3. Wenn Seldon einfach alle Bausteine vorgegeben hätte, die dann zum entsprechenden Zeitpunkt umgefallen wären, dann wäre er ein Gott und die Foundation sein Kult gewesen.
Was es zwischenzeitlich ja auch ist. Die Techno-Religion der Foundation verehert Seldon tatsächlich als so etwas wie einen Propheten. Später, besonders direkt vor dem Auftauchen des Maultiers während der Indbur-Dynastie, ist seine Stellung mE vergleichbar mit der eines "säkulären Heiligen", wie es sie in ideologisch basierten Regimen gab & gibt. Und zersplittert glorios, als seine Aufzeichnung zum ersten mal völlig daneben liegt, Maultier sei dank...
Eine interessante Frage ist, was die Foundation-Saga über Demokratie sagt. Ich würde sagen, diese kommt besser weg als die autoritäre/diktatorische Konkurrenz. Die Herrschaft sowohl des Stiftungsrates als auch der Indburs wird negativ dargestellt, die Institution des gewählten Bürgermeisters positiv. Wobei zu fragen ist, wer von dieser Demokratie profitiert; anfangs wählen den Bürgermeister von Terminus nur die Menschen dort, später weitet sich das weiter aus, aber ich weiß nicht mehr, ob das schon in der O-Trilogie fest gelegt war.
Das Erste Imperium (zumindest in seinen zentralen Instanzen offensichtlich undemokratisch) wird zwar einem Zustand des Krieges und des Chaos vorgezogen. Das neue, von Seldon geplante Imperium soll aber aus der Foundation mit gewählten Institutionen hervorgehen, und seien wir ehrlich: Positiv oder gar sympathisch wirkt das bürokratische Monster von Trantor zu keinem Zeitpunkt.
Ist die Idee der Psychohistorik (inkl der Annahme, das funzt nur, wenn die Vorherssagen unbekannt bleiben müssen) damit vereinbar? In großen Teilen auf jeden Fall, da die Psychohistorik nur die groben Züge beschreibt, nicht die Details, die einen großen Teil eines demokratischen Gemeinwesens ausmachen. Was diese groben Züge angeht, entziehen sie sich offensichtlich der demokratischen Kontrolle, wenn sie grundsätzlich unkontrollierbar sind. Ich würde mich auch gerne der Illusion hingeben, dass dem natürlich nicht so ist, dass der Mensch sein Geschick in der Hand hat, und dass in einer demokratischen Gesellschaft alle daran mitarbeiten und dabei mitbestimmen, wie die Zukunft aussieht... alleine, sicher bin ich mir nicht. Das Bild der parlamentarischen Demokratie als Eisenbahnzug, bei dem die Mitfahrer höchstens den Lokführer austauschen und eventuell ein bischen an der Geschwindigkeit drehen können, die Gleise aber liegen, scheint zu oft zu passend...
Bevor ich zur 2. Foundation komme, grundsätzlich etwas zum Thema Vorhersage: Prophezeiungen führen, ähnlich wie Zeitreisen, zwingend zu logischen Problemen. Wenn die Zukunft fest gelegt ist, was bringen Vorhersagen? Wenn sie nicht fest gelegt ist, wie können sie dann funktionieren? Ein Teil dieser Probleme wird bei Asimov dadurch vermieden, dass die Prophezeiung nur wirkt, wenn sie niemand kennt. Aber es muss Protagonisten geben, die sie kennen, sonst könnte sie für die Geschichte keine Rolle spielen, die ja immerhin davon handelt, dass jemand erfolgreich die Zukunft vorhersagt und darauf reagiert...
Auch das wird bei Asimov i-wie gelöst, denn genau genommen werden nur Wahrscheinlichkeiten vorhergesagt. Auf diese können Leute mit dem entsprechenden Wissen reagieren... Aber wird damit nicht eigentlich die Annahme verletzt, dass niemand die Vorhersagen kennen dürfe, damit sie funzt? Wie gesagt, ganz kommt man von den logischen Problemen nicht weg...
Und nun zur klandestinen 2. Foundationen: Die Vorstellung einer kleinen, nicht legitimierten Gruppe, die weitreichende Gestaltungsmöglichkeiten hat, ist natürlich nicht demokratisch. Wir fangen jetzt lieber nicht an, unter diesem Gesichtspunkt über Lobbyismus, Think Tanks ua Instrumente moderner Politik zu debattieren, aber der Punkt ist klar, denke ich. Gesteigert wird das durch die Geschichte mit der Telepathie/Emotionskontrolle/whatever. Fand ich überflüssig, und auch das Maultier etwas einfaltslos, wenn es darum gin, warum grad an dem Punkt der Seldon-Plan schief lief (Mutanten mit Superkräften sind generell nicht so meins). Wenn man die Bücher als Verherrlichung dieser einen Idee liest, ist Kritik nachvollziehbar. Die Kritik am Leser nicht, denn in den Büchern steckt mE weit mehr. Wenn man den gleichen Maßstab an andere, wesentlich zeitnaherer Produkte der Popkultur anlegt: Wie kommt man dann eigentlich mit der Superhelden-Schwemme der letzten Dekade klar?
P.S.: Fürs RPG könnte es ein interessantes Szenario sein, wenn es zwei oder mehr "2. Foundations" gibt. Also mehr als eine Organisation, die mittels Psychohistorik zukünftige Entwicklungen berechnen kann, und auch, wie, wo und wenn man eingreifen muss, um diese Entwicklungen zu modifzieren. Quasi kalter Krieg der Mathematik-Illuminaten. Hat ich mal eine Version für ausgearbeitet, und da stand tatsächlich die Frage im Mittelpunkt, wie die "Illuminaten" zu Fragen wie autoritären oder isonomen Gesellschaften standen. Wurde aber nicht bespielt, da meine Spieler (in mehreren Gruppen) eher Schmuggler-Kleinklein wollten als galaxis-umfassende Intrigen...