Warum? Das ist so eine interessante Frage...
Zunächst mal: Nicht wegen erzieherischer Ansprüche. Ich hab zu viele Macken, als dass ich mich als Spielleiter auch noch für die Erziehung anderer Leute zuständig fühlen können. Wenn jemand sich sozial weiterbilden will, findet der- oder diejenige bestimmt irgendwo anders tolle Möglichkeiten dafür. Und obwohl es durchaus mal passieren kann, dass ich was beim RPG "lerne" oder neue Gedanken in mein Hirn kriechen, ist das jetzt nicht der Grund, warum ich Rollenspiel betreibe - ich spiele, weil es Spaß macht, unterhaltsam ist.
Warum also? Da muß man natürlich zwei Dinge unterschieden:
Zum einen, warum Diversität in einem Setting? Nun, sofern es das Setting unterstützt, also z.B. "New York, 2010", ist das für mich keine Frage: Weil es interessanter ist, als wenn alle Leute weiße Kerle in Anzug mit schwarzen Haaren wären. Wir beschreiben verschiedene Klamotte, Haarfarbe, Kleidung, Job, etc. - verschiedenste Charakteristika, also warum auch nicht die ganzen anderen variablen Sachen? Das bedeutet nicht, dass man es quasi jedem unter die Nase reiben muß - bei 99% der NSCs wird nie jemand wissen (oder sich dafür interessieren), auf welches Geschlecht der- oder diejenige nun steht. Aber wenn es sich anbietet, weil z.B. ein Paar eine Rolle spielt, finde ich es durchaus interessant und abwechslungsreich, wenn das halt - im Rahmen der Setting-Möglichkeiten - mal nicht Mann/Frau sind. Das kommt natürlich auf's Setting stark an: In manchen Settings taugen halt Menschen mit anderer Hautfarbe nur als Exot, den man nicht als völlig "normal" beschreiben kann, weil er eben in diesem Setting ein Exot IST. Ein weißer im Japan des Jahres 1300 wird kaum der typische Bäcker von nebenan sein, er wäre per Definition ein extremer Exot. Und mit extremen Exoten wäre ich vorsichtig, weil da "interessant" leicht in "überladen" abdriftet - ein Afrikaner KÖNNTE theoretisch irgendwie in diesem Bauerndorf in Mitteleuropa 1400 leben... Aber das bedeutet nicht, dass es eine super Idee ist, das zu machen. Und, wie gesagt, es sollte im Rahmen des Setting-sinnvollen liegen. Selbst in New York sind nicht 90% der Paare schwul, sondern auch da sind sie eine Minderheit, es wäre also unsinnig, plötzlich JEDES Paar als schwul zu beschreiben.
Wieso sollte ich mein Setting auf einen Bruchteil der Möglichkeiten des Settings reduzieren? Da greife ich doch lieber in die Vollen und nutze jede Möglichkeit, die mir das Setting so bietet. Letzten Endes führt das doch auch zu wesentlich mehr Möglichkeiten, weil eben z.B. die Schwulenszene in New York 2010 ein völlig anderer Background für ein Abenteuer ist als die nächste typische Hetereo-Disko.
Zum anderen, warum mag ich Settings, die weitab meiner Lebensrealität liegen? Ähnlicher Grund, es ist interessant. Wenn ich eine Welt voller hetereosexueller weißer Leute will, brauche ich dafür auch in Berlin nur vor die Türe treten - oder 90% der aktuellen Bücher lesen. Dementsprechend finde ich es durchaus interessant und spassig, auch mal ganz andere Settings zu sehen. Zum Beispiel hatte ich neulich ein Buch in der Hand, über eine ferne Zukunft, wo Geschlecht wenig Rolle spielt und weibliche Bezeichnungen normal sind. Hat mich dann rein storymäßig nicht überzeugt, aber es war durchaus mal was anderes und ein interessanter Gedanke. Mir ist natürlich klar, dass da auch ein bestimmer sozialer Anspruch dahinter steckt - aber für mich ist das erstmal nur was neues, interessant, abwechslungsreich. Ich muß mir davon keine tollen neuen Erkenntnisse erhoffen. Nur mal was neues für die Unterhaltung.
Für mich geht es einfach darum, dass die Welten in sich bunt sind und viele Möglichkeiten haben. Ich sehe keinen Grund, mich auf Teile davon zu beschränken, selbst wenn das Bunte dann nur ein wenig Farbe ist und keine Metapher mit tiefem sozialen Anspruch. Wenn jeder so davon überzeugt ist, dass unwichtige Attribute einfach vereinheitlicht werden können - warum sind nicht alle eure NSCs schwarzhaarig? Ist kein wesentliches Merkmal, hat idR absolut null Einfluß auf das Spiel... Aber trotzdem wird doch im Regelfall öfters mal ein NSC eine Haarfarbe haben - und dann sogar auch mal nicht-schwarz. Klar, weil es ein wenig uninteressanter wäre. Wir wollen doch die Spieler in ein Setting reinziehen, beschreiben Gerüchte, Tastgefühle, etc. um da eine Immersion hinzubekommen. Nur bei Menschen soll man dann plötzlich die Bremse ziehen und sagen "Noch ein weißer Typ. Es gibt nichts zu sehen. Gehen sie weiter."?
Aber wer das nicht will? Have fun. Solange eure Spieler es mögen, scheint es für euch das richtige zu sein.