Autor Thema: Talwyn liest "How To Write Adventure Modules That Don't Suck"  (Gelesen 2059 mal)

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Offline Talwyn

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Ich lese derzeit den Essay-Band "How To Write Adventure Modules That Don't Suck", herausgegeben von Goodman Games. Im Thread "Zu Spät - Ich konnte nicht widerstehen!" ist deutlich geworden, dass sich an dem Buch mindestens die Geister scheiden. Um den Thread dort nicht mit themenfremden Diskussionen über ein einzelnes Buch zu überladen, habe ich dieses Thema gestartet, in dem ich die einzelnen Essays in dem Band zusammenfassen und kommentieren will. Vermutlich werde ich nicht zu allen enthaltenen Essays einen Beitrag verfassen, dazu fehlt mir sowohl die Zeit als auch das Durchhalte-Vermögen.

Eine Kleinigkeit vornweg: Da es sich um einen Essay-Band handelt, sind viele der Beiträge in dem Sammelband ziemlich meinungsstark. Ich möchte zwar keinem (mehr oder minder) gestandenen Game Designer das Recht absprechen, seine professionelle Meinung in einem Essay zu postulieren, allerdings nehme ich mir gleich mal das Recht heraus, ebenfalls mit gegebenenfalls starken Meinungen zu reagieren. Ich habe zwar noch nichts publiziert, aber gescheit daher reden ist auf jeden Fall eine meiner größten Stärken ~;D Gerne darf und soll natürlich in diesem Thread diskutiert werden, also haltet nicht mit euren Meinungen hinter dem Berg!

Inhalt
Jobe Bittman - Adventures in Context
Mike Breault - Players Make Your World Go Round
Anne K. Brown - Listen! Do you Smell Something?
« Letzte Änderung: 26.05.2021 | 09:52 von Talwyn »
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Offline Talwyn

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Adventures in Context

Wer hat's geschrieben?
Autor dieses Aufsatzes ist Jobe Bittman, ein RPG-Designer, der unter anderem das DCC-Modul The One Who Watches From Below verfasst hat. Ich kenne dieses Abenteuer nicht und habe auch sonst nichts von dem gelesen, was in der Publikationsliste des Autors steht. Insgesamt würde ich Bittman als eher unbekannten Designer betrachten.

Worum geht's?
Bittman bezeichnet mit dem Begriff "Context" die Hintergrundinformationen, mit denen Elemente eines Abenteuers wie NSC, Schauplätze, Artefakte usw. in der Fiktion verankert werden - zum Beispiel die Geschichte vom Untergang des uralten Imperiums, dessen Ruinen die Abenteurer nun erkunden sollen. Weiterhin betrachtet Bittman das Verhältnis zwischen Autor*in und Text - und zwar speziell wie sich dieses Verhältnis jeweils unterscheidet, wenn man wahlweise über die Rolle von Roman-, Bühnen- bzw. Drehbuch- und Abenteuer-Autor*innen spricht. Letztlich läuft es hier darauf hinaus, dass Abenteuerautor*innen eben vergleichsweise wenig Kontrolle darüber haben, wie sich die Geschichte entwickelt, die auf Basis ihres Textes am Spieltisch entsteht. Nun gibt es Abenteuer, die genau diese Kontrolle beanspruchen wollen - Bittman nennt hier das Adventure Path Format - und, wie man vielleicht schon ahnt, findet Bittman dass das eine ganz schlechte Idee ist ("As a narrative framework, I find the adventure path abhorrent."). Stattdessen fordert er, dass ein Abenteuer einen interessanten Raum öffnet, mit dem die Spieler durch ihre Charaktere interagieren können. Ein gutes Abenteuer brauche deswegen "intensely visual descriptions of person, place and thing", sowie die groben Umrisse einer Handlung und die Motivationen der wichtigsten beteiligten Akteure: "You are setting a stage upon which unknown actors will improvise their myriad struggles." Schließlich folgt noch der Hinweis, dass Exposition langweilig ist, weshalb man einfach alles an Hintergrund ersatzlos streichen sollte, was am Spieltisch nicht relevant wird.

Meine Meinung
Der Mann hat Recht, und ich leide selbst sehr unter dem Problem ausufernde Hintergrundgeschichten in Word-Dokumente zu hacken, bevor ich mich mit dem eigentlichen Abenteuer im Sinne von tatsächlichen Spiel-Inhalten befasse. Insgesamt meiner Meinung nach ein sehr lesenswerter wenn auch etwas kurzer Artikel. Ich hätte es begrüßt, wenn das Entfernen unnötiger Hintergrund-Informationen an einem Beispiel durchexerziert worden wäre. Eine Beispielbegegnung ist dem Artikel zwar nachgestellt, allerdings soll diese wohl einfach ein Positiv-Beispiel sein, wie ein gutes Abenteuer/Encounter aus Bittmans Sicht aussehen kann. Mein Gehirn jedenfalls produziert beim Schreiben unweigerlich jede Menge Information, die ihren Weg in den Text findet, allerdings genau zu der Kategorie unnötigen Hintergrundwissens gehört, die Bittman kritisiert. Ein paar Tipps dazu, wie man die Eliminierung nutzloser Inhalte in seinen kreativen Prozess integriert wäre aus meiner Sicht hilfreich gewesen. Egal, jeder der meinen glühenden Hass auf den Adventure Path teilt hat meine Sympathie.
« Letzte Änderung: 18.05.2021 | 16:31 von Talwyn »
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Offline Talwyn

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Ich hab da was in Arbeit... ;)
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Offline Talwyn

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Players Make Your World Go Round

Wer hat's geschrieben?
Autor dieses Textes ist ein ziemliches Schwergewicht: Mike Breault, bekannt unter anderem als Co-Designer der Dragonlance-Module für AD&D 1st Edition, aber insgesamt hat er einen sehr ansehnlichen Track Record an Rollenspielpublikationen, und auch in der Videospielindustrie hat er durchaus einen gewissen Fußabdruck hinterlassen.

Worum geht's?
Breault führt in seinem Essay aus, dass unterschiedliche Spieler unterschiedliche Erwartungen an das Rollenspiel mit an den Spieltisch bringen. Er schlägt dabei eine Kategorisierung vor, die ursprünglich aus dem Videospiel-Design stammt und zwischen den Spielertypen der "Achievers", "Explorers", "Socializers" und "Killers" unterscheidet. Achievers wollen die Quest abschließen, ihren Charakter verbessern und mächtige magische Items einheimsen. Explorers wollen eine spannende fiktionale Welt erkunden. Socializers wollen ihren Charakter als fiktive Persönlichkeit ausspielen und mit interessanten NSC interagieren. Und Killers schließlich sind eine etwas merkwürdige Kategorie, in der alle Spieler zusammengefasst werden, die entweder Konflikte innerhalb der Gruppe provozieren, andere (weniger erfahrene Spieler) an das Spiel heranführen wollen, sowie solche, die nur hier sind um Monster und NSC zu erschlagen. Die Erklärung, was diese Dinge miteinander zu tun haben um so eine Kategorie zu rechtfertigen bleibt Breault leider auch im weiteren Verlauf schuldig.
Breault schlägt dann vor, man solle beim Design eines Abenteuers darauf achten, dass für alle Spielertypen was dabei - bzw. dass man herausfinden sollte, welchem Typus die eigenen Spieler entsprechen, um dann das Abenteuer auf sie maßschneidern zu können. Er erwähnt auch eher beiläufig, dass er im Rahmen seiner beruflichen Laufbahn diese Kategorisierung auch schon als Teil des kreativen Prozesses angewandt hat, in dem man sich nach dem Schreiben das Abenteuer Abschnitt für Abschnitt vorknöpft, um systematisch zu fragen, wie dieser wohl bei jedem der einzelnen Spielertypen ankommen wird. Anschließend führt er in einem weiteren Abschnitt aus, dass man die Spieler abholen sollte, indem man ihnen spannende Konflikte präsentiert und ihnen interessante Entscheidungen abverlangt.

Meine Meinung
Insgesamt sind hier schon ein paar gute Ratschläge enthalten. Die Kategorisierung von Spielertypen zum Beispiel - auch wenn ich mich den konkreten Kategorien nur teilweise anschließen kann bzw. den "Killer" einfach nicht verstanden habe. Anhand des Titels des Essays hätte ich persönlich hier ehrlich gesagt etwas mehr Fleisch am Knochen erwartet: Wie findet man denn heraus welchen Typus die eignen Spieler haben? Und wie bringt man es unter einen Hut, wenn die eigene Gruppe total bunt gemischt ist, was die Erwartungshaltung an das Spiel angeht? Kann man nicht auch mal ein Abenteuer speziell nur für Killer schreiben oder ist das eine schlechte Idee? Breault erwähnt, dass diese Kategorien sich Mitte der 90er Jahre in der Videospielindustrie durchgesetzt haben - hat sich seither nichts getan? (Hat es!) Und gibt es nicht auch Kategorien die spezifischer auf Pen and Paper Rollenspieler gemünzt sind? (Gibt es!*) Stattdessen biegt Breault dann ab und erläutert wie wichtig es ist interessante Entscheidungen und spannende Konflikte in seine Abenteuer einzubauen und die Erfahrung interaktiv zu gestalten - maßgeschneidert nach den Wünschen der eigenen Gruppe. Aber auch da kratzt der Essay nur an der Oberfläche und hantiert mit Beispielen wie "lass die Abenteurer in einen Hinterhalt laufen, dann entsteht automatisch Chaos und Spannung". Was mich ebenfalls irritiert ist die Idee des maßgeschneiderten Abenteuers, aber vielleicht lese ich das Buch insgesamt mit der falschen Perspektive bzw. Erwartungshaltung, ich dachte nämlich die Essays sollen in erster Linie dabei helfen publikationsfähige Module zu verfassen, und nicht solche speziell für den heimischen Spieltisch.

*Ich denke z.B. an die Kategorien von Robin Laws
« Letzte Änderung: 19.05.2021 | 10:11 von Talwyn »
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Offline Jiba

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*Ich denke z.B. an die Kategorien von Robin Laws
Die aber, das sollte man hier nicht unerwähnt lassen, zum Teil augenzwinkernd sind und deren sozialwissenschaftliche Genauigkeit und Beschreibungsfähigkeit stark in Zweifel gezogen werden könnte.

Btw. als Alternativbegriff für Killer hat sich der Begriff "Dominator" verbreitet, den ich gelungener finde. Und da Rollenspiel ein soziales Hobby ist, ist vielleicht Kim's Social Action Matrix ergiebiger.
Engel – ein neues Kapitel enthüllt sich.

“Es ist wichtig zu beachten, dass es viele verschiedene Arten von Rollenspielern gibt, die unterschiedliche Vorlieben und Perspektiven haben. Es ist wichtig, dass alle Spieler respektvoll miteinander umgehen und dass keine Gruppe von Spielern das Recht hat, andere auszuschließen oder ihnen vorzuschreiben, wie sie spielen sollen.“ – Hofrat Settembrini

Offline nobody@home

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Die aber, das sollte man hier nicht unerwähnt lassen, zum Teil augenzwinkernd sind und deren sozialwissenschaftliche Genauigkeit und Beschreibungsfähigkeit stark in Zweifel gezogen werden könnte.

Von einem relativ dünnen Büchlein, das schon mit einem Wortspiel mit dem Namen seines Verfassers im Titel anfängt, erwartet ja hoffentlich auch niemand eine todernste sozialwissenschaftliche Abhandlung. ;)

Persönlich geht's mir mit der Laws'schen Spielertaxonomie wie mit beispielsweise der von Aaron Allston (meines Wissens zuerst erschienen in der Urversion von Strike Force und dann leicht gekürzt im dicken blauen Champions-4th-Edition-Buch enthalten) auch -- auch, wenn sie nicht hochakademischen Fachansprüchen genügen mögen, helfen sie mir allemal dabei, im Hinterkopf zu behalten, wie vielfältig die Motivationen und Interessen von Spielern potentiell sein können (mit ihnen verglichen wirken Versuche wie der im gerade besprochenen Text, alle Rollenspieler überall in gerade nur drei oder vier verschiedene Schubladen zu stecken, sogar schon fast ein wenig hilflos), und geben mir ein paar Begriffe mit, mit denen sich die dann bei Bedarf einigermaßen ausdrücken lassen. Und viel mehr verlange ich ja gar nicht -- mit den konkreten einzelnen Leuten am Tisch muß ich mich ja so oder so immer noch individuell zusammenraufen.

Ach ja, und Abo. :)

Offline Huhn

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Tolle Idee, dieser Thread! Vielleicht motiviert er mich ja, ein paar der Essays nochmal gezielt zu lesen!

Offline Arkam

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Hallo zusammen,

ich habe die Originaltexte nicht gelesen kann mich also nur auf die Vorstellung beziehen.
Was den Hintergrund angeht bin ich nicht ganz beim Autor. Absolut recht hat er wenn es darum geht was unbedingt in ein Abenteuer gehört. Da sollte auch der Schwerpunkt sein.
Aber was vom Hintergrund für meine Spieler relevant ist kann ja sehr unterschiedlich sein. Optimalerweise reißt das Abenteuer den Hintergrund, uraltes untergegangenes Reich, nur an und wenn die Spieler Details anfordern oder eine entsprechende Zeitreise ansteht kann ich auf das entsprechende Quellenbuch zurück greifen. Das wiederum mit dem Schwerpunkt auf den Hintergrund und nicht auf neuen Regeln. Mir ist bewusst das das ein frommer Wunsch ist weil Regeln und neue Charakteroptionen sich eben besser verkaufen.

Die Spielertypen finde ich gut nachvollziehbar. Der Killer ist für mich ein Spieler der eine Herausforderung lösen möchte. Im Computerspiel kann man ja sauber zwischen Umgebung, realen Spielern und deren Charakteren, NPCs und Teamspiel unterscheiden.
Solche Spieler im Rollenspiel kennen sich häufig auch gut mit den Regeln aus. Auf Wunsch sind sie meistens gerne bereit auch beim Erstellen des Charakters eines Mitspielers zu helfen.
Ich würde sagen das man im Rollenspiel durchaus Schwerpunkte setzen kann aber auch immer ein paar Nischen für alle Typen einbauen sollte. Denn schließlich soll möglichst kein Spieler eine komplette Spielsitzung als langweilig bis nervig abschreiben.

Gruß Jochen
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Offline Talwyn

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Wer hat's geschrieben?
Autorin des dritten Essays ist Anne K. Brown, ihres Zeichens lange Zeit tätig gewesen auf der Redaktionsseite von TSR wo sie hauptsächlich für Ravenloft, Spelljammer und Greyhawk verantwortlich war. Zu den bekanntesten Publikationen an denen sie mitgewirkt hat gehören das bei seinen Fans sehr beliebte Ravenloft-Boxed-Set "Mask of Red Death" sowie der "Tome of Magic" für AD&D 2nd Edition.

Worum geht's?
Vorlesetext und wie man ihn schreiben sollte. Dabei empfiehlt die Autorin zwei Tipps, nämlich "show don't tell" sowie "use the five senses". Veranschaulicht wird das ganze anhand von drei Vorlesetexten, die im Verlauf des Essays schrittweise um die Anwendung dieser Tipps verfeinert werden, so dass aus knappen prägnanten Texten ohne viel "Stimmung" ausführliche und durchaus blumige Beschreibungen werden. Es folgt wie auf jeden Essay ein "Encounter", wobei es sich diesmal um einen sehr langen Vorlesetext handelt.

Was ich davon halte
An Vorlesetexten in Kaufabenteuern scheiden sich bekanntlich die Geister. Ich persönlich bin kein großer Freund davon, allein schon weil viel zu oft die Situation im Spiel eben doch ausreichend von der vorgefertigten Beschreibung abweicht, als dass man den Text unverändert verwenden könnte. Was dann dazu führt, dass man am Ende doch wieder herumstöpselt und der gewünschte Effekt, nämlich die Erzeugung einer dichten Atmosphäre wieder nicht erzielt wird. Davon abgesehen sind die Tipps in dem Essay konkret und gut nachvollziehbar beschrieben. Allerdings sind sie auch alles andere als neu (wie die Autorin selbst einräumt) und dürften wohl so ziemlich das erste sein, was in jedem beliebigen "Creative Writing 101" vermittelt wird. Hätte man nun ein wenig erörtert, welche Rolle Vorlesetext im Rollenspielabenteuer spielen, wie man sie evtl. gewinnbringend einsetzen kann, welche Stolpersteine man vermeiden sollte (konkrete Tageszeit voraussetzen usw.), dann hätte der Essay einen gewissen Mehrwert bieten können. In der vorliegenden Form finde ich ihn aber eher überflüssig nur für Schreib-Anfänger interessant.
« Letzte Änderung: 26.05.2021 | 10:02 von Talwyn »
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