Dieser Thread zeigt wieder recht deutlich, wie gefährlich statistisches Halbwissen ist.
Bei statistischen Modellen ist es wichtig sich darüber klar zu werden, was da eigentlich abgebildet werden soll - ansonsten kommt man bei vollkommen weltfremden Betrachtungen raus, die notdürftig über komplett unpassende Sachverhalte gestülpt werden. In diesem Fall darf man sich nicht wundern, dass die Dinge nicht zusammenpassen. Ohne einen Schritt zurück zu tun und sich einmal mehr als die nackten Zahlen anzuschauen kann man in diesem Fall nicht erkennen, was das Problem ist.
Was bedeutet das für das gewählte Beispiel?
D&D ist ein prozeduales Rollenspiel, d.h. es bildet punktuelle Wahrscheinlichkeiten ab, keine Abläufe. Im konkreten Fall (Würfe auf Religion) ist die Frage "Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Antwort auf eine bestimmte Frage Teil des Wissensschatzes eines bestimmten Charakters ist?". Das ist das, was hier abgebildet wird und dafür sind die Wahrscheinlichkeiten gedacht: Ein Physikstudent hat also eine 50%ige Chance eine theologische Frage beantworten zu können (weil er ein Buch gelesen oder einen Film gesehen hat, wo diese Frage thematisiert wurde), während die Wahrscheinlichkeit bei einem Theologiestudenten 70% beträgt (er hat das studiert, kennt aber nicht notwendigerweise jede Antwort auf dem Effeff).
Ist das realistisch? Keine Ahnung, dafür müsste man großflächige Untersuchungen bei Studenten machen und schauen, welcher Prozentsatz von Physikstudenten und welcher Prozentsatz Theologiestudenten eine theologische Frage beantworten können, auf welche sie sich nicht vorbereitet haben.
Darum geht es aber nicht. Es ging darum wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass ein durchschnittlicher Physikstudent bzw. ein durchschnittlicher Theologiestudent eine theologische Prüfung bestehen. In einer Prüfung sind in der Regel mehrere Fragen zu beantworten - der Physikstudent kann möglichweise ein paar von diesen beantworten, aber kann er genug beantworten, um zu bestehen?
Gehen wir von 10 Fragen durchschnittlicher Schwierigkeit aus, von denen 5 für ein Bestehen der Prüfung beantwortet werden müssen. Vorbereitung wird außen vor gelassen (wir gehen davon aus, dass sowohl Physiker, als auch Theologiestudenten unvorbereitet in die Prüfung gehen, damit gleiche Bedingungen herrschen - sonst müssten wir den Theologen Advantage für ihre Vorbereitung geben und dann wäre deren Grundwahrscheinlichkeit etwas höher als 70%). Diese Versuchsanordnung ergibt folgende Ergebnisse:
- die Wahrscheinlichkeit, dass ein ahnungsloser Physiker die Prüfung besteht liegt bei etwa 6% (mit allen Fragen richtig: ~0,01%)
- die Wahrscheinlichkeit, dass ein Theologiestudent die Prüfung besteht liegt bei etwa 57% (mit allen Fragen richtig: ~4%)
- zum Vergleich: die Wahrscheinlichkeit, dass ein gut vorbereiteter Theologiestudent (selbe Werte, aber Advantage = 93,8%) dieselbe Prüfung besteht liegt bei etwa 93,4% (mit allen Fragen richtig: ~66%)
-zum Vergleich: ein gut vorbereiter Physikstudent (hat sich in das Thema eingelesen und viel auswendig gelernt, aber wahrscheinlich weniger verstanden, als der Theologiestudent, der sich intensiver mit dem Thema beschäftigt hat) besteht die Prüfung mit etwa 75%iger Wahrscheinlichkeit (also besser, als der unvorbereitete Theologiestudent)
Da sieht man schon einen deutlichen Unterschied und ich denke auch nicht, dass das soweit weg von der Realität ist, wenn man sich die Prüfungsergebnisse an der Uni anschaut.
Was dagegen deutlich den Erfahrungswerten widerspricht, ist der der 99%-Student aus SR4, wenn man den Wurf prozedual abhandelt:
- die Wahrscheinlichkeit, dass ein Theologiestudent die Prüfung besteht liegt bei etwa 98,99% (mit allen Fragen richtig: ~90%)
Ich glaube wenn 90% der Theologiestudenten einen Kurs mit 1,0 abschließen, dann bekommt man das mit, ebenso wenn (bei der nicht-prozedualen Auflösung, bei der ein Wurf für den Ausgang der gesamten Prüfung steht) von 100 Studenten nur einer durch die Prüfung rasselt.
Richtig murksig wird es aber, wenn dieselben Würfelwürfel mal prozedual und mal nicht-prozedual eingesetzt werden, also je nach Gusto des SL der Wurf mal über einzelne Handlung und mal über den Ausgang der gesamten Szene entscheidet, aber das wäre ein anderes Thema...