Autor Thema: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade  (Gelesen 21734 mal)

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Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
« Antwort #1 am: 23.11.2021 | 17:19 »
Arabian Adventures (AD&D2) ****

Dies ist das AD&D2-Regelbuch für Al-Qadim und andere 1001-Nacht- oder Arabien-inspirierte Settings. Es liefert allgemein gehaltene Hinweise zu Tugenden und Denkweisen für Völker in solchen Settings, arabische Namen, neue Preislisten für feilschbare Waren, Character-Kits für alle Grundklassen von AD&D2 zur Anpassung und einige neue Zaubersprüche. Beliebt unter Spieler sind dabei die gut gelungenen Mamluken, Korsaren, Wüstenreiter, Heiligen Meuchler (Assassinen), Barbiere und Flammenmagier, weniger einige wenige zu schwach gestaltete Kits wie Matrud (Wüstenräuber), Hakima (Seherin) und Kahin (druidenähnlicher Idol-Priester). Dann gibt es noch den Sha’ir, eine völlig neue Magierklasse, der anstatt ein Magiebuch zu führen einen Pakt mit den Genies (sprich „Dschie-nies“, also Dschinn, Ifrite, Dao und Maride) eingegangen ist und bei Bedarf seinen vertrauten Gen ausschickt, um Zaubersprüche aus anderen Existenzebenen zu stehlen – eine zeitaufwendige und unzuverlässige Methode Magie zu wirken, gut auf Reisen und für kreative Lösungen, wenig wirkungsvoll mitten im Kampf. Auf hohen Stufen kann ein Sha’ir dann auch Genies versklaven.

Speziell über Zakhara, den Kontinent des Al-Qadim-Settings erfährt man in dem allgemein gehaltenen Buch „Arabian Adventures“ noch wenig, es gibt eine Karte und Regeln zu Anrufung des Schicksals, einer Übergottheit. Dadurch ist Arabian Adventures eben nicht allein auf Al-Qadim festgelegt.

Insgesamt ein sehr gut gelungenes Buch.
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Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
« Antwort #2 am: 23.11.2021 | 17:20 »
Land of Fate (Box, AD&D2) *****

Der eigentliche Hintergrund für Al-Qadim folgt dann in dieser Box. Hintergrundbücher für Spieler und Spielleiter, farbige Poster-Landkarten, Monsterbeschreibungen. Die Bücher liefern sehr spielbare, sehr inspirierende Information über das ganze Land, die Götter, die Wüstenstämme, Mamlukenorganisationen, Assassinensekten und die einzelnen Städte, die sofort Lust machen, Zakhara zu bereisen und überall auf Abenteuer zu stoßen.

Mit dieser Box und dem Arabian Adventures (und AD&D2 Spielerhandbuch sowie Spielleiterhandbuch) kann man im Grunde schon losspielen.
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Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
« Antwort #3 am: 23.11.2021 | 17:23 »
Al-Qadim, sämtliche Erweiterungen

A Dozen and One Adventures (Box) *****

Eine Kampagne in und über Muluk, Stadt der Könige, an der Nordküste Zakharas und in den Spukenden Landen, aus zwölf Kurzabenteuern und einem Bonus-Abenteuer zur Abwicklung offener Handlungsstränge, wobei die Reihenfolge der einzelnen Abenteuer variabel ist. Diese Abenteuer nun sind originell, sehr bunt und skurril wie es sich für 1001 Nacht gehört und vor allem lässt sich für Spieler erst nach und nach ein überraschender Zusammenhang zwischen einzelnen Vorkommnissen erkennen. Eine echte Kampagne, kein „Abenteuerpfad“!

 

Assassin Mountain (Box) *****

Diese Kampagne besteht aus drei Abenteuern, bei denen sich alles speziell um die Sekte der „Ewigwährenden“ und ihre geheime Bergfestung dreht. Da braucht es schon mutige Spieler, um es mit diesen fanatischen Selbstmordattentätern aufzunehmen!

 

Caravans (Box) ****

Ein aus skurrilen Kurzepisoden bestehendes Reise-Abenteuer in ungewöhnlichem Auftrag quer durch die Hohe Wüste im Westen Zakharas und zurück, für niedrige Stufen, aber anspruchsvolle Situationen. Die Originalität des Abenteuers leidet etwas unter der storytelligen Konstruktion der letzten Episode, die ansich wenig Handlungsalternativen lässt, zumindest, wenn die Unternehmung von Erfolg gekrönt sein soll. Schade, aber da ist der Spielleiter gefragt, damit die Spieler sich nicht gegängelt fühlen.

Die pdf-Version stand mal als Download bei Wizards zur Verfügung, Kopien lassen sich noch ergoogeln („qadim caravans filetype:pdf“).

 

Cities of Bone (Box) *****

Abenteuer für verschiedenste Stufen in den wüstenumfangenen Ruinenstädten der Spukenden Lande und in den Dschungeln der südöstlichen Ruinenreiche. Originell, anregend, anspruchsvoll – und mit Wiedererkennungseffekten für Fans von Clark Ashton Smith!

Nur die Dungeons kommen etwas kurz – entweder man läuft kurz durch und bleibt im „Plotbereich“ oder der Spielleiter macht sich selbst ans Level-Designen.

 

City of Delight (Box) *****

Keine Abenteuer-, sondern eine weitere Hintergrundbox. Hier wird detailliert und umfangreich Huzuz vorgestellt, die Residenzstadt des Großkaliphen, weltliches und religiöses Zentrum Zakharas, Tempel, Universität, Palast und Harem, wichtige und unwichtige NSCs von Bettler über Händler und Palastintriganten zum schwermütigen Grosskaliphen und seinen frivolen Gespielinnen. Obwohl keine expliziten Abenteuer beschrieben werden, lediglich Abenteuer-Ansätze, springt einen doch jede Seite der beiden Bücher in dieser Box nur so mit Plot an. So hätte ein einfacher Einkaufsbummel meiner Spielergruppe über den Großen Basar beinahe zu deren tragischen Tod geführt, stattdessen wurden sie zu Helden und gewannen den Dank des Grosskaliphen. Ein ander mal konnte ich den Harem als Schauplatz für ein rasantes Slap-Stick-Abenteuers nutzen.

 

Corsairs of the Great Sea (Box) *****

Die Nordküste und der Krieg zwischen freiheitsliebenden Korsaren und ordnungschaffenden Mamlukensklaven ist das Thema dieser Box. Die Abenteuer sind für verschiedenste Stufen ausgelegt und größtenteils äußerst spielenswert. Zwar gibt es eine Rahmenhandlung, die ist aber lediglich eine nur für den Spielleiter sichtbare Geschichte um zwei wettende Genies. Die Abenteuer sind die Geschichten in der Geschichte…


 

Secrets of the Lamp (Box) ****


Hintergrund zu den Genie-Reichen in den vier Elementarebenen und drei Abenteuer, wovon zwei recht kurz gehalten ist, aber das dritte umso interessanter ist und äußerst tiefe Einblicke in das Leben in der Messingstadt der Ifrite und den Hof des furchtbaren Ifritsultans gewährt. Merke: Auch adligen Ifriten sind Hitzewallungen und irrationales Brunftverhalten nicht fremd!

 

Golden Voyages (Box) ***


Eine Box über Seefahrt und Navigation in den nur wenig kartographierten Inselarchipelen der südlichen See, mehrfacher Schiffbruch ist dabei möglich, Sindbad lässt grüssen. Mehre Einzelabenteuer und ein Kampagnenrahmen zur Suche nach einem fantastischen Schatz sind vorhanden. Die Abenteuer sind von der Art sehr unterschiedlich, auch unterschiedlich gut, aber das ganze ist doch etwas lückenhaft und setzt viel Improvisation voraus, um ein rundes Ganzes draus zu machen. Freies Erforschungsspiel ist aber durchaus im Sinne der Box!

 

Al-Qadim Monstrous Compendium Appendix (Heftblätter) ***

Interessant, aber nicht zwingend erforderlich sind viele Al-Qadim-Monster doch nur in den entsprechenden Boxen enthalten. Viel benutzt habe ich aber die Begegnungstabellen der unterschiedlichen Landschaften, die ja immer wieder von Spielergruppen durchquert werden müssen: Wüsten, Berge, Dschungel, Meere – und Luft!

 

Reunion (Heft) *

Ein Turnierabenteuer mit toller Idee und schlechter Umsetzung. Es geht um eine Wüstenstamm, der von einem bösen Zauberer versklavt wurde. In drei Einzelabenteuern müssen dabei die Familienmitglieder zusammenfinden: Die Männer müssen aus dem Bergwerk, die Frauen aus dem Harem und die Kinder aus ihrem Gefängnis ausbrechen und auf unterschiedlichen Wegen zur geheimen Oase des Stammes gelangen. Zwar sind die Ausgangssituationen, Ausbrüche mit unterschiedlichsten Mitteln, und auch einige der Folgesituationen (die Frauen vor dem Kadi!) rollenspielerisch sehr interessant, aber insgesamt handelt es sich doch um eine unglaubwürdige Sightseeingtour durch Zakhara und seine pittoreske Monster-Fauna. Schade.

 

Ruined Kingdoms (Box) ****

Die Ruinenreiche im Südosten werden beschrieben – zu den vielen Wüsten Zakharas sind die Dschungel eine willkommene Abwechslung, zudem gibt es jede Menge spektakulären Hintergund aufzudecken. Leider kommt die Kampagne in Form eines enggleisigen, wenig überzeugenden „Abenteuerpfades“. Wo sind die Erdbeben, Tsunamis, Dämonen und Elementararmeen, die die Endgegnerin zu beschwören droht? Wo haben die Aktionen der Spieler Konsequenzen auf den Kampagnenverlauf? Diese Kampagne nach Buch zu spielen ist ein Fehler! Begeht ihn nicht! Sei’s drum, einige der Einzelabenteuer sind durchaus originell und gut einstreubar in andere Handlungsstränge.

 

The Complete Sha’ir’s Handbook (Softcover) **


Es gibt etwas Hintergrund für den Sha’ir, sonst dreht sich alles in dem Buch um andere Magier-Kits. Es werden auch einige neue, sehr exotische Magier-Kits vorgestellt, leider sind sie spielmechanisch zu sehr mit Nachteilen belastet, als dass sich jemals ein Spieler durchringen könnte, eines zu wählen. Bleiben eben einige Konzepte zur Inspiration für NSCs. Das nützlichste in diesem Buch sind die neuen Zaubersprüche und eine Komplettliste nach Element aller Sprüche aus Spielerhandbuch, Arabian Adventures, Secrets of the Lamp, Sha’ir’s Handbook und Almanach der Magie (es fehlt aber: Alles über den Magier).
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Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
« Antwort #4 am: 23.11.2021 | 17:27 »
Trail of Cthulhu RPG

Trail of Cthulhu ist eines von vielen alternativen Regelwerken für Cthulhu, das Rollenspiel. Robin D. Laws und Kenneth Hite haben diese Verion verfasst, oder sage ich gleich „verbrochen“?

Zunächst mal zum Lobenswerten an Trail of Cthulhu:  Es wirkt weitestgehend sehr durchdacht und umschifft geschickt Gefahrenzonen typischer Spieler- und Spielleiterfehler. So wählt z.B. jeder Spieler bei der Charaktererschaffung einen Drang („Drive“), der seinen Charakter dazu bringt, sich mit gefährlichen und merkwürdigen Forschungen zu befassen.

Regeloptionen werden nach Puristen- und nach Pulpstil unterschieden und sind durch Symbole im Regelwerk hervorgehoben.

Auch der Schreibstil ist angenehm. Die Autoren zeigen, dass sie mit diversen Spielleiterparadigmen vertraut sind, identifzieren sich aber nicht mit einem Stil und reden auch nicht bestimmte Spielstile schlecht. So widmen sie etwas zwei Seiten des Buches der Diskussion Railroading vs. offenes Spiel  und lassen Erfahrungen vom Spieltisch mit einfließen.

Nun aber zum Kern der Regeln, nein, den Regelkernen, denn es gibt ihrer drei: Investigative Abilities, General Abilities und Stability/Sanity.

 

Investigative Abilities

Diese Fertigkeiten dienen der Ermittlungstätigkeit. Sie betreffen Wissen, Interaktion und Technik. Das Level der Fertigkeit definiert, wie detailliert der Spielleiter Informationen herausrückt. Gewürfelt wird dabei nicht. Die Kernhinweise zur Lösung des Szenarios werden also automatisch gefunden, denn der Spielleiter stellt sicher, das die Gruppe über die erforderlichen Fertigkeiten für das gewählte Szenario verfügt. Die intellektuelle Schwierigkeit von Ermittlungsabenteuern soll also nicht im zufallsabhängigen Finden, sondern im Zusammenfügen von Information liegen.

Dennoch kann es sich lohnen, mehr als einen Punkt in einer Ermittlerfertigkeit zu haben, denn es gibt die Möglichkeit, Poolpunkte einer Fertigkeit für Vorteile auszugeben (der Ermittlungswert der Fertigkeit sinkt dadurch nicht). Dies kann zu Boni auf eine andere Fertigkeit führen (z.B. durch Nutzung von Fachliteratur), zu persönlichen Bekanntschaften von Nichtspielerfiguren aus dem selben akademischen Fachgebiet, oder zu schnellerem Zugang von Information führen, als im Szenario geplant, was besonders angenehm ist, wenn die Spieler den Plot bereits durchschauen, und man dann eine langwierige Recherche abkürzen kann.

Dieses System hat durchaus Vorteile, die nicht zu leugnen sind, jedoch werden Ermittlerfertigkeiten nie gewürfelt und Spieler müssen mit dem Spielleiter auf einer abstrakten Ebene verhandeln, welche Vorteile sie durch die Ausgabe von Punkten bekommen können.

 

General Abilities

Die allgemeinen Fertigkeiten sind die typischen Fertigkeiten, die in allerlei Action-Szenen genutzt werden: Kampf, Flucht, Verfolgungsjagden etc. Der Unterschied zu Ermittlerfertikeiten: Hier wird gewürfelt! Punkte werden aus der Fertigkeit ausgegeben, um vor dem Wurf einen Bonus zu erkaufen. Nach einer ungestörten Nachtruhe sind die allgemeinen Fertigkeitspools wieder voll (Ermittlungsfertigkeiten erst zum nächsten Szenario).

Das Ressourcenmanagement der Pools soll für Spielspannung sorgen, tatsächlich führt es jedoch auch hier eine abstrakte Ebene ein, die im BRP-Regelwerk und anderen klassischen Rollenspielsystemen nicht existiert. Wer eine hohe Fertigkeit hat, kann zwar mehr Proben erfolgreich bestehen, als jemand mit einer niedrigen Fertigkeit, aber was bedeutet es für den Charakter, wenn der Spieler Punkte ausgibt? Strengt er sich dann mehr an oder weniger? Was bedeutet es, wenn ein Pool leer ist? Ist der Charakter dann erschöpft? Aber wieso muss er dann eine Nacht ausruhen statt 15 min Verschnaufen, um den Pool wieder aufzufüllen? Tatsächlich bedeuten die Fertigkeitspools überhaupt gar nichts in der Spielwelt. Sie sind ein vollkommen abstraktes Werkzeug zur Beschäftigung des Spielers. Brecht’sches Spiel mit V-Effekt. Wo man bei BRP einach eine Probe in seiner Fertigkeit mit 45% würfelt und sich in den Charakter hineinfühlt, der ja genau weiß, wie gut er in etwas ist, wird bei Trail die Immersion durch abstrakte Überlegungen auf der Metaebene gestört. Wer braucht denn eigentlich diese Punkteschieberei?

 

Stability / Sanity

Die geistige Gesundheit wird mit zwei Parametern gemessen: Stability und Sanity. Der Unterschied zwischen beiden Werten (auch sie sind Poolfertigkeiten) wird über zwei Seiten im Regelwerk erläutert. Schlau wird man daraus jedoch nicht. Stability ist jedenfalls ein Wert, von dem oft Punkte abgezogen werden, egal ob durch Mythos- oder Nichtmythosvorfälle, während Sanity eine langsamere, tiefergehende Schädigung des persönlichen Weltbildes durch den Kontakt zum Cthulhu-Mythos simulieren soll. Wahnsinnig wird man jedenfalls über beide Werte. Im Spiel zeigte sich, dass die Stability-Punkte ziemlich schnell in den Keller gehen, weil für den geringfügigsten Stresszustand (z.B. den Anblick einer Leiche) als auch für Begegnungen mit Mythoskreaturen Stability verloren geht. Warum man am Ende des Szenarios durch Mythosbegegnungen wahnsinnig ist, weil man am Anfang des Szenarios eine Leiche gesehen hat, ist aber nicht nachvollziehbar, da es ja einen zweiten Wert, nämlich die Sanity eben just für das persönliche Weltbild gibt. Warum hat man nicht Stability für Nichtmythosstress reserviert, und als schlimmste Konsequenz ein bloßes tempöräres „Durchdrehen“ festgelegt, und den Wahnsinn ausschließlich an die Sanity-Schädigung gekoppelt? So, wie die Regeln sind, hat man auch wieder hier abstrakte Werte, unter denen man sich nichts vorstellen kann.

Im Vergleich zur schlichten Schönheit des geistigen-Stabilität-Systems von BRP mit nur einer Skala verliert Trail, denn spielmechanisch ist kein Vorteil erkennbar. Peinlich für die Autoren ist jedoch auch, dass sie gegenüber den realistischeren Unknown-Armies-Regeln für geistige Zustände gnadenlos abstinken, denn an dem eleganten UA muss sich jedes Horror-Rollenspiel messen, das seitdem erschienen ist. In meiner Gruppe haben wir die Stability/Sanity-Regeln bereits nach einer Spielsitzung abgeschafft.

 

Fazit

Trail of Cthulhu löst elegant Probleme, die mit etwas Erfahrung vermeidbar sind, und schafft durch Einführung abstrakter Regelmechanismen Probleme, die in klassischen Rollenspielen niemals auftreten können. Trail bzw. das zugrundeliegende Gumshoe-Regelwerk wurde von Intellektuellen im Elfenbeinturm geschrieben und führt im Feldversuch zu vielen Pannen. Ab ins Regal mit Dir, Regelbuch, und fange Staub! Iä!
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Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
« Antwort #5 am: 23.11.2021 | 17:29 »
Flucht von Valmorca (Softcover, Abenteuer)

Durch eine Verlosung im Rollenspiel-Almanach bin ich an das kleine Softcoverbuch „Flucht von Valmorca“ gelangt und dieses Büchlein ist durchaus den Aufwand wert, dass ich darüber schreibe. Es beinhaltet sowohl ein Setting, Spielregeln, ein Solo-Abenteuer zur Einführung und eine Kampagne aus 28 Abenteuermodulen in äußerst löblichem Layout!

Die Settingbeschreibung befasst sich zunächst kurz mit fünf kulturell stark unterschiedlichen menschlichen Völkern. Auf langweilige Elfen, Zwerge, Orks wird hier verzichtet (im Gegensatz zum Destiny Dungeon RPG des gleichen Autors), was mich etwas an das Rollenspiel „Hyperborea – Meister des Stahls“ (orig. „Bloodlust“) mit seinen feindseligen, kriegerischen Völkern erinnert. Weiter geht es mit der Beschreibung der Gefangeneninsel Valmorca, der dort etablierten Banden und der wichtigsten Agitatoren. Auch hier erinnern mich die Verschlagenheit der NSCs, die Brutalität des Überlebenskampfes und die Andeutungen dunkler Magie durchaus positiv an die Stimmung von Hyperborea.

Die Spielercharaktere werden ebenfalls als Gefangene auf dieser Insel abgeladen und müssen sich ihren Platz vor Ort erkämpfen. Der Anfang ist über das enthaltene Soloabenteuer möglich, welches einem außerdem die Regeln näher bringt. Hier fällt schon auf, dass dieses Buch nicht einfach nur aufwendig und bunt, sondern intelligent gestaltet ist, denn eingängige Symbole im Text verdeutlichen dem Leser regeltechnisch Relevantes. Daumenkino-Würfelsymbole auf jeder Seite erleichtern auch das sofortige Soloabenteuerspiel ohne Zubehör.

Ich habe das Soloabenteuer nur einmal gespielt und darin versagt, das optimale Spielziel, die Aufnahme in eine Bande, zu erreichen. In einem Rollenspiel hätte ich den Charakter aber auf jeden Fall aus der Endsituation heraus weiterspielen wollen!

Auf die Aufnahme der Spielercharaktere in eine bestimmte Bande folgt die eigentliche Valmorca-Rollenspiel-Kampagne. Knapp zusammengefasst, aber mit allen relevanten Informationen und vielen anschaulichen Karten versehen werden 28 Abenteuer (Nr. 29 ist der Epilog) beschrieben. Sie sind modular miteinander verknüpft, d.h. die Auslösung von Einzelabenteuern und die genaue Reihenfolge hängen von Entscheidungen und Ergebnissen während des Spiels ab. Dies ist sehr sinnvoll, da man als Spielleiter gar nicht erst überlegen muss, wie man dem starren Konstrukt eines Plotautoren entkommen kann. Auch hier unterstützen klug designte Symbole das Auffinden von Schlüsselinformationen im Text. Sowohl der inhaltliche Aufbau, die Organisation von Information als auch die ansprechende Optik sind schlicht und einfach vorbildlich.

Ein kleines Manko: Gegen Ende der Kampagne konnte der Autor der Versuchung nicht widerstehen, einen gewissen plottragenden NSC in einem Abenteuer etwas forciert entkommen zu lassen, um die Schlüsselszene im folgenden Abenteuer zu ermöglichen. Dies tut dem ansonst exzellenten Aufbau der Kampagne jedoch keinen Abbruch, da die modulare Struktur dem Spielleiter jegliche Freiheit lässt. Ich bezweifle ja, dass mit meinen Spielern die Kampagne wie beschrieben ablaufen würde, denn die wichtigsten Plotträger wären wahrscheinlich in der Mitte der Kampagne bereits tot. Dennoch wären nicht alle Vorfälle in späteren Abenteuern ausgehebelt und ich hätte als Spielleiter weiterhin Nutzen durch das  Beschriebene. Schließlich ist das letztendliche Ziel einer jeden Valmorca-Kampagne nicht das bloße Überleben, sondern die Flucht in die Freiheit.

Auf die Kampagne folgen noch einige Seiten mit den Spielregeln. Das System ist W6-basiert, aber recht ausgeklügelt. Trotz der Knappheit der Seiten ist jedoch alles Relevante enthalten: Kampf inkl. Wurfwaffen, Rüstung, Bewegung, Tod, Moralregeln; aber auch Talente, Zaubersprüche, Erfahrungspunkte.

Mit Sicherheit werde ich die Valmorca-Kampagne irgendwann spielen, leicht abgeändert mit Hyperborea-Regeln, da ich persönlich nicht noch ein neues Regelwerk brauche. Das Setting hat mich aber begeistert, denn ohne plumpe Orks und Oger, allein durch Handlung und NSCs sorgt der Autor Herausforderungen und düstere Stimmung. Ich bin gespannt, was Ace of Dice noch so an Abenteuern herausbringt, die ich verwerten kann. In einem Interview mit dem Herzlichen Rollenspiel nannte er den Wunsch,  seine Destiny-Reihe möglichst professionell am deutschen Rollenspielmarkt zu platzieren. Ein hehres Ziel, aber Erfolg wünschen kann man ihm, denn er macht wirklich gute Arbeit!
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Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
« Antwort #6 am: 23.11.2021 | 17:32 »
Bad Myrmidon (OSR-Modul)

Ein sehr trashiges Hack-n-Slash-Abenteuer für Erwachsene von Rafael Chandler, für einen guten Zweck. Es beinhaltet Myrmidonen, Amazonen und eine erfrischende Menge unnötiger Brutalität zwischen ebendiesen Veteranen des Trojanischen Kriegs. Es besteht zur Hälfte aus Hexploration und zur anderen Hälfte aus Dungeon Crawl und wirkt recht unterhaltsam.

Warnung: Hexfeld 507 ist von James Edward Raggi IV beschrieben worden und übertrifft erwartungsgemäß den Rest des Abenteuermoduls an Geschmacklosigkeit.
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Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
« Antwort #7 am: 23.11.2021 | 17:37 »
Yoon-Suin the Purple Land, ein Fantasy-Setting von David McGrogan

Von den stinkenden Fluten des Götterflussdeltas träge umspült, erhebt sich die Gelbe Stadt mit ihren prunkvollen Pagoden und verqualmten Tempeln. Träge räkeln sich die Besucher der Opiumhöhlen, bis zur Heißerkeit streiten sich die Gelehrten in ihren Gildenhäusern und angeregt schlürfen Angehörige aller Kasten die exquisiten Gebräue in den Teestuben der Stadt. Die Sänftenträger der Schneckenmenschen trampeln über verkrüppelte Bettler und Verrückte hinweg. Versklavte Krebsmenschen schleppen Steine für den Bau neuer Paläste, während ein Dutzend alter Stadtteile unter dem Gewucher des Láhág-Dschungels dahinbröselt. Flussaufwärts: Die Hausboote der Flussleute transportieren Opium und Tee, Opale, Jade und Smaragde durch den mangrovenartigen Flusswald Lamarakh zur Gelben Stadt, um diese bei den Kartellen der Schneckenmenschen gegen Perlen und Waren von jenseits des Muränengolfs zu tauschen.

Westlich des Láhág, südlich des Lamarakh: Die Hundert Königreiche fechten ihre alten Fehden untereinander aus und pflegen seltsame und grausame Riten, die ihrer jeweiligen Kultur eigen sind.

Im Norden: Die Opiumtäler der Oligarchen und das ferne Hochland Sughd, in dem, die ungewöhnlichsten Teesorten gedeihen, erstrecken sich in den Ausläufern der Berge des Mondes, deren Wurzeln von den Zitadellen vergangener Zwergenkulturen durchlöchert sind und deren Gipfel den Menschen nicht genug Luft zum Atmen bieten.

Das purpurne Land Yoon-Suin bietet dem abenteuerlustigen Reisenden ebensoviel erstaunliches wie entsetzliches, doch eine Gefühlsregung beherrscht die Atmosphäre dieses alten, alten Landes wie keine andere: Wehmut. Der dekadente aber zu Tode gelangweilte Schneckenmensch, der Flusshändler, der eine Bootsladung funkelnder Rubine zur Gelben Stadt befördert, nur um hinterher wieder auf seinem Boot den ewig-feuchten Lamarakh-Wald flussaufzuschippern, der unter der Last seines Fluches durch den Láhág-Dschungel hetzende Dämon, keiner entrinnt je der Wehmut des Purpurnen Landes.

Inspirativ und nutzbar zugleich

Nach einigen einführenden Kapiteln, u.a. dem Stimmung setzenden Tagebuch des Laxmi Gutra Dahl, Charakterbauregeln für Krebs- und Schneckenmenschen und einem Bestiarium indisch inspirierter Dämonen und fantastischer Kreaturen, zeigt sich erst, wie genial David McGrogan sein Setting praktisch zugänglich zu präsentieren weiß.

Die folgenden vier Kapitel (Die Gelbe Stadt und die Topasinseln, Die Hundert Königreiche und Láhág, Lamarakh und der Untere Druk Yul, Die Berge des Mondes und Sughd) sind jeweils einem der Subsettings gewidmet und bestehen aus Tabellen zur Durchführung der Kampagne. Dabei wird erst das soziale Umfeld der Spielercharaktere ermittelt sowie momentane Konflikte und bedeutsame NSCs. Bei Bedarf können im Lauf der Kampagne beliebig viele weitere soziale Gruppen, NSCs und Ereignisse zufallsgeneriert werden. Für die Erforschung der Umgebung stehen vorbereitete Hexfeld-Einträge sowie zahlreiche Begegnungstabellen bereit.

Die Kampagne oder besser Kampagnen in Yoon-Suin sind also generisch, durch die Vielfältigkeit der inspirierenden Einträge wird ein Gefühl der Beliebigkeit aber vermieden. Zu keinem Zeitpunkt hat man das Gefühl, durch belanglose Tabellen voller Hartwurstigkeiten zu blättern. Was man sowieso als Spielleiter selber bereitstellt oder durch Regelwerke zur Verfügung hat, stiehlt einem in diesem Setting-Buch nicht den Platz. Wo man durch seltsame Tabelleneinträge als Spielleiter ins Schwimmen kommen könnte, folgt stets eine Erklärung oder eine Untertabelle zur Erläuterung.

Beispiel einer Kampagne in den Hundert Königreichen

Ich würfle mir probeweise ein Königreich aus: Eine (3) Plutokratie (9) paranoider Händler, die unter dem (5) Mottenbanner über eine (1) monotheistische Bevölkerung voller imaginärer oder tatsächlicher Verschwörer herrscht. Die Mottenstadt ist bekannt für ihre (15) große Schmiede, in der sich zahllose Sklaven zu Tode schuften, und ist zur Zeit (19) Opfer eines Söldneraufstands. Aha, dann geht es den Söldnern wohl gar nicht um Geld, sondern um Gewalt über die berühmte Waffenschmiede, in der aus hochwertiges Eisen erzeugt und zu überragenden, in Sklavenblut gehärteten Waffen und Rüstungen verarbeitet wird. Dies wäre wohl die Basis für einen zukünftigenEroberungskrieg der ehemaligen Söldner, die von den paranoiden Plutarchen ursprünglich ins Land geholt worden waren, um sie vor der eigenen Bevölkerung zu schützen. Übrigens gibt es noch (12) einen mystischen Brunnen in der Stadt, sagen wir im Palast, in dem sich die Plutarchen vor den Söldnern verschanzen.

Weiter mit dem Gesellschaftsumfeld der Spielercharaktere: Eine (7) Opiumhöhle, in welcher (4, laut Anhang B – Opium) zerriebenes gelbes Opium mit belebendem Effekt geschnupft wird. Aktueller Konflikt: (8) Wahnsinn. Mehrere Kunden (aufständische Söldner?) sind in jüngster Zeit Amok gelaufen, obwohl dies nicht zu den üblichen Effekten des stimulierenden gelben Opiums gehört. Bedeutende NSCs: (10) Chef der Wache unserer Opiumhöhle sowie (1) ein süchtiger Stammkunde, (10) von dem es heißt, er könne aus dem zerstampften Opium die Zukunft lesen.

Außerdem wird in der Kampagne ein (8) Schläger namens (1) Krishna in (16) zerschlissener Kleidung vornehmster Machart wichtig, der mit einer (18) Hypnotiseurin namens (19) Simra (23) rivalisiert, vielleicht um den Besitz der Opiumhöhle? Weiterhin: Ein (11) Rattenfänger (15) erpresst einen (2) Söldner – natürlich den Führer des Söldneraufstandes. Besteht hier ein Zusammenhang mit dem Wahnsinn der opiumkonsumierenden Söldner? Kam hier vielleicht ein Rattengift zum Einsatz?

Damit nicht genug, ein Gerücht besagt, dass (2) ein neues Opium in der Gegend populär wird, allerdings belebt es nicht, wie unser gelbes Oium, sondern macht die Konsumenten schlapp und antriebslos. Versuchen die Plutarchen die Söldner zu betäuben oder drängt hier ein Konkurrent auf den Opiummarkt?

Auf die Tabellen und Hexfeldeinträge zur Umgebung gehe ich hier aus Platzgründen nicht ein. Die beim Schreiben zufällig generierte Kampagne verspricht jedenfalls interessant zu werden.

System

Yoon-Suin ist mit jedem Rollenspielsystem spielbar, da sich der Autor soweit wie möglich auf Informationen beschränkt hat, die über Grundregeln hinausgehen. Es finden sich wenige Verweise auf Monster und Zaubersprüche aus dem D&D-Universum wieder, sowie kurze Stats, die mit älteren D&D-Versionen kompatibel sind. Darüber wird der artfremde Leser mit Leichtigkeit hinwegsehen können.

Umgebungskarten in Spieler und Spielleiterfassung

Im Anhang gibt es zu jedem Subsetting eine Umgebungskarte, stimmungsvoll aber krakelig und umpräzise, wie sie ein Gelehrter des Landes anfertigen würde. Für den Spielleiter befindet sich daneben eine klassische Hexfeldkarte. Ein wunderbares Konzept! Leider ist die Bildqualität der Karten in der Druckversion nicht sonderlich gut. Vielleicht sieht man sie im pdf besser. Möglicherweise kann man den Autor auch überzeugen, seine Hexographer-Dateien zur Verfügung zu stellen.

Immerhin verspricht McGrogan den Käufern beider Ausgaben (Print und pdf) als Bonus sein Yoon-Suin-Abenteuer The Halls of the Shimmering Stars in the Deep Blue Firmament. Besser man stellt es sich so herum vor: Man kauft das Abenteuer und bekommt das pdf als Bonus. Klingt schon viel sympathischer.

Fazit

David McGrogans Yoon-Suin fasziniert durch seine kreative indisch-chinesisch-tibetanische Fantasy, welche seltsam genug ist um sich deutlich von den bodenständigeren deutschen Settings abzuheben. Gleichzeitig ist es nicht so verrückt wie viele „Weird-Fantasy“-Produkte von LotFP, bei denen man ernsthaft zögert, diese auf seine Spieler loszulassen, oder so wirr wie die Settings von Zak Smith (übrigens auch ein Bewunderer Yoon-Suins), dass sie für den Nicht-Zak-Spielleiter schwer zugänglich sind. Deutsche wie amerikanische Rollenspielautoren sollten sich unbedingt von McGrogan abschauen, wie man Informationen nutzbar aufbereitet! Was hätte beispielsweise Carcosa für ein Hammer werden können, wäre es so systematisch und variabel wie Yoon-Suin dahergekommen.

David McGrogan arbeitet derweil an der zweiten Edition von Yoon-Suin.
« Letzte Änderung: 31.03.2022 | 10:38 von ghoul »
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« Antwort #8 am: 23.11.2021 | 17:42 »
HOMEKA (Jeu de rôle)

Als die Menschen Zephyr besiedelten, war dieser Gasriesenmond reich an Wasser und Leben. Nun, im Jahr 2654 AD, ist das Paradies seiner Ressourcen beraubt, übrig bleiben Sand, orkanartige Stürme und einige mit aggressiven lila Salzen verseuchte Seen, die kläglichen Überreste des Ozeans, den die Konzerne in den Orbit pumpten und in Sternenschiffen exportierten. Das Sternenportal ist zerstört, der Ressourcenkrieg zwischen den Konzernen wurde zum Überlebenskrieg der Zurückgelassenen.

Nun, nachdem die höchsten technologischen Wunder irreparabel zerstört sind, und Munition nur noch in Restbeständen gehortet wird, arrangieren sich die Überlebenden mit ihrem Dasein in Städten und Dörfern zwischen gigantischen Wanderdünen, Tagebauwüsten und radioaktiven Todeszonen.

Glücklich aber kann sich schätzen, wer zur Crew eines Mechs gehört. Diese ehemaligen Kriegsmaschinen der Konzerne können längst nicht mehr von nur einem Piloten in voller Synergie mit der Maschine betrieben werden, denn sämtliche Synchronisationsstationen sind vernichtet. Um sie überhaupt im Rangiermodus verwenden zu können, wurden sie drastisch umgebaut, Kabel wurden neu verlegt und Raum für Stationen zum Bedienen der verschiedenen Subsysteme wurden eingerichtet, beengte Schlafplätze und Küchennischen für die Besatzung eingerichtet. Fehleranfällig und ungelenk mögen diese HOMEKAs sein (Wortkonstrukt offenbar aus „mobile home“ und „mecha“), doch um Konvois Geleitschutz zu bieten oder die trockene See nach brauchbaren Ressourcen zu erkunden sind sie die besten Maschinen, die Zephyr zu bieten hat.

HOMEKA ist ein französisches (und nur in jener Sprache vertriebenes) Rollenspiel. Die oben in Kurzfassung vorgestellte Hintergrundwelt wird in angemessenem, nicht aber ausuferndem Detail beschrieben. Als Leser möchte man eigentlich sofort Charaktere bauen und einen Mech bemannen.

Das Layout ist ansprechend, besonders die 20 Mech-Modelle und ihre „technischen Tafeln“. Dem aufmerksamen Betrachter entgeht nicht, dass an manchen dieser Mechs Wäscheleinen aufgespannt sind – da nutzt die Besatzung wohl gerade einen windarmen Tag zum Verrichten wichtiger Alltagsaufgaben.

Das Spielsystem basiert auf einem Regelwerk namens ASPEX. Dessen Kernpunkte sind veränderliche Würfel und eine Attribute-Fertigkeiten-Matrix. Das heißt zum einen: Alle typischen Rollenspielwürfel vom W4 zum W20 werden genutzt. Man würfelt gegen eine vorgegebene Schwierigkeit, bspw. 4, mit dem Würfel, der einem zusteht, üblicherweise W6 für Menschen (Maschinen nutzen verschiedenste Würfel, im Extremfall den W20). Durch Verwundung, Systemschaden, fehlende Fertigkeit etc. kann der Würfel herabgestuft werden, etwa vom W6 zum W4. Wer sich für einen kritischen Wurf entscheidet, kann für einen Punkt Vigilance (Wachsamkeit, ein langsam regenerierender Pool) seinen Würfel hochstufen, z.B. vom W6 auf W8, nimmt aber dafür die Gefahr eines Patzers bei einer gewürfelten 1 in Kauf (ohne kritischen Wurf gibt es keine Patzer; Patzer heißt oft Verlust eines Trefferpunktes). So weit so gut.

Nun zur Attribute-Fertigkeiten-Matrix: Der Spieler legt Punkte in seine Fertigkeiten, wobei er die Punkte jeweils einer Fertigkeit einzelnen Attributen zuweist (max. 2 Punkte pro Eintrag). Die Summe der Fertigkeiten eines Attributs ergibt das Attribut. Spieltechnisch von Bedeutung bleibt aber der einzelne Eintrag (von 0 bis 2), der einen Bonus auf einen entsprechenden Wurf darstellt. Bspw. kann ein Charakter in der Fertigkeit Überleben auf dem Attribut Ausdauer 1 Punkte, auf Wissen 2 Punkte und auf Stärke, Präzision, Diskretion und Intelligenz 0 Punkte haben. Uff! Wozu das ganze? Einfach eine Fertigkeitsliste ohne Attribute wäre viel einfacher gewesen! Die Idee ist, dass der Charakter präziser nach seinem Konzept gebaut und gespielt wird. Verlang der Spielleiter einen Wurf auf Überleben – Diskretion gegen 4, kann der Spieler anbieten, stattdessen auf Überleben – Wissen zu würfeln, weil sein Charakter sich mit derartigen Situationen aufgrund seiner Kindheit allein unter lila Wüstenwölfen so gut auskennt. Der Spielleiter ist angehalten, Diskussionen über das passende Attribut kurz zu halten, und kann die Schwierigkeit für das stellvertretend eingesetzte Attribut situationsbedingt nach oben oder unten korrigieren. Das Risiko hierfür muss der Spieler tragen. Das erste Spielt wird erst noch zeigen müssen, wie sich das in der Praxis auswirkt.

Außerdem sieht das HOMEKA-Regelwerk vor, Zusatz-Erfahrungspunkt für das Ausspielen der Persönlichkeit eines Spielercharakters zu vergeben. Das ist ja so 90er! Am besten man ignoriert diese Regel und lässt die Spieler je nach Spaß und Laune spielen.

Richtig spannend werden die HOMEKA-Regeln erst, wenn wir uns die technischen Bögen der Mechs anschauen: Den Stationen, bspw. Manipulator, Mobilität, Artillerie, Drohnen, Synergiekammer, sind Energiewürfel (rangiert je Mech vom W8 bis W20) zugeordnet. Außerdem sind an allen Gliedmaßen/Baugruppen Panzerung, Tonnage, Erschütterungswert (wegen Übelkeit!), ggf. Schadenswürfel angegeben. Es gibt auch eine Zählleiste für Trinkwasser.

Mit Spielfiguren können die Positionen der Crew-Mitglieder dargestellt werden. Meistens kann zum Stationswechsel ein Kabelschacht genutzt werden, aber nicht immer. Durch eine Schleusentür steigen, unter Beschuss an der Außenhaut des Mechs entlangklettern, Enterversuche von Sandhopper-Fahrern abwehren, durch eine weitere Schleuse wieder hinein, um den verwundeten Kameraden zu verarzten –  das will gut überlegt sein.

Alle bemannten Stationen sind über Neuronalschnittstellen mit der Fertigkeit Mech-Pilot bedienbar und nutzen den Würfel der Mech-Station. Bemannte Stationen, die in der Runde nicht aktiv genutzt werden, können einer anderen Station Energie zuführen, d.h. bspw. im T-400 „T-cat“ liefert die Manipulatorenstation ihren W12 an den benachbarten Artillerieposten mit dem Lasergeschütz, der seinen W10-Wurf versemmelt hat. Der bereitgestellte Würfel wird dabei herabgestuft, einmal für jede Station, die die Kabel bis einschließlich Empfängerstation durchlaufen, und einmal, wenn die Betriebsart von Geber- und Empfängerposten unterschiedlich sind. In diesem Fall sin Manipulatorstation und Artillerieposten direkt benachbart, d.h. der W12 wird erstmal zum W10, aber dann ist noch die Betriebsart unterschiedlich, einerseits Myomere (Kunstmuskeln), andererseits Energiewaffe, d.h. der W10 wird weiter zum W8 herabgestuft. Immerhin, ein Wurf darf wiederholt werden, großartig! Oftmals kommt nur noch ein W4 an Energie an, womit eine Probe im Kampf kaum zu schaffen ist.

Charaktere können „individuell“, also zum Nachbestücken, oder als Gruppe erschaffen werden, d.h. alle investieren Erschaffungspunkte in einen Fahrzeugkonvoi, einen kleinen Mech mit Konvoi oder einen mittelgroßen Mech ohne Konvoi.

Für Waffennarren gibt es nicht nur eine lange Waffenliste, sondern auch lange Listen mit Munitionsarten und Sprengköpfen/Kampfstoffen (komisch: keine Kernwaffen, die waren irgendwo ganz woanders im Fließtext versteckt). Etwas kompliziert ist, dass Durchschlagskraft und Schaden der Waffe und der Munition miteinander verrechnet werden müssen. Das wirkt beim Lesen recht tödlich – auch für Mechfahrer!

Außerdem enthält das Buch noch ein Kapitel mit Spielleiter-Wissen, vorgefertigte Charaktere (huch, die haben den Regeln nach zu viele Trefferpunkte!) und zwei Abenteuer (huch, die NSCs haben zwar Statblocks, aber ohne Trefferpunkte!).

Am Ende des Buches befindet sich ein Charakterbogen, druckfreundliche Versionen der technischen Bögen der beiden kleinsten Mechs und ein (Code zum Generieren für den persönlichen) Zugangscode für Zusatzmaterial auf der HOMEKA-Webseite. Natürlich habe ich dort, im geschützten Bereich der Webseite, druckfreundliche Ausgaben aller 20 Mechs erwartet und ein Errata/FAQ. Nichts da. Nur der Charakterbogen und die zwei bekannten Mech-Bögen. Enttäuschend. Dazu hätte es nicht solch eines komplizierten Prozederes bedurft.

Insgesamt bin ich aber begeistert und kann es kaum erwarten, HOMEKA einem Praxistest zu unterwerfen. Über die kleinen Mängel sehe ich gerne hinweg, zumal keine Gummipunkte und keine Erzähltrickserei vorgesehen sind. Und falls die kleinen Mängel sich im Spiel als große Mängel entpuppen sollten, muss eben ein anderes System die Spielbasis liefern. Die 20 Mechmodelle sind jedenfalls sehr gut konzipiert, die Spielwelt ebenso. Das will man einfach spielen!

Nachtrag:
Nach dem Schreiben dieser Edition musste ich feststellen, dass die Regeln unvollständig sind! Sobald ein Mecha auf einen anderen Mecha schießt, lässt einen das Regelwerk im Stich. WTF? Zum Glück kann man Regeln extrapolieren und ergänzen. Ich habe tatsächlich eine Mini-Kampagne erfolgreich geleitet und die Spieler verlangen nach einer Fortsetzung.
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Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
« Antwort #9 am: 23.11.2021 | 17:45 »
Broodmother SkyFortress (LotFP)

Autor Jeff Rients, der mit seinem Gameblog die OSR mitverursacht hat, und Herausgeber James Edward Raggi IV, der mit Lamentations of the Flame Princess die OSR als erster erfolgreich monetarisierte, präsentierten 2016 das spektakuläre LotFP-Modul Broodmother SkyFortress.

Da ist es höchste Zeit, zum RSP-Blogs-Karneval Dezember 2019 mit dem Thema Höllenbrut endlich jenes teuflische Buch zu besprechen. Tatsächlich handelt es sich nicht einfach um ein OSR-Abenteuer-Modul, sondern auch um eine Spielleiter-Fibel.

Das Buch ist als Hardcover und als pdf erhältlich. Raggi hat ordentlich Budget für Illustrationen springen lassen, es ist wohl abgesehen von Monsterkompendien das RPG-Buch mit der meisten Bebilderung im Verhältnis zur Seitenzahl. Die Bilder sind lustig bis abstoßend, albern bis spektakulär, einige sind Parodien. So ist auf dem Rück-Cover die Festung im Grenzland aus dem gleichnamigen D&D-Modul (B2 bzw. B1) von Gary Gygax zu sehen, wie sie in Flammen steht; auf Seite 5 sehen wir Jeff Rients in der Rolle der freizügigen Magierin des berüchtigt-frivolen Covers des Exalted-Bands Savant and Sorcerer. Wir dürfen davon ausgehen, dass sich dies nicht nur um ein Bekenntnis des LotFP-Verlags zu sexueller Diversität handelt, sondern auch um eine besondere Ehrerbietung Raggis gegenüber Jeff.

Nun zum Inhalt (Spoiler-Warnung!): Eine Wolkenfestung, die von sieben Riesen-Hammerhai-Elefanten-Zentauren bewohnt wird, legt die heiligen Stätten und Paläste der Kampagnenwelt in Schutt und Asche, also ein klassischer Plot in Anlehnung an das D&D-Modul Der Erdzerstörer (CM4 bzw. AS4).

Jeff begnügt sich nun nicht damit, genreüblich die Festung zu kartographieren und die Gegner zu beschreiben und mit Stats zu versehen, er gibt nebenbei reihenweise Spielleiter-Tipps, wie man Kampagnen aufbaut (und zerstört), wie man Abenteuer für seine eigenen Zwecke umschreibt etc. Auch dieses Abenteuer ist bewusst variabel konzipiert. Der Spielleiter muss viele Grundsatzentscheidungen treffen: Was sind die Riesen, wie genau sehen sie aus? Wer waren die Erbauer der Himmelsfestung, usw. Zum Glück gibt Jeff nicht nur verschiedene mögliche Antworten, er hat auch gleich einen Haufen Vorschläge, wie diese umzusetzen sind. Man kann das Modul also als ein den schlechten Geschmack abfeierndes Weird-Fantasy-Abenteuer leiten, oder wie zahmere klassische Fantasy oder wie auch immer es einem behagt.

Der zweite Teil des Buches ist eine Best-of-Sammlung mit SL-Tools und Tipps aus Jeffs Gameblog. Hier findet auch der erfahrene Spielleiter wahre Schätze: die berühmte Carousing Table (Ausschweifungstabelle), eine Sammlung häretischer Zauberbücher aus Jeffs Wessex-Kampagne, Moralregeln uvm.

Fazit

Broodmother SkyFortress ist mehr als nur ein Oldschool-Modul, es ist (sieht man vom AD&D DMG ab) das relevanteste Spielleiter-Buch für Abenteuerrollenspiel, das auf dem Markt erhältlich ist.
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Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
« Antwort #10 am: 23.11.2021 | 17:49 »
Enzyklopädie aus Fleisch und Blut (OSR-Modul)

Wenn die Zenobiten aus Hellraiser eine Bibliothek bauen würden, wie sähe sie aus? Welche Art von Büchern befände sich darin, und welches Wissen wäre darin enthalten?

Darauf liefert uns die Enzyklopädie aus Fleisch und Blut keine definitive Antwort, aber so anders kann eine Zenobiten-Bibliothek nicht aussehen als die sagenumwobene „Bibliothek des vollumfänglichen Wissens“ aus diesem deutschsprachigen OSR-Modul. Es wird schnell klar, dass dieser Ort, in den die Abenteurer auf der Suche nach verlorenem Wissen hinabsteigen, kein ganz gemütlicher sein wird. Verstaubte Regale – Fehlanzeige. Verwirrter zerzauselter Bibliothekar oder hübsche graue Maus mit zu großer Brille – man wird sie vergeblich suchen. Dies ist ein Ort, der die Grenzen aufhebt. Kein Wissen ohne Wahnsinn, keine Ehrfurcht ohne Furcht, kein Schmerz ohne Lust.

Dieses PESA-zertifizierte Abenteuer ist im OSR-Stil sehr offen angelegt, ohne Plot-Korsett, und kann mühelos in laufende Sandbox-Kampagnen eingebettet werden, oder direkt in dem Heavy-Metal-Setting Pyrea des Autors belassen werden, wie in der mitgelieferten Hintergrundgeschichte vorgeschlagen.

Mit den intelligenten Gegnern und konkurrierenden Abenteurergruppen in diesem Abenteuer können auch Verhandlungslösungen erzielt werden. Gefährlich bleibt auch das Gebäude selbst, ohne zum reinen Nega-Dungeon zu verkommen. Enthalten sind auch mehrere Monster aus dem Monostichon-Challenge.

Darum vergebe ich an die Enzyklopädie aus Fleisch und Blut 5 von 5 glyphenbewährten Hautlappen, möchte aber hinzufügen, dass ich mit dem Autor bekannt bin, das Abenteuer testgespielt und korrekturgelesen habe. Diese Rezension ist also subjektiver als andere. Reine Gefälligkeitsrezensionen lehne ich weiterhin ab.
Bezugsquelle: DTRPG.
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Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
« Antwort #11 am: 23.11.2021 | 17:52 »
Harte Schale
Traveller-kompatibles Abenteuer

Der einfachste Coup aller Zeiten? Eine aufgegebene Forschungsstation auf einem Mond mit exotischer Atmosphäre, Hi-Tech-Beute, die durch einen Buchungsfehler in Vergessenheit geraten ist, und touristische Kontakte mit der einheimischen Fauna, welche dazu neigt, harte Schalen zu entwickeln – wären da nur nicht gewisse unvermeidbare Komplikationen.

Pyromancer bietet uns ein intelligentes Explorationsabenteuer für Weltraum-Reisende, garniert mit subtilem Spott über seelenlose Großkonzerne, menschliche Hybris und kitschigen Militarismus-Fetisch.

Bezugsquelle: DTRPG.
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Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
« Antwort #12 am: 23.11.2021 | 17:54 »
“The Staffortonshire Trading Company Works of John Williams” von Glynn Seal (Lamentations of the Flame Princess)

Der Architekt und Spion John Williams bereist England, Europa und die Welt des 17. Jahrhunderts und hinterlässt uns 114 Seiten mit Zeichnungen und Bodenplänen von allerlei Gebäuden, technischen Bauwerken und einigen Schiffen: ein Gefängnisbau in Paris (die Bastille), Wohngebäude verschiedener Länder, Kirchen, Gasthäuser, ein Hahnenkampftheater, Dissektionsschauhäuser, Garnisonen, eine Plantage in Neuengland, eine Schebecke, eine Karawanserei, eine Eisenhütte, eine Walfangstation usw. usf.

Glynn Seal hat für die Gestaltung dieser Pläne akribisch recherchiert (eine Quellenliste befindet sich im Anhang des Buches, das finde ich besonders lobenswert) und sich dabei an historische Tatsachen gehalten. Gleichzeitig gelingt es ihm, in der Darstellung auf dem schmalen Grat zwischen Übersichtlichkeit und Informationsgehalt zu wandeln. Das Ergebnis ist eine Fülle an Karten, die sich hervorragend für Rollenspielzwecke nutzen lassen. Dies beschränkt sich nicht auf Lamentations of the Flame Princess; beim ersten Durchblättern entdecke ich mehrere Karten, die ich, wäre dieses Buch früher erschienen, in meiner Pavillon-Noir-Kampagne hätte nutzen wollen. Die nächste Gelegenheit kommt aber bald!

Da man zum Kauf des Buches auch die pdf-Fassung mit dazubekommt, ist es ein leichtes, auch für Online-Runden Karten zu extrahieren, ohne den Einband dieses edlen Hardcover-Buchs auf dem Kopierer strapazieren zu müssen.

Fazit

Dieses Buch ist für meine Zwecke einfach perfekt. Ich wünschte es gäbe noch mehr Bücher oder Kartentaschen (mit echten Karten statt bunten Drohnenbildern), denen sowohl der historische Realismus gelingt als auch die Praxistauglichkeit für den Spieltisch.
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Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
« Antwort #13 am: 24.11.2021 | 17:01 »
To whom it may concern: Danke fürs Anpinnen!  :d
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Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
« Antwort #14 am: 21.05.2022 | 13:37 »
In a Deadly Fashion (LotFP)

In a Deadly Fashion ist ein Whodunit im Lamentations-Gewand von Courtney Campbell. Eine Mordserie und ein gestohlenes Brautkleid verunsichern einen erfolgreichen sevillanischen Promi-Schneider, der die Abenteurer anheuert, um seinen Namen reinzuwaschen. Der Text ist knapp gehalten und schnell gelesen, es ist also kein romangleicher Textirrgarten im Deutsch-Cthulhu-Stil. Opulente Illustrationen füllen dafür das Buch. Manchmal hätte ich mir mehr Informationen und Erklärungen gewünscht. Da der Spielleiter aber nicht mit Informationen erschlagen wird, sondern interpretieren und extrapolieren muss, ist es leicht, das Abenteuer in ein anderes Setting zu verfrachten.

Der Schwierigkeitsgrad der Ermittlungen ist nicht hoch. Trotz einiger toter Enden deuten doch recht viele Hinweise in die richtige Richtung, so dass die Spieler das Geheimnis in abendlichen 2-3 Spielsitzungen locker lüften können – dies ist kein Szenario, das an einem übersehenen Hinweis scheitern kann.
Da es sich um ein Modul für Lamentations of the Flame Princess handelt, muss natürlich auch obszöner Inhalt vorkommen. Dieser wirkt allerdings recht unnötig und aufgesetzt (weil LotFP eben!), das ist schade. Im Rahmen der Uminterpretation für die ADDKON-Kampagne hat sich das Modul glücklicherweise so schön eingefügt, dass sämtliche kleinen Unzulänglichkeiten Sinn ergaben.

Das Abenteuer ist kein Spielerfoltermodul wie Fuck for Satan oder Strict Time Records must be Kept. Es ist strukturell nett, also eigentlich nichts besonderes – wird aber getragen von einem starken Thema, der „Macaroni-Mode“ und den Schnöseln, die sie tragen, was dann doch zu einem lustigen Spielerlebnis für alle Beteiligten führte.

Drei von fünf Knopfaugen. Brautkleid bleibt Brautkleid.


« Letzte Änderung: 27.05.2022 | 08:33 von ghoul »
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Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
« Antwort #15 am: 21.05.2022 | 14:21 »
Schöner Thread. Machte mich neugierig auf einige Sachen, die ich mir nun sicher mal anschauen werde. Vielen Dank.

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Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
« Antwort #16 am: 21.05.2022 | 14:33 »
Danke. Freut mich.
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Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
« Antwort #17 am: 21.05.2022 | 16:09 »
[...] Spielerfoltermodul wie Fuck for Satan [...]
Ich weiß, dies sind die Verrisse aus der Gruft ohne Gnade, aber Fuck for Satan ist doch kein Spielerfoltermodul. Ich finde, es ist eher als eine Art Lehrstück zu verstehen. Ein wenig wie "Lernen durch Schmerzen" und ein klares Zeichen worauf man sich bei LotFP einlässt. Darum sollte es mMn unbedingt als Startabenteuer dienen. Übrigens, auch der Spielleiter bekommt in dem Abenteuer auf die sprichwörtliche "Fresse". Ist doch fair, geteiltes Leid ist eben halbes Leid.  ;)   
Mit einem 7er-Set, stehen ganze Universen offen.

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Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
« Antwort #18 am: 24.09.2022 | 12:32 »
Wight Power

Das LotFP-Szenario (ich sage diesmal bewusst nicht Modul) Wight Power von Alex Mayo (bekannt als Co-Autor und Illustrator für Harlem Unbound) spielt auf der namensgebenden Insel Wight, wo seltsame bewusstseinsverändernde Kräfte von einer Klosterruine ausgehen. Mönche und Landsknechte haben einen Bereich der Krypta abgesperrt – graben sie, bauen sie etwas? Jedenfalls brauchen sie die Hilfe der Spieler-Personnagen, denn die beiden Gruppierungen sind argwöhnisch und verdächtigen sich gegenseitig des Mordes. Nicht eine, zwei unabhängige Katastrophen bahnen sich an, wenn die Spieler nicht eingreifen! [Spoiler-Warnung ab hier!]

Wie gut ist Wight Power nach AD&D-Kriterien (dem höchsten Standard für jedes OSR-Produkt)? Es verwundert vor dem Hintergrund des Autors nicht, dass dieses Abenteuer strukturell eher einem Cthulhu-Szenario ähnelt (Geheimnis, Erforschung, Finale) als einem AD&D-Modul (offene Erkundung). Auch die unterirdischen Räumlichkeiten kann man nicht als Dungeon im strengen AD&D-Sinn bezeichnen. Der eine Bereich ist im Grunde ein Raum voller Untoter, mit Nischen ohne relevanten Inhalt. Der andere Bereich ist, was relevante Räume betrifft, beinahe linear. Aber zur Ehrenrettung: Der Cthulhu-Mayo hat sich Mühe gegeben, auf die Bedürfnisse von AD&D-Spielern einzugehen und Schätze zu platzieren! Das ist nicht in allen LotFP-Modulen der Fall, darum muss man es loben. Die Schätze sind zwar leicht zu finden, allerdings ist es unrechtmäßig, sie zu bergen, und wird die Mönchsfraktion zu Feinden machen. Es gibt zwei Fraktionen, die man womöglich gegeneinander ausspielen kann, es gibt mehr Gegner als einem auf niedrigen Stufen lieb sein kann, das ist gut. Allerdings gibt es auch einen Gegner, einen ganz speziellen Wight, der nicht nur sehr schwer zu entdecken, sondern auch fast unmöglich zu bekämpfen ist. Mit ihm kann man die Spieler piesacken und frustrieren. Das hätte nicht in diesem Extrem sein müssen.

Und wie gut ist Wight Power nach LotFP-Kriterien (um fair zu bleiben)? Es ist zwar kein Raggi-Dungeon, aber es hält eine doppelte Katastrophe bereit (eine einfache Eskalation erwarten LotFP-Spieler schließlich). Weirdness ist auch ordentlich dabei, wirkt allerdings aufgesetzt, um mit anderen LotFP-Modulen mitzuhalten: modern anmutende Laborausstattung, biomechanische Maschinen … es überzeugt leider nicht so ganz. Das wunderbar starke Thema der Heiligen Vorhaut finde ich nicht ausgereizt, man hat nur indirekt mit dieser Reliquie aller Reliquien zu tun, die NSCs haben sich in der Vorgeschichte bereits um alles gekümmert. Schade. An den Wahnsinn und die Originalität der besseren Module wie Big Puppet oder Strict Time Records Must Be Kept gereicht Wight Power bei weitem nicht heran.

Weitere, wenn auch kleine Mängel: In der Beschreibung wiederholen sich viele Informationen, bei den Räumlichkeiten hapert es. Wie viele Treppen führen nun hinab in die Krypta? Der Text erwähnt Treppen an zwei Stellen, die Karte zeigt nur eine Treppe. Warum soll nur eine der beiden Treppen eine verschlossene Tür haben? Verriegelt von Innen oder Außen? Wo sind auf der Karte Türen? Man erkennt leider keine einzige verschlossene Tür, man erahnt ihre Platzierung nur aus der Beschreibung. Auch sind es übertrieben viele Hindernisse (Stahltür, Schlösser, Wachen). Die Anzahl der Landsknechte und Mönche, jeweils ein Dutzend, haut auch nicht hin, wenn rund um die Uhr so viele in der Landschaft unterwegs, bzw. in der Krypta beschäftigt sind. Alles nicht schlimm, aber nervig für die Spielleitung.

Ist der Titel des Abenteuers ein provokativer Witz auf Kosten übereifriger Politischkorrekter oder eine Verballhornung zur Lächerlichmachung von Rechtsradikalen? Das entscheide jeder für sich. Alex Mayo stellt zumindest im Nachwort klar: „Fuck Nazis!“

Fazit: 2 von 5 authentifizierten Vorhäuten Jesu. Mit etwas eigener Überarbeitung lassen sich aus der Idee 3, bei einem guten Dungeon vielleicht auch 4 herausholen.

Mein Dank an die Spieler aus diesem Forum!  :headbang:
« Letzte Änderung: 24.09.2022 | 12:49 von ghoul »
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Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
« Antwort #19 am: 24.09.2022 | 13:52 »
Ah, interessant, danke! Und auch für den Hinweis auf das Staffordshire Buch (hatte das auf Deinem Blog vor einiger Zeit gelesen), so immens nützlich das!

Offline ghoul

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Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
« Antwort #20 am: 24.09.2022 | 15:35 »
Gern geschehen!
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Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
« Antwort #21 am: 2.10.2022 | 15:34 »
Weil wir es neulich von Gerüchtetabellen hatten: Die aus Wight Power ist misslungen. Sie enthält fast nur Irrelevantes, oder Dinge, die vom Inhalt des Szenarios fortlenken. Besser ignorieren.
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Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
« Antwort #22 am: 2.10.2022 | 15:43 »
BIG PUPPET

Es gibt diese Art unheilvoller Bücher, deren Verderbtheit so stark ist, dass sie den unbedachten Leser schon nach einem flüchtigen Blättern in den Abgrund hineinzieht und sein Herz mit Finsternis flutet wie einen verstaubten Kelch mit vergiftetem Wein. Das berüchtigte Necronomicon ist so ein Buch, das legendenumwobene Cultes des Goules und das verfluchte BIG PUPPET von LotFP.

Erst habe ich nur darin geblättert, unentschlossen, ob ich es überhaupt lesen und mir als Spieler dadurch versperren sollte. Die grellen Illustrationen, von der fleischlich-krankhaften Aura der harmlosesten Darstellungen bis hin zu dem phantasmogorischen Sadismus der blutgetränkten Bühnenszenen, ließen mir keine Wahl, als der üblen Versuchung nachzugeben und zumindest die erste Seite zu lesen. Das Gift fraß sich binnen weniger Zeilen in meine Seele, die, für immer verloren, nun gezwungen war, Spieler durch dieses finstere, unbarmherzige Modul zu jagen.

In dem Modul hat ein „Théâtre du Grand Guignol“ in der Stadt eröffnet, ähnlich jenem, das in unserer eigenen Wirklichkeit einst im Paris der Zeit vor dem Siegeszug des Lichtspieltheaters das Publikum mit Sex, Verbrechen und Gewaltdarstellungen auf der Bühne entsetzte (bis zur Ohnmacht) und unterhielt. Die „großen Puppen“ dieses Theaters waren Menschen, auch verkrüppelte, die ihre Versehrtheit in Kombination mit reichlich Tierblut für besonders realistische Effekte inszenieren konnten.

Auch in diesem Abenteuer strömen die Leute in Massen in die Vorstellungen, um sich an äußerst glaubwürdig inszenierten Hinrichtungen zu erfreuen. Schließlich ist ja noch keiner wirklich dabei umgekommen, oder? Die Spieler-Personnagen werden sicher ebenfalls Billets erwerben, um ihre Neugier zu stillen. Sie können aber auch durch einen nicht ganz vertrauenswürdigen Alchimisten beauftragt werden, die Vorführung auszuspionieren. So oder so, der Vorhang wird sich öffnen und die Spieler könnten mehr erleben, als ihnen lieb ist.

Das Modul verlangt dem Spielleiter viel ab, denn die Gegner agieren aufgrund ihrer Fähigkeiten etwas anders, als man es gewohnt ist. Dafür liefert es aber auch einen Ablaufplan mit, was an welchem Tag in einem Konflikt zweier Parteien geschieht, wenn die Spieler nicht entscheidend mit ihnen interagieren. Im schlimmsten Fall brennt am Ende die ganze Stadt. Für die Spieler, die unabhängig oder für eine der beiden Seiten agieren kann, gibt es allerding schlimmeres, als dass die Personnage stirbt: Demütigung, wie noch kein Modul der Rollenspielgeschichte Spieler zu demütigen wagte! Das Schwarze Auge, Call of Cthulhu, ihr seid nur für die weichesten der Masochisten! Wer leiden will, spielt Lamentations of the Flame Princess!

Für AD&D-Spieler fehlen leider Informationen über den Geldwert all der erbeutbaren Gegenstände, sowie der Hinweis, ob es überhaupt Käufer für diese ekligen Errungenschaften gibt. Dafür will ich diesem Alptraum aber keine Punkte abziehen. Auch gibt es keinen wirklichen Dungeon, aber schön gestaltete und hilfreiche Bodenpläne aller relevanten Räumlichkeiten und Keller.

Für erfahrene Spielleiter und qualaffine Spieler. Volle 5 von 5 Hasenkötteln!
« Letzte Änderung: 6.10.2022 | 07:48 von ghoul »
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Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
« Antwort #23 am: 2.10.2022 | 15:52 »
Für jene, die es leiten wollen, hier noch eine holprige Übersetzung der lustigen Sprüchlein zu den abgebildeten Bühnenszenen:

Drehe am Kopf und am Genick,
So beendest du des Huhns Pick-Pick.

Die Fischhaut birgt das leckre Fleisch,
Zieh es ab, bist du an Beute reich.

„Seht das klopfend Herz!“ ruft der Scholast,
des Frosches Schenkel isst jedoch sein Gast.

Wie kracht es, wenn der Hammer schlägt,
Das Kalb nun an den Metzger geht.

Der Hase in die Schlinge ist geraten,
Für uns gibt es jetzt Sonntagsbraten.

Da brät es an dem Spieß!
Oh, nobles Schweineparadies!

Es knirscht, es kracht der Hummerpanzer,
Sein edel Fleisch füllt unsern Ranzen.

Nimm im Feld das Reh schon aus,
nur fein zerwirkt trag es nach Haus.

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Re: Ghouls Rollenspiel-Verrisse aus der Gruft ohne Gnade
« Antwort #24 am: 23.10.2022 | 18:01 »
https://ghoultunnel.wordpress.com/2022/10/23/in-the-shadow-of-the-city-god-e-m-d-t-62/

In the Shadow of the City God (E.M.D.T. 62)
Istvan Boldog-Bernad und die First Hungarian D20 Society bescheren uns ein OSR-Kleinod für die Erfahrungsstufen 3-4, dessen dunkler Glanz bis tief in das verdorrte Herz dieses schreibenden Untoten dringt.

In the Shadow of the City God
In the Shadow of the City God führt uns in die Kleinstadt Mur, die weder bekannt ist für ihre verwirrenden, niemals-endenden Bauprojekte, noch für ihre sich gegenseitig erdolchenden und erdrosselnden Partriziergeschlechter, auch nicht für ihre architektonische Religion, in der Priester überflüssig sind, sondern für das heilsame Tränensalz, das aus zwei unterirdischen Brunnen quillt und deren Besitzer reich, aber paranoid macht.
Wenn die Abenteurer hier eintreffen, sind dunkle Machenschaften längst in vollem Gange, Verbrechen, Rache und Gegenrache entfalten sich. Unschuldige Mädchen, verlauste Wahnsinnige, Reiche und Habenichtse, sie werden in den dunklen Mauern ihr Schicksal finden. Die Abenteurer werden hoffentlich einiges zum Besseren wenden können. Wenn sie den beiliegenden Stadtplan für Spieler aufmerksam studieren, werden ihnen vielleicht auch schon die Augen aufgehen, was es mit der Stadt und ihrem Stadtgott Muri auf sich hat.
Dem Autor gelingt es, eine beklemmende Atmosphäre in dieser bedrückenden Stadt aufkommen zu lassen, man denkt sofort an Guelfen und Ghibellinen und an das furchtbare Schicksal des Grafen Ugolino.
Dies ist Mur, und wir alle werden Teil von Muri sein!

The Valley of the Skull
Erwähnte ich bereits, dass Istvan Boldog-Bernad ein Meister der Atmosphäre ist? Hinten ins Büchlein gequetscht, auf 6 Seiten Beschreibung und einer Seite Kartenskizze, hat er noch ein zweites Abenteuer, das sich dennoch zu voller Pracht entfaltet. Der ein oder andere Auftrag führt in ein von Höhlenmenschen besiedeltes Tal, das in Wirklichkeit eine Bauruine ist, die von dem Größenwahn eines untergegangenen Kaisers kündet. Das drei Meilen durchmessende Tal war einst als Colosseum der Superlative angelegt, die Bauten jedoch nie ganz abgeschlossen. Einige uralte Fallen und spektakuläre Bestien haben selbstverständlich überlebt. Der lesende Ghul und später seine spielenden Spieler schwankten zwischen Gelächter ob der Witze des Autors und Staunen ob der Megalomanie des Bauherrn. Wanderer, kommst du in den Circus Convallis, statte auch der V.I.P.-Lounge („Viri Illustres et Potentes“) einen Besuch ab, du wirst erstaunliche Erfahrungen machen!
« Letzte Änderung: 24.10.2022 | 09:34 von ghoul »
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