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Alternatives System oder Modifizierung? – Mein Fate-Dilemma
Slokmig:
Hallo liebe Taneloris!
Ich bin derzeit etwas am Grübeln und bräuchte deswegen ein bisschen Inspiration von anderen Rollenspielern bzw. Spielleitern, die Spielerfahrung mit Fate haben und vielleicht eine ähnliche Entwicklung durchgemacht haben. Kurz zu der Situation:
Wir spielen in unserer/meiner Gruppe schon seit über zwei Jahren Fate Core. Ich war die ganze Zeit über Spielleiter, und bin ein riesiger Fate-Fanboy, der am liebsten alles mit dem System bespielen möchte. Mittlerweile sind auch aus meiner Feder schon einige Setting-Builds entstanden, von denen mein SplitterFate derzeit das beliebteste und ausgereifteste System in unserer Gruppe darstellt. Wir spielen es derzeit alle 14 Tage, wobei meine Spieler auf der gleichen Wellenlänge wie ich sind: Ein regelarmes Rollenspiel mit einem erzählerischen Fokus ist das, was uns allem am meisten Spaß bringt!
Nun, wenn da nicht der kleine Perfektionist in mir wäre, der nach einer noch besseren Lösung suchen würde… Mittlerweile ist es nämlich so, dass ich nicht mehr zu 100% zufrieden bin mit Fate Core. Woran liegt das? Nun, das versuche ich mal zu beschreiben.
Positiv: Die Würfelmechanik über 4FW ist einfach, die Chancen können leicht abgewogen werden, aber hin und wieder schlägt es trotzdem manchmal positiv & negativ aus. Außerdem ist diese einfache Mechanik auch gut an andere Ideen anknüpfbar (mein Magiesystem z.B. funktioniert auch tadellos damit). Charakteraspekte geben den SC eine gute Tiefe und mögliche Ansatzpunkte für mich als Spielleiter. Außerdem können sie mechanisch eingesetzt werden für individuelle Vorteile über die Fate-Punkte. Die vier Grundaktion (Vorteil erschaffen, Überwinden, Angriff und Verteidigung) sind als SL ein sehr gutes Mittel um Erzählung bzw Aktionen der SC zu kategorisieren und das Ergebnis dementsprechend zu werten. Außerdem ist es ein Universalsystem, an der ich meinen Bastler-Trieb ausleben kann. Ermöglicht es uns auch mal in anderen Settings ohne großes Umdenken One-Shots zu spielen, und ich habe die Möglichkeit „eigene“ Mechaniken in das Spiel zu integrieren.
Neutral: Die Probenmechanik und das System an sich verschwindet in sehr rollenspielaktiven Szenen vollständig in den Hintergrund, in der ich als SL auch keine Notwendigkeit von Würfelproben sehe, da die Situationen nur durch gutes und authentisches Charakterplay bzw. sprechen „in-Character“ gelöst wird. Uns, und besonders mir als SL, machen diese Szenen immer sehr viel Spaß, da ich in diesen Momenten am tiefsten in die NSC einsteige, aber wo haben hier die ganzen Mechaniken Reizen & und Würfelproben noch ihren Platz? Was mich zu den negativen Punkten bringt.
Negativ: Der größte Punkt gleich mal vorweg: Viele Regelmechanismen, die in Fate Core beschrieben werden, nutzen wir nicht! Soziale Konflikte über geistigen Stress, Situationsaspekte aktivieren oder erschaffen, Wettstreite und Herausforderungen, Ausnutzen von Konsequenzen, Settingaspekte: Alles Elemente, die wir im Spiel nur sehr selten oder gar nicht benutzen. Das Potenzial mancher Mechaniken für die Geschichte kenne ich, nur leider scheitert es bei mir (bei uns?) immer an der konkreten Umsetzung. Ich habe das Fate Core Buch, diverse Handbücher, Turbo Fate und zahlreiche Settingbänder durchgelesen und kenne somit ein Vielzahl der Umsetzungsmöglichkeiten der Regeln und viele Varianten dazu… und ich habe ständig das Gefühl, dass wir nur an der Spitze des Eisberges kratzen und wir vieles einfach liegen lassen. Klar könnte man jetzt sagen: „Fate ist dafür gedacht, dass jeder sein Spiel daraus macht!“, aber gefühlt lassen wir schon vieles von Fate Core links liegen. Prinzipell sind wir bei einen Turbo Fate mit Fertigkeiten angekommen. 😉
Diesen Punkt kann man sowohl positiv als auch negativ sehen, und ich bin mir selbst noch unklar welche Position ich hierbei beziehe, aber bei folgendem Punkt knirscht es im Getriebe: Fate-Punkte und Charakteraspekte. Da scheiden sich die Geister von Theorie und Umsetzung. Gedacht ist ja ein Kreislauf der Fate Punkte: Ich knall sie raus um zu glänzen, irgendwann gehen mir die Fate-Punkte aus, ich reize Charakteraspekte und muss mit negativen/dramatischen Konsequenzen leben, aber ich gebe die erhaltenen Punkte wieder aus um zu glänzen. Soweit die Theorie. Die Praxis sieht leider oft so aus:
Zu Beginn der Sitzung kriegt jeder seine Fate-Punkte anhand der Erholungsrate. Sie werden im Laufe der Sitzung mehr oder weniger aufgebraucht, manchmal auch mit fragwürdiger Begründung über die entsprechenden Charakteraspekte. Am Ende der Sitzung angelangt haben viele Spieler noch Fate-Punkte übrig… und bis zum nächsten Mal bekommen sie ja wieder ihre Fate Punkte zurück. Dieses „Problem“ wird verschärft durch den vorherig genannten neutralen Punkt. Wenn wir tief in die Erzählung eintauchen, bei der Würfelproben wegfallen, verringern sich natürlich die Möglichkeiten des Einsatzes der FP nochmal drastisch.
Nun könnte man auch sagen: Dann nutzt halt ein System ala „Storytelling“ bzw. macht ein Erzählspiel daraus. Und ab jetzt wird es kompliziert: Wenn es um Kämpfe geht möchten wir das „Auswürfeln“ mit Fertigkeiten, Gummipunkten, Stunts und Co nicht missen! Außerdem freut es die Spieler auch, wenn sie merken, dass sie im Laufe der Zeit besser werden. Natürlich ist dies nicht vergleichbar mit den Aufleveln in klassischeren Systemen, aber sie haben Freude daran besondere Gegenstände und bessere Stunts zu bekommen. Somit ist ein reines Erzählspiel auch irgendwie nicht die richtige Lösung…
Lange Rede, gar kein Sinn: Es stellt sich mir nun die Frage, ob ich bei Fate bleiben soll und es einfach als „unser“ Fate betrachte und mir mögliche Modifikationen für unseren Spielstil ausdenken soll ODER ob es da draußen nicht doch ein viel besser passenden System geben könnte. Storytelling mit Mechaniken, die im Hintergrund verschwinden + ein Kampfsystem mit einen leichten Hauch von Crunch und dem Gefühl des „Level-Ups“ wäre also das, was ich in kurzer Form suchen würde…
Und: Habt ihr vielleicht eine ähnliche Entwicklung mit Fate gemacht und seit dann irgendwann auf ein anderes System umgestiegen? Ich bin über jegliche Erfahrungen, Empfehlungen und Tipps in die Richtung meines Problems dankbar!
Vielen Dank das ihr euch durch diese Wall-of-text gekämpft habt!
HINWEIS: BITTE KEINE DISKUSSION STARTEN WARUM FATE MIT SEINER META-EBENE, SEINEN ASPEKTEN UND IM ALLGEMEINEN "SO DOOF IST"! DAS HILFT MIR BEI MEINEM KONKRETEN PROBLEM NICHT WEITER! ;)
KhornedBeef:
Kann ich anhand unserer Gruppe gerade nachvollziehen. Diese Dualität von würfelarmem Charakterspiel und dann aber Crunch im Kampf findest du ja vermutlich bei vielen traditionellen Alt-D&Dlern und so.
Solange es macht, was ihr wollt, benutzt es halt weiter. Vielleicht kommt ja von einer SpielerIn irgendwann ein Anstoß, mehr Regeln zu nutzen, mal sehen
Natürlich kann man bei "Fertigkeiten, Stunts, Gummipunkte* auch Savage Worlds nehmen. Aber wenn das am Ende nur auf andere Würfel hinausläuft, bringt das viel?
Ich ergänze das vielleicht noch.
1of3:
Ich bin in diesen Dingen ja mithin der nörgelnde Alte, aber lohnt da vielleicht ein Blick auf Fate2? Denn wenn du sagst, das mit dem Ressourcen-Kreislauf ist schwierig, den gab es da eben noch nicht.
Kampfwurst:
Von deiner Beschreibung fehlt mir ein wichtiger Punkt: Die Fate-Punkte des GMs. Die sind dafür da, die Schwierigkeit zu erhöhen, und du hast in jeder Szene so viele, wie Spieler in der Szene sind. Wenn du diese regelmäßig nutzt, dann werden auch die Spieler dazu gezwungen ihre Punkte regelmäßiger zu nutzen, und so kommt der Kreislauf vielleicht ein bisschen in Schwung.
Wenn die Spieler Angst haben irgendwann auf dem Trockenen zu sitzen, müsst ihr euch ggf. noch an das Reizen der Aspekte gewöhnen. Setzt euch z.B. zum Ziel, dass mindestens 1 mal pro Szene ein Aspekt für einen Fate-Punkt gereizt wird. Setzt euch die Messlatte dafür nicht zu hoch, ein gereizter Aspekt muss nicht den Weltuntergang für den Spieler bedeuten. Wenn ihr das ein paar mal gemacht habt, habt ihr ein besseres Gefühl dafür, wo für euch die Grenze liegen muss, um Aspekte zu reizen.
Außerdem gibt es noch das Ausnutzen von Aspekten durch den Spielleiter. Wenn ein NPC eine Aktion gegen einen Spieler ausführt, und der Spielleiter gibt einen Fate-Punkt aus um einen Spieler-Aspekt für eine +2 auf sein Ergebnis zu nutzen, dann bekommt der Spieler am Ende der Szene einen Fate Punkt. Auch dadurch lässt sich der Punktekreislauf bei euch ggf. nochmal ein bisschen ankurbeln.
Außerdem gibt es noch Fate Punkte für eine Concession, also für eine gezielte Aufgabe in einem Kampf. Das ist unter Umständen auch nochmal eine gute Quelle für Fate-Punkte.
Hell van Sing:
Vor einiger Zeit gab es mal einen Beitrag zu sog. Fate-Achievements, in denen Spieler dafür belohnt werden, bestimmte Regeln zu benutzen - vielleicht wäre das ein Anreiz? Und wenn man den ein paar Mal durchzieht, gehen die Mechaniken wahrscheinlich auch besser in Fleisch und Blut über und werden dann automatisch mehr genutzt.
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