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Was ist Dracula Unredacted?

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Scimi:
Die Prämisse der Kampagne ist, dass es eine englische Geheimdienstverschwörung "Edom" gibt, die seit 150 Jahren das Ziel hat, einen mächtigen Vampir für Geheimdienstzwecke einzusetzen. Weil Dinge wie Hypnose, Unsterblichkeit, Durch-Wände-Gehen, übermenschliche Kräfte, Gedankenlesen und Wetterkontrolle in dem Bereich halt unglaublich praktisch wären.

In den 1890ern versucht Edom, Dracula nach England und unter seine Kontrolle zu bringen. Die Sache geht schief und "Dracula Unredacted" ist sozusagen der originale Einsatzbericht. Weil dabei mehrere Sachen schiefgegangen sind, die auch ihren Weg in die Presse gefunden haben, wurde damals der Autor Bram Stoker damit beauftragt, eine "entschärfte" Fassung dieses Berichts als Roman zu veröffentlichen. Der "Dracula", den man in jeder Buchhandlung kriegen kann ist also eine gezielte Desinformationskampagne, damit jeder auf der Welt denkt, die Fakten der damaligen Operation seien einfach nur eine Romanfantasie.

"The Dracula Dossier" ist einfach nur ein Baukasten für eine in der heutigen Zeit spielende Kampagne, bei der die SCs den Machenschaften von Dracula bzw. Edom auf die Spur kommen und vielleicht die Gelegenheit bekommen, mit dem ganzen Vampirspuk ein für alle mal Schluss zu machen.

Mehr ist nicht festgelegt, ob Dracula noch lebt oder nicht, ob er direkt agiert wie im Roman oder der Strippenzieher einer weltweiten Vampirmafia ist, ob Edom heimlich die Geheimdienste und ihre Ressourcen kontrolliert oder nur ein relativ kleines Projekt innerhalb der gesamten Geheimdienstmaschinerie ist oder ob Edom sogar von Dracula infiltriert ist, das kann man im Prinzip aussuchen. Bzw. eigentlich soll das so laufen, dass den Spielercharakteren "Dracula Unredacted" als Handout in die Finger gerät, die einzelnen Spuren im Buch nachgehen und die Kampagne sich dann anhand der Elemente, die die Spieler sich herauspicken und dem, was der SL mithilfe der Infos aus dem "Director's Handbook" dazu zusammenbaut dynamisch entsteht. Theoretisch hat damit jede Runde am Ende eine ganz individuelle Geschichte gespielt.

Machbar sollte das mit allen möglichen Regelsystemen sein, spezielle für Cthulhu gibt es über Trail of Cthulhu auch Leitlinien, wie sich Spielwerte umrechnen lassen und NBA verwendet ebenfalls Stabilitätsregeln. Damit das Setting funktioniert sollten die SCs aber wirklich am besten (ehemalige) Geheimagenten sein oder zumindest kein Problem damit haben, spontan in alle möglichen Länder zu reisen, sich mit Geheimdiensten und Verbrecherorganisationen herumzuschlagen, Vampirmonster mit Militärwaffen zu erlegen und mit falschen Papieren, Verstellungskunst und Computerhackerei Profikillern und Polizeiermittlungen zu entgehen. Die typische Cthulhutruppe mit dem alten Professor, der Landstreicherin, der Nervenärztin und dem Kunstmaler dürfte mit vielen Situationen überfordert sein bzw. käme wahrscheinlich nicht auf den Gedanken, ins GHCQ einzubrechen…

Maischen:
Danke für die ausführliche Hintergrund-Erläuterung. Die Geheimdienstprämisse gefällt mir eher nicht (wie profan muss ein Vampir rüberkommen, dass man den als Geheimwaffe integrieren will?). Da finde ich eher die Idee gut, dass der Roman einen entschärften Tatsachenbericht darstellt. Aber mittlerweile habe ich das Gefühl, dass das ganze so offen ist, dass man eben alles daraus machen kann.

Scimi:
Naja, einerseits ist Dracula weder der Fürst der Finsternis, noch ein Mythosgott. In dem (normalen) Roman wird er von einer Handvoll ziemlich planloser Engländer mit Messern und Pistolen gejagt. Das Finale besteht praktisch nur daraus, dass Dracula im eigenen Haus in London in einen Hinterhalt läuft, aus dem Fenster springen muss, um sich zu retten, und dann mit Schiff und Kutschen bis nach Transsylvanien fliegt, wo er praktisch unter den Mauern seines Schlosses mit Säbeln und Dolchen niedergemacht wird.

Und andererseits geht es ja nicht darum, dass Dracula die Geheimwaffe des MI6 ist, sondern dass in jeder Generation irgendein Schreibtischhengst es für eine gute Idee hält, das Vampirprojekt wieder aus der Schublade zu holen. Und weil Dracula eigene Pläne hat, wofür ihm Geheimdienstressourcen gerade recht kommen. Und das fliegt den Leuten auch jedes Mal wieder um die Ohren:

1870+: "Oha, englische Offiziere haben auf dem Balkan festgestellt, dass einige Volkslegenden wahr sind und tatsächliche nachweisbare Vampire mit okkulten Fähigkeiten existieren. Dieses Wissen sollten wir nutzen, bevor die Deutschen, Ösis, Russen oder Franzosen das rauskriegen. Hey, dieser Graf Dracula scheint sehr kooperativ und anglophil zu sein. Wir schicken den jungen Harker hin, dass der ihm Englisch und zeitgemäße Manieren beibiegt, bringen ihn als ausländischen Aristokraten mit falschen Papieren und allem drum und dran nach England. Leute, das wird ein Spaß, wir halten den etwas bei Laune und zack! macht der uns alle zu Vampiren mit Superkräften, was soll da schon schiefg…" BOOOOM!

1940+: "Verdammich, da macht dieser unangenehme Hitler doch gerade Anstalten, sich Rumänien unter den Nagel zu reißen. Da geht sowieso gerade kräftig der Faschismus um, leider kommt man da von England aus so blöd hin, was tun wir nur? Leute, Superidee: Hab mal etwas in den alten Akten rumgestöbert, offenbar haben wir da noch die Anschrift von einem unsterblichen Superwesen, der einfach für uns die Nazis aus Rumänien werfen könnte! Gab wohl damals vor 50 Jahren irgendwie eine Meinungsverschiedenheit mit dem, aber war halt damals noch ein bisschen amateurhaft, das mit dem Nachrichtendienst. Mit unserer modernen Organisation und dem ganzen Know-How wird das ein Kinderspiel, ich schick dem gleich mal ein Teleg…" BOOOOM!

1970+: "Ei der Daus, sieht immer noch nicht aus, als würden wir den Kalten Krieg irgendwie gewinnen. Und seht euch nur mal die ganzen Berichte über die Russen an: Gedankenlesen, Psi-Krieg, Wunderdrogen… Da hilft nix, da müssen wir ran, aber schnell, da dürfen wir nicht zurückfallen, da müssen sofort Mittel her, sonst steht demnächst Ivan mit seinen Supersoldaten vor der Tür. Was ist denn zum Beispiel hiermit? Dieses "Dracula"-Projekt, klingt doch irgendwie okkult, da kann man doch bestimmt was machen, hat auch schon eine Aktennummer, ist ja prima. Also nicht mit den Kreuzen und dem Knoblauch, aber dieses Vampir-Serum, was da erwähnt wird, das klingt doch nach Labors und Supersoldaten, das sollten wir sofort…" BOOOOM!

2010+: "Dieser Krieg gegen den Terror war eine echt blöde Idee, wir bluten praktisch Geld, haben keine Ergebnisse vorzuweisen, den Wählern geht das langsam echt auf den Senkel und Politik und Öffentlichkeit sitzen uns im Nacken. Boah, wenn wir doch einfach eine Geheimwaffe hätten. Sucht doch in der Datenbank einfach mal nach "geheim", "Waffe" und vielleicht "anti Islam"… Oh, nur ein Treffer? Hmm… walachischer Heerführer gegen die Türken… unsterblicher Bluttrinker… huiuiui, übermenschliche Kräfte. Ok, das klingt eigentlich richtig gut, schickt sofort mal so ein Black-Ops-Hubschrauberkommando in die Karpaten und…" BOOOM!

Aber dass Nachrichtendienste, gerade unter Druck, auf echt komische Ideen kommen, ist halt so, wenn da keine Öffentlichkeit mal drüberschaut, um den Denkfehler zu finden. Allein, was sich der CIA schon so alles geleistet hat…

LushWoods:
Großartig, danke ...  :d

Maischen:
Für mich ist Dracula Der Fürst der Finsternis.

Deine Beschreibung kann ich zwar nachvollziehe, Scimi. Allerdings finde ich die Prämisse immer noch nicht so gut: Entscheidend wäre für mich, was man sich 1870 gedacht hat (danach ist es ja mehr oder weniger eine Repetition der Ereignisse). Wie war der Erstkontakt (Zufall)? War das nicht ein Mord? Wie hat man dann von der Identität des Grafen erfahren? Warum waren seine übermenschlichen Fähigkeiten bekannt? Wieso genau glaubte man, ihn als eine Art beherrschbare Geheimwaffe gewinnen zu können? Ging es nur darum anderen zuvorzukommen? Gab es damals schon Zweifler, die das Böse nur vernichten wollten? Gab es Mittel, um Dracula gefügig zu machen bzw. glaubte man, solche Mittel und Wege gefunden zu haben?

Ich sehe schon - ich muss das haben😀

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