Pen & Paper - Spielsysteme > Adventure Game Engine

[Let's Read] Modern Age + Companions

(1/4) > >>

QuantizedFields:
Hey ihr,

seit einigen Monaten leite ich eine Gruppe mit meinem Eigenbau "Under a Vast and Endless Sky" in einem Dieselpunk-Fantasy System, welches stark durch Ptolus inspiriert bzw anfänglich direkt kopiert wurde. Nun bin ich dabei mir Modern AGE anzusehen, weil ich auch mit anderen Gruppen spielen möchte und ich nie wirklich nur ein System spielen möchte. Ich glaube, mit deren Threefold und Fantasy Age Büchern ein starkes System für mein Setting abzuleiten, das tierisch Spaß machen kann und hoffentlich wird. In den letzten Tagen habe ich mir die AGE Werke gekauft und teilweise mit Hilfe der Community durchgelesen. Vielleicht haben andere auch Interesse, mehr über das System zu erfahren, deswegen wollte ich mein Verständnis der Regeln und die Zusätze aus dem Modern AGE: Companion und Modern AGE: Mastery Guide mit euch teilen.

Character Creation

Ein AGE Charakter wird innerhalb von 9 Schritten zum Leben erweckt. Dazu gehören

* Konzept. Deine Vision für den Charakter.
* Abilities. Die Attribute und deren Werte.
* Background. Hintergründe, die entweder gewählt oder gewürfelt werden.
* Profession. Es gibt die Annahme, dass dein Charakter weiterhin eine Tätigkeit ausübt.
* Drive. Ziele und Motivation des Charakters.
* Resources and Equipment. Resources ist eine Abstraktion für Geld und Einkommen.
* Health, Defense, Toughness, Speed.
* Goals, Ties and Relationships. Sowohl mit den anderen SCs als auch NSCs.
* Name und DescriptionDarüber hinaus gibt es verschiedenste Anpassungen, Regeländerungen und Ergänzungen in den verschiedenen Supplements.

* Im AGE: Companion gibt es die Möglichkeit, Charaktere ohne Backgrounds zu erschaffen, das sogenannte "Freeform Character Creation." Darüber hinaus enthält es weitere Information zur Erschaffung eigener Backgrounds, Foci und Professions.
* Im AGE Mastery Guide gibt es mehrere Varianten. Zeros sind quasi Level 0 Charaktere ohne Backgrounds, Professions oder gar Foci. Simplified Characters erlaubt es Spieler*innen mit nur drei Attributen zu spielen statt den üblichen neun (Physique, Reaction und Anima). Dabei gibt es notwendige Regelergänzungen wie zB Overarching Focuses, Talent Points und Ability Modifiers, die die Charaktererschaffung und das Gameplay vereinfachen.
* Wieder in AGE Mastery Guide gibt es erstmalig die Möglichkeit FAGE-Style Classes wieder einzubauen. Es gibt mit dieser Variante drei Klassen:  Combatant, Expert und Operative (letzteres ist gut für sneaky sneaky). Sie bekommen eine vorgefertigte Liste an Verbesserungen pro Stufe, wobei vieles immer noch der Spieler*in überlassen wird, zB bekommt ein Combatant in Stufe 3, "New talent: You become a Novice in a new talent or gain a degree in a talent you already have."
* Und wieder im AGE Mastery Guide gibt es Quirks und Personality Traits, welches die Spieler*innen nutzen können, um ihrem Charakter weiter auszuarbeiten. Sie haben keinen Nutzen, außer beim Rollenspiel zu unterstützen.
* In Threefold kommen Ancestries bzw Species/Race wieder hinzu. Sie ergänzen den Background, indem man sich für einen Perk des Backgrounds oder Ancestry entscheidet. So verliere ich vielleicht mein Background Talent, ersetze es aber durch ein Talent der Arvu.Whew, das ist was wir im englischen einen "Boatload" oder "Fuckload" of options nennen. Sind alle Variationen genauso gut getestet wie die Regeln im GRW? Vermutlich nicht, aber ich persönlich finde es toll, dass das Spiel so experimentierfreudig bin. Solch ein Gefühl hatte ich damals bei D&D 5e persönlich nicht, da viele strikt nach RAW spielen wollten- was natürlich vollkommen okay ist! Um es noch eine Ecke komplizierter zu machen hat das Spiel außerdem die mittlerweile bekannten drei "Modes of Play", also Gritty, Pulpy und Cinematic. Gehen wir die Modes kurz durch.

Modes of Play

Modes erlauben es dem SL bestimmte Regeländerungen zu wählen, die einen bestimmten Effekt auf das Spiel haben sollen. So sind alle rot-markierten Einträge für "Gritty" Spiele gedacht, weil sie zB die Lebenspunkte reduzieren, wohingegen man bei Cinematic eine riesige Menge an Lebenspunkte bekommt. Es hört da aber nicht auf, es gibt viele Ecken und Sonderfälle, wo man auf die verschiedenen Modes trifft und sich entscheiden kann/soll/muss, welche man nutzen möchte. Ein erstes Bild, wie die Modes of Play einen Charakter verändern seht ihr hier.


Es gibt aber unzählig viele Stellen, wo man an dem Feel des Spiels drehen kann, zB:

* Ein Charakter im Kampf mit 0 TP stirbt innerhalb von 2 + Consitution Runden und sind ohne eine erfolgreiche Probe die ganze Zeit lang bewusstlos. In Cinematic überleben Charaktere mit hoher Wahrscheinlichkeit 4 + Consitution Runden und können weiterhin eine Minor Action (Bewegung, Zurufen, Gegenstand aktivieren) durchführen.
* Gritty Charaktere heilen mit einem "Adrenaline Rush" Stunt nur 2 TP pro Stunt Point, ein Cinematic Charakter stattdessen 6.
* Außerdem gibt es manche Stunts nur für bestimmte Modes. So gibt es für Gritty Spiele den Stunt "Instant Kill." Mit 5 Stunt Points kann ein Gritty Charakter einen NSC, der weniger als die Hälfte seiner Lebenspunkte besitzt, sofort töten.

Ich upgrade meinen coolen Slang von "Boatload of options" zu "Fuckton of options." An sich finde ich die Options eine tolle Idee, aber manchmal sind sie mir zu penibel, vor allem wenn sie als Sonderregel benutzt werden. Wenn in Situation X immer die Regel A gilt, aber *nur* für Gritty gibt es die Sonderregel B, dann weiß ich jetzt schon dass ich das zu 100% am Tisch vergessen werde.

Zuletzt möchte ich noch sagen, dass es es keine feste Richtlinie für die Nutzung der Modes gibt. Das Spiel vermutet, dass die meisten SL mit den Cinematic Regeln spielen, aber andererseits ist es mehr als okay damit Variationen und Änderungen vorzuschlagen. Es hat ein lässiges, "Hey, du weißt bestimmt, was du tust und ich möchte dir da nicht im Weg stehen." Es hat auch Vorschläge für das Vermischen von Regelungen der Modes, zB wenn man mit Gritty Health aber Cinematic Stunts spielen möchte. Alles in allem eine erschlagende Auswahl an Möglichkeiten und man kann als frischer SL noch gar nicht wissen, was wirklich gut funktioniert und was nicht.

Meine Mittagspause ist nun fast vorbei, nächstes Mal erstelle ich einen Charakter mit den Vanilla Regeln + einer Ancestry aus Threefold, um eines meiner Dieselpunk-Charaktere zu erschaffen.

QuantizedFields:
Let's Make a Character

1. Concept



Wir entwickeln Baron, ein Dhampir und Besitzer des Clubs "Black Hole." Er besitzt übernatürliche Fähigkeiten und ist ein gerissener Middleman.

2. Abilities

Da ich bereits genau weiß, welche Fähigkeiten Baron haben soll setze ich für die Abilities Point-Buy ein. Anders als bei 3d6 darf ich 12 Punkte auf die jeweils neun Attribute (Accuracy, Communication, Consitution, Dexterity, Fighting, Intelligence, Perception, Strength und Willpower) verteilen. Es gibt jedoch einen Trade-off, ich darf kein Attribut höher als 3 einstufen. Theoretisch ist es bei 3d6 möglich, mit einem perfekten Ergebnis (18) eine 4 zu bekommen, aber die Wahrscheinlichkeit liegt bei 1.3% und gleichzeitig kann ich mit point-buy ein Attribut nicht unter 0 bekommen.

Accuracy 0, Communication 3, Consitution 2, Dexterity 1, Fighting 1, Intelligence 2, Perception 1, Strength 0, Willpower 2

3. Background

Für Barons Background würfel ich einmal für seine Social Class und dann seinen Hintergrund. Außerdem möchte ich aus Threefold seine Ancestry zu Dreygur setzen.

* Social Class:  1d6 = 6 (Upper Class)
* Background:  1d6 = 5 (Cosmopolitan)

Durch seinen Background und Ancestry bekommt Baron die folgenden Modifikationen:

* Einen ancestral trait statt die gewöhnlichen +1 auf ein Attribut.
* Er verliert den Focus (Spezialisierung) seines Backgrounds
* Einen weiteren ancestral trait statt eines der zwei Background talents
* Einen zufällig gewürflten Bonus der Background Tabelle ODER den Focus des BackgroundsBaron erbt "Fearful Symmetry" und "Inimical Medium" (inimical = unfreundlich oder schädlich), außerdem würfelt er 1d6 und bekommt den Focus "Communication (Persuasion)".

Fearful Symmetry.  Your beautiful, fearsome, or strange appearance fascinates and unsettles those around you. If you fail a Communication (Bargaining) or Strength (Intimidation) check, you can re-roll it, but you must keep the results of the second roll.

Inimical Medium. The Netherworlds channel honeysweet whispers into your mind, day and night. You gain the Shadowsoul talent at novice rank.

Das nette an den Ancestries finde ich, ist dass sie dir nicht vorschreiben, wie JEDES Beispiel dieses Volkes zu sein hat. Jeder Zwerg in D&D 5e war hardy (+Constitution), war erfahren mit zwergischen Waffen, kannte Gestein in- und auswendig und jeder der Hill Dwarves war noch mal beständiger (+1 HP). Das war mir persönlich zu homogen, eine Liste an möglichen Features wie in Threefold finde ich klasse.

4. Profession

Jeder Mensch in Modern AGE hat eine Einnahmensquelle, ob legal oder illegal. Man muss nicht würfeln, man kann aber. Da Baron den Social Status "Upper Class" bekam würfel ich auf der entsprechenden Tabelle. Für Threefold gibt es ebenfalls eine Professions Tabelle, die auf deren Setting zugeschnitten ist. Ich bin bei der Vanilla Modern AGE Version geblieben.


* Profession:  1d6 = 2 (Explorer)Explorer. There may not be any new continents or civilizations to discover (or are there?), but there are still plenty of obscure places left, which few or none have seen. It’s your passion to explore them. You work to expand human knowledge, to satisfy your own need to discover someplace new, or for fame.

* Focus:  Perception (Empathy).
* Talent: Linguistics. You learn an additional language.
* Health: 20
* Resources: 6Achtung:  Health habe ich anders geregelt und zwar nutze ich die Regeln von Expanse, wo ein Charakter mit nur 15 oder 20 HP beginnt. Dazu später noch mehr.

5. Drive

Wieso macht Baron, was er macht? Was treibt ihn an, womit kann man ihn locken? Diese Frage wird mit seinem Drive beantwortet.

Drive: 1d6 = 2 (Column 1), 1d6 = 6 (Leader)

Baron ist ein charismatischer Anführer und weiß, wie man Menschen bewegt und motiviert. Er bekommt das Talent Inspire und auch eine Membership für eines der Organisationen der Unterwelt (Kilraven). Sein positives Merkmal ist Verantwortung und sein Laster die Isolation.

6. Resources & Equipment

Wie in Section 4, Profession, beschrieben, hat Baron einen Resource Wert von 6. Dies ist ein abstrakes Maß für wie "flüssig" Baron ist und wieviel Geld er bereit hat, um Einkäufe zu tätigen. Je seltener und illegaler ein Gegenstand ist, desto mehr wird es kosten. Steigen die Kosten zu hoch an verliert Baron an Resources, was finanzielle Schwierigkeiten darstellt.

Außerdem fängt ein Charakter mit einem Minimalset an Gegenständen an:  Klamotten, essenzielles Werkzeug und normalerweise auch eine Waffe. Ein Zuhause, Essen und Trinken und alles andere ist bereits in der abstrakten Resource mit eingebaut. Baron hat für sich ein schickes Apartment im guten Viertel der Stadt und ebenfalls eine Bar, das Black Hole. Die Bar müsste von einem SL genehmigt werden.

7. Derived Statistics

Charaktere bekommen hier die Werte für Defense, Toughness, Health und Speed. Das wird alles von den neun Kernattributen und möglicherweise der Backgrounds berechnet.

* Health: 20
* Defense = 10 + Dexterity (1) = 11
* Toughness = Constitution (0) = 0
* Speed = 10 + Dexterity (1) = 11 yardsAußerdem muss klargestellt werden, mit welchem Mode Toughness funktionieren muss. Im letzten Post habe ich gesagt, dass Toughness entweder jeden Schaden reduziert (Cinematic), oder fast gar keinen (gritty). Ich entscheide mich für den Mittelweg und nehme Pulpy!



Health bekommt normalerweise einen Wert von 15/20 + Con. Je nach Mode des Spiels bekommen die SCs entweder gar keine, wenige oder viele HP pro Level mehr. Da Neo-Ptolus relativ Pulpy ist und ich bislang immer schlechte Erfahrungen mit zuviel HP gemacht habe nehme ich die Variante von Expanse und gebe den Charakteren feste 20 HP und 3 pro Level bis Stufe 10. Damit sollten Kämpfe schnell, aber nicht zu tödlich für die Spieler*innen sein.

8. Goals, Ties and Relationships

Goals, Ties und Relationships sind schwammige Begriffe, die für starke Gruppenkohäsion und Zielstrebigkeit beim Spielen sorgen. Drive ist eine generelle Motivation bzw die Natur des Charakters, wohingegen ein Ziel viel konkreter ist. "Ich muss immer erster sein." ist ein guter Drive, ein mögliches Ziel könnte sein, "Ich will die nächste Yellow Line gewinnen!"

Ties sind Beziehungen zu anderen SCs, am besten etwas, was man in Session 0 miteinander bespricht. Das Spiel empfiehlt, mit jedes der anderen SCs mindestens einen Tie zu haben.

Relationships haben eine mechanische Bedeutung. Sie stellen eine intensive und feste Beziehung mit NSCs oder SCs dar. Ties sind, "Wir kennen uns." und eine Beziehung ist, "Klara ist meine beste Freundin." Die Relationships kann man später im Spiel aufrufen, um Stunt Points zu bekommen.

9. Name & Description

Name: Baron
Description:  It's Baron, a supa dupa cool socialite.

X. Optionalen Kram

Zu guter Letzt kann man Quirks und Personality Traits auswählen, die beim Roleplay helfen sollen. Außerdem gibt es zwei optionale Metacurrencies, die man ins Spiel einbauen kann:  Conviction oder Fortune (von Expanse).

Fortune. Ein Pool von Punkten, die man einsetzen kann, um einen Würfel auf eine beliebige Seite zu drehen. Die Kosten sind die Zahl, auf den man einen Würfel drehen möchte. Zum Beispiel, wenn mein Würfelergebnis 1, 3 und 3 ist kann ich 4 Fortune zahlen, um eines der Würfel auf eine 4 zu drehen. Mache ich das mit der 1 habe ich ein Ergebnis von 4, 3, 3 = 10, ein viel besseres Ergebnis. Außerdem ist es dadurch möglich, aus einer Probe Stunt Points zu generieren, indem man die Würfel zu einem Pasch manipuliert. Finde ich mega cool. So haben Charaktere wenigstens ein bisschen Kontrolle über das Generieren eigener Stunt Points in kritischen Situationen.

Putting it All Together

Insgesamt hat mich die Charaktererschaffung erstaunlich wenig Zeit gekostet. Beim Lesen dachte ich mir, "Oh fuck, 9 steps? Das wird eine halbe Ewigkeit dauern!" aber tatsächlich war dem nicht so. Der Charakterbogen ist relativ übersichtlich, wenn auch ziemlich unspektakulär. Von dem Threefold Character Sheet gibt es meines Wissens keine Form-Fillable Version was mich ein bisschen nervt, aber man kann ja nicht alles haben.


(Die zweite Seite war uninteressant und habe ich der Einfachheit weggelassen.)

Next time:  Stunts

Baron hat durch seinen Shadowsoul eine neue und einzigartige Stunt-Tabelle bekommen. Außerdem wimmelt es nur so von Stunts für alle möglichen Situationen von Action zu Combat zu Exploration zu Investigation zu Social und und und. Dieser Wusel ist ein häufiger Kritikpunkt des Systems und möchte ich in dem nächsten Post mir genauer ansehen. Ich meine, die sehen schon cool aus, schaut mal!

Achamanian:

--- Zitat von: QuantizedFields am 29.10.2021 | 13:03 ---
Baron hat durch seinen Shadowsoul eine neue und einzigartige Stunt-Tabelle bekommen. Außerdem wimmelt es nur so von Stunts für alle möglichen Situationen von Action zu Combat zu Exploration zu Investigation zu Social und und und. Dieser Wusel ist ein häufiger Kritikpunkt des Systems und möchte ich in dem nächsten Post mir genauer ansehen. Ich meine, die sehen schon cool aus, schaut mal!


--- Ende Zitat ---

Abo!
Bin sehr gespannt, was du zu den Stunts schreibst, denn an dem Punkt ist schon Fantasy-Age bei mir kollabiert, weil es zu viele waren, und Modern Age ... puh!

QuantizedFields:
Stunts! Action!

Stunts sind überall. In Fantasy AGE, Blue Rose, unter deinem Bett, in Modern AGE und auch in the Expanse. Ich habe es zwar nie gespielt, aber soweit ich weiß hatten sie ihren Ursprung in Dragon AGE und dort eine klare Niche: Kämpfe. Stunts waren ausschließlich kampflastig und Green Ronins Antwort auf das Problem zu langen und langweiligen Kämpfe. Funktionieren sie? Wenn nein, wieso gibt es dann SO VERDAMMT VIELE!?


SO


VERDAMMT


VIELE

Und das sind nichtmal alle. Im Modern AGE Companion gibt es alternative bzw neue Stunts und in dem Mastery Guide sind neue Default Stunts hinzugekommen. Außerdem gibt es "core" und "non-core" stunts. Sie empfehlen auch das Improvisieren eigener Stunts oder das zusammensetzen von SC-spezifischen Stunts und/oder "Stunt Packages." Sie kennen das Problem zu vieler Stunts, soviel ist klar. Schauen wir doch, ob wir aus dem ganzen Misch-Masch nicht nur Sinn machen können, sondern auch die Spieler*innen daran hindern, an dem Tsunami an Optionen unterzugehen.

Wie Stunts Funktionieren

An sich sind Stunts etwas ganz einfaches. Alle AGE Games nutzen 3W6, wovon ein Würfel immer anderer Farbe ist. Dies ist der Stunt bzw Drama Würfel. Dieser hat zwei Funktionen, einmal das Bewerten der Qualität eines Erfolgs und die Generierung von Stunt Points. Wann immer eine Spieler*in ein Pasch würfelt- dabei ist es egal, mit welchen ihrer drei Würfel- dann gewinnt sie Stunt Points in Höhe des Drama Würfels. Im letzten Post habe ich das Beispiel einer Probe vorgegeben (1, 3 und 3). Ist der Drama Würfel jener mit der 1, dann generiert diese Probe einen Stunt Point. Ansonsten ist er Teil des Paschs und generiert drei Punkte.

Nach Generierung der Stunt Points wird auf der Situation entsprechenden Tabelle geschaut, welchen Stunt die Spieler*in aktivieren möchte. Mit einem Stunt Point und in einem sozialen Kontext, zB während eine Verhandlung, hat sie die Möglichkeiten, die folgenden Stunts zu aktivieren.





Dazu kommt, dass manche Talente und Specializations die Kosten eines Stunts reduzieren oder zusätzliche Stunt Points generieren. Ein Monk kann unter Umständen mit jedem Faustschlag einen extra Stunt Point generieren, die er sofort ausgeben kann egal, ob weitere Stunt Points durch ein Pasch generiert wurden oder nicht. Und zu guter Letzt kommen die "Stunt Attacks", also Angriffe, die nur darauf abzielen Stunt Points zu generieren und keinen Schaden zufügen. Mit jedem erfolgreichen Stunt Attack generiert ein SC zwei Stunt Points1, oder mehr, falls ein Pasch gewürfelt wurde.

Stunts Kontrollieren:  Stunt Pools und Fortune

Ein häufiger Kritikpunkt des Systems sind ihre willkürlichen Stunts. Laut ihrer eigenen Rechnung aus dem Companion gibt es eine 44% Chance mit jeder Probe Stunt Points zu generieren. So kann man sich nie drauf verlassen, sie genau in dem Moment zu haben, wo es wirklich dramatisch spannend wäre. Was bringt mir ein Stunt, wenn es die letzte Probe einer Szene ist, oder einer Probe, wo ich mit Stunt Points nicht wirklich etwas anfangen kann? Stunt Pools und Fortune sind zwei Versuche, den Spieler*innen mehr Kontrolle über das wann, wo und wie der Stunts zu geben.

Stunt Pools

Spoilers:  Stunt Pool hat scheinbar den Editionswechsel von Fantasy zu Modern AGE nicht überlebt. Es lebt nur als kleines Kapitel in dem Fantasy AGE: Companion, aber es scheint mir so, als ob sie genauso gut in Modern AGE funktionieren könnte.

Ein Stunt Pool ist ein gemeinschaftlicher Vorrat an Stunt Points auf den alle Spieler*innen Zugriff haben. Die Größe des Pools beträgt 4 + (2 * Anzahl Spieler*innen), z.B. Stunt Pool (12) während eines Spiels mit vier Spieler*innen. Von nun an dürfen alle Spieler*innen jederzeit bis zu zwei SP aus dem Stunt Pool nehmen und sie entweder direkt für Stunts nutzen oder mit den generierten Stunt Points einer Probe nutzen. Generiert eine Spieler*in Stunt Points und hat keinen guten Zweck für sie kann sie die Points dem Pool "spenden" und ihn dadurch wieder füllen. Ansonsten füllt sich der Stunt Pool zum Anfang jeder Session wieder aufs Maximum.

Mit zwei Stunt Points hat man bereits eine gute Basis, viele nützliche Effekte ins Spiel zu rufen. Durch die nun regelmäßig anfallenden Stunts wirkt das Spiel deutlich cinematischer, aber es läuft die Gefahr, dass sich die Spieler*innen jedes Mal aufs Neue auf die Stunt-Listen stürzen. "Oh, oh, oh, welchen Stunt nehme ich jetzt?"

Fortune

Fortune ist die optionale Metacurrency, die ich während Barons Charakterestellung bereits erwähnt habe, deswegen hier eine Kurzfassung. Ein Charakter beginnt das Spiel mit 6 Fortune Points und bekommt jedes Level einen mehr. Die Points werden eingesetzt, um einen Würfel auf eine beliebige Seite zu drehen, welches Kosten in höher der gewünschten Zahl hat. Drehe ich eine 1 auf eine 5 kostet mich das fünf Fortune Points. Es kostet mich ebenfalls fünf Fortune Points, eine vier auf eine fünf zu drehen, nur die Ziel-Zahl spielt eine Rolle. Möchte ich den Drama Würfel drehen kostet es mich die doppelte Menge. Fortune refreshed auch am Anfang jeder Session- glaube ich, es steht nirgendswo explizit, wie oder wann Fortune Points refreshen.


Schaut sie euch an, diese Charaktere sind von der Auswahl genauso überwältigt wie ich.

Analysis Paralysis, Your Name is Stunts!

Stunts sind ganz klar eine Frage der System Mastery. Je mehr ich AGE-Spiele spiele, desto leichter gehen mir Stunts von der Hand, sodass es hoffentlich irgendwann fließend leicht funktioniert. "Okay, ich habe drei SP generiert und schweife nach Links mit einem SP Skirmish, dann hole ich meine Akimbos raus und Strafe für zwei SP die korrupten Polzisten." Wer jetzt bei den gamifizierten Begriffe jetzt rot sieht, dem kann ich Green Ronins AGE Spiele nicht empfehlen :D Mir persönlich gefällt es, hat einen Hauch von Brettspiel- oder Videospiel-Feeling und das finde ich generell gut.

Aber ich bin kein Experte, ich bin ein blutiger Anfänger so wie meine anderen Spieler*innen auch! Oh lawd, was passiert nur, falls ihre erste Probe gleich sechs Stunt Points generiert!? Die Session stürzt ab, wir müssen erst alle relevanten Stunts durchkämmen und eine kleine Liste möglicher Stunts kompilieren und dann ein optimales Subset für genau sechs Points berechnen- nein, natürlich nicht.

Hie sind die Ideen von Green Ronin, Stunts zu vereinfachen bzw den Aufstieg weniger brutal zu gestalten:

* Core Stunts. Jede Liste hat 1-3 Einträge als "Core Stunt" markiert. Dies sind nützliche Stunts, die eine Spieler*in bevorzugen sollte. Wenn in doubt, activate a core stunt.
* Preferred Stunts. Jede Spieler*in sollte sich für ein paar Stunts entscheiden, die ihr Charakter am öftesten nutzt. Dies ist *keine* Beschränkung, es sind immer noch alle möglichen Stunts verfügbar. Es dient nur dazu, um den Entscheidungsraum auf Core und Preferred Stunts einzugrenzen. Barons Shadowsoul Stunts wären Teil seiner Preferred Stunts und selbst dann wahrscheinlich nur eine Auswahl von 1-3 Stunts
* Stunt Packages. In dem Fantasy AGE Companion gibt es "Stunt Packages," also mehrere Stunts, die zu einem neuen Stunt vereint wurden. Ein "Lethal Blow" besteht aus den Stunts "Brutal Strike (2 SP)" und "Vicious Blow (2 SP)". Es kostet 4 SP, einen Lethal Blow auszuführen- die Summe der zwei Stunts. Es gibt kein Limit, wieviele Stunts in ein Package sein dürfen und auch diese sollen nur helfen, der Spieler*in eine eingeschränkte Auswahl zu bieten.
* Boost. Boost ist ein neuer allzweck-Stunt. Weiß eine Spieler*in nicht, was sie mit ihren übrigen Stunt Points machen möchte kann sie Boosten, oder ihre SP eins-zu-eins für einen Boni auf ihre nächte Probe austauschen.
* Improvised Stunts. Stunts steigen in Effektivität linear zu den verbrauchten Stunt Points. Soll heißen, wenn ein einzelner Stunt Point 1 Schaden oder einen +1 Modi auf eine Probe gibt, dann geben dir sechs Stunts 2d6 (~7) Schaden und einen Reroll oder eine geschenkte Probe. So sollte es möglich sein, in ein Gespräch mit den Spieler*innen zu treten und sie fragen, was sie mit ihren Stunt Points erreichen möchten und ihnen entsprechend einen Vorschlag machen. Wird dieser angenommen kommt es zu einem Austausch, Stunt Points für den gewünschten Effekt.Mein persönlicher Ansatz

Ohne Frage, Stunt Points können auf den ersten Ablick erschlagen. Lieber spiele ich gar nichts, als immer wieder während einer Session den Flow zu unterbrechen, um mir die Stunt-Listen anzusehen. Es kostet mich zwar etwas Arbeit, aber ich werde vermutlich wie folgt mit den Stunts umgehen:

* Ich erstelle Print-Outs von jeder Stunt Liste. Eine Stunt Liste wird zum Anfang der Session kurz vorgestellt und ihre Effekte grob detailiert, damit sie bekannt sind, ohne zuviel Zeit zu verlieren.
* Jede Stunt-Liste enthält nur die 2-3 Core Stunts, alle anderen Stunts werden ignoriert bzw improvisiert, wie bei den Social Stunts weiter oben. Die anderen non-core Stunts werden gar nicht erst aufgelistet oder gedruckt.
* Der Boost Stunt kommt als catch-all prominent auf den Tisch für alle sichtbar. Dauert es zu lange, einen Stunt zu finden bzw es kommt keine gute Idee, dann pushe ich den Boost Stunt.
* In der Session 0, während der Charaktererstellung, dürfen die Spieler*innen ein oder zwei Stunts auf ihren Charakterbogen aufschreiben- nicht mehr! Sie dürfen nach und nach weitere Stunts auswählen falls sie das möchten. Spieler*innen, die sich nicht auf die Regeln oder Stunts konzentrieren werden dadurch nicht überfordert während andere weiterhin ihren Spaß mit der System Mastery haben können.
* Falls möglich biete ich den Spieler*innen alternative Stunts an, falls die Situationen es anbietet.Mit jeder Session möchte ich neue Stunts einführen sofern sinnvoll. Wahrscheinlich werde ich nie einfach so die ganze umfängliche Liste an Stunts präsentieren, das passiert vor, nach oder zwischen einer Session. Stunt Packages werden in Zukunft helfen, aus vielen kleineren Stunts einen cinematischen zu basteln. Fortune Points helfen außerdem, Stunts in Situationen, wo sie einen dramatischen und spaßigen Effekt haben, zu provozieren.

Closing Thoughts

Ich persönlich finde die Idee von Stunts toll. Es ist vielleicht nicht mehr "modern" und viele Spiele wie PbtA nutzen Moves, um verschiedenste narrative Effekte ins Spiel zu rufen, aber für mich ist es der (Brett)spielerische Ansatz der Stunts, welches mich so lockt. Ich persönlich liebe eine große Auswahl und die Möglichkeit, ein System zu "meistern". Hoffentlich entwickeln sich Stunts so, wie ich es hoffe, und zwar in eine dynamische Mechanik, wo meine Spieler*innen immer wieder auf neue und spannende Ideen kommen, um schier unmögliche Situationen dennoch zu meistern. Dass sie genauso an den Stunts gefallen finden, wie ich und in ihrer eigenen Zeit nachschlagen und nach Stunts suchen, die ihnen in Zukunft helfen wird. Ein optimistischer, wenn auch naiver Gedanke ;) Es reicht mir auch völlig, wenn wir irgendwann Stunt Points gut genug verstehen, dass wir deren Effekte fast immer improvisieren und gar auf die Stunt Listen verzichten können.

Wir werden sehen!



What's Next?

Charaktererstellung und Stunts sind nun durch. Gibt es etwas, was ihr als nächstes behandelt sehen möchtet? Ich denke daran, die Advanced Tests und Breaches bzw Challenges, also die prozeduralen Spielregeln des Systems zu erläutern. Magie, Technologie und das Threefold Setting wäre auch noch ganz interessant. Kämpfe und soziale Konflikte sind auch noch große Themen.

1 Ja, zwei Stunt Points. Im neuen Game Mastery Guide gaben sie dem Stunt Attack einen Buff und es generiert nun zwei statt einem Stunt Point. Auch ohne das Spiel jemals gespielt zu haben erscheint sich mir das als sinnvoll, denn ein jämmerlicher Stunt Point ist meistens nicht ausreichend, um im Kampf wirklich etwas zu erreichen. Alle Fähigkeiten, die Stunt Attacks verbesserten, zB indem ein Stunt Attack zwei statt nur einem SP generieren, wurden auch gebufft. Diese generieren nun drei SPs.

QuantizedFields:
Aside: The Churn Tracker

Es ist nur teilweise relevant für die Diskussion mit Stunts, aber ich wollte es dennoch erwähnen. In the Expanse wurde der Churn Tracker eingeführt.



Der Churn Tracker soll dafür sorgen, dass immer wieder etwas passiert und die dynamische Natur der Spielwelt hervorgehoben wird. Mit Fortune Points und Maximalwert des Drama Würfels (unter anderem) wird der Churn Tracker immer weiter erhöht bis er die drei Schwellen (10, 20, 30) erreicht. Dann kommt ein besonderes Ereignis ins Spiel- meist negativ, immer interessant,- und das Leben geht weiter. Mit dem Eintritt eines epischen Ereignis ab Stufe 30 wird der Churn Tracker wieder auf 0 gesetzt, oder auch nach Abschluss eines Abenteuers.

Es hat ähnlichkeit mit den Heat/Doom Points von Modiphius, nur dass der SL die Churn Points nicht direkt ausgibt. Normalerweise häufen sie sich, bis eines der drei Events eintritt, ABER sie schlagen vor, dass Spieler*innen oder der SL Komplikationen akzeptieren können,  um den Churn Tracker 1-3 Stufen zu reduzieren. Mir gefällt die Idee ganz gut, auch wenn ich persönlich wahrscheinlich mehr Gefallen an Doom Points habe. Noch kann ich nicht einschätzen, wie schnell der Churn Tracker voranschreitet basierend auf den fünf Trigger.

Navigation

[0] Themen-Index

[#] Nächste Seite

Zur normalen Ansicht wechseln