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Savage Fading Suns

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Das Zweite Gesicht
Scharfäugig fängt Connoron unterwegs mehrere fragende Seitenblicke auf, die von den jüngeren Priestern seinem Kameraden zugeworfen werden. Im Gehen fragt er ihn in gedämpfter Stimme: "Sagt, ist dies Euer erster Besuch hier seit Eurem Studium der Texte? Mich deucht, die Novizen verfolgen Euch mit unsicheren Blicken!"
Ebenso halblaut antwortet Eccoro: "Mein Studium sollte meiner Priesterweihe vorausgehen. Man hat es auch hier nicht gern gesehen, dass ich den Klerus vorzeitig verlassen habe."
"So ...?"
Eccoro zuckt mit den Schultern: "Ich musste. Der Allschöpfer hat wohl vorgesehen, mich auf einen ungewöhnlichen Kurs zu schicken."
An einem langen Tisch aus Edelholz finden die beiden sich wieder der Illuminatus gegenüber.


Zirkonias Konferenzraum

"Gestattet Ihr mir gleich zu Anfang eine Frage, Illuminatus?", hebt Connoron an.
"Zur Lösung von Fragen sind wir alle vornehmlich hier, Sir Hawkwood. Fragt."
"Was brachte Euch denn nun auf mich? Kaum jemand weiß von meiner Reise nach Stigmata! Und ich habe bisher wenig Kontakt gepflegt zum Eskatonischen Orden. Wie also kann ich Euch zu Diensten sein?"
"Es ist vor allem Eure Reise zu den Überresten von Velarno, Sir Hawkwood, die unser Augenmerk auf Euch gezogen haben. Ihr habt doch mit mehreren Söldnern in Darmak Station über eine derartige Expedition gesprochen, unter anderem mit der Gewerkschaft. Auf diese Weise hat uns auch hier draußen diese Kunde erreicht."
Connoron lächelt: "Meine Dame, dies ist eher eine politische Unternehmung als eine spirituelle Pilgerfahrt. Daheim auf dem Planeten Delphi steht einiges für mich auf dem Spiel."
"Dabei irrt Ihr, Sire! Sollte Euch gelingen, was Ihr Euch vorgenommen habt, wird derartige Kunde auch hierzulande die Moral der Siedler stärken. Eine Geschichte von solcherlei Wiederinbesitznahme kann die Feuer in den Herzen der Gläubigen auflodern lassen. Ihr seid als einziger in Eurer Familie bereit, das zu tun, zu dem Imperator Alexius uns alle aufgerufen hat."
Connoron runzelt verwundert die Stirn: "Ihr scheint recht gut informiert zu sein über mein Vorhaben!"
"Die Mächte der Theurgie haben Euer Eintreffen bereits vorausgesagt, bevor Ihr es selbst wusstet, dass Ihr Euch auf diese Reise begeben würdet. Wir hatten hier in Darmak Station diesen Hinweis bereits seit langer Zeit, ohne zu wissen, wie er zu deuten war. Aber der Pilgerstab den Ihr mit Euch führt, hat uns geholfen, die Vorhersage richtig zu deuten."
Connoron wechselt etwas verdattert einen Blick mit Eccoro.
"Und Ihr seid dazu in der Lage, solche Voraussagen zu machen, Illuminatus?"
Zirkonia schüttelt den Kopf: "Ich nicht, nein. Aber der Planet Stigmata ist ein Schmelztigel für Menschen mit außersinnlichen Kräften. Manche werden hergebracht, um als Waffe gegen die Symbioten verwendet zu werden, andere kommen auf verschlungenen Wegen hierher. Eine von jenen hat Euer Kommen vorausgesehen, und prophezeiht, dass Ihr Euch auf eine Suche machen würdet, die für viele Menschen hier bedeutsam werden wird."
"Sie ist vor allem bedeutsam für das Haus Ullivan-Hawkwood auf Delphi, meine Dame", murrt Connoron etwas unsicher.
"So ist der Ruhm, den Ihr hier ernten wollt, nur ein Mittel zum Zweck?", fragt sie, fast belustigt.
"Ungewiss. Jedenfalls ist diese Expedition eine durchaus weltliche Angelegenheit, keine spirituelle."
"Und woher habt Ihr den Hirtenstab, an dem man Euch erkannt hat, Sire?"
"Er ist in den Besitz meiner Familie übergegangen von einem ländlichen Wanderprediger auf Delphi, seinerzeit einem sehr wohlbekannten Mann der Kirche."
"Ein ungewöhnliches Attribut für einen Adeligen, fürwahr. Ist er also nur mondäner Natur?"
Connoron rückt etwas unbequem auf seinem Stuhl hin und her, "nein, unsere orthodoxen Priester halten ihn für einen Talisman, ein theurgisches Relikt. Es heißt, etwas vom Willen seines einstigen Besitzers sei darauf übergegangen. Ich habe ihn als Glücksbringer mitgenommen. Ich übergebe ihn wieder der Kirche auf Delphi, wenn ich zurückkehre. Ich kann auf Stigmata alles Glück brauchen, das ich bekommen kann."
Zirkonia nickt, und entgegnet: "Und Ihr seid stark genug im Glauben, dass Ihr die Wundertaten der Theurgie akzeptieren könnt?"
"Natürlich, meine Dame. Eccoro Édos hat mich unterrichtet, dass Ihr diese Gabe habt."
Eccoro setzt etwas zurückhaltend dazu an, etwas zu sagen, aber Zirkonia fährt bereits fort: "Und Herr Édos sollte wissen, wovon er spricht. Dann glaubt mir, dass es eine Vorahnung gab von jemandem, der Euer Kommen gespürt hat, und wahrscheinlich zum Lösen Eurer großen Aufgabe beitragen kann."
Connoron atmet einmal tief durch, und antwortet: "Vergebt mir, ich war auf Derartiges nicht vorbereitet für meine Ankunft auf dieser Welt. Wer von Euren Geweihten in Eurem Kloster kann mir also von diesem Zweiten Gesicht erzählen?"
"Niemand, Sire."
"Niemand?"
"Sie ist nicht hier, und ist auch nicht Teil unserer Glaubensgemeinschaft. Um Euch Einblick in Eure Zukunft zu gewähren, muss ich Euch also vorerst um einen Ritterdienst bitten. Bevor die Theurgin Euch helfen kann, müsst zuerst Ihr es schaffen, ihr zu helfen."

Hinter den Kulissen
Das eskatonische Kloster St. Lexaina ist sehr esoterisch eingestellt, und wird durchaus misstrauisch von vielen orthodoxen Strenggläubigen beäugt, aber es hat viele fähige Theurgen in seinen Diensten. Das Kloster steht tatsächlich in viel weniger engem Kontakt mit der Manifest Light Legion als man annehmen würde, weit weniger als die meisten anderen Einrichtungen der Eskatonier von Darmak Station. Das St.-Lexaina-Kloster hat lange Zeit die Angehörigen und jungen Leute aufgenommen, welche nicht für ein Kampftraining mit der Manifest Light-Gruppe zu taugen schienen. Zirkonia Venorra hat das Kloster St. Lexaina unter ihrem Einfluss und will die bröckelnde Gemeinde in dessen Umland zusammenhalten, indem sie Connoron in seiner Mission unterstützt. Sie sieht die Zusammenhänge zwischen seiner Queste und der Vision der verschwundenen Nonne Ezandrah, und hat nun vor, Connoron zu beauftragen, sie wiederzufinden, und ihre Vision womöglich für die Kirche wieder zugänglich zu machen.

Venorra entstammt einer Familie, die auf vielen Welten den Hawkwoods Dienst tun, einer ihrer Vorfahren war sogar ein Lehensritter in Diensten von Haus Hawkwood. Sie setzt gewisse Hoffnungen in das Gelingen von Connoron Hawkwoods Mission, aber zuerst muss sie ihn dazu bringen, der verschwundenen Nonne zu helfen.

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Zirkonia Venorra erzählt den beiden Rittern die Geschichte der Nonne Ezandrah aus dem orthodoxen St.-Naretha-Konvent, die seit Jahren von Visionen geplagt ist. Auch Eccoro hat (dank einem hohen Common Knowlege-Wurf) bereits in Darmak Station von Ezandrahs Drama gehört, aber bisher das meiste davon für urbane Legenden gehalten. Zirkonia jedoch scheint fest daran zu glauben, dass Ezandrahs prophetische Kräfte einem höheren Zweck dienen — oder es eines Tages tun werden.

Seit Jahren ist in Darmak Station bekannt, dass eine junge, blinde Nonne von heftig umstrittenen Visionen vom Pax Alexius heimgesucht wird, aufgrund dieser sie schließlich aus ihrem Kloster hinaus auf die Straße getrieben worden ist. Die Klöster St. Lexaina (Eskatonischer Orden) und St. Naretha (Urd-Orthodoxie) sind wegen der unterschiedlichen Doktrin nicht sonderlich gut aufeinander zu sprechen, und Zirkonia Venorra darf deswegen keine offiziellen Wege gehen, um sich in das Schicksal der verlorenen Nonne einzumischen.
Venorra ist nun der Meinung, Connoron Hawkwood müsse Ezandrah finden und von ihrem selbstgewählten Pfad im Exil in Darmak Station wieder hinunter führen, zurück zur Kirche. Nur so würde sie ihr Schicksal erfüllen können, welches der Allschöpfer ihr zugedacht habe; ihre Visionen müssen Gehör finden. (Zirkonia selbst kann diese Aufgabe nicht übernehmen, obwohl sie es früher gerne getan hätte, wegen der Unterschiede im Glauben der beiden Geistlichen. Immerhin ist sehr klar geworden, dass Schwester Ezandrah der Orthodoxie trotz allem noch verpflichtet ist, und es immer sein wird.)
Ein paar der Orakelsprüche der Blinden hat Zirkonia jedoch gehört: „Jener Sternfahrer mit dem Hirtenstab“ ist darin ein wiederkehrendes Motiv. Ezandrahs Visionen scheinen außerdem etwas über die Ullivan-Hawkwoods zu beinhalten, und im Austausch für Ezandrahs Errettung verspricht Zirkonia zu helfen, diese Hinweise zusammenzusetzen.

Meine SCs akzeptieren also dieses Gesuch – wie könnten sie anders mit ihrem jeweiligen Ehrenkodex-Nachteil – und erhalten eine neue
Queste (Gruppe): Schwester Ezandrah finden und vor dem Leben als Straßenmädchen retten (Clue Target: 4)


Treffen im Hinterzimmer
Mit den schweren Versorgungstrucks kehren die beiden Männer vom Dorf Elemh aus zum Raumhafen zurück.
"Wir haben nur noch zwei Tage, bis wir unseren Flug nehmen müssen! Ich hoffe, wir finden dieses Mädchen schnell!", lässt Connoron nachdenklich vernehmen.
"So Gott will. Ich kenne ein paar Orte, wo wir die Suche aufnehmen können. Unter anderem das orthodoxe Kloster, aus dem sie geflüchtet sein soll."
"Dann vertraue ich auf Eure Findigkeit als Rechercheur, Sir Édos."
"Ich will Euch ungerne enttäuschen, Herr Hawkwood. Wisst aber, dass ich nicht eben ein Ermittler bin! Ich bin eher Kämpfer, und gelegentlich ein besserer Laufbursche für die Manifest-Light-Streitkräfte."
"Verstehe. Nun, wir tun unser Bestes. Wenn das nicht ausreicht, habe ich noch genug Firebirds, um die Hilfe eines Ortskundigen dazu zu kaufen. Wo also fangen wir an?"
"Beim St.-Naretha-Kloster. Von hier soll Ezandrah geflüchtet sein ... oder weggejagt worden sein, so sagen manche. Es ist recht zentral gelegen, nur ein paar Stunden vom Raumhafen."

Im Fröhlichen Spielmann angekommen entgeht beiden Rittern, wie ein junger Mann in Lederkluft am Tresen aufschaut, als sie eintreten, und sofort nach seinem Krächzer greift, um etwas hineinzusprechen. Sie haben nicht einmal die Treppe erreicht, als der Barkeeper und mehrere weitere dunkel gekleidete Personen sie umringen: "Sir Hawkwood! Ihr werdet bereits dringlich zurück erwartet, Sire! Mir wurde aufgetragen, Euch sogleich in unser Clubzimmer zu führen, wenn Ihr wieder eintrefft!", stottert der Wirt. Die Typen in den Lederkluften nicken humorlos. Der Barkeeper sieht so blass und unsicher aus, als fürchte er um sein Leben.
Eccoro legt eine Hand auf den Griff seines Streitkolbens: "Gibt es hier einen Disput zu klären?"
Der Wirt schüttelt eilig den Kopf: "Nein nein, Herr Ritter! Nur eine freundliche Unterredung! Bitte folgt mir, die Getränke gehen natürlich auf Euren Gastgeber!"
Beide SCs wechseln einen Blick, und Connoron sieht warnend aus: Die ganze Taverne füllt sich gerade mit Leuten, die ähnlich wehrhaft aussehen. Einige könnten zur Diebesgilde gehören, oder zu den Scravers.
"Wohlan! Zeigt uns den Salon, mein Herr!", knurrt Connoron.

In einem halbdunklen Hinterzimmer werden die beiden eine Weile warten gelassen, vor der Tür scheint eine Gruppe der Halsabschneider wie zufällig herumzuhängen.
"Beim kleinsten Anzeichen eines Angriffs bekommen sie meinen Ceramstahl zu schmecken", raunt Eccoro, kalter Zorn klingt in seiner Stimme.
"Behutsam, junger Freund!", entgegnet Connoron leise, "Wenn das erneut die Diebesgilde ist, dann dürfte ihnen mittlerweile klar sein, dass fünf Messerstecher gemeinsam keine Chance gegen Euch haben. Sie werden sich etwas anderes einfallen lassen haben. Wir müssen unsere Köpfe anstrengen, um hier heraus zu kommen!"
Dennoch umklammert auch seine Hand den Griff seines Langschwertes.
Plötzlich schreiten beschwingt ein halbes Dutzend Gestalten in das Hinterzimmer: Sie scheinen äußerst bestimmt in all ihren Bewegungen, strahlen eine beängstigende kriminelle Energie aus. An ihrer Spitze befindet sich ein Mann in einem hellen Ledermantel mit einem Zylinderhut, mit langer spitzer Nase, und rückenlangen, neon-pinken Haaren. Um sein eines Auge ist das ominöse Karo-Zeichen der Schrottsammler-Gilde tätowiert. Er wirft sich in den Sessel auf der anderen Seite des Tisches, gegenüber den Wartenden, legt die Füße darauf und lehnt sich genüsslich zurück.
"Octor Draykov", knurrt Eccoro.
"In voller Größe. Ich bin so schnell hergekommen wie ich konnte! Verzeiht, dass Ihr warten musstet, meine Herren, ich bin untröstlich." Draykov macht eine vage Geste in der Luft, die durchaus auch eine wegwerfende Handbewegung sein könnte, als verspotte er die beiden.
Ein stämmiger Schlägertyp der neben Draykov steht stößt ein Schnauben aus unter seinem Nasenpflaster; das ist der, den Eccoro mit seinem Rundschild an die Gassenwand gerammt hatte gestern. Er ist offenbar ebenfalls untröstlich, aber anders.
Eccoro sagt abweisend: "Wir haben wenig Zeit, insbesondere für jene Art von Geschäften, wie Ihr sie zu machen pflegt, Draykov."
"Umso willkommener, dass Ihr Euch dennoch die Zeit genommen habt. Immerhin war es recht aufwendig, Sir Connorons Bleibe herauszufinden! All die Arbeit, die meine Jungs investieren mussten. Ich wurde von meinen Freunden aus der Handelsliga gebeten, eine kleine Unannehmlichkeit aus der Welt zu schaffen."
"Lasst die Baroness al-Malik künftig in Frieden, und wir lassen die Sache auf sich beruhen", sagt Eccoro grimmig.
"Also ist sie tatsächlich eine Verbündete von Euch beiden?", fragt Draykov, wie beiläufig.
Connoron versetzt, "nur eine Weggefährtin. Dass ihr Leibwächter diese Halsabschneider niedergemacht hat, haben sie sich selbst zuzuschreiben!"
"Ah, aber genau deswegen seid Ihr jetzt hier! Meine Freunde von der Diebesgilde sind an mich herangetreten deswegen. Und jetzt muss ich irgendwie Recht sprechen."
Connoron erhebt die Stimme: "Recht sprechen? Für einen Haufen Meuchelmörder?!"
"Oh, Ihr missversteht, Sire. Die Diebesgilde hatte keinen feigen Mord im Sinne in jener Nacht. Dafür ist immerhin die Gilde der Assassinen zuständig. Sie sind nur den Tätigkeiten ihrer Zunft nachgegangen. Das Anbaugebäude neben der Botschaft war lange Zeit recht lukrativ für sie, bis dieser Ukar kam. Und jetzt muss ich mich damit abgeben, Ordnung in diese Sache zu bringen! Bei Tage herrscht die Imperiale Legion in Darmak Station, ganz gewiss. Aber bei Nacht herrsche ich. ... Jasba?"
Ein kompakt gebauter Jugendlicher mit hasserfülltem Gesichtsausdruck tritt neben seinen Boss: "Die sind es! Der mit dem Rauschebart war mit im Botschaftsgebäude! Der hat gemeinsame Sache gemacht mit der al-Malik und ihrem Alien-Ungeheuer!"
Draykov bringt den Jungen mit einer Handbewegung zum Schweigen: "Jasbas Bruder war einer der Getöteten. Wer könnte ihm nun ein wenig Groll über die Sache vorwerfen?"
"Was wollt Ihr von uns? Einen weiteren Kampf?", fragt Eccoro und legt mit einem schweren, dumpfen Klacken seinen Streitkolben vor sich auf den Tisch.
"Vorsicht, junger Mann, wir alle hier sind so beladen mit versteckten Waffen, dass es Stunden dauern würde, Euch mit jeder einzelnen davon zu peinigen. Und der Schankraum draußen wimmelt von meinen Jungs. Möge also der "Imperiale Friede" auch hier drin währen, nicht wahr? Was ich will? Ich bin interessiert zu erfahren, was Euch hierher bringt, Sir Hawkwood. Dasselbe, was die Baroness hier sucht?"
Connoron: "Ich weiß nicht, was die Baroness vorhat. Was mich getrifft, seid Ihr mich alsbald wieder los hier in Eurem ... nächtlichen kleinen Hoheitsgebiet. Ich kann Euch im Weiteren nur abraten davon, es Euch mit Haus al-Malik zu verscherzen."
Draykov nimmt die Füße vom Tisch, stützt die Ellenbogen auf die Platte, und raunt: "Wir haben es uns hier zur Gewohnheit gemacht, neueingetroffene Repräsentanten der Machtgruppen näher ins Auge zu fassen. Diese Sache in die Ihr verwickelt seid, war höchst ungünstig für alle! Meine Diebe dürstet es nach Genugtuung! Und die Scravers als die stärkere Gilde können sie ihnen nicht grundlos verwehren, das wäre nicht recht! Wir müssen also alle miteinander einen Weg finden, diesen Schlamassel zu bereinigen! Vielleicht habt Ihr ja etwas anzubieten, hohe Herren, eine Art Handel. Eine Wiedergutmachung. Dafür müssen wir vorerst wissen, was Ihr im Schilde führt. Konstatiert Euer Begehr auf Stigmata!"
Connoron schweigt grimmig, dann sagt er, "Wir unternehmen eine Expedition jenseits des Siedlungsgebietes."
"Eine Expedition?"
"Jawohl. Im Norden von hier gibt es ehemalige Ländereien meiner Familie, die ich zu kartografieren plane."
Der Scraver mustert seine Gegenüber aus schmalen Augen. "Das klingt nicht sonderlich lukrativ oder erfolgversprechend. Dort oben sind nur Outlaws und Symbioten. Was wisst Ihr noch über die Baroness und ihren Ukar?"
"Unsere Unwissenheit über ihre Vorhaben schützt sie und uns vor Euch, Draykov", versetzt Eccoro wütend, "seht endlich ein, dass Ihr hier auf dem Holzweg seid. Es gehört mehr dazu als Einschüchterungsversuche, um den al-Malik auf die Schliche zu kommen."

Als wären alle nur lose Bekannte oder vielleicht tatsächlich Geschäftspartner, trotten die beiden Ritter zur Theke, während die vielen Gildenleute nach und nach den Fröhlichen Spielmann im Schlendergang verlassen. Connoron bestellt umgehend ein scharfes Getränk für sie beide. Der Barkeeper wirkt schuldbewusst, aber kann auch seine Erleichterung nicht ganz verbergen.
"Solltet Ihr nicht zuerst auf Euer Zimmer gehen und Euer Gepäck überprüfen? Bestimmt haben die Halunken es durchstöbert!", sagt Eccoro leise.
"Selbst wenn", antwortet Connoron schulterzuckend, "ich reise nur mit leichter Wanderausrüstung. Ich habe mich von allem unnützen Schnickschnack befreit vor Antritt meiner Reise hierher."
"Scheiss auf diesen Scraver", zischt Eccoro wütend, und kippt seinen Schnaps herunter.
"Scheiss auf diesen Scraver!", wiederholt Connoron leise, beinahe gut gelaunt, und tut es dem jüngeren Mann gleich. Beide wechseln einen Blick.
"Können wir los?", fragt Connoron.
"Jup."

Ich ermittle wie zwischen den meisten Szenen einen GM Move wie im One Page Solo Engine beschrieben. Ich bekomme, "Advance a Threat", also gibt's mal wieder Schwierigkeiten, die sich weiter aufbauen.
Auf der gewaltigen Agora von Darmak Station hält gerade eine Schausteller-Karawane Einzug, begleitet von großem Pomp, Aufregung, und Fanfarenklängen. Sie sind bereits dabei, ein riesiges Zirkuszelt für eine Zauberlaternenschau aufzustellen. Auf dem Weg zu einer Droschke, die sie zum St.-Naretha-Kloster bringen kann, entdeckt Connoron jedoch ein Gesicht in der Menge wieder: "Sir Édos, seht dort hinten. ... Schaut unauffällig! Es ist Jasba, der Bruder des Gefallenen aus der Diebesgilde."
"Sieht fast aus als würde er uns folgen."
"Womöglich hat ihm der sogenannte Richterspruch seines Herrn nicht ausgereicht!"
"Widersacher an jeder Ecke. Willkommen auf dem Planeten Stigmata! Bei Gott ..."
"Mit unserer Droschke ist er schnell abgehängt."

Das St.-Naretha-Kloster
Als der Abend hereinbricht, erreichen die SCs ihr Ziel. Das St.-Naretha-Nonnenkloster ist einer der größten solchen Konvente der Raumhafenstadt. Die Einrichtung ist sehr weitläufig, sehr schmucklos (zumindest im Vergleich zum pittoresken St.-Lexaina-Kloster), und sehr streng geordnet. Hier tun über vierhundert Nonnen ihren Dienst am Allschöpfer, hauptsächlich Witwen und Waisenmädchen aus den vielen Kriegsgebieten des Planeten. Es ist ein beeindruckender Bau, viel moderner und schnörkelloser als das Landkloster heute morgen, sein Gegenstück.
Die beiden schauen an den imposanten Mosaikfenstern empor.
"Was sollen wir den Nonnen sagen?", fragt Eccoro ratlos.
"Nun, wo mich schon alle für einen Pilger halten, können wir dies ja hier argumentativ nutzen. Ganz gelogen ist es auch nicht. Diese Ezandrah ist doch hierzulande zu einer Art traurigen Berühmtheit gelangt! Ich sage, die Mär von ihrer Gabe ist mir auf Durchreise zu Ohren gekommen, und ich kann einer derart traurigen Geschichte nicht den Rücken zukehren, insbesondere auf Wallfahrt. Überlasst das Reden ruhig mir!"


Im Inneren

Dank Connorons Redekunst gelangen die beiden tatsächlich hinein, und werden bald darauf auf einem der Galeriegänge von der Mutter Oberin begrüßt. Eccoro verstaut rechtzeitig seinen Anhänger mit dem eskatonischen Symbol unter seinem Brustpanzer. Ihm ist offensichtlich nicht wohl, so umringt von Klerikern der Orthodoxie.


Loiza Haridh

Die Mutter Oberin Loiza Haridh weiß genau Bescheid über Ezandrah, aber betrachtet die Geschichte mit strengem Missfallen: St. Naretha habe jahrelang immer wieder „seinem verlorenen Schaf die Hand gereicht“, und immer sei diese nach einigem Zögern ausgeschlagen worden. Loiza Haridh hat Ezandrah aufgegeben und sagt dem Mädchen nicht nur übergroße Sturköpfigkeit nach, sondern schlussendlich Hybris.
"Aber wenn Ezandrah von sich aus darum bäte, wieder in den Schutz der Kirche zurückkehren zu dürfen, würdet Ihr es ihr nicht gestatten?", fragt Connoron beschwichtigend.
"Ach, Herr Hawkwood. Wäre dies nicht schon so oft allem Anschein nach geschehen ... direkt gefolgt jedoch von weiteren Visionen, weiterem Aufbegehren, neuem Ungehorsam ... und schließlich wieder der Flucht von uns ... dann würde ich Euch gern Eure Frage bejahen. Ezandrah muss dieses Hin und Her ebenso leid sein wie es uns ist. Ich habe in meiner Zeit so manches wilde Schaf gebändigt bekommen, so der Allschöpfer will. Aber bei manchen — ein paar ganz wenigen — ist es hoffnungslos. Wir passen vielleicht nicht zueinander, Schwester Ezandrah und diese Gemeinschaft. Obwohl ich weiß, dass sie ihren Eid der Orthodoxie gegenüber immer ernst nimmt, und uns sicherlich immerdar verbunden sein wird! Aus der Ferne ertragen sie und wir uns jedoch leichter. In weniger aufgeklärten Gegenden wäre sie längst der Inquisition übergeben worden, auf dass sie Besserung lernen möge."
"Ihr seid der Arbeit an ihr gewiss zurecht überdrüssig, Mutter Oberin", sagt Connoron, "also erlaubt, dass wir es an Eurer statt einmal mit unseren Argumenten versuchen. Wo nicht gute Gründe das arme Kind erreichen können, wie Ihr sie vorgebracht habt, da kommen wir vielleicht mit einem offenherzigen Gesuch und schlicht etwas Glück weiter. Sagt mir nur, wo wir sie finden könnten."

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Advances
Meine SCs erhalten an dieser Stelle ihren nächsten Advance. Folgendes bekommen sie spendiert:
Connoron: Charismatic-Vorteil
Eccoro: Strength ➜ W10.


Auf dem Cunona Plaza
Mutter Oberin Loiza Haridh weiß, dass Ezandrah oft als Bettlerin am Cunona Plaza gesehen wurde. Ein paar ihrer Novizen stecken ihr dort gelegentlich etwas Essen zu, aber es kommt nicht mehr zu Gesprächen unter den Mädchen. Loiza scheint nicht daran zu glauben, dass Sir Hawkwood und sein Begleiter etwas ausrichten können, aber will es sie versuchen lassen. Dies ist mein nächster Clue für die laufende Queste!



Der nächtliche Cunona Plaza ist einer der weitläufigsten Plätze des Stadtteils in dem die beiden Ritter sich gerade befinden. Sie fragen bei den Gruppen aus Stadtschreiern, Schaustellern, Kurtisanen, und Sternenreisenden herum, ob sie kürzlich Schwester Ezandrah gesehen haben. Viele der Angesprochenen kennen den Namen, und manche haben wilde Geschichten von wahnsinnigen Vorahnungen und möglicher Hybris über sie gehört, aber niemand weiß, wo sie gerade sein könnte. Ein paar Streuner bekommen es sogar direkt mit der Angst zu tun, als sie von den St.-Naretha-Nonnen hören, und brechen das Gespräch ab, als handle es sich um eine Gruppe gemeingefährlicher Milizkämpfer und nicht um ein friedliches Nonnenkloster.

Am Rande: Dies könnte übrigens ein Hinweis sein auf die Schwestern des Schmelztigels, eine Gruppierung, von der meine SCs aber gar nichts wissen. Laut den Regeln in FlexTale könnte das ein sogenannter "Unlinked Clue" sein, den man für spätere Quests im Voraus sammeln kann. Laut Tabellenergebnis zählt diese Information aber nicht als solcher. Meine SCs können also nichts mit der merkwürdigen Reaktion der Streuner anfangen.

Ein kleiner, stämmiger Wüstenpilger mit knielangem Bart lacht bei der Erwähnung des Namens Ezandrah, und sagt vergnügt, diese junge Dame sei hier gewisslich anzutreffen, man müsse nur geduldig sein, weil sie zu keinen festen Zeiten auf den Cunona Plaza käme, blind wie sie ist. "Was sind einer Blinden schon Tag- und Nachtzeiten?", fragt er fröhlich, "und hier auf dem Plaza ist immer Leben, wie Ihr seht, er schläft nie. Allein ihre widersprüchlichen Visionen sind's, die Schwester Ezandrah umtreiben und ihren Tagesablauf bestimmen."
Connoron fragt bedenkenvoll: "Und sie ist wirklich ganz allein? Es gibt niemanden, der zu ihr hält?"
"Nicht mehr, seit sie endgültig den Konvent verlassen und auch noch mit ihrer letzten Blutsverwandten gebrochen haben soll. Jéshora, die um Ezandrahs Visionen weiß, aber sich in die offene Wüste hinaus treiben lassen hat. Eine Ketzerin! Aber was für ein Anblick, hohe Herren, was für ein Anblick ... Solltet Ihr Euch in bestimmte Gegenden in der Wüstenei vor der Stadt verirren, und dieser Gestalt begegnen, ist hohen Herren wie Euch empfohlen, rasch die Augen abzuwenden, um Euer Seelenheil zu schützen ...!"
Connoron sagt belustigt: "Kann die Hybris dieser zweiten Schwester denn so schlimm sein ...?"
Der Wallfahrer kichert, "Ihr schreckliches Kettenschwert kann es, wenn schon nicht ihre Hybris! Aber was für ein Anblick ..."
Eccoro fragt: "Dann ist diese Jéshora eine Strauchdiebin dort draußen?"
"Es heißt im Gegenteil, sie würde manchmal kleine Gruppen von Reisenden vor Überfällen geschützt haben. Eher eine verrückte Freischärlerin. Ketzertum und Wüstensonne haben das ihrige mit der Verlorenen angestellt."
Eccoro: "Und jemanden wie sie will das St.-Naretha-Kloster wahrscheinlich nicht zurück, oder doch?"
Der Bärtige lacht: "Mit Jéshora muss geschehen sein, was Ezandrah noch bevorsteht! Es gibt kein Zurück nach einem derartigen Sündenfall! Gehabt Euch wohl ..."

Diese Begegnung ist laut Würfeltabelle durchaus ein nützlicher Hinweis für meine neue Queste, damit habe ich den zweiten Clue von vier.
 
Connoron will dem Wallfahrer noch eine Münze zustecken, aber er lehnt ab und wandert weiter. Die beiden Ritter sehen sich an, und Eccoro sagt: "Das war wohl kaum hilfreich, oder? Wir können nicht die Wüste durchkämmen nach einer einzelgängerischen Verrückten, nur in der Hoffnung, dass diese etwas über Ezandrahs Aufenthaltsort weiß."
"Nein, gewiss nicht. Dennoch dauert es mich etwas, zu hören, dass gleich zwei Schwestern durch diese Visionen ihrem Kloster den Rücken gekehrt haben. Welch eine Tragödie."

Was den SCs jedoch durchaus hilft, ist die Nennung des Namens Jéshora. Sie wollen schon ihr Tagewerk beenden, da kommen sie noch einmal ins Gespräch, und fragen aus Neugier nach Ezandrahs Verwandter. Connoron erfährt dabei von einer Gruppe Stadtschreier, dass sich wegen Jéshora ein paar Avesti-Mönche auf dem Cunona Plaza herumtreiben, vor denen viele Angst haben.
Der Junge raunt: "Jéshora soll vor ein paar Tagen in die Stadt gekommen sein, womöglich um zu versuchen, mit Ezandrah zu reden! Die Avesti-Mönche verfolgen sie natürlich beide! Seitdem warten sie tagsüber auf dem Cunona Plaza, dass eine der beiden erneut auf der Bildfläche erscheint!"


Gute alte Avesti-Mönche, sie wollen nur helfen!

Diese Avesti stehen schweigend Spalier bei einem der Denkmäler, gehüllt in ihre charakteristischen feuerroten Roben, und einer von ihnen hat einen der schweren Flammenwerfer umgegurtet, für die ihre Kirchensekte so gefürchtet ist. Sie scheinen freudlos zu warten, und zu beobachten.
Eccoro tritt vor das Grüppchen, und fragt, ob sie nach Sündern Ausschau hielten?
"Weiß Gott, ja", sagt der eine Avesti heiser, "wir warten auf Schwester Ezandrah, die vom St.-Naretha-Kloster verstoßen wurde."
Connoron erzielt direkt ein Raise bei Persuasion: "Wir sind einfache Gläubige, und obschon von anderen Glaubensrichtungen, wollen wir Euch in Eurer heiligen Arbeit unterstützen! Immerhin sind wir alle Schäfchen des Allschöpfers und der Heiligen Flamme!"
Der Avesti nickt bitter ernst: "Danke, o Bruder!"
"Wann erwartet Ihr das Erscheinen der Gesuchten, und von wo wird sie kommen?"
"Vermutlich bei Taganbruch, aber man kann weiß der Himmel nicht sicher sein. Darum stehen ein paar von uns auch die Nacht über hier. Sie kommt von der Ruine des Armenhauses dort am Rand des Cunona Plaza her."
"Und warum stellt Ihr sie nicht dort?"
Der Avesti-Mönch grimmassiert: "Die Ruine ist immer noch in Hand der Orthodoxie. Wir werden dort nicht von deren Priestern eingelassen, wegen Unterschieden im Glauben!"

Das ist mein dritter Clue. Alles was meine beiden SCs jetzt noch machen müssen, ist das ehemalige Armenhaus zu durchsuchen.


So geräumig es auch ist, das einstige Armenhaus macht nicht mehr viel her

Auch hier öffnen Connorons Redekünste den beiden die Türen (dank dem Reroll den sein neuer Charismatic-Vorteil ihm gewährt, kommt er am Ende sogar auf zwei Raises). Des nachts darf niemand kommen und gehen in der Ruine, weil sie bis heute ihren Zweck als Armengaus weitgehend erfüllt, aber ab der Morgendämmerung sind die Kirchendiener bereit, für die beiden eine Ausnahme zu machen.
"Dann müssen wir hoffen, dass Schwester Ezandrah dort nicht schon ausgeflogen ist, wenn der Tag anbricht", murmelt Connoron, als sie gehen.
"Und dass sie dann nicht dem Tempel Avesti in die Arme läuft auf dem Plaza. Sollten die sie kriegen, können wir Zirkonias Queste vergessen."
"Die Mönche werden ihre Redlichkeit überprüfen wollen, sie haben die Gerüchte um Ezandrah auch gehört. Wahrscheinlich soll es nur eine Befragung sein, denkt Ihr nicht, Sir Édos?"
"Ja, gewiss. Aber es kommt darauf an, wo diese Befragung stattfinden soll. Nach dem Ruf der Avesti kann es durchaus sein, dass sie das Mädchen in ein Raumschiff setzen, und sie auf dem glühenden Wüstenplaneten Pyre befragen!"

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Der Ritterdienst
Meine SCs mieten sich also in einer kleinen Herberge direkt am Cunona Plaza ein, von wo aus sie Sicht auf das einstige Armenhaus haben. Schlafen werden sie trotzdem müssen, es war ein langer, anstrengender Tag für beide (und Sir Connoron braucht etwas Schlaf, der Typ ist Ende 50). Vor Dämmerungseinbruch sind sie schon wieder auf den Beinen.

Die beiden finden unter der Ruine in der riesenhaften, erbärmlichen Unterkellerung an einer der Feuertonnen eine junge Nonne unter den anderen abgerissenen Gestalten. Das graue Dämmerlicht sickert durch die Gitter an der hohen Gewölbedecke, welche auf Strassenniveau angebracht sind. Alle Umstehenden machen sich entsetzt und wortlos davon, als sie das Hawkwood-Wappen an Connorons Umhang sehen, sie wagen nicht einmal, Adeligen auch nur ins Antlitz zu blicken. Ezandrah steht also plötzlich allein da, wendet das Gesicht lauschend in die Richtung der Neueingetroffenen. Sie ist unschwer zu erkennen, da sie immer noch die schmutzige Haube der Nonnenklosters trägt, und noch dazu ein leicht ausgefranstes Tuch als Augenbinde. Sie ist mager, aber strahlt dennoch eine unerwartete Vitalität und eine gewisse Zähigkeit aus.


Ezandrah

"Schwester Ezandrah, nehme ich doch schwer an! Einen gesegneten guten Morgen, wünsche ich", sagt Connoron, mit beiden Händen auf seinen Wanderstab gestützt, bemüht darum, dass man aus seiner Stimme das Lächeln auf seinem Gesicht heraushören kann.
"Ist es schon Morgen? Ich spüre die Sonne noch gar nicht", murmelt Ezandrah.
"Sie ist bereits dabei, aufzugehen! Es sollte alsbald Zeit für das Frühstück sein. Vielleicht könnten wir beiden Dich zu einer Kleinigkeit zu Essen laden?"
"Gehört Ihr zum Tempel Avesti?", fragt sie in brüchigem Ton, ihre Stimme scheint ziemlich kaputt.
"Im Gegenteil, wir entbieten Dir unseren Schutz, auch vor ihrem Zugriff, junge Dame!", sagt Connoron halblaut, "wir wissen, dass Du zur Orthodoxie gehörst. Mein Begleiter hier ist Eccoro Édos, und ich bin Sir Connoron Hawkwood."
"Oh. Wer schickt Euch ...?", fragt sie verdutzt.
Eccoro antwortet: "Erinnerst Du Dich an Illuminatus Venorra? Sie schickt uns."
"Sie hat keine Möglichkeit, über mich zu entscheiden, Sir. Das weiß sie auch. Egal, was Frau Venorra denken mag, Theurgen und Psioniker unterstehen nicht automatisch der Fürsorge des Eskatonischen Ordens ..."
Eccoro sagt: "Frau Venorra will Dich auch nicht konvertieren oder nach St. Lexaina holen. Sie will nur, dass Du zur Kirche zurückkehrst, damit Deine Einblicke sicher sind ... und von Nutzen sein können."
Ezandrah lauscht scheu in die Richtung der beiden.
"Gewiss könnt Ihr lesen ...", fragt sie dann unvermittelt.
Eccoro nickt sofort, bemerkt dann aber, dass diese Geste ja sinnlos ist. "Sehr wohl!", sagt Connoron.
"Dann kommt und lest mir vor, was ich letzte Nacht aufgeschrieben habe! Ich will es noch einmal hören ..."
"Nanu? Ihr macht Schriftnotizen ...?", fragt Connoron.
"Manchmal ... vielleicht könnt Ihr meine Handschrift entziffern, Sire ... normalerweise gebe ich sie Leuten auf dem Cunona Plaza zu Lesen, um es nochmals zu hören ... aber ich wage mich seit vorgestern nicht hinaus, wegen der Avesti-Mönche ..."

Das hohe Kellergewölbe ist mit zahllosen Einnischungen durchzogen, die genau übereinander angeordnet sind. Es ist dort immer Platz für ein schmales Bett und eine Waschschale. Viele der Mittellosen des Stadtteils fristen hier ihr Dasein. Ezandrah hat sich zwei Tage nicht hier heraus gewagt, aber nun sind all ihre Vorräte aufgebraucht. Sie ist nicht ohne weiteres davon zu überzeugen, zur Kirche zurückzukehren. Zwar hat sie Angst, so zu leben wie ihre Schwester Jéshora, die draußen im unbezähmten Land dem Klerus vollends den Rücken gekehrt zu haben scheint und als so etwas wie eine Barbarin lebt; aber die Obhut der Kirche scheint Ezandrah dennoch (nach wie vor) nur zum Preis der Aufgabe ihrer Unabhängigkeit und ihrer Visionen angeboten zu werden. Connoron und Eccoro erhaschen einen Blick auf die Notizen und Blindzeichnungen. Es ist ein wildes, halbwegs verschriftlichtes Sammelsurium – aber der Wahn scheint doch Methode zu haben, wenn man sich nur einen Gesamtüberblick verschaffen könnte und alle Schnippsel zusammenbringen. Dies könnte Ezandrahs Lebensaufgabe sein (so wie die von vielen anderen Orakeln im Menschlichen Raum), und sie würde dabei Hilfe brauchen. Auf einigen der Pergamente springt einem tatsächlich der Anblick eines Bärtigen mit Hirtenstab ins Auge ...

Schalter:
Das letzte Nacht von Ezandrah Geschriebene handelt vom Pax Alexius, und wirkt recht prosaisch. Passagen aus der Omega-Gospel sind in Variationen eingeflochten. Mehrere Sätze scheinen sich auf andere Notizen und Schriftstücke zu beziehen. Die beiden Männer können nicht viel damit anfangen, Eccoro ist jedoch recht fasziniert von der Art und Weise (immerhin hat er Jahre der Ausbildung zum Eskatonischen Priester durchlaufen, wo esoterische Rätsel und Traummotive als sehr wichtig angesehen werden).
"Ist Dir klar, dass Du nicht hierbleiben kannst, Ezandrah?", fragt Connoron nach einer Pause.
"Ich weiß, die Feuchtigkeit im Mauerwerk tut den Papieren nicht gut ... aber das meiste davon habe ich sowieso auswendig gelernt ..."
Der Hawkwood schüttelt den Kopf: "Dieses Haus ist sicherlich nichts für eine Theurgin. Die Avesti lassen sich bisher zwar von den Kirchendienern wegschicken, aber sicherlich nicht für ewig. Früher oder später kannst Du hier außerdem von der Gewerkschaft aufgegriffen werden. Orte wie dieser sind jene, an denen sie sich gerne heimlich bedienen. Blind oder hicht, sie finden etwas für Dich zu tun, und dann verlierst Du das letzte Bisschen Freiheit, das Du noch hast."
"Ich kann aber nicht zurück zur Mutter Oberin."
"Wir haben gestern mit ihr gesprochen. Sie ist ganz vernünftig. Wir bringen Dich zurück, und reden mit ihr ..."
"Das ist alles längst zu spät, Sire. Mutter Oberin hat klar gemacht, dass ich an diesem Punkt zwischen den Visionen und ihrer Gemeinschaft wählen muss."
Eccoro betrachtet weiterhin die Papierrollen, und sagt dann nachdenklich, "dann begleite uns nach St. Lexaina! In Deinen Visionen geht es um einen Pilger mit Hirtenstab, nicht wahr?"
"Ja, unter anderem ..."
"Nun, könntest Du meinen Begleiter Connoron vor Dir stehen sehen, würdest Du in ihm die Figur aus Deinen Eingebungen wiedererkennen! Illuminatus Venorra glaubt, einige Deiner Voraussagen drehen sich um ihn, und seine kommende Suche. Sie kann uns helfen, das alles zu ordnen. Auf diese Weise wird Dir geholfen, und gleichzeitig auch ihm bei seiner großen Aufgabe! Hinterher eskortiere ich Dich wohin Du willst. Es gibt zahllose andere Heiligtümer der Urd-Orthodoxie auf Stigmata, und im Orbit."

Höchste Zeit für einen neuen GM Move! Ich bekomme das Resultat "An NPC Takes Action". Ich weiß schon wen, der diesen Zeitpunkt für angemessen halten könnte, endlich seinen Auftritt hinzulegen ...!

Der Baro in der Zauberlaterne
Eine Handvoll Glatzköpfe in schwarzen Synthetik-Anzügen kommt plötzlich die Treppe herunter. Hinter ihnen her schwebt eine Zauberlaterne — eine fliegende Drone, vor deren grünem Linsenauge sich ein flackerndes Holographie-Bild aufzubauen beginnt!



"Haltet ein in Eurem nutzlosen Tun, und entrichtet Eure unterwürfigen Grüße an den großen Herren Baro Magarov Decados!", schnarrt einer der glatzköpfigen Herolde in einschüchternder Stimme.
Connoron und Eccoro fahren herum, die Vagabunden in den dunklen Nischen jammern und wehklagen entsetzt vor sich hin, sie wissen, was der Name Decados bedeutet.
Nach kurzem Zögern zieht Connoron sein Schwert und grüßt ritterlich, wie gefordert. Eccoro macht sogar eine Verbeugung. Seine Bewegungen wirken dabei recht widerwillig.
"Wer ist da? Wer ist herab gekommen?", raunt Ezandrah ängstlich.
"Schweigt!", bellt einer der Schwarzgekleideten, "der Baro wünscht, zu sprechen!"
Tatsächlich flackert der holografische Zauberlaternen-Schirm erneut, und das große, breit lächelnde Gesicht eines fetten Mannes ohne Augenbrauen erscheint. Volle, rote Locken umrahmen das Gesicht, am Kinn wölben sich die Speckrollen.
"Grüße, o Reisende! Welch ein erheiterndes Katz-und-Maus-Spiel, das Ihr mit mir begonnen habt. Wie schön, dass ich es nun gewonnen habe!" Er lacht freudig, applaudiert sich kurz selbst mit seinen Wurstfingern.
"Ihr seht uns verwirrt, wie ich fürchte! Wovon sprecht Ihr, Baro?", fragt Connoron laut.
"Eccoro, kläre Du unseren Neuankömmling in diesem Koloniesystem doch auf. Ich bin ohnehin leicht verstimmt darüber, dass Du so lange darauf warten ließt, Deinen Bericht zu erstatten! Beinahe, als seiest Du nicht ganz erpicht darauf, Deinen Herren gegenüber Deine Pflicht zu tun!"
Eccoro sieht mit verärgertem Gesicht in die Zauberlaterne, dann wendet er sich dem Hawkwood zu: "Der Baro hat Interesse an den Geschäften der al-Malik in diesem System. Baro Samhara wird Teil von diesen Geschäften sein, wenn sie es auch noch nicht weiß. Ihr Herr Vater plant gewiss Großes."
Der fette Magarov Decados applaudiert erneut: "Sehr recht, sehr recht. Eccoro, Du hättest die Tage seit Landung der Galatea nutzen können, indem Du meinen Vasallen berichtest! Ihr wart in Eurer bisherigen Herberge letzte Nacht nicht anzutreffen! Ich hoffe, die vermaledeiten Scravers haben Euch den Gefallen an dieser Örtlichkeit nicht etwa verlieren lassen? Sie sind so lästig."
Mit strenger Stimme hebt Connoron an: "Herr Baro, wir gehen gerade anderen Angelegenheiten nach! Und wir haben keine Zeit zum Plaudern. Ihr seid schon der Zweite, den ich diese Woche auffordern muss, seine Fragen huldvoll direkt an die Baroness zu richten, wenn's beliebt!"
Magarov Decados hebt die Hand abwiegelnd: "Meine Unterredung am heutigen Morgen ist nicht mit Euch, Sir Ullivan-Hawkwood. Ich bin hier, um mit meinem Untertanen Eccoro zu sprechen. Ihr, Sir, könnt gehen."
Die beiden Ritter tauschen einen angespannten Blick miteinander.
Connoron verkündet: "Ihr habt es nun jedoch mit einem Mitglied meiner Entourage zu tun, Baro. Wohin ich gehe, geht Sir Édos ebenfalls, ich requiriere seine Dienste. Lasst Eure Herolde die Treppe frei machen. Wir gehen nun."
Connoron hat eine 10 als Intimidation-Resultat, obwohl er nur einen W4 in dem Skill hat! Das reicht, um Magarov Decados aus der Fassung zu bringen: "Und wenn ich sage, ich rufe meinen Untertanen zu mir, dann meine ich es! Man wird sich schon die Zeit nehmen müssen! Herolde?! Dies sind keine Herolde, ihr Narren! Wohlan, lasst sie den Dreck der Steinplatten kosten, Männer!! Nehmt sie gefangen!"

Hurrah, Zeit zum Moschen! Die Glatzköpfe ziehen ihre Rapiere, und spurten grimmig die Treppe hinab, die bleichen Gesichter von Hass verzerrt. Eccoro wird von einer Klinge an der Schläfe getroffen, er hat seinen Helm noch nicht auf, Blut läuft ihm übers Gesicht. Der andere Rapier kreischt über seinen Brustharnisch. Connoron pariert zweimal, der Dritte sticht ihn in die Seite, und sein Energieschild flammt krachend und vibrierend um ihn herum auf, nimmt dem tödlichen Rapierstoss fast alles an kinetischer Energie und zwingt die Waffe zurück, kaum dass sie die Haut des Ritters angeritzt hat.
"Sechs gegen zwei? Wie soll das noch als ritterlich gelten?! Streckt Eure Waffen, korruptes Pack!", ruft Connoron, wirbelt sein Langschwert herum, trifft einen der Schwarzgekleideten, der mit gefletschten Zähnen pariert. Édos an seiner Seite spricht nicht, er lässt den Streitkolben auf den Nacken eines der Umzingelnden herab fahren und bringt ihn zu Fall. Zitternd und weinend steht Ezandrah im Hintergrund und tut das einzige, was ihr offenkundig übrig bleibt: Ihre Papiere an sich gepresst betet sie mit gefalteten Händen. Um die drei Umzingelten wird es in dem Steingewölbe tatsächlich einen Moment lang eine Nuance heller ...
Magarov Decados auf seinem Flackerbildschirm lacht, und über den Lautsprecher ertönt seine Stimme, "unterwerft Euch der Eisenfaust der Decados oder fahrt zur Hölle!", und ein Strahler an seiner Drohne zielt in den Keller hinab, feuert grünlich durch den Raum, und trifft Eccoro am Waffenarm. Mit zusammengebissenen Zähnen schüttelt der Ritter den Schock ab.
Connoron macht eine halbe Drehung, und verwundet den Angreifer, der eben fast sein Energieschild durchdrungen hätte, schickt ihn zu Boden. "Raus hier, mir nach!", ruft er, pariert die Rapierstreiche links und rechts mit Schwert und Wanderstab, und prescht in Richtung Treppe, auf die flackernde Zauberlaterne zu.
"Oh nein, Sir Hawkwood!", kräht das fette Gesicht von Magarov Decados gut gelaunt, "ihr erlaubt?", und der Schockstrahl trifft diesmal Connoron, "küsst den Boden vor meinen Füßen, Sir!". Der Getroffene schreit auf, aber bleibt ebenfalls wankend auf den Füßen, rennt dann weiter. Zwei der Glatzköpfigen hacken auf Eccoro ein, zwei rennen Connoron nach, einer bringt erneut dessen Energieschild zum Auflodern, diesmal wird es nicht einmal im Ansatz durchschlagen. Eccoro setzt seinen Helm auf, packt Ezandrah bei der Hand, und rennt mit ihr ebenfalls los, schleudert im Rennen einen der Rapierkämpfer durch einen Treffer mit dem Streitkolben von den Füßen. Connoron schlägt mit dem Stecken nach den Füßen eines seiner Verfolger, knüppelt ihn im Fallen mit der Flachseite seines Schwertes nieder. Wie ein Rammbock erscheint in dem Moment der Geharnischte hinter ihm, und rempelt aus vollem Lauf den anderen Fechter zur Seite, welcher hinter dem Hawkwood her gerannt war. Eccoro prallt daraufhin zurück, als einer der Schockstrahlen der Drone ihn trifft, aber lässt sich weiterhin nicht davon aufhalten. Zwei Streitkolben-Schwinger machen stattdessen die letzten beiden Verfolger nieder.
Baro Magarovs Stimme knistert, als er zornerfüllt aufschreit, und seine Drone rückwärts steuert, die Stufen hinauf.
"Hinaus hier!", ruft der Hawkwood-Ritter.
"Ganz recht, der Zauberlaterne nach, die hat sich einen besonders schönen Schwinger mit meinem Kolben verdient!", knurrt Eccoro.
"Nein, Sir Édos! Wir müssen sofort raus aus Darmak Station und Ezandrah zum Kloster bringen. Das könnte unsere letzte Chance sein, dies zu tun! Wir haben jetzt die Decados gegen uns, etwas Schlimmeres kann gar nicht passieren, egal wo im Sprungnetz man sich befindet!"
Eccoro nickt stumm, und sieht sich nach Ezandrah um: Die zitternde Nonne presst immer noch ihre Papierrollen an sich. "Würdest Du uns begleiten, junge Dame?"
Sie nickt hastig. Ihre Lippen haben sich bis eben im stummen Gebet bewegt, und hören nun erst damit auf.

Diese Interaktion könnte der letzte Puzzlestück meiner laufenden Queste sein. Ich würfle, und die Tabelle bei FlexTale sagt: Jawoll. Also schließe ich hiermit meine
Queste (Gruppe): Schwester Ezandrah finden und vor dem Leben als Straßenmädchen retten (Clue Target: 4\4).

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