AM KAISERDAMM
Vielleicht habe ich es mit diesem martialischen Vergleich übertrieben. Aber Agathe Lohenstein hat gesehen, wozu Krassimir fähig ist ... jedenfalls einen Teil. Und ich traue mich auch noch nicht, ihr von dem Stillstand der Zeit zu berichten, solange ich mir nicht sicher bin, dass sie mir glauben würde.
"Nun, ich bin mir nicht sicher, ob wir es nur mit einem russischen Serienmörder zu tun haben. Die von Eisensteins sind auf eine ganz andere Weise gestorben als der Wachmann der Sternwarte oder Kirill oder die Lumpensammler. Bei den von Eisensteins gab es keine ... Mumifizierung. Außerdem dürfte Professor von Eisenstein gestorben sein, bevor Krassimir aus der Anstalt ausgebrochen ist. ... Das gilt merkwürdigerweise allerdings auch für den Wachmann. Das ist eine der Sachen, die ich mir nicht erklären kann."
"Es könnte irgendein Zusammenhang zu diesem Päckchen von Lydia und dem Tod der von Eisensteins bestehen. Eine Tropenkrankheit? Ein Gift? Ein eingeschlepptes Tier? ... Hat die Witwe nicht Ihnen Lydias Päckchen gezeigt? Und einen Tag später ist sie wie ihr Mann verstorben. Sie haben das Päckchen auch begutachtet ... Ich habe keine Ahnung. Sollten Sie sich vielleicht ... untersuchen lassen? Um ganz sicher zu gehen? Ihr Gatte war mit Herrn von Eisenstein befreundet. Und sie haben dieses merkwürdige Buch aus der Bibliothek mitgenommen. Was wenn es um dieses Buch geht? Oder irgendewtas, was darin verborgen ist? ... Nun, vermutlich geht meine Phantasie mit mir durch. ... Sie haben recht."
"Und doch ... da waren noch weitere Dinge, die ich gesehen habe ... merkwürdige Dinge ... im Wohnzimmer der von Eisensteins ... und bei dem Unfall auf der Straße ... direkt hier vor dem Haus. Haben Sie nichts merkwürdiges wahrgenommen? Dieses merkwürdige ... Beben ... das kam und ging, ohne dass man noch etwas von den Verwerfungen des Pflasters sehen könnte? Oder die ... Verletzung? Die Verformung des Wagen? ... Warum geschah das gerade hier?"
"Auch in der Sternwarte habe ich Dinge GESEHEN, die NICHT sein können. Niemand würde mir das glauben! ... Wer würde uns überhaupt abnehmen, was in der Sternwarte tatsächlich passiert ist? ... Nehmen Sie nur dieses Licht aus den Augen ... dieses kalte Licht ... von einem fernen Ort. ... Haben Sie der Polizei davon erzählt, Frau Lohenstein? Ich habe es lieber gelassen. Will ja nicht in der Klapse landen."
"Ich habe mich immer auf meine Instinkte verlassen ... im Krieg ... und das hat mir mehr als einmal das Leben gerettet. Und meine Instinkte schlagen im Augenblick Alarm. Nur verstehe ich nicht, warum. Etwas sagt mir, dass das hier noch nicht vorbei ist. ... Ich wäre gerne vorbereitet, wenn das überhaupt möglich ist."
Ich merke, wie meine Sorge mit jedem Wort wächst. Während ich ausspreche, was mich bewegt, beginnen sich zwischen den vielen Einzelinformationen Fäden zu spannen, die ein gewaltiges, schreckliches Bild erahnen lassen. Aber noch kann ich es nicht greifen. Aber ich weiß, dass es mehr und mehr Form annehmen wird und dass weitere Teile hinzugefügt werden, vielleicht gerade in diesem Augenblick. Bis die Fäden ein Netz ergeben, dem man nicht mehr entrinnen können wird. Und ich beginne zu ahnen, dass alleine meine Fäuste kaum ausreichen werden, um mich zu schützen. Ich bin verwirrt. Ich muss mich erst einmal sammeln und will mich auch nicht um Kopf und Kragen reden.
"Nun, vielleicht sieht die Welt morgen auch schon wieder ganz anders aus. ... Es tut mir leid, wenn ich Sie besorgt haben sollte. Es ist vermutlich einfach ein wenig zu viel passiert an den letzten beiden Tagen."
"Ich werde jetzt erst einmal Irmi den Wunsch Ihres Gatten ausrichten. ... Wenn ich noch etwas für Sie erledigen soll, rufen Sie mich."
Dann begebe ich mich in die Küche, um Irmi die Weisung des Professors auszurichten.