und fortan sein "Hund" ist.
Wichtig in dem Werk sind seine Entwicklungsstränge. Während die Brutalität allgegenwärtig ist - bei weitem aber nicht so gut und glaubwürdig wie bspw. einem Cormac McCarthy - ist Wahsch zu Beginn seiner Selbsteinschätzung nach eher ein friedfertigerer Typ, der Gewalt eher zum positiven Zwecke nutzt. Er will sich so auch nicht an dem Mörder rächen, sondern ihn nur sehen, woraus letztlich Notwehr entsteht. Das Buch stellt jetzt jedoch dar einen Bruch da, im Übrigen durch den Wolfhund symbolisiert, der Mason-Dixon-Line heißt. Anhand dieser Grenzerfahrung entwickelt sich das Buch in die nächste Phase, denn auf einmal wird aus Wahsch ein Racheengel. Es ist bereits im ersten Teil des Buches angelegt, dass irgendwas mit Wahschs Herkunft nicht stimmt, und er ein Trauma mit sich rumträgt.
Im weiteren Buch wird klar, dass dieses Trauma darin begraben, dass er als Kind das Massaker von Sabra und Schatila erlebt hat. Das arbeitet er in Teil 3 des Buches, unter den Eindrücken der ersten beiden Kapitel, auf, und erfährt, dass sein Ziehvater der Drahtzieher oder zumindest eine wichtiger Mörder dieses Massakers war. Nebenher sprengt er noch einen Hundekampfring und rettet ein selbstzerstörerisches Mädchen von ein paar Rednecks. Die Perspektiveneinengung beginnt im Übrigen in dem Moment, in dem er nachvollzieht, dass jeder Mensch nach indianischer Sage irgendwann seinem Totemtier begegnet, was bei Wahsch der Wolf ist. Da das Tier nach einer Grenze benannt ist, wird der Rest des Buches also zwangsläufig zur Grenzerfahrung. Kapitel 4 ist schließlich das erste Kapitel aus scheinbar menschlicher Sicht, nämlich des Gerichtsmediziners, der mit dem Mord an Wahschs Frau beschäftigt war. Dieser erfährt eine gewisse Empathie für Wahsch und aus seiner Sicht lernen wir, dass Wahsch seinen Ziehvater ausfindig macht und tötet, und zwar so in dem Stile, wie dieser das Massaker von Sabra und Schatila begangen hat. Damit, dass Wahsch mit dem Mädchen (Winona) und Mason-Dixon-Line nach Alaska reist, endet das Buch.
Grundsätzlich ist es ein sehr interessantes Werk, welches wie gesagt als Kriminalthriller beginnt, dann ein Stückweit zum psychologischen Trip wird, da Wahsch sich zu Beginn fragt, ob er seine Frau nicht selbst umgebracht hat. Dann wird das Buch zunehmend zu einem Milieustück und Road-Trip-Buch, von großer Gewalt beschattet. Im Zentrum steht dabei immer die Entwicklung Wahschs, der erst Opfer der Geschehnisse ist, dann Initiative übernimmt, Opfer bleibt bis er seinen inneren Wolf entdeckt (im Übrigen glaubt er, dass der Wolf, sein Totem, der Geist seines Antagonisten ist, der Welson Wolf Rooney heißt...) und dann selbst zum Täter und Rächer wird, und damit übrigens die Prophezeihung erfüllt, die sein Name ihm gibt, weil Wahsch Dibsch quasi sowas wie grausamer Mörder bedeutet und den Vater an das Massaker erinnern sollte.
In kurz: Der Mensch ist Tier und verfällt in Grenzsituationen seiner animalischen Urart.
Hier wird deutlich, dass der Autor zu viel will und dadurch Lücken erzeugt. Bspw. kann Wahsch teils arabisch, teils nicht, weiß aber nicht, was sein arabischer Name bedeutet und fragt sich das nie, obwohl er seinen wahren Namen nie erfährt, sondern eben nur merkt, dass er quasi ein Mann ohne Namen ist. Die Namen seiner Familienmitglieder werden im Laufe des Buches klar, weil die anderen Familienmitglieder sie beim Massaker riefen. Nur der Junge, der zuletzt getötet werden sollte, hatte deswegen keinen Namen, weil sein Name nie gerufen wurde.
Letztlich versucht der Autor Genregrenzen zu durchbrechen, nebenbei ein psychologisches Profil zu schustern, eine Person vollständig zu entwickeln und greifbar zu machen. Das Ganze tut er immer durch Extreme. Die Gewalt ist extrem, die Zärtlichkeit ist extrem. Alles besteht aus Extremen und Extrapolationen, und damit auch durch Klischees, sodass man letztlich vieles nachvollziehen kann, aber keine wirkliche Bindung zur Handlung bekommt. Dann will er jede Handlung irgendwie erklärbar machen, aber will zu viel erklären, verrennt sich. Lediglich der letzte Turn ist wahrlich interessant, als klar wird, dass die Perspektive durch die Tiere doch am Ende die Perspektive Wahschs ist, was in Kapitel 4 aufgeklärt wird, da dem Gerichtsmediziner ein Manuskript vorliegt, welches den drei Kapiteln davor entspricht. Dadurch verliert das Buch seinen surrealen Charakter schlagartig und lenkt den Blick zuletzt darauf, dass Wahsch quasi die Welt nur durch die Brille der alltäglichen Gewalt sehen und verstehen kann. Im Übrigen ist es nämlich auch so, dass viele der Tiere, die ihn beobachten, sterben oder selbst töten, während sie beobachten, oder eben schützen und dem Tod zu entfliehen suchen. Das erklärt schließlich auch die Einengung der Perspektive, am Anfang durch viele Tiere dargestellt bis er - wie oben genannt - seinem Totem begegnet.
Abschließend bleibt es aber ein interessantes Buch, welches aber eher durch seine Komposition als durch das geschriebene Wort selbst glänzt. Ich habe letztlich nur die deutsche Übersetzung gelesen, die an sich gefällig, aber nicht sehr blütenreich ist. Die Gewalt ist teils extrem, aber nicht sonderlich schockierend. Schade bleibt, dass Mouawad nicht alle seine Einflüsse so verbinden konnte, dass keine zu großen Brüche entstehen und so bleibt trotz seines Dranges, alles erklären zu wollen, vieles unerklärt. Nicht, weil es unerklärlich wäre, sondern weil es zu viel war. Es ist überladen und lässt dadurch andere Perspektiven vermissen, die in der Komposition mehr Sinn ergeben hätten. Das Motiv von Welson Wolf Rooney wäre interessant gewesen, doch er erscheint nur als brutal. Damit ist er ein letztlich brutaler wie langweiliger Antagonist.
Dennoch ist es ein Werk, welches man sicher so nicht häufig liest, und auch wenn die Multiperspektivität keine wirkliche ist, liest es sich dadurch zumindest in der ersten Hälfte sehr interessant. Wegen dieses ungewöhnlichen Ansatzes gebe ich dem Werk, trotz seiner Schwächen, 7 von 10 Punkten.
P.S.: Reviermarkierung spielt im Übrigen eine sehr wichtige Rolle in dem Buch. Permanent werden Dinge bepinkelt, eingekotet bzw. auf oder in sie ejakuliert. Wahrscheinlich ist dies der wahre psychologische Schlüssel zu dem Buch, inwieweit Macht mit Urin, Sperma und Kot zusammenhängt.
P.P.S: In einer Szene wird im Übrigen angedeutet, dass die Mordvariante, die Welson Wolf Rooney nutzt - er öffnet, v.a. schwangeren, Frauen den Unterleib mit einem Messer und vergewaltigt sie in das neu geschaffene Loch bis zur Ejakulation - ebenfalls von seinem eigenen Ziehvater bei dem Massaker genutzt wurde. Dieser Zusammenhang bleibt einmalig und nicht weiter beleuchtet. Darüber dürfte in dem Werk ausgiebig spekuliert werden, sollte es tiefergehende Rezeption erfahren.
Huhn:
Lynn Flewelling - The White Road
(Challenge: 40 Bücher lesen)
Alec und Seregil sind wieder sicher in Aurënen angekommen. Ihr Empfang ist herzlich, aber die Gastfreundschaft kennt ihre Grenzen - denn ihr Begleiter Sebrahn wird als potentielle Gefahr wahrgenommen. Tatsächlich ziehen die drei ungebetene Gäste an - verschiedene Parteien haben ein Interesse daran, den kleinen Rhekaro zu besitzen. Schließlich ist klar - um zu verhindern, dass weitere Rhekaro geschaffen werden und um mehr über Sebrah zu lernen, brauchen sie das alchemistische Buch, das Yhakobin verwendete. Begleitet von Seregils altem Freund Micum machen Seregil, Alec und Sebrahn sich auf zurück nach Plenimar, um es aus Yhakobins Nachlass zu stehlen. Doch ihre Pläne geraten gehörig durcheinander, als Alecs lang verschollene Verwandtschaft aus dem Norden auftaucht und ebenfalls Interesse an Sebrahn hat. Die geheime Reise wird zur Hetzjagd.
Der fünfte Band der Nightrunner-Reihe und er hat mir tatsächlich viel besser als sein Vorgänger gefallen. Spannend und die Charaktere durften sich endlich wieder frei bewegen. Yay! :)
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