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Was kann Harnmaster was Mythras nicht kann?
Swafnir:
--- Zitat von: Koruun am 12.10.2021 | 16:24 ---Dass Ulisses Harnmaster auf deutsch neu raus bringen will ist mir auch neu. Sehr cool, gibt es dazu irgendwelche Infos? Google spuckt noch nix aus. Vermutlich Infos aus einem Stream oder so?
Zu Mythras kann ich nicht viel sagen weil nicht gespielt, aber Hârnmaster zeichnet aus:
- sehr detailliertes Kampfsystem. Hier gibt es nicht nur die üblichen Trefferzonen Kopf, Arme, Torso, Beine. Alleine die Armregion hat fünf Zonen: Schulter, Oberarm, Ellbogen, Unterarm, Hand.
- Antithese zum hack&slay: du willst in HM etwa so sehr kämpfen wie in Traveller einen Raumkampf zu starten. Weil das System versucht eher "realistisch" Kämpfe zu simulieren und diese nicht zu gamifyen.
- nach Charerstellung hast du eine relativ detaillierte Charstory, inkl. Familie, Sternzeichen, deinem Standing im Stamm, Aussehen inkl. Größe und Gewicht (ist für weitere Spielwerte auf dem Charbogen relevant)
- Die Komplexität des Systems stört im Spiel nicht, denn die Berechnungen usw. werden beim Übertragen auf das Charsheet gemacht, danach spielt es sich in etwa so schnell wie andere BRP Systeme sobald man im System drin ist und nicht mehr alles nachschlagen muss
- die Spieltwelt Hârn ist detailliert ausgearbeitet, es gibt hunderte Quellenmaterialien (dementsprechend teuer wenn man alles haben möchte), Spielgefühl ist Mittelalter mit Okkultismus (in Form von wenigen Magiern). Es gibt Äquivalente für Orks und Goblins, es gibt Monster, aber das ist irgendwo weit weg in der Wildnis und drängt sich i.d.R. nicht so auf. Es gibt (glaube ich aus dem Kopf) 5 Königreiche, die Insel ist ca. 3 mal so groß wie England.
Würde ich jedem empfehlen, der mal Bock auf low fantasy hat das diese Bezeichnung auch verdient.
--- Ende Zitat ---
Hier Ulisses Keynote ab 1:39:30:
https://www.youtube.com/watch?v=IfYTi1kHzWw&t=5631s
Dr. Beckenstein:
Ich habe es eine Weile gespielt (nicht geleitet), wurde aber im Gegensatz zum Rest unserer Gruppe nie wirklich warm damit.
IIRC:
- Das Regelwerk war genial. Relativ realistisch - und tödlich -, aber trotzdem spielbar und einfach. Man würfelt im Kampf eine Probe und vergleicht das Ergebnis mit einer (mehrfarbigen) Tabelle. Für historische Kampagnen wäre es ideal.
- Das System war so tödlich, das es bei den Charakteren zu einer Art Evolution kam. Ausgewürfelte Chars verloren Kämpfe wegen schlechter Anfangswerte in den Fertigkeiten, versiebten dann wegen niedriger Attribute ihre Heilungswürfe und starben dann an Infektionen, und man würfelte einen neuen Charakter aus. Das wiederholte sich, bis man durch Würfelglück einen robusten Charakter hatte, der die Heilungswürfe schaffte, nach der Heilung seine Fertigkeiten steigerte und so zu einem erfahrenen Kämpfer wurde. :D
- Die Welt war weniger toll. Da gab es die Insel Harn, die mehr oder weniger stark vom frühmittelalterlichen Britannien abgekupfert war. Es gab IIRC noch einen dünnen Weltatlas, aber das war es auch schon. (Weiß jemand, ob es mehr über die darin geschilderten Kulturen gab?)
- Wie bereits erwähnt, ist die Magie irgendwie "drangeklascht". Für ein Fantasysystem ist das wenig fantastisch. Ich hatte immer den Eindruck, der Autor wollte eine Mittelaltersimulation machen und hat die Magie nur eingebaut, weil das von einem Fantasysystem erwartet wurde.
Andere Meinungen?
Sosthenes:
Also, damals als ich das Buch zu erst bekommen hatte (Anfang der 90er) hatte ich mich auch recht aufs Regel- und Kampfsystem konzentriert, das ist aber m.M. nach die falsche Herangehensweise. HârnMaster ist nicht umsonst ein Paradebeispiel von Kampagnenen die mit anderen Systemen geführt werden, wobei hier GURPS und Riddle of Steel wohl näher liegen. HârnWorld als "proving ground" ob das System denn pseudo-historisch-realistisch genug sein kann... Das jetzt nicht unbedingt weil das Original schlecht ist, aber weil es einfach nicht soo wichtig ist.
Mit dem Original-System würde ich definitiv keine D&D-artige, kampf-fokusierte Kampagne mit bunter, zufälliger Gruppe empfehlen, das ist dann so ein bisschen wie Warhammer/CoC, wo das (Gliedmaßen/Leben) verlieren als Teil des Games gesehen wird. Bei gut gerüstete Rittern und Wappenknechte mit guter Nach-Schlacht-Pflege sieht's anders aus.
Die Welt war toll, auch wenn das in der deutschen Version nicht so zum Tragen kam. Gerade erst wenn man nicht HârnWorld hatte (was sogar besser als die direkte US Version war, da es zwei Produkte vereinte). Gut, für die Amerikaner war das immer noch ein größerer Sprung, zum einen weil deren Standard weiter davon weg war (Aventurien ist näher an Hârn als jetzt Faerun), zum anderen weil wir generell etwas historischer versierter sein mögen.
Es gibt auch inzwischen viel fernab der Insel Hârn bei Columbia Games. Leider sind deren Produkte meiner Meinung nach etwas überteuert, aber sonst sehr detailliert. Die Karten gehören rein funktional zum besten was es gibt, mit PDF Layers die man hinzu-schalten kann für Handelswege, tektonische Platten, historische Grenzen, Meeresströmungen usw.
Auch sehr lobenswert ist die Götterwelt. Das Pantheon und gerade die Kirchen sind sehr schön gestaltet. Klar, wir haben wie alle pseudo-mittelalterlichen Fantasywelten eine mitunter eigene Mischung aus christlichen Kirchenstrukturen und antiken Pantheons, aber das ganze ist sehr gut ausgestaltet. Gibt einige die das in ihre Homebrew-Welten importieren...
Ich verstehe das mit dem Magie-System. Die Shek-Pvars sind gut gemacht, und sind mehr als jetzt nur akademische Spezialisierungen, gehen also recht gut in die Gesellschaft auf. Aber das historische Vorbild ist halt sehr gut zu erkennen, da wirkt so etwas gerne als Fremdkörper. Aber zeigt mir eine ziemlich mittelalterliche Welt wo das nicht so ist. Nein, Aventurien sicher nicht. Eher Welten die entweder noch fantastischer sind oder ins antik-mystische gehen (Glorantha, Tekumel, Artesias Known World). Vielleicht auch ein paar der Schwedischen Sachen, da bin ich nicht so belesen.
Also wenn da tatsächlich nur das alte HârnMaster Buch rauskommt würde ich sagen dass man drauf verzichten kann. Klar kann man damit spielen, aber nur als Regelwerk bringt's nicht viel und ohne Ergänzungen wertlos. Mindestens HarnWorld, am besten noch die Magie und Religions-Bücher sollten schon mitkommen.
Haukrinn:
Ich denke auch, dass es hauptsächlich das Gesamtpaket (also minningens Regelwerk + Hârnworld + Tome of Shev Pvar + Libram of the Pantheon) ist, dass Hârnmaster zu einer runden Sache werden lässt. Mit anderen Welten, die nicht so gut darauf abgestimmt sind, wird das schwierig (okay, es gibt da noch den Lionheart-Quellenband, aber das ist dann halt tatsächlich England im 12. Jhd. - ich glaube das zählt nicht).
treslibras:
Ich habe Harnmaster in den 90ern ein paar Mal gespielt. Ich erinnere mich noch sehr gut an das (für mich) sehr mathelastige Rüstungs- und Gewichtssystem (aufgrund der vielen Körperteile) und die gefühlt 100 Fertigkeiten. (Das kannte ich schon von WFRP.)
Es gibt keine XP, gesteigert werden kann nur, was benutzt oder trainiert wurde. Und keine HP (im eigentlichen Sinne). Beides fand ich damals cool "anti-(A)D&D". (War wohl auch genauso gedacht.)
Ansonsten erinnere ich mich an recht viel book-keeping.
WFRP fanden wir im Vergleich deutlich "sexier", auch wenn beide Spiele ja auf dem gleichen Ur-System basieren. Das mag aber auch einfach am Fluff gelegen haben. Harnmaster präsentierte sich da deutlich trockener und DSA-ähnlicher.
FB, MS, AMS, Mindest-EMS&Höchst-EMS, die Prozentzahlen nach Körperteilen, Reichweitenmodfikatoren für 30 verschiedene Wurf- und Schusswaffen, ...., das ist doch alles sehr oldschoolig und klein-klein / tabellophil.
Zumindest auf dem Papier (da ich Mythras bisher nur durchgearbeitet, aber noch nicht gespielt habe) würde ich sagen, macht Mythras das alles ähnlich, aber viel besser/aufgeräumter.
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