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Chiarina sieht Film Noir

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Samael:

--- Zitat von: Chiarina am 31.12.2020 | 14:28 ---Den ersten Teil kenne ich sogar... im Allgemeinen wird er aber wohl nicht als Film Noir geführt. Daher ist er mir hier entgangen. Schreib doch selbst einen Beitrag drüber!

--- Ende Zitat ---

Ja, das ist kein film noir. Daher muss dich hier auch niemand schämen.

Lyonesse:
Ja, ist eher so Film Noir als Dramedy und mit Foxterrier.

Chiarina:
Cornered (Regie: Edward Dmytryk, 1945, ich weiß von keiner deutschen Synchronisation)

Laurence Gerard ist ein kanadischer Flieger, dessen Frau während des 2. Weltkriegs in der französischen Résistance Widerstand gegen die Nazis leistet. Zwanzig Tage nach der Eheschließung der beiden wird die Frau getötet. Nach Kriegsende reist Gerard nach Frankreich um den Mörder seiner Frau ausfindig zu machen und sich an ihm zu rächen. Gerard erfährt, dass es sich bei dem Gesuchten um einen gewissen Maurice Jarnac handelt, der ein Kollaborateur des Vichy-Regimes war und angeblich 1943 verstorben ist. Gerard findet ein halb verkohltes Deckblatt eines Dossiers über den Mann. Dieses Dossier hat ein Kollege Jarnacs angefertigt, der ihm offenbar nicht vertraut hat. Ansonsten ist über Jarnacs Verbleib kaum etwas in Erfahrung zu bringen. Gerard vermutet, er könne untergetaucht sein und bekommt über einige Umwege heraus, dass dessen Frau in Buenos Aires lebt. Gerard fliegt daraufhin nach Südamerika und gelangt heimlich in einem kleinen Boot über die Grenze nach Argentinien, weil er auf die Schnelle keinen gültigen Ausweis für sich organisieren konnte.

Buenos Aires erreicht er durch einen weiteren Flug. Am Flughafen drängt sich Gerard ein Mann namens Melchior Incza auf, der ihm helfen will. Gerard wimmelt ihn erst einmal ab. Er versucht Jarnacs Frau telefonisch zu erreichen, wird an deren gegenwärtigen Lebensgefährten Tomas Camargo weiter verwiesen, erreicht aber nichts. Da erscheint Incza und bietet ihm an, ihn auf eine Party von Camargo und Frau Jarnac mitzunehmen. Gerard ist erstaunt, dass Incza von seinen Absichten weiß und schließt sich ihm an.

Auf der Party lernt Gerard ein paar wichtige Menschen kennen: allen voran Frau Jarnac und Manuel Santana, den Onkel ihres Lebensgefährten Camargo. Etwas später versucht Gerard Frau Jarnac zur Rede zu stellen und von ihr zu erfahren, wo sich ihr Mann befindet. Frau Jarnac ist aber unkooperativ und schweigt, worauf er sie verfolgt. Bei einer Begegnung mit Santana wird er gewarnt, trotzdem beschattet er weiter Frau Jarnac. Incza ist ihm dabei behilflich, der ihm beiläufig verrät, dass er selber einen Auftrag hat, Gerard selbst zu beschatten. Seine Auftraggeber verrät er natürlich nicht.

Schließlich stellt Gerard Frau Jarnac erneut zur Rede, die ihm daraufhin über einen Hoteldiener namens Diego eine Nachricht zukommen lässt. In dieser Nachricht wird behauptet, dass Maurice Jarnac unter dem Tarnnamen Ernest Dubois lebt. Die Nachricht enthält auch dessen Adresse und die Information, dass Jarnac Buenos Aires verlassen will.

Sofort fährt Gerard zur angegebenen Adresse, muss aber feststellen, dass er in die Irre geführt wurde. Er trifft Dubois und will ihn erschießen, wird aber von zwei herbeispringenden Helfern bewusstlos geschlagen. Als er wieder zu sich kommt, steht er Dubois, der mit Maurice Jarnac nichts zu tun hat, und außerdem Santana und dem Hoteldiener Diego gegenüber. Die drei Männer sind Jarnac ebenfalls auf der Spur, da er im argentinischen Exil versucht, eine geheime Naziorganisation aufzubauen. Santana weiß zu berichten, dass sein nichtsnutziger Neffe Camargo mit Jarnac unter einer Decke stecken könnte. Frau Jarnac ist im Übrigen nicht wirklich mit Maurice Jarnac verheiratet, sondern eine Unschuldige, die dafür bezahlt wird, sich als seine Ehefrau auszugeben.

An dieser Stelle im Film taucht ein moralisches Dilemma auf: Gerard und die Männer um Santana jagen zwar denselben Mann, aber auf unterschiedliche Art und Weise und mit unterschiedlichem Ziel: Gerard will Jarnac umbringen um seine Frau zu rächen. Santana und seine Männer suchen nach Beweisen für Jarnacs verbrecherische Umtriebe und vor allem die Namen seiner Mitverschwörer, um ihn und die flüchtigen Nazis vor Gericht zu stellen. Wenn Gerard Jarnac aus privater Rache umbringt, kann Santana die Verfolgung der Faschisten vergessen. Er fordert Gerard daher auf, seine Rachegelüste hintenanzustellen und ihn bei Jarnacs Strafverfolgung zu unterstützen. Gerard sagt nicht zu, beginnt aber, darüber nachzudenken.

Zurück in seinem Hotel präpariert Gerard das Deckblatt des Dossiers über Jarnac so, dass es aussieht, als besäße er das komplette Dossier. Dann trifft er sich mit Incza, bittet ihn, Camargo herbeizuschaffen und gibt vor, ihm das Dossier über Jarnac verkaufen zu wollen. Als Beweis für sein Anliegen, gibt er ihm das Deckblatt des Dossiers mit. Incza geht zum Schein auf Gerards Angebot ein, nutzt die Gelegenheit aber, um ihm eine Falle zu stellen.

Bevor es soweit ist, bekommt Gerard aber erst einmal einen Anruf von der angeblichen Frau Jarnac, die sich mit ihm treffen will. Gerard willigt ein und erfährt, dass die Frau das Spiel mitspielt, weil sie die arme Tochter eines anderen Nazi-Kollaborateurs ist. Die Frau erzählt Gerard davon, wie sie Jarnac ein einziges Mal in einer Bar am Rio de la Plata gesehen und sich dort mit ihrer Aufgabe einverstanden erklärt habe. Die angebliche Frau Jarnac will ihren Dienst quittieren und bittet Gerard um Hilfe, erkennt dann aber, dass Gerard noch viel verzweifelter als sie selbst ist und lässt ihn gehen.

Incza lockt Gerard danach zu Camargo, der eine Suite im selben Hotel wie er bewohnt. Camargo ist aber nicht anwesend. Stattdessen wird Gerard von dessen Frau empfangen, die mit ihm flirtet, was ein Hotelpage mitbekommt. Während dieser Szene bricht Incza in den Hotelsafe ein, in dem er Jarnacs Dossier vermutet. Ein Kollege schaltet für ihn den Aufsicht führenden Pförtner aus. Als Incze das Dossier im Safe nicht findet, bricht er in Gerards Zimmer ein und entdeckt schließlich, dass das Dossier gar nicht existiert. Incza wird bei seiner Suche vom Hoteldiener Diego überrascht, den er daraufhin erschießt.

Währenddessen versucht Camargos Frau Gerard zu verführen. Es kommt zu einem Kuss, Gerard merkt aber schnell, dass Frau Camargo kein Herz hat und ihr Sinn nur nach Reichtum und eitlem Zeitvertreib steht. Als Gerard in sein Hotelzimmer zurückkehrt, entdeckt er den toten Hoteldiener Diego. Die Polizei ist bereits da und verhört die Hotelangestellten. Gerard muss Frau Camargo als Alibi angeben, die daraufhin geholt wird und ein Treffen mit Gerard abstreitet. Das Geständnis wäre für sie als verheiratete Frau kompromittierend gewesen. Gerard muss mit einer Gerichtsverhandlung rechnen.

Hier kommen Gerard Santana und seine Männer zu Hilfe. Sie bringen den Hotelpagen dazu, der Polizei zugunsten Gerards von dessen Besuch bei Frau Camargo zu erzählen. Dabei kommt allerdings heraus, dass Gerard ohne gültigen Ausweis in Argentinien ist. Er muss jetzt keine Gerichtsverhandlung mehr befürchten, das Land aber in 48 Stunden verlassen.

Zurück in seinem Hotel stößt Gerard erneut auf Incza, mit dem er eine Schlägerei anfängt, bis dieser ihm verrät, dass Jarnac „in seinem alten Amt irgendwo am Ufer“ sei. Gerard erinnert sich an die Erzählung der angeblichen Frau Jarnac, besucht sie und lässt sich von ihr den Ort beschreiben, an dem sie Jarnac getroffen habe. Dann begibt er sich zu der besagten Bar.

Die Bar ist geschlossen, aber Gerard verschafft sich mit gezogener Waffe Zugang. Im ersten Stock stößt er auf Tomas Camargo, der ihn ablenkt, sodass ein bisher verborgener Mann Gerard seine Waffe aus der Hand schlagen kann. Schließlich zeigt sich Jarnac selbst. Jarnacs Komplizen schlagen Gerard bewusstlos, worauf Jarnac sie tadelt, weil ihr Vorgehen zu riskant gewesen sei. Gerard kommt unterdessen wieder zu sich. Jarnac will ihn umbringen, vorher aber noch wissen, wo er das Dossier über ihn versteckt habe.

Als Gerard mit der Antwort zögert, behauptet Jarnac, er sei ein gefährlicher Fanatiker. Andererseits sei er auch wieder nicht allzu gefährlich, weil er kein rationales Ziel verfolge, sondern sich von seinen Gefühlen leiten lasse. Das moralische Dilemma – private Rache oder Enttarnung der Naziorganisation – taucht wieder auf.

Schließlich sind Schritte zu hören. Gerard wird ein zweites Mal niedergeschlagen und scheint tot zu sein. Da erscheint Incza. Jarnac will von Incza das Dossier haben, erfährt aber nun, dass Gerard ihn zum Narren gehalten hat. Daraufhin erschießt Jarnac Incza. Er schießt so oft in dessen Gesicht, bis Incza nicht mehr zu identifizieren ist. Dann schickt er einen seiner Komplizen zur Polizei. Camargo soll mit dem angeblich toten Gerard hierbleiben und der Polizei erzählen, der unidentifizierbare Tote sei Jarnac, der von Gerard erschossen worden sei. Gelänge dieser Plan, könnte Jarnac erfolgreich untertauchen. Camargo ahnt, wer hinterher als Mörder Gerards gälte und weigert sich.

Jetzt kommt Gerard erneut zu sich und es kommt zur letzten Auseinandersetzung, bei der Camargo flieht. Gerard schlägt Jarnac schließlich so lange ins Gesicht, bis Santana und Dubois erscheinen.

Die beiden Männer erkennen enttäuscht, das Jarnac tot ist. Gerard hat ihn erschlagen. Für einen kurzen Moment scheint es, als habe Gerards Privatrache eine Strafverfolgung der Nazis um Jarnac vereitelt. Dann aber findet sich in der Jackentasche des toten Jarnac eine Liste mit den Naziverschwörern. Als die Polizei erscheint, erklärt man ihr den Sachverhalt.

Am Schluss nimmt die angebliche Frau Jarnac Abschied von Gerard. Das Emotionalste, was sich die beiden zu sagen haben, ist: „Pass auf dich auf!“ Dann reist Gerard ab.

Der Film ist meisterhaft geplottet. Allerdings liegt darin auch ein Problem. Der Plot ist extrem kompliziert. Ich musste viele Szenen mehrfach sehen, um zu verstehen, wozu sie gut sind. Irgendwann klingelte es dann zwar, aber der Film ist trotzdem sehr anstrengend.

Während 1945 in Nazideutschland noch die letzten Bomben fallen, dreht Amerika schon einen Film über geflohene Nazis in Argentinien! Eine gewisse Hellsicht lässt sich dem Film durchaus zugestehen.

Obwohl drastische Ereignisse im Off stattfinden, reicht die Vorstellung durchaus aus, um ein wenig Grausen zu erzeugen. Einem Mann eine falsche Identität zu verleihen, indem man ihm solange ins Gesicht schießt, bis er nicht mehr zu identifizieren ist, scheint mir jedenfalls recht unappetitlich.

Und der Film zeigt auch in seiner Behandlung seines durchaus interessanten Dilemmas seinen Grimm: Private Rache an einem Einzelnen oder gezielte Strafverfolgung seiner verbrecherischen Gruppe? Was sich nach einem „Entweder – Oder“ anhört, löst sich am Ende verblüffender Weise in einem „Sowohl als Auch“ auf. Gerard schlägt Jarnac zu Brei UND Santana findet die Liste der Exilnazis in dessen Tasche. Das Glück ist mit den Gerechten, so scheint uns der Film weismachen zu wollen. So sehr der Schluss auch überrascht – er lässt mich trotzdem unzufrieden zurück (der nüchterne Abschied Gerards von der angeblichen Frau Jarnac ist hingegen durchaus nach meinem Geschmack).

Dmytryk, der Regisseur, war Kommunist… vielleicht ist es kein Zufall, dass der Film auch ein wenig nach antifaschistischer Propaganda aussieht.

Chiarina:
The House On 92nd Street (Regie: Henry Hathaway, 1945, ich weiß von keiner deutschen Synchronisation)

Dieser Film beginnt mit der Aussage, dass er zum Zeitpunkt des Abwurfs der Atombomben auf Japan schon gedreht war, aber erst danach gezeigt werden konnte. Das weckt gewisse Erwartungen. Ich will natürlich wissen, was an dem Film so brisant ist, dass er unter Verschluss gehalten werden musste.

Dargestellt wird eine Spionagegeschichte. William Dietrich ist ein deutschamerikanischer Ingenieur, der während des zweiten Weltkriegs im Deutschen Reich eine Spionageausbildung absolvierte und dann in Amerika für das FBI in der Gegenspionage als Doppelagent tätig war. Er kommt mit deutschen Spionen in Kontakt, die den Amerikanern das Geheimnis der Atombombe entreißen wollen, muss sich als einer der ihren geben, aber trotzdem dafür sorgen, dass ihre Machenschaften scheitern und die Nazis gefasst werden.

Die zentrale Gegenspielerin Dietrichs ist dabei Elsa Gebhardt und ein mysteriöser Mr. Christopher, der offensichtlich die zentrale Figur der deutschen Spionagetätigkeiten in Amerika zu sein scheint. Dietrich nimmt mit Gebhardt Kontakt auf, errichtet eine geheime Sendestation und gibt vor, die Informationen der deutschen Spione nach Hamburg zu senden. Er fungiert außerdem als Zahlmeister der deutschen Spione und versorgt sie mit Geld. In Wirklichkeit sendet er deren Berichte an das FBI, das dann eine harmlose oder gefälschte Version davon an das deutsche Reich weiterleitet. Parallel zu Dietrichs Aktivitäten wird gezeigt, wie die deutschen Agenten vorgehen und wie das FBI mit Dietrichs Hilfe den deutschen Spionen auf die Schliche kommt.

Am Ende stellt sich heraus, dass Elsa Gebhardt selbst als Mann verkleidet der mysteriöse Mr. Christopher war. Sie wird beim Showdown in ihrer Verkleidung von einem eigenen Komplizen erschossen, weil dieser sie für einen Feind hielt. Ihre Verkleidung ist also schließlich der Grund für ihren Tod.

Der Film wird im Netz, soweit ich das überblicken konnte, positiv beurteilt. Interessant ist sein pseudodokumentarischer Ansatz. Inspiration für die Darstellung der Naziagenten war wohl der Duquesne-Spionagering, die Figur der Elsa Gebhardt hat ein paar Parallelen zu der Agentin Lilly Stein (zum Beispiel ihre Tarnidentität als Inhaberin eines Modesalons). Weite Strecken des Films, inklusive eines Sprechers aus dem Off, klingen nach einer Dokumentation über die Arbeit des FBI. Es wurde wohl auch nach Möglichkeit an Originalschausplätzen gedreht und angeblich sind sogar viele Statisten echte FBI-Mitarbeiter. Interessant ist, wie dieser dokumentarische Anstrich allmählich in eine herkömmliche Spielfilmhandlung übergeht. Der Dokumentationscharakter geht aber nie gänzlich verloren.

Interessant ist möglicherweise auch der Einblick in die Arbeit der Geheimdienste zur Zeit des 2. Weltkriegs. Falsche Identitäten, Geheimtinte, verschlüsselte Botschaften, Männer mit fotografischem Gedächtnis, gefälschte Dokumente, Einwegspiegel, spektrographische Untersuchungen von weggeworfenen Zigarettenstummeln - es wird nur wenig ausgelassen. Der Plot wird dabei trotz allem sehr konventionell und schrittweise erzählt. Der Zuschauer verfolgt Punkt für Punkt die Arbeit des FBI und weiß stets soviel wie dessen Agenten.

Über diesen historischen Einblick hinaus ist der Film in meinen Augen heutzutage aber kaum noch zu ertragen. Das liegt vor allem am Patriotismus. Im FBI arbeiten die Guten, die Nazis sind böse. An dieser Grundeinstellung wird nicht ein einziges Mal gerüttelt. Und deshalb ist das für mich auch kein echter Film Noir. Wo sind die gebrochenen Detektive, die verbrecherische Methoden anwenden und hinterher überlegen müssen, ob sie überhaupt noch auf der guten Seite stehen? Wo sind die destruktiven Frauen, die aber auf den ersten Blick liebenswürdig und attraktiv erschienen? Wo sind die fehlgeleiteten Verbrecher, die auf halber Strecke moralische Probleme bekommen und tragischerweise feststellen müssen, dass sie nicht mehr zurück können? Dietrich ist von vorne bis hinten strammer Patriot, Gebhardt ist von vorne bis hinten Nazi. Die Aktivitäten des FBI sind von pathetischer Musik begleitet, die Nazischergen sehen alle wie üble Verbrecher aus. Die Charakterzeichnung in diesem Film ist extrem einseitig und stumpfsinnig. Folgerichtig endet der Film auch mit einer Lobeshymne auf das stets zuverlässig arbeitende FBI, dem kein Bösewicht zu entkommen vermag.

Der Eingangs erwähnte Hinweis auf die Atombombenabwürfe in Japan ist besonders bitter, denn auch hier rückt der Film keinen Millimeter von seinem Patriotismus ab. Dass der im Film gezeigte Sieg in Hiroshima und Nagasaki zum massenhaften Tod von Unschuldigen geführt hat, wird nicht reflektiert. So wird letztlich deutlich, was für eine Richtung der pseudodokumentarische Charakter des Films beinhaltet: es ist ein reiner Propagandafilm.

Zwei Momente möchte ich noch besprechen.

Zum einen hat der Film einen verborgenen Witz, den ich immerhin goutieren konnte. Gegen Ende versteckt ein Informant die Formeln für den Bau der Atombombe als Zettel in einem Buch, das in einer Buchhandlung zum Verkauf angeboten wird. Die deutschen Agenten kaufen dieses Buch und gelangen so in den Besitz dieser Geheiminformationen. Der Titel des Buches wird erwähnt. Es ist Herbert Spencers "First Principles", ein Werk, das in einer besonderen Fortschreibung der Evolutionstheorie die Ideen eines Sozialdarwinismus und des "Survival of the Fittest" propagiert hat. Dass die Nazis sich gerade dieses Buches bedienen, um den Amerikanern ihre Geheimnisse zu entreißen, ist natürlich ein intelligenter Seitenhieb - und lässt sogar den Eindruck zu, dass es Nazis mit einem gewissen Einblick in philosophische Gedanken gibt.

Auf der anderen Seite ist auch aufschlussreich, dass Elsa Gebhardt, der Hauptbösewicht des Films, gerade ihr Geschlechtertausch zum Verhängnis wird. Gebhardt agiert nicht eine Sekunde lang als verführerische Femme Fatale. Dass gute Amerikaner und Nazifrauen aneinander Gefallen finden könnten, scheint völlig indiskutabel zu sein. Am Ende stellt sich dann auch folgerichtig heraus, dass Gebhardt gar keine hundertprozentige Frau war. Richtig gefährlich wird sie offenbar erst in ihrer Männerrolle. Die moralischen Befindlichkeiten der integren amerikanischen Kavaliere, die eine Frau nur widerstrebend zur Strecke bringen, werden deshalb auch nicht auf die Probe gestellt, wenn Gebhardt stirbt. Sie stirbt als Mann und ihr Geschlechtertausch lässt sich als Teil ihres Verbrechens betrachten.

Das alles ist aus historischer Sicht nachvollziehbar, aus heutiger Sicht allerdings ziemlich widerwärtig. Das, was ich am Film Noir schätze, findet sich in diesem Film jedenfalls nicht.

Mithras:
Wo kann man diese Filme alle sehen? Ich habe deutsches Netflix und Prime. Auf englische Internetseiten habe ich keinen Bock, genauso wenig wie alles auf DVD erstehen.

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