Liebe Frau Dr Narrenspiel
, ich fürchte ich bin leider (mal wieder) derjenige, der etwas Wasser in den Wein gießen muss. Ich halte ihr Ansinnen für vollkommen berechtigt, aber in der derzeitigen Form halte ich das Projekt für wissenschaftlich angreifbar und ich fürchte es würde einer Peer Review nicht standhalten.
Sie charakterisieren die 6 Interessenssphären in diesem Thread als Dimensionen - das würde aber bedeuten, dass diese Sphären orthogonal zueinander sein müssen (überlappungsfrei). Daran kann man aber ernste Zweifel haben - zB ist es mehr als nur denkbar, dass es Spieler gibt, die "Taktische Spielelemente" schätzen, weil sie das Erfolgserlebnis mögen eine taktische Herausforderung zu bestehen. Mir ist nicht klar wie sie dies von der Sphäre "Kompetenzerleben" abgrenzen wollen. Ein Sieg in einem schwierigen Kampf mit Battlemap und Zinnfiguren
ist Kompetenzerleben, insbesondere auch dann wenn es daran geht "Verbrecher und böse Charaktere im Spiel zur Rechenschaft" zu ziehen.
Sie erkennen diese Überlappung zB auch zwischen den Aussagen "Ich möchte meine Charaktere wertetechnisch weiterentwickeln" und "Figuren müssen manchmal rocken und richtig kompetent sein". Möchte ich mich vor allem deshalb wertetechnisch weiterentwickeln damit ich dann später Kompetenzerfahrungen machen kann?
Auch zwischen "Dramatisches Charakterspiel" und "Kooperatives Erzählspiel" gibt es Überlappung. "Dramatisch" ist ja schon ein erzählerisches Element. "Charakterspiel" ohne weitere Qualifikation hingegen kann die pure Freude am Schauspiel sein, unabhängig von der laufenden Erzählung.
Die Überlappung ist zB sichtbar bei den Aussagen "Ich habe Spaß daran, wenn meine Charaktere Meinungsverschiedenheiten mit den anderen Charakteren haben" und "Wenn ein Charakter Geheimnisse hat, sollten das die anderen Spieler wissen, damit ihre Charaktere die Geheimnisse des Charakters anspielen oder ihn in Bedrängnis bringen können". Will ich diese Koordination letztlich nur damit ich mehr Meinungsverschiedenheiten mit meinen Mitspielern ausspielen kann?
Ich finde sie machen hier den gleichen Fehler den Rollenspieltheoretiker in der Vergangenheit gemacht haben: sie gehen zu viele Schritte auf einmal. Die Ermittlung von einem Satz von voneinander unabhängigen und (möglichst) vollständigen Interessenssphären ist eine nicht-triviale Aufgabe. Erst wenn man sich da sicher sein kann einen stabilen Satz zu haben, der auch der Überprüfung standhält, sollte man sich an Folgeschritte wagen.
Denn: wenn ihre Interessenssphären angreifbar sind, dann leistet ihr Projekt letztlich doch auch nur einen zweifelhaften Wissensbeitrag - so wie Robin Laws "Spielertypen". Es muss ja darum gehen die
Willkür aus der Typisierung so weit wie möglich zu entfernen. Deswegen lohnt sich aus meiner Sicht noch einmal ein zweiter Blick auf die von ihnen vorgenommene Einteilung mit dem Ziel einer schärferen Abgrenzung.