Ich bin spät zu DSA gekommen, habe mit DSA3 angefangen und auch nur mit DSA3 maßgeblich gespielt, vor KKO, muss man dazu sagen. Meine Quellen zu den Zwölfgöttern waren “Die Götter des Schwarzen Auges” und das “Lexikon des Schwarzen Auges”. Ich habe daher keine Nostalgie für irgendein Ur-DSA und habe das piefige, sentimentale, alltags-detailverliebte von DSA3 als definierend erlebt und auch wertgeschätzt. Ich bin mit Sicherheit kein großer Experte, habe nie einen Aventurischen Boten gelesen und nie ein offizielles Abenteuer geleitet, aber ich fand das frühe DSA3 in seinen Prinzipien und Leitlinien sehr konsistent und klar. Meine Gedanken dazu habe ich auch mal gebloggt:
https://dangerzone.rsp-blogs.de/mantel-schwert-und-zauberstab/Die Kernaspekte sind hier der humanistische Ansatz einerseits, und der sentimentale Ansatz, andererseits. Die Rolle der Götter ist hierauf sehr gut abgestimmt, die Götter sind real existent, aber fern. Im aventurischen Alltag, phantastisch-realistisch-erfahrbar, sind die Götter daher nur durch ihre derischen Diener präsent, die eben nur Menschen mit ihren Fehlern und eigennützigen Motiven sind. Liebevolle Details über die Tracht der Geweihten, die Feiertage, die Beinamen und Reliquien der Götter mögen aus Sicht des Gonzo-Abenteuerspielers laaaangweilig sein, passen aber ins Konzept. In der alltäglichen Welt sind die Götter, was die Menschen draus machen. Und das Zwölfgötteredikt bringt das für mich toll zum Ausdruck, die Zwölfgötter haben sich in Wahrheit den Menschen ja nicht “im Team” offenbart, die Schlacht von Brig-Lo ist ein epochales und einmaliges Beispiel und auch da waren es nur 4 von 12. Die Ursprünge der Kulte sind unterschiedlich, Echsisch, Tulamidisch, Güldenländisch etc. Es war der Katechismus der Menschen, politisch motiviert, der daraus einen gemeinsamen Kult machte. Und auch der ist nicht einheitlich, siehe Puniner Ritus vs. Al’Anfaner Ritus. So langweilig finde ich das gar nicht.
Und im Kontrast dazu steht dann das tatsächliche Wirken der Götter als Verkörperung einer tiefen spirituellen Sehnsucht, die direkt auf den Spielenden reflektiert. Der aventurische Held ist erst einmal ein Mensch in einer physischen Welt wie du und ich, er ist mehr oder weniger gläubig aber er hat das Wirken der Götter nie am eigenen Leibe erfahren. Es gibt keine Liturgien, nur die kleinen Wunder, und die sind eben gerade nicht eindeutig als Eingreifen einer Höheren Macht erkennbar. Und dann BÄMM, Großes Wunder. Everybody awestruck. Hör dich mal unter DSA3-Spielern nach Beispielen für Große Wunder in ihren Runden um, du wirst hier die absolut größten Momente und kostbarsten Erinnerungen aus ihrem Kampagnen finden.
Letzteres würde natürlich auch ohne Zwölfgötteredikt funktionieren, dann hättest du halt Fanatiker und Religionskriege und inwiefern ist das weniger langweilig?