Als amtierender "Fanboy" möchte ich einmal anhand dieser Kampagne veranschaulichen, was ich an HeXXen, unabhängig vom Regelsystem zu cool finde. Ich habe mir überlegt, da ich die Kampagne für wirklich brillant halte, dies anhand des Plots von "Der Herrschaft des Dämonenmeister" vorzuführen. Vorweg:
Hintergrund: Das Abenteuer spielt im heutigen Sauerland mit Abstechern nach Köln, Dortmund, Kassel und Marburg. Der Hintergrund ist, dass die im Herzogtum Berg und der Grafschaft Mark (dem heutigen Sauerland) amtierenden Fürsten (Pfalz-Neuburg mit Sitz in Mannheim) und der preußische König faktisch ihre Macht in der HeXXen-Welt über die fernen Territorien nicht mehr aufrecht erhalten können.
So sieht der Fürstbischhof von Köln seine Chance, seine Macht auszudehnen, unter dem Deckmantel, dass die Katholiken in Berg unter den Repressionen der hiesigen Protestanten leiden. So wird ein Heer in Bewegung gesetzt, vornehmlich aus Rittern des Deutschen Ordens bestehend. Die freie Stadt Dortmund kann die Ansprüche dieses Konkurrenten nicht ignorieren und versucht sich die Gunst der hiesigen Adeligen zu erkaufen und beginnt Söldner zu werben. Hessen-Kassel bekommt von den Vorgängen Wind und als die aufstrebende Macht Mitteldeutschlands setzen sie ein Heer in Bewegung, um den rechtswiderigen Einfall Kölns zu stoppen. Vor diesem Hintergrund erhebt sich eine Fraktion Adeliger unter Ambrosius von Neuleben, die eine Unabhängigkeit von allen Fürsten und Städten erträumt. Das ist die politische Kulisse vor der die ganze Geschichte spielt.
Idee: Die Spieler können im Laufe des Abenteuers für jede Seite Partei ergreifen und ihre Handlungen entscheiden, wie der Konflikt endet. An einzelnen Punkten mag ihnen das nicht klar sein, aber irgendwann sicher. Doch die Kampagne ist nicht so aufgebaut, dass die Spieler sich in den Dienst einer Macht stellen, sondern Ambrosius von Neuleben wird als Antagonist aufgebaut, denn die Ambitionen der Adeligen gegen Köln, Dortmund und Hessen-Kassel durchzusetzen, bedarf es für die Landadeligen Hilfe. Diese Hilfe kommt einerseits in Form von Dämonen und andererseits seltsamen Ereignissen (siehe unten Antagonist) in Köln, Dortmund und Kassel. Der Antagonist hat eine komplexe Hintergrundgeschichte, die erläutert, warum nicht nur Freiheitsliebe seine Triebfeder ist, sondern ein persönlicher Groll gegen Köln, Dortmund und Kassel. Er ist eine tragische Figur, die die Jäger vor eine schwierige Wahl stellt.
Antagonist: Ambrosius von Neuleben, der als neureicher Kleinadeliger gilt, der erst vor einigen Jahren in die Region kam, heißt in Wahrheit Frantz Bernhardt von Neuhof und gehört einem vor zwanzig Jahren angeblich ausgestorbenen Adelsgeschlecht der Region an.
Doch das Adelsgeschlecht ist mitnichten ausgestorben, sondern vor zwanzig Jahren stieß der junge in der Bibliothek auf Schloss Neuenhof auf ein Beschwörungsbuch mit dem er aus Versehen einen Dämon beschwor. Der Dämon wütete unter Familie und Dienerschaft und nur Frantz und seine Schwester entkamen. Sie suchten Hilfe bei den hiesigen Adeligen, in Dortmund, Köln und Kassel. Doch überall wurde ihre Bitte abschätzig abgewiesen. Sie heuerten einen Trupp Jäger und griffen den Dämon an. Nur mit knapper Not konnte Frantz mit Hilfe des Buches den Dämon in sich selbst einsperren. Woraufhin die Jäger ihn in den Brunnen der Burg warfen. Er entkam und ging in die Fremde, um alles über Dämologie und Zauberei zu erlernen. 20 Jahre später kehrte er als reicher Mann zurück und kaufte das Schloss Pungelscheid. Ihm ist klar, dass er eines Tages die Kontrolle über den Dämon verlieren wird. So fasst er den Plan sich mit Hilfe von magischen Pfeilern eine Zone zu schaffen, die dafür sorgt, dass er den Dämon für immer kontrollieren kann. Diese Pfeiler haben unterschiedliche Nebenwirkungen, die jeweils einen Aspekt des Dämonen repräsentieren (Zorn, Furcht, Schmerz, Hass und Hochmut).
Als die politischen Verhältnisse sich drohen zu verändern, schlägt er zwei Fliegen mit einer Klappe: Er wählt die Städte seines Grolls als Standorte für die Pfeiler, was diese schwächt, die Menschen dort quält und nutzt Dämonen (über die er dank des Dämons in ihm Kontrolle hat), um eine weitere Übernahme durch den machtgierigen Kurfürsten, Bischof und die Stadtoberen zu verhindern. Er sucht sich unter den Adeligen Verbündete und als Hilfe für sein Ritual einen zwielichtigen Orden von Mystikern aus Marburg. So platziert er fünf Pfeiler (Hennef, Köln, Dortmund, Kassel und Marburg), die sofort ihre Wirkung entfalten.
Einstieg: Die Spieler erreichen ein Dorf bei Hennef, in dem Menschen verschwunden sind. Ein Mann in Adeliger Kleidung, der wie von Sinnen ist, taumelt ins Dorf. In der Nacht greift ein in Raserei verfallener Werwolf Clan das Dorf an. Die Spieler müssen einen verbarrikadierten Hof verteidigen. Der Kampf ist anspruchsvoll und spannend; Hier können die Spieler von den überlebenden Werwölfen erfahren – so es welche gibt – dass irgendwas sie verändert hat und aggressiv, unvorsichtig gemacht hat. Am nächsten Morgen erwacht der Wahnsinnige und berichtet, dass er Teil einer Gruppe Adeliger ist und bittet die Spieler, ihm zu helfen, seine Freunde zu retten.
So erreichen die Spieler den ersten Pfeiler (Zorn), wo die Adeligen sich gegenseitig bekämpfen. Aus dem Pfeiler erwächst ein Wächter. Wenn die Spieler den Pfeiler zerstört haben, werden die Adeligen wieder „normal“, feiern die Spieler als Helden und laden sie auf das Schloss Bensberg ein.
Bensberg ist ein Taubenschlag, wo sich Adelige und Parteigänger aller Konfliktparteien sammeln. Die Spieler erleben Diplomatie hautnah. Jeder versucht sie zu vereinnahmen, jede Fraktion wanzt sich an sie heran und sie erfahren die aktuellen Abläufe: Heere auf dem Marsch, Dämonen im Sauerland, Vier Fraktionen, seltsame Ereignisse in Dortmund, Kassel und Köln und ein zweifelhafter Anführer der Adeligen. Hier werden in alle Richtungen „Köder“ für die Spieler ausgeworfen, die sie motivieren sollen, jedem dieser Aspekte nachzugehen.
Dann geschieht ein Mord, bei dessen Untersuchung letzte Zweifel ausgeräumt werden, dass die freien Adeligen mit den Dämonen unter einer Decke stecken.
Schauplätze: Ab jetzt können die Spieler wählen, welchen Aspekt sie untersuchen und an welche Orte sie reisen. Also komplett offen, ohne Schienen, nur mit Hinweisen. Es gibt zwar Ereignisse, die eintreten, wenn die Spieler bestimmte Dinge tun, aber die Spieler entscheiden. Und auch diese Ereignisse sind Hinweise.
Die drei Städte stehen jeweils unter dem Einfluss eines der Pfeiler und bieten jeweils einen Nebenplot (Nachtmahr in Dortmund, Vampir in Kassel und Hexenzirkel in Köln), durch den die Spieler magische „Ausrüstung“ für das Finale erhalten können. Die Pfeiler zu finden ist jeweils herausfordernd; die unter dem Einfluss stehenden Städte sind schön beschrieben (hier skaliert der Einfluss auch, abhängig davon, wie viele Pfeiler schon vernichtet sind). Gerade das hochmütige Köln und das furchtsame Dortmund haben tolle Szenen. Und die Wendung in Kassel ist überraschend.
Das Kölner und Kasseler Heer können jeweils erreicht werden. Das Kölner Heer belagert Lüdenscheid, wohin die Mörderin aus Bensberg floh, aber greift nicht an, da Dämonen nachts über der Stadt kreisen. Hier können die Spieler erfahren, dass von Neuleben allen drei Mächten seltsame Drohbriefe gesandt hat. Weiterhin erfahren sie, dass von Neuleben Pungelscheid gekauft hat. Nachts können die Spieler möglicherweise die Entführung eines Kindes durch einen Dämon verhindern, der ebenfalls nach Pungelscheid fliegt. Dorthin können die Jäger und entdecken Hinweise auf die Pfeiler und die Vorgeschichte. Wobei die Bewohner des Schlosses sehr unangenehme Kreaturen sind. Sollten die Spieler – was möglich ist – schon auf Burg Neuhof kommen, sehen sie sich dort einer Übermacht an Dämonen gegenüber und müssen fliehen.
Das Kassler Heer steht unter Angriff, als die Spieler auf es treffen. Die Spieler können sich zum Sammelpunkt des Heeres durchschlagen und erleben eine ausgewachsene Schlacht zwischen Infantrie und Dämonen. Eine epische Schlacht, die die Spieler zwar nicht komplett verlieren können – da muss man sich doof anstellen –, aber der wichtige Faktor, der Einfluss auf den Ausgang der politischen Wirrungen hat, ist, dass der Kommandant am Leben bleibt. Tolle Szenen und Mechanismen.
Marburg können die Spieler nicht nur einen Pfeiler zerstören (sie erfahren an mehreren Orten von Marburg), sondern auch das Hauptquartier des mit dem Dämonenmeister verbündeten Mystiker-Zirkels aufsuchen, der seit Hennef von den Spielern weiß. Hier können die Spieler den Zirkel offen angreifen, bei ihnen eindringen oder sich sogar mit ihnen verbünden. Ein besonderes Schmankerl: Die Schwester des Dämonenmeisters (siehe Antagonisten) hat überlebt und lebt in Marburg, was die Spieler über Hinweise anderenorts erfahren können. Die Spieler können sie möglicherweise überzeugen, sie zu begleiten.
Zwischenereignisse: Wenn die Spieler anfangen die Pfeiler zu zerstören, tritt der Mystiker-Zirkel an die Spieler heran und erklärt, die Pfeiler bannen Dämonen und von Neuleben sei ein wahrer Held (sie kennen die wahren Hintergründe nicht). Wenn die Spieler weiter machen, attackieren in einer späteren Szene die Mystiker die Spieler. In diesen beiden Szenen können die Spieler rauskriegen, dass die Mystiker aus Marburg stammen. Machen die Spieler weiter, erscheint der Dämonenmeister selbst ihnen als ätherische Gestalt und will sie überzeugen. Hier kommt die ganze Tragik der Figur raus. Er will den Dämonen bannen und von der Menschheit fern halten, aber natürlich sein Leben retten und hat sich der Rache hingegeben. Hier wird die Option beschrieben, dass die Spieler sich auf seine Seite schlagen. Es ist toll, dass die Spieler mit dem Antagonisten reden können und seine Motive vielleicht sogar verstehen.
Politisches Finale: Auf Burg Altena kommen, sobald die Spieler nichts mehr machen wollen (das ist ein cooler Zeit-Trigger, wie ich finde) oder der fünfte Pfeiler gefallen ist, alle Mächte zusammen und wollen eine „Nachkriegsordnung“ verhandeln. Sollte auch nur ein Pfeiler noch stehen, taucht auch der Dämonenmeister als Mitverhandelnder auf. Hier sind mehrere Varianten vorgesehen von der Dämonenmeister setzt sich durch, wird von den Jägern ermordet oder wird von den anderen Mächten übergangen. Sind alle Pfeiler gefallen, teilen die Mächte den Kuchen unter sich auf, abhängig von den Handlungen der Spieler während der Kampagne (da sind viele Konstellationen beschrieben). Außer der Dämonenmeister setzt sich durch, bricht der Dämon aus von Neuhof aus und besetzt Burg Neuenhof. Die Jäger werden beauftragt ihn zu vernichten.
Kämpferisches Finale: Jetzt können die Jäger Truppen um sich sammeln, abhängig von den vorherigen Ereignissen mit den einzelnen Fraktionen. Die Spieler ziehen dann möglicherweise mit Rittern, Söldnern, Infantristen etc. im Gepäck nach Burg Neuenhof. Das Finale ist episch, brutal und am Ende können die Spieler hoffentlich ein Portal zur Hölle schließen.
Ich habe jetzt coole Szenen wie das später eroberte Lüdenscheid, das Dorf dessen Bewohner Gedanken des Dämonenmeisters zwanghaft wiederholen, der gefälschte Pfeiler, der Jäger, der den Dämonenmeister als Kind in den Brunnen geworfen hat und und und weg gelassen.
Mir gefällt, dass viele Wege überall hinführen. Es sind unterschiedliche Hinweise überall verteilt, die die Spieler aufgreifen können oder eben nicht.
Fazit: Zwei Bücher, eine Karte, zwei Bodenpläne, Handouts und Stanzbögen sind in der Box. Alles liebevoll gestaltet. Da es offen gestaltet ist, sind viele Varianten im Text abdeckt und trotzdem unfassbar dicht. Haupt- und Nebenplots sind spannend und die Spieler sind die treibende Kraft. Der Hintergrund ist toll recherchiert, für jeden NSC sind die Motive angegeben, alles mit viel Liebe zum Detail ohne das Große Ganze aus dem Blick zu verlieren. Wo weit von der Historie abgewichen wird, wird dies durch Extrakästen erklärt und Informationsboxen zu Themen wie bspw. Linieninfantrie, der Kommende Köln, Schützenbruderschaften, Stapelrecht, Soldatenhandel etc. sind nicht nur lehrreich, sondern helfen dem Spielleiter die Welt anschaulich zu halten. Zu allen Orten, die auch wirklich so existieren, gibt es kurze historische Kästen. In allen Städten besucht man berühmte Orte (Kölner Dom, Kassler Herkules, Dortmunder Rathaus). Im Hintergrundband sind weitere Orte der Region kurz beschrieben, um dem Spielleiter noch Dinge über das Abenteuer hinaus an die Hand zu geben.
Die Kampagne ist nichts für Anfänger, da der Spielleiter die Kampagne genau lesen muss, um die Möglichkeiten und Parteien zu überblicken. Die Spieler haben viel Freiheit und tragen die Geschichte vorwärts, was mit Anfängern wohl auch schwierig wird. Auch erfordern einige der Recherchen Geduld und Nachdenken.
Ich bin ein Fan und wage zu behaupten, dass es eines der (wenn nicht das) beste Abenteuer ist, das ich je leiten durfte (zweimal bisher und zum dritten Mal im September).
P.S.: Dies ist ein Werbetext und keine Rezension. Mir fehlt gerade zu dieser Kampagne jede kritische Distanz.