@Sidekick-Kai: Schön dass es gefallen hat, auch wenn du das hier nicht mehr lesen wirst.
Am vergangenen Sonntag ging es nun endlich weiter. Das Kindsvolk war aufmüpfig, das Wetter nicht das beste, aber einfach den Fernseher anmachen wollte ich dann auch nicht.
“Ichweisnichwasichmachnsooooooll…”
“Eine Runde Dungeons & Redens, vielleicht?”
[Zweistimmiges Freudengeschrei, Rumgerenne auf der Suche nach Würfelbeutel und Figuren, dann Ernüchterung: Erst mal muss die Lego-Piratenwelt abgebaut und verstaut werden, sonst hat der Kampfplan keinen Platz auf dem Tisch.]
In der Zeit seit unserer letzten Runde kamen von meinen Spielern diverse Wünsche für die nächste Sitzung: Irgendwas mit Lava, viele Kämpfe, ein Pilzland (mein Großer spielt gelegentlich Minecraft und ist jüngst auf ein Pilzbiom gestoßen – Mind blown!), Monster, die in der Lava wohnen, Gift, Zwerge, Giftzwerge, Roboter, Lasergewehre, Piraten, etc.
Einigem davon wollte ich dann spontan entsprechen, hatte aber noch keine Muße, das bisher eher klassische Fantasyszenario ganz und gar aufzuweichen (vielleicht bei der nächsten Sitzung). Außerdem ging mir die Sache mit der Pizza noch im Kopf herum.
CalzolemThorin und Joe treffen zwei Zwerge, Snorri und Ragnar, mit Mehl bestäubte Gesellen mit Schürzen und hohen weißen Helmen, und kommen mit den beiden ins Gespräch. Thorin hat sich einen Slogan zurechtgelegt, den er nun anbringt: “Wir lösen Probleme für Gold.”
[Eigenartig, wenn man bedenkt, dass die Helden der Kinderserien oder Büchern die die beiden konsumieren, meist aus blankem Idealismus handeln. Soweit habe ich nicht gedacht, weswegen ich ihnen gedankenlos im ersten Abenteuer Gold geboten habe. Das wäre wohl nicht nötig gewesen, aber jetzt habe ich den Salat: Sie sind Heroes for Hire.]Problemlöser? Ragnar und Snorri wechseln vielsagende Blicke. Ob Thorin und Joe statt Gold auch für Pizza arbeiten würden? Selbstverfreilich.
Die Lage ist wie folgt: Die beiden Zwerge sind Besitzer des örtlichen Pizzaimbisses, den ich im Geiste
Pizza Dai Nani getauft habe. Erst heute ist ihnen eine Ladung Pizzateig abhandengekommen. Der Teig lag unter einem Handtuch und sollte gehen, aber anscheinend ist er dann gleich ganz weggegangen. Ragnar war die ganze Zeit im Laden und schwört Stein und Bein, dass der Teig den Imbiss nicht durch Fenster oder Tür verlassen hat.
Thorin und Joe werden auf eine eiserne Falltür in der Backstube aufmerksam. Was sich denn dort befinde, wollen sie wissen. Ach, da gehe es nur zum Heizraum. Die Backstube werde durch einen unterirdischen Lavafluss beheizt, was einem das mühselige Brennholzhacken erspare. Unsere Helden schlussfolgern messerscharf, dass der Teig dort unten sein muss. Der Auftrag ist klar: Teig zurückbringen oder vernichten, damit niemand das Geheimrezept von Snorri nachbacken kann.
Das dynamische Duo steigt also durch die Falltür, eine in den Stein gehauene Treppe hinab und befindet sich im Dungeon der Woche. Es gilt einen Höhlenkomplex zu durchqueren, der ungünstigerweise von Lavaströmen teilüberflutet ist. Bei näherer Betrachtung stellt sich heraus, dass es sich überhaupt nicht um Lava, sondern um blubbernd heiße Tomatensoße handelt. Der Soße entsteigen gelegentlich Tomatensalamander, die es zu besiegen gilt. Wo die Ströme zu breit sind, springen Thorin und Joe auf große, auf der Soße treibende Salami-, Tomaten- und Mozzarellascheiben und lassen sich gemächlich von der Strömung tragen. Einige Brandblasen ziehen sie sich dabei zu (die leidigen Würfel), aber im Großen und Ganzen kommen sie gut voran, während ich in der unter dem Tisch stehenden Legokiste krame, um eine Miniatur für den Endgegner zu improvisieren, auf die ich dann sogar halbwegs stolz bin.
Nach einigen Kämpfen und diversen Jump&Run-Einlagen kommen die beiden in einer Art unterirdischer Küche an, in der sie eine leere Teigschale vorfinden, sowie einige Salamander, die eine riesige Salami zersägen. Joe schleicht sich an den ersten Gegner von hinten an und landet einen ziemlich guten Treffer mit seinem Giftdolch, dann bricht die Hölle los. Aus einem Soßenpool in der Mitte des Raumes taucht eine mehrere Meter große
Teiggestalt auf und greift sofort an. Im Kampfgetümmel kommt Joe selbständig auf eine wirklich gute Idee: Ich hatte eine kleine schwarze Wolke auf seinen Charakterbogen gemalt, die seinen Dunkelheitszauber (bekanntermaßen ist Joe ein Dunkelelf) symbolisiert, den er nun um den Kopf des Pizzamonsters herum platziert. Thorin sammelt einige schwarze Steine und baut den Zaubereffekt kurzerhand aus Lego um den
Kopf des Gegners (die Goblins auf dem Bild symbolisieren das Küchenpersonal) herum. Ich bin einigermaßen beeindruckt.
Der Pizzagolem (ich habe zwischendurch erklärt, was eine Calzone ist) greift von hier an mit Nachteil an und trifft nun wirklich überhaupt nichts mehr. Thorin zertrümmert den knusprig gebackenen Teig an seinen Beinen und bringt den Golem damit zu Fall, dann gibt Joe ihm den Rest. Die beiden laden den besiegten Feind auf ein Salami-Floß, flößen zum Eingang zurück und lassen sich den Rest des Golems gemeinsam mit ihren zwergischen Auftraggebern schmecken.
Wir beenden das Spiel etwas plötzlicher als geplant, aber nach fast zwei Stunden ist konzentrationsmäßig nichts mehr zu machen. Joe möchte noch mit den Heroquestfiguren auf dem Kampfplan spielen, Thorin baut einen großen schwarzen Klemmbausteingolem, ich mache mir Kaffee und dann Mittagessen für uns alle.
Ein paar allgemeine Beobachtungen:Die Kinder lieben die Miniaturen. Glücklicherweise ist das Schwert des Alb abgebrochen und sieht nun aus wie ein Dolch, so dass Joe sich darin sofort wiedererkannt hat. Thorins Zwerg trägt zwar die falsche Waffe, aber das war bisher kein Problem. Auch die Props, die ich dem Spielzeug der Kinder entnehme, kommen immer gut an.
Das Abenteuer muss nicht unbedingt logisch aufgebaut sein. Warum gibt es unter dem Imbiss einen Dungeon? Warum blubbert dort heiße Tomatensoße? Von welchem Tier stammt die Riesensalami? Keine Ahnung, war auch nicht wichtig.
Das ganze lief bisher übrigens schon ziemlich auf Schienen ab. Es gibt immer einen großes, blinkendes Schild, das zum nächsten Punkt des Abenteuers zeigt. Beim nächsten mal will ich versuchen, ein etwas freieres Abenteuer zu gestalten und mal sehen, wie sie damit klarkommen.
Ich füttere meine Kinder überwiegend mit den Kinderbüchern, die ich auch vorgelesen bekommen habe oder mit solchen, die ich als Kind auch gut gefunden hätte: Der Hobbit, Die Abenteuer des Starken Wanja, Kleine/r/s Hexe/Wassermann/Gespenst, Der Wind in den Weiden oder jüngst Die Opodeldoks. Kleiner König Kalle Wirsch spielt sogar größtenteils in einem klassischen Dungeon, komplett mit Monstern und Fallen. Es kommt immer gut an, wenn ich irgendwelche aus den Büchern bekannten Motive wiederverwende, z.B. die Sache mit dem aus seinem Haus vertriebenen Landadligen im letzten Abenteuer (Kröterich aus Wind i.d. Weiden).
Ich bin immer noch etwas beeindruckt davon, dass ein Vierjährigereinhalbjähriger von selbst auf die Idee gekommen ist, den Gegner mit dem Dunkelheitszauber zu behindern. Liegt ja schon irgendwie auf der Hand, aber ich hätte trotzdem nicht gedacht, dass er darauf kommt, ohne dass ich den Vorschlag dazu mache.
Die Kinder wollen natürlich die Helden in ihrer Geschichte sein, deswegen halte ich die Mindestwürfe flach. Meist sind Ergebnisse über 10 ein Erfolg oder zumindest ein Teilerfolg. Ich würfele selbst eigentlich nicht, wird ein Charakter angegriffen, ist ein Verteidigungswurf fällig. Erstens neige ich dazu, bei D20 oft relativ gut zu würfeln und zweitens will ich keine Ich-gegen-euch-Stimmung aufkommen lassen. Ist alles ziemlich seicht, klar, aber wie Joe bereits mehrmals betont hat, “am wichtigsten ist, dass jeder Spaß hat” - keine Ahnung, von mir hat er den Spruch nicht.
Ich betone hin und wieder mal, dass es beim Rollenspiel oft darauf ankommt, ein funktionierendes Team zu haben, wo einer die Schwächen des anderen ausgleichen kann. Das klappt wie am Schnürchen. Joe kundschaftet den Weg aus oder versteckt sich hinter Thorins breiter Rüstung, Thorin verwendet lieber mal einen Heilzauber statt selbst zuzuschlagen, usw. Wenn sie nur auch sonst so gut zusammenspielen würden.
Rückmeldung bekomme ich übrigens so viel wie von noch keiner Gruppe zuvor, und zwar schon während des Spiels. Die häufigen Umarmungen und den einen oder anderen Schmatz brauche ich aber von den Spielern meiner übrigen Runden (außer meiner Frau natürlich) auch wirklich nicht so sehr. “Du bist der beste Spielleiter/Papa der Welt!" und “Das ist das beste Spiel der Welt!” habe ich an dem Tag mehrere Male gehört. Das geht mir runter wie Öl. Natürlich sind wir bald zur nächsten Runde verabredet.