Zwischenspiel III.2
Hildegarth Riesentöter saß in der Taverne
Zur Tanzenden Maid, auf dem äußeren Hof von Burg Isenwaid. Seit einiger Zeit starrte sie auf ihren leeren Krug, dann auf den halbvollen Kelch von Fiora. Was sollte sie nun mit sich anfangen? Jetzt, da ihr Auftrag erfüllt war. Die Elfin war jedenfalls bereits aufgestanden, um sich den lang ersehnten Zugang zur Burgbibliothek zu erkaufen; mit dem Geld, das sie sich in den vergangenen Wochen gemeinsam am Ufer des Hexenwassers verdient hatten.
Hilde konnte eigentlich nur nach Balderks Brücke zurückkehren und ihre Dienste erneut feilbieten. Da wurde die windige Tür zum Schankraum aufgestoßen und der zwergische Handelsposten schien zu ihr zu kommen; denn vier Angehörige des Bärtigen Volkes betraten die Trinkhalle.
Grommir Hexenhammer
Habur Hexenhammer
Margon Riesentöter
Dalir Düsterbeil
Es war die siegreiche Kompanie der Flammenden Rune, die von Margon Riesentöter, dem Neffen des Hurndor höchstpersönlich, angeführt wurde. Nur der erste von ihnen trug triumphierend ein halbes Dutzend abgeschlagener Goblinköpfe in die Taverne, aber auch die anderen waren in unbändiger Feierlaune.
Sogleich wurde Hilde am Tresen von den bierdurstigen Söldnern umringt, die lautstark nach dem billigen Fusel der Menschen grölten. Auf dem Lederwams des Schädelträgers sah sie noch den eingetrockneten, rotbraunen Lebenssaft der Enthaupteten. Der Geruch von Blut haftete allerdings an allen vier Zwergen, das konnte sie selbst über das Dunstgemisch aus verdampftem Alkohol, Rauch und Schweiß riechen, das aus dem Schankraum nicht mehr herauszubekommen war; auch nicht an einem solch schlecht besuchten Herbstvormittag.
Und noch bevor die Söldner bedient worden waren, machten sie ihr, als Frau, bereits unverschämte Angebote. Dann erkannten die übermütigen Goblintöter in Hildes Zauberbrecher jedoch eine Waffe von Klan Hexenhammer.
„Mich nennen sie Habur Hexenhammer. Wie nennen sie dich, mein Kind?“, hauchte ihr der Bärtige ins Ohr, der an seinem kruden Stecken auf sie wie ein abgetakelter Magier wirkte. Er wusste offenbar, dass sie keine Hexenhammer war. Zudem brannte sein fauliger Atem in ihrer Nase.
„Hilde Riesentöter“, antwortete die Zwergin wahrheitsgemäß. Ihren vollen Namen behielt sie jedoch wie immer für sich.
Der schäbige Zauberkundige sowie der blutbesudelte Schädelträger, der sich nun als Grommir Hexenhammer zu erkennen gab, begehrten gegen den Besitz einer Klanwaffe durch die Klanfremde auf. Es dauerte nicht lange, bis Hilde Gewalt angedroht wurde, weil sie den Runenhammer nicht herausrücken wollte.
Da meldete sich plötzlich der Anführer der Flammenden Rune zu Wort. „Behalt den Hammer, Kleine. Aber tu dir nicht weh damit. Und auch keinem anderen Goldzwerg!“, warnte Margon Riesentöter gönnerhaft.
Die Söldnerkompanie ließ von ihr ab. Kurz darauf ging die Tür erneut auf. Drei Halborks betraten den Schankraum. Zwei Männer und eine Frau. Nur einer von ihnen war einigermaßen vernünftig bekleidet, die anderen beiden waren halb nackt. Hilde schnappte sich Fioras sauren Wein und leerte den Kelch in einem Zug.
Die Neuankömmlinge warteten neben der Zwergin auf die Bedienung. Nachdem auch die bärtigen Söldner ihr Bier in Windeseile ausgetrunken hatten, kehrte Grommir an den Tresen zurück. Er verlangte Platz und Vorrang von den Halborks, über die er sich dabei mit einem der abgeschlagenen Köpfe auf äußerst geschmacklose Weise lustig machte.
Dann versuchte er Hilde gegen die drei aufzustacheln. Als die ehrenhafte Kriegerin ablehnte, ihren Runenhammer gegen das „Orkblut“ zu erheben, schimpfte der Schädelträger sie „Verräterin“ und zog keifend ab.
Der ordentlich angezogene Halbork bedankte sich. Anschließend stellte er sich als Gorath von Trollheim vor. Seine halb nackte Begleiterin wurde Noki genannt und der andere, bärenhafte Mann Ulgar.
Die nächste Runde wurde von Gorath übernommen. Danach gab Hilde einen aus. Und so ging das bis zum Abend und der Ankunft von Nokis Gefährtin.
Gorath von Trollheim
Noki
Ulgar von Waldhafen
Ivara Silberkrone wurde von einem tanzenden Trommler angekündigt, wie die Ritter der Drachenkönige von Fanfaren spielenden Herolden.
Der wilde Musiker führte die Halborks mit ihrer neuen Freundin Hilde in die Gewölbe unter der Trinkhalle, wo die Flammende Rune schließlich vollends in Vergessenheit geriet.
Ziraak
Ivara Silberkrone
Aber auch alles andere, was in den folgenden Stunden geschah, sollte für die Zwergin aufgrund ihres übermäßigen Alkoholgenusses ein Mysterium bleiben.
Erst in den frühen Morgenstunden des nächsten Tages, als Hilde wieder aus dem Keller stieg, um sich zu erleichtern, trat die verruchte Söldnerkompanie erneut in Erscheinung.
Die Zwergin hockte hinter einem leeren Bierfass und verrichtete ihre Notdurft, da wurden vor der Taverne Stimmen laut. Es wurde Zwergisch gesprochen. Die Kriegerin erkannte Habur und Grommir in den Sprechern. Hurtig beendete sie ihr Geschäft und zog sich die Hosen hoch. Sogleich sah sie die beiden bekannten Zwerge von Klan Hexenhammer, die einen Halbling in weißen Gewändern herumschubsten.
Noch bevor die Söldnerin zu ihnen aufschließen konnte, fiel der Robenträger in den Dreck und seine Peiniger machten tatsächlich Anstalten, ihre Blasen auf ihm zu entleeren.
Hildegarth Riesentöter ging dazwischen. Und es reichte dabei völlig aus, dass sie sich schützend vor den Halbling stellte, denn während Habur und Grommir mit ihren Händen an den Beinkleidern ins Stocken gerieten, erklang ein lauter Pfiff hinter ihnen. Margon Riesentöter rief seine Männer wie ein Paar Hunde zurück. Unterdessen warf er seiner Verwandten einen finsteren Blick zu, der weitaus mehr als eine erneute Warnung bedeutete. Die nächste Begegnung mit der Flammenden Rune würde es in sich haben, das wusste die Zwergin nun.
Als die Söldner verschwunden waren, half Hilde dem Halbling wieder auf die Beine. Er zeigte sich äußerst dankbar, verriet ihr mit heiserer Stimme seinen Namen und lud sie „auf ein Pfeifchen ein“. Kurz darauf saßen sie wieder in der Taverne
Zur Tanzenden Maid.
Joram Schattental stammte aus dem fernen Marisa; was seine ungewöhnlichen Gewänder erklärte. So war es auch eine der ausgefallenen Wasserpfeifen des Südens, mit dem allzu süßen Fruchttabak, auf die er Hilde eingeladen hatte. Der Halbling war dabei übertrieben höflich. Darüber hinaus wollte er deutlich mehr über Hilde wissen, als er über sich selbst preisgab. Die Zwergin begann sich unwohl zu fühlen. Dann erwähnte sie jedoch beiläufig den entführten Händler Ardo.
Sie erzählte auch von ihrem Zweikampf mit der Hob‘Goblin und selbst das fremdländische Pfeifenkraut schmeckte plötzlich bitter.Nun wusste sie allerdings, was sie zu tun hatte: ihre Ehre im Kampf wiederherstellen und ganz nebenbei noch ein paar Münzen für die Befreiung des Kaufmanns verdienen. In seiner Dankbarkeit und Verbundenheit seinem Volk gegenüber bot Joram sogleich an, die Kriegerin in die Roten Höhlen zu begleiten. Nun galt es nur noch Fiora und Nattias Nirfang für das Vorhaben zu gewinnen!