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[Erzählt mir von] Armitage Files
Ludovico:
Hallo Leute!
Was könnt ihr mir über die Armitage Files erzählen?
Ich weiß bislang bloß, dass es eine Kampagne ist, die vom Aufbau her dem Dracula Dossier ähnelt und für ToC ist.
Da ich so eine Kampagne wohl eher leiten als spielen werde, könnt ihr gerne auch Spoiler-Infos hier posten.
Scimi:
In den Grundzügen ist es ein Kampagnenbaukasten, der auf einer Idee basiert, die dann von den Dracula-Dossier-Produkten aufwändiger und vor allem zugänglicher umgesetzt wurde. Das einzig Fixe in jeder Kampagne ist ein Handout mit vagem Inhalt, das den SCs in die Hände fällt. Von den Spielern wird erwartet, dass sie den Hinweisen des Handouts nachgehen (z.B. einen Ort besuchen, der erwähnt wird, einen Namen recherchieren, herausfinden, woher das Blut auf dem Papier stammt, alles Mögliche halt). Von der SL wird erwartet, dass sie dann dazu ein Abenteuer improvisiert, das die Stoßrichtung der Spieler bedient und die vorherigen Ereignisse der Kampagne dabei als Input verwendet. Zur Unterstützung gibt es eine Reihe von generischen Personen, Orten, Organisationen usw., die man als Zutaten verwenden kann und ein paar Tipps und Beispiele, wie sich das dann leitet.
Vom Setting her gehören die Armitage Files zum "Arkham Inquiry"-Campaign Frame aus dem Grundbuch, wo die Idee ist, dass die ganzen Akademiker aus dem Umfeld der Miskatonic University, die in Lovecrafts Geschichten auftauchen, sich um den inzwischen greisen Professor Armitage gesammelt und einen Geheimbund zur Erforschung und Abwehr des Mythos gegründet haben. Die SCs sind Studenten oder Angestellte der Miskatonic U, die an der Seite oder im Auftrag von den ganzen Doktoren Wilmarth, Dyer und Peaslee gruslige Ermittlungen durchführen.
(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)Die Handouts sind einzelne Blätter, die mit wirren Texten in einer krakeligen Handschrift beschrieben und darüber hinaus teilweise arg mitgenommen und mit Blut beschmiert sind. Das interessanteste ist, dass die Blätter auf mysteriöse Weise auftauchen (sich z.B. anscheinend in geschlossenen Behältern manifestieren u.ä.) und dass Professor Armitage in dem Gekrakel seine eigene Handschrift erkennt, allerdings nachlässig und verzerrt, als wären die Blätter unter dramatischen Umständen bekritzelt worden.
Die Handouts scheinen eine dringende Warnung zu enthalten, sind allerdings so paranoid und verwirrt geschrieben, dass nicht klar zu verstehen ist, wovor und warum. Die Professoren nehmen die Sache sehr ernst und haben verschiedene Theorien, woher die Zettel stammen (Parallelwelt, Armitage ist besessen etc.). Die SCs werden als Ermittler ins Feld geschickt, um Informationen zu sammeln und Hinweisen zu folgen.
Während der Ermittlungen tauchen nacheinander immer mehr Nachrichten auf, die erkennen lassen, dass es sich um eine Art Tagebuch handelt, dessen Einträge in falscher Reihenfolge erscheinen und dass der Autor versucht hat, eine wichtige Nachricht zu übermitteln.
(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)Die Mythos-Apokalypse ist eingetreten. Auf einer überlebensfeindlichen Post-Doomsday-Erde zieht Professor Armitage verletzt und dem Wahnsinn nahe durch die Ruinen der menschlichen Zivilisation, um ein Ritual zusammenzukratzen, mit dem er sein Tagebuch Stück für Stück in die Vergangenheit schickt, in der Hoffnung dass sein früheres Ich und seine Kollegen die Nachrichten deuten und die Katastrophe verhindern können.
Die Ermittler müssen die Nachricht zusammensetzen und sich dann entscheiden, wie sie darauf reagieren wollen. Sollten sie dem Willen eines offenbar Wahnsinnigen folgen? Und wenn ja, ist die Nachricht klar genug, auch das Richtige zu tun? Oder führt das Handeln der Ermittler vielleicht überhaupt zu der Gefahr, vor der gewarnt wird?
Die Idee der Kampagne ist auf jeden Fall cool, aber meiner Meinung nach zu locker umgesetzt. Im Gegensatz zum Dracula-Dossier fehlt dem ganzen ein starkes Thema, ein klarerer Antagonist oder eine Vorstellung davon, was eigentlich Sache ist (beim DD ist zumindest klar, dass es Vampire gibt, dass die Romanereignisse so oder so ähnlich stattgefunden haben, dass Edom existiert und dass Dracula aktiv ist und an einem Bond-Schurken-Masterplan arbeitet und darum dringlichst aufgehalten werden muss). Der einzig rote Faden bei den Arkham Files sind tatsächlich die Handouts, alles andere bleibt einem frei überlassen. Auch die ganzen Orte, Personen etc. sind ziemlich generisch und uninspiriert, anders als die ganzen Recherchen und Ideen, die Ken Hite in das Dracula Dossier gepackt hat.
Ich finde die Idee des Ganzen immer noch stark und kann auch die Handouts gut leiden. Aber bei dem Rest des Materials habe ich das Gefühl, dass einem das Buch da kaum Mehrwert bietet im Vergleich dazu, sich direkt alles selbst ausdenken. Z.B. könnten die Ermittler, wenn sie den Hinweisen nachgehen, mit einem Seemann oder einem Stadtbewohner oder einem Arbeiter reden wollen. Und vielleicht müssen sie zu einer Arztpraxis oder ein Küstenstädtchen oder in eine Bibliothek. So ein Seemann könnte natürlich ein unschuldiger Zeuge sein, aber vielleicht auch ein entlaufener Sträfling. So eine Arztpraxis könnte natürlich eine moderne, neutrale Atmosphäre haben oder eher ein düstere, beklemmende Ausstrahlung. Danke, Armitage Files, auf sowas wäre ich von selbst nie gekommen… ::) Schon beim ersten Lesen fand ich viel von dem Material mau, seit ich gesehen habe, was mit dem Dracula Dossier geht, ist es schlicht unterwältigend.
Soll nicht heißen, dass ich das total gern mal spielen oder leiten würde. Aber da so viel von dem Material meiner Einschätzung nach nur Füllung ist und man die Handouts etc. ja wahrscheinlich ausdrucken will, braucht man da vielleicht nicht unbedingt ein gedrucktes Buch, sondern kann mit einer PDF-Version arbeiten…
Ludovico:
Wow! Danke Scimi! Das ist eine sehr detaillierte und hilfreiche Kritik der AF.
Tegres:
Hinweis: Die Handouts in Farbe bekommt man als PDF auch als Kunde der reinen Totholzvariante.
tannjew:
Ich habe es bereits geleitet und schreibe die Tage ein paar Erfahrungen nieder.
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