Das Dunkelbraan, das ich an den Ständen der Händler getrunken hatte, war mir in den Kopf gestiegen, was den Weg bergab nicht leichter machte. Wir rutschten durch den giftigen Schlamm herab. Wenn wir in einer der leicht ätzenden Pfützen Halt fanden, spritzte der Dreck in alle Richtungen. Die Luft brannte auf der Haut. Es fühlte sich an, als wenn der Nebel und der Rauch einem die Haut vom Schädel abfressen würden. Und allgegenwärtig das Glühen der Dunkelfeuer über den Zinnen dieser Stadt und das immerwährende Hämmern irgendwelcher Schmieden, Essen und Gießereien. Diese Kreaturen kannten nichts als Arbeit. Sie lebten für ihre Arbeit und sie würden einst sterben für ihre Arbeit.
Unter der bebauten Brücke, welche die beiden Gebäudeteile verband, standen einige Tische, getrennt von dem giftigen Bach der aus den Minenschächten floss. Dreckige und grimmige Duergar saßen an den Tischen und erzählten lachend ihre Geschichten - was sie alles im Innern des Berges erlebt hatten. Ihre Gesichter waren schwarz gefärbt von Kohle und Schlamm. Dazwischen huschten die abgemagerten Gestalten der Svirfneblin Sklavenmädchen. Ihre bernsteinfarbenen Augen blickten unterwürfig gesenkt, während sie mit geschickten Händen Humpen und Schalen auf die Tische stellten. Als wir uns näherten flauten die Gespräche ab. Was kein Wunder war, schließlich boten alleine Bargh und Lyrismar eine eindrucksvolle Erscheinung. Beide riesengroß im Vergleich zu diesen Kreaturen. Barghs Rüstung aus Stahl und Mithril schimmerte in dem unwirklichen Licht der Dunkelfeuer. Und Lyrismar, mit seiner schwarz verbrannten Haut, machte nicht weniger Eindruck. Sein merkwürdig nach hinten gezogener Schädel gab ihm etwas Unmenschliches, wie von einer anderen Welt.
Während wir uns an einen freien Tisch setzten konnte ich die Blicke der Duergar in meinem Rücken spüren. Als sie Halbohr sahen, ging von der anderen Seite des Baches ein Gelächter aus. Einer zeigte auf das eine Ohr von Halbohr, was noch nicht von dem Brand Jiarliraes berührt wurde. Ich konnte nicht alles verstehen, aber einige Worte waren eindeutig: „… sie furzen Blätter …“, „… einer von denen, die es mit Bäumen treiben …“, „… diese Sonnenblüter …“. Ich fing an zu kichern und Bargh grinste Halbohr offen an. Er fand es wohl nicht ganz so lustig. Seine Miene blickte finster drein und seine Hand ging wie von selbst zum Griff seines Einhorndolches. Ich meinte sogar so etwas wie Blutdurst in seinem Blick zu sehen. Halbohr hatte einfach keinen Sinn für Spaß.
Nach kurzer Zeit hatten wir auch endlich die Aufmerksamkeit des Wirtes, Ryandor Snurgel, gewonnen. Dieser bewegte seinen dicken Bauch in unsere Richtung. Sein weißes Haar war schon etwas schütter geworden. Auf der rechten Seite seines Kiefers fehlten fast alle Zähne, was ihm ein schiefes Lächeln einbrachte. Ein Lächeln, das so falsch war, wie es wohl jedem Händler zu eigen, der seine Überzeugung gegen bare Münze tauschte. „Willkommen Reichsfremde in meinem schönem Lokal Orunbrunn. Ihr wollt bestimmt mein Bier trinken, das beste Bier von ganz Urrungfaust. Kostet nur acht Silberstücke!“ Vom Tisch nebenan murmelte ein Duergar erstaunt, ob er denn seine Preise erhöht hätte. Doch der Nachtzwerg neben ihm verstand es etwas schneller. Ein kurzer Stoß mit dem Ellbogen und er konnte das Thema ändern. Bargh konnte es auch hören und verschluckte sich an seinem Bier als er auflachen musste. Auch Halbohr hatte es gehört, grinste den Wirt aber nur an. Als er seine Preise für ein Zimmer nannte, wurde sein Grinsen zu einem erstaunten Blick. Fünf Goldstücke wollte er haben für nur eine Nacht. Offenbar war neben harter Arbeit auch der Wucher eine Tugend von ihnen. Halb im Scherz, halb aufgebracht, fragte Halbohr ihn ob das sicher für eine Nacht wäre oder für einen Monat. Doch wir konnten froh sein, überhaupt eine Unterkunft zu finden. Fremde werden in Urrungfaust ganz offensichtlich nicht gerne gesehen, geschweige denn Fremde mit spitzen Ohren. Ryandor erzählte uns, wie er in irgendeiner von ihren Schlachten gekämpft hatte und, so wie er sagte, unzählige von Elfen getötet hatte. Ganz offenbar Dunkelelfen, aber für Ryandor waren sie wohl alle ein und das gleiche. Dabei verstand ich immer noch nicht, was daran so besonders war. Auch ich habe schon Dunkelelfen in Kämpfen getötet. Sie schienen mir aber nicht so besonders, wie die Duergar immer taten. Aber gut, sie sind auch alle ziemlich klein. Dem Wirt versuchte ich das zu erklären, und auch, dass ich kein Junge und auch kein Mädchen bin. Ich bin eine Dienerin des Feuers, kein kleines Kind. Bargh legte eine funkelnde Platin Münze auf den Tisch, für unsere Zimmer und noch ein Bier für uns beide. Als es kam stießen wir unsere Humpen gegeneinander. Das Bier war nicht so stark wie das Dunkelbraan, aber es schmeckte dennoch sehr gut. Einem Duergar zwei Tische weiter gefiel es jedoch offenbar gar nicht, dass Fremde hier auch Spaß haben konnten. Er schlug mit seinem Humpen auf den Tisch und sprang auf. In seinen matt-blauen Augen funkelten Hass und die Lust auf einen Kampf. Ich freute mich schon darauf zu erfahren, was Bargh wohl mit so einem Herausforderer alles machen würde, doch leider kam es nicht so weit. Ein anderer Duergar zog ihn wieder runter und beruhigte ihn. Aber Halbohr konnte er damit offenbar beeindrucken, denn der Feigling wollte jetzt nur noch schnell auf die Zimmer. Er sagte zu Lyrismar, dass die Vernunft ihm das ein oder andere Mal schon das Leben gerettet hatte. Als Bargh das hörte, musste er laut auflachen. Neire hatte ihm etwas anderes erzählt und ja, es stimmte auch, dass entweder Neire, Bargh oder ich selbst es waren, die ihm das Leben gerettet haben. Wir waren es, nicht seine Vernunft. Man konnte sehen, dass es in Halbohr brodelte, doch auch jetzt wollte er lieber still und heimlich bleiben. Ryandor führte uns auf unsere Zimmer. Der Weg durch das Gebäude, die Treppen hoch und auf den Brückenbau kam mir ewig vor. In meinem Kopf drehte sich alles, ich musste mich dringend hinlegen. Das Bier war wohl doch stärker gewesen, als es den Anschein gehabt hatte. Vielleicht hatte dieser gemeine Wicht auch etwas Anderes hineingetan. Von solch niederen Kreaturen kann man alles erwarten.
Als wir am nächsten Morgen - falls man das überhaupt Morgen nennen kann in dieser Stadt - unser fettiges Frühstück vorgesetzt bekamen, machte sich mein Magen bemerkbar. Dieses bohnenartige Gewächs, was in einer dicken braunen Tunke schwamm, würde ich bestimmt nicht hinunterwürgen. Noch in der Nacht hatten wir beschlossen zum Klingenmarkt aufzubrechen. Das war als Ziel genauso gut wie jedes andere und man könnte dort Sklaven bekommen. Diese Rasse von Ortnor war gut darin, Tunnel und ganze Städte unterhalb der Erde zu bauen, die auch geheim bleiben konnten. Genau das richtige, um unserer Herrin den Weg in unsere Welt zu bereiten. Plötzlich polterte ein Duergarjunge in den Raum hinein. Verlegen, vielleicht auch etwas ängstlich hielt er ein versiegeltes Schriftstück in den Händen. Zumindest in einer Hand, die andere Hand streckte er fordernd nach vorne. Erstmal nachdem er gierig einige Münzen von Halbohr eingesteckt hatte, gab er ihm das Dokument und ging wieder. Jedoch nicht ohne sich noch feige an der Türe umzudrehen und zu rufen: „Meine Mutter sagt, alle Elfen sind Bastarde und sollen verrecken.“ Doch bevor irgendjemand reagieren konnte, drehte er sich um und lief durch den schwarzen Schlamm hinfort.
Auf dem Siegel war das Wappen einer großen Spinne zu erkennen. Halbohr brach es und öffnete das Dokument: „Meister Halbohr, Ihr befindet euch in großer Gefahr. Aus diesem Grund bitte ich euch sofort aufzubrechen und euch in der Feste Blutsteinzitadelle zu melden. Dort werdet ihr alles Weitere erfahren. Gezeichnet: Grauwegur Nebelritter.“ Also gut, dann eben zum Palast. Diesen fand ich ohnehin interessanter als den Klingenmarkt. Allein schon die großen violetten Flammen, die auf den vier Türmen brannten, waren imposant. Auf dem Markt würde Halbohr nur reden und planen und handeln, während wir uns die Füße in den Bauch stehen müssten. Vielleicht war es im Schloss auch sauberer als hier.
So verließen wir das Gasthaus und die Zehnminenstadt, um wieder dem Strom der Passanten hinauf auf die Spitze dieser Insel zu folgen. War es in Zehnminenstadt noch verhältnismäßig ruhig, so stießen wir hier auf Mengen von Passanten. Händler fuhren mit ihren Wägen und peitschten ihre Sklaven, wenn diese nicht schneller spurten. Kinder spielten irgendein kompliziertes Fangspiel, während einige von ihnen Blut husteten. Die Straße führte immer höher und bescherte uns einen besseren Blick über die Stadt. Die tiefen Gebiete lagen unter einem schweren Dunst, doch konnte man die gedrungenen und bedrückenden Bauten durch ihre Dunkelfeuer deutlich erkennen. Irgendwo links, fast an der Küste konnte man ein großes rundes Gebäude sehen, vielleicht irgendeine Art von Arena. Und vor uns ragten schließlich die schwarzen Basaltmauern der Feste Blutsteinzitadelle auf. Der Hauptweg der Straße führte zwar um die Feste herum, doch weiter geradeaus ging es durch einen kolossalen Bogen in das Innere des Palastes. Zwei große geöffnete Tore aus schwarzem Eisen säumten den Bogen und überall waren Wachen. Sie waren auf dem Weg durch das Tor, auf den Mauern zwischen den Türmen und auch auf den Türmen selbst. Die Wachen trugen zwar unterschiedliche Wappen doch waren sie alle gut gerüstet. In den senkrechten Mauern konnten wir auch viele Ritter sehen, die auf ihren riesigen haarigen Spinnen ihre Wache abgingen. Einige trugen das Wappen der Stadtwache, das Kreuz auf Hämmern und darüber die Krone der Stadt. Andere trugen ein Wappen, auf dem drei silberne Picken abgebildet waren, die sternförmig vom Mittelpunkt weg zeigten. Lyrismar erkannte es als das Wappen der Armee von Urrungfaust. Auch ich erkannte es und hatte auch schon von der Armee gehört. Sie galt bei den Duergar als unbesiegbare Streitmacht, die aber auch nicht davon absah, gegen die eigene Rasse und die eigene Stadt Krieg zu führen. Ich erinnerte mich einmal davon gehört zu haben, dass es früher, neben diesem Witz eines Gottes mit dem Namen Laduguer auch andere gegeben hatte, die sich „Gott“ schimpften. Es gab Tiefenduerra und Diirinka. Erstere war wohl eine Tochter von Laduguer, zweiterer wurde von der Rasse der Derro angebetet. Die Derro waren den Duergar zwar ziemlich ähnlich, jedoch vermieden sie die harte Arbeit und zogen eher Verrat und Heimtücke vor. Der Legende nach schuf Diirinka die Derro nachdem er von anderen Göttern Magie gestohlen hatte. Seine Rasse, die Derro, wurde daraufhin mit Wahnsinn gestraft. Auch in Urrungfaust hatte es wohl einmal Derro unter den Einwohnern gegeben, doch vor einigen Jahrzehnten wurden sie aus der Stadt vertrieben oder sogar ausgerottet. Ich hatte gehört von einem gewaltigen Blutvergießen, einem heiligen Krieg, den die Dienerschaft der Laduguer Gläubigen gegen die Derro geführt hatte. Derro gab es jetzt keine mehr in Urrungfaust.
Als wir uns dem Portal näherten schritten uns schon zwei Wachen in glänzenden Feldharnischen entgegen. Keiner der Duergar erkannte Halbohr - zum Glück. Ich glaube nämlich langsam, dass ihm dieser Ruhm zu Kopfe steigt. Erst als er ihnen das Schriftstück mit dem Siegel zeigte, durften wir passieren. Hinter dem Tor öffnete sich uns eine andere Welt. Zwar waren die Mauern immer noch trist und grau, aber der ganze Hof war sauber und ordentlich. Kein giftiger Schlick, kein Müll. Selbst die Luft schien hier etwas besser zu sein. Als eine der Riesentaranteln ihr Geschäft erledigte, huschte direkt ein Sklave heran und fegte es weg. Selbst Rüstung und Waffen der Wachen waren sauberer und sahen viel wertvoller aus. Wir wurden zu einem großen Gebäude in der Mitte des Hofes geführt. Auch aus dem dunklen Basaltstein erbaut, besaß es ein spitz zulaufendes Dach aus Holz. Wobei es eigentlich kein Holz sein konnte. Ich habe hier noch nicht einen Baum gesehen. Es musste wohl aus dem Stamm eines Riesenpilzes sein, der hier unten wächst. Große Runenbänder schmückten den Eingang zu dem Gebäude. Wir wurden noch bis zum Anfang eines Säulenganges geführt, dann mussten wir warten. Die Wache die uns bis hierher begleitet hatte, entfernte sich mit den Worten, den Grauwegur Rittern Bescheid zu geben. Auch hier gab es einige Wachen, jedoch hatten sie keine Wappen auf ihren Rüstungen oder Schilden.
Schon nach kurzer Zeit kam unsere Eskorte in der Begleitung einer weiteren Gestalt zurück. Der Nachtzwerg war komplett eingehüllt in eine der feinsten Rüstungen, die ich je gesehen habe. Der Harnisch war aus dem besten Ne’ilurum gefertigt und die einzelnen Teile der Platten geschickt miteinander verbunden. Ein konischer Helm bedeckte den Kopf, nur ein Augenschlitz blieb offen und auf der Stirnpartie prangerte das Wappen einer schwarzen Tarantelspinne. Die Gestalt wies uns militärisch zackig an ihr zu folgen, was wohl Halbohr, aber auch Bargh, sehr vertraut zu sein schien. Er stellte sich als Nebelritter vor, also der Grauwegur Ritter, der uns den Brief geschickt hatte. Während er uns weiterführte, begann er verschiedene Regeln aufzuzählen, wo Halbohr bestimmt begierig zuhörte. Ich selbst fand die ausgestellten Rüstungen wesentlich interessanter, an denen er uns gerade vorbeiführte. Ich sah keinen Duergar oder sonstige Wesen in den Rüstungen, aber dennoch war es, als ob sie mich hinter den leeren Augenöffnungen anstarren würden. Mehr im Hintergrund hörte ich, wie Nebelritter die Regeln für ein Treffen mit dem König erklärte. Wir durften den Ring von Grauwegur Rittern nicht betreten, sonst würden sie uns töten. Aber wir mussten unsere Waffen nicht abgeben und noch nicht einmal uns vor dem König verbeugen, wenn wir es nicht wollten. Ein merkwürdiges Volk, aber der Versuch diese Sitten zu verstehen würde sich vermutlich nicht lohnen. Sie würden sich vor Jiarlirae verbeugen, allesamt, und damit auch vor mir. Dann spielt es keine Rolle mehr, was sie wollen und was nicht.
Nebelritter führte uns zu einer großen Türe, die von Innen aufgezogen wurde. Dahinter eröffnete sich uns ein pompöses Gemach, ein großer Saal mit Säulen aus wertvollem Basalt. Fresken aus Alabaster zierten die Wölbungen und überall waren Vertiefungen mit gewaltigen funkelnden Edelsteinen. Doch trotz allen Prunkes: Die Formen die gezeigt wurden, die Fresken, die Säulen, alles war irgendwie gradlinig und nüchtern. Die Architekten und Künstler kamen nicht auf die Idee wirklich kreativ zu werden oder verspielte Ideen mit einfließen zu lassen.
Am Ende des Saals stand ein unverzierter Thron aus Basalt, der umringt wurde von vier weiteren Rittern, die ähnliche Rüstungen trugen wie Nebelritter. Es mussten dann also die anderen Grauwegur Ritter sein. Sie beschützten ihren König, Granryk von Werunstein. Der König sah müde aus, denn dunkle Augenringe lagen auf seiner fahlen Haut. Von den blauen Venen im Gesicht waren einige schon aufgeplatzt und unter seiner Rüstung drückten die Ansätze eines dicken Bauches. Das schüttere Haar wurde geschmückt von einer Krone, die aus wertvollen Feueropalen gefertigt war. Ich erinnerte mich an alte Legenden, dass er die Krone selbst aus einem Schatz der Dunkelelfen mitgenommen hatte. Zuvor sollte er ihre vorherigen Besitzer getötet haben. Es musste vor einer langen Zeit gewesen sein; vor vielen Jahren, als Granryk noch jung war. Auch die Kriegspicke, die er gerade verzückt streichelte, erkannte ich wieder. Die Waffe aus Mithril hatte sich in einer der vielen Gefechte den Namen Dunkelelfenschlächter verdient. Angeblich sei diese Waffe in der Lage, jeden Dunkelelfen mit einem Schlag niederzustrecken. Seit tausenden von Jahren tauchen immer wieder Geschichten von dieser Waffe auf und irgendwie hatte dieser König es geschafft, sie in seine Finger zu bekommen.
Halbohr begrüßte den König knapp und auch wir anderen neigten unsere Köpfe zum Gruß. Auf das Knie ließ sich keiner fallen. Dieser König war gut informiert. Er wusste über den Tempel des Jensehers und über die Machtübernahme von Germin Dunkeldorn durch das Recht des Zweikampfes. Auch war er nicht dumm. Ihm war sehr wohl bewusst, dass auch Urrungfaust das Ne’ilurum braucht was in Unterirrling abgebaut wird. Doch war er sich der Zukunft nicht so sicher wie Halbohr. Germin würde sich nicht lange halten können, wenn nichts unternommen werden würde. „Wir sind voneinander abhängig“, sprach der König. „Wir benötigen das Ne’ilurum aus Unterirrling und wir benötigen den Extrakt der Düsterheitpilze, den wir hier verkaufen. Aber es gibt Fanatiker, wie die Priester des Laduguer, die sich für schlechten militärischen Rat bezahlen lassen. Sie stellen sich als die einzigen Behüter der Duergar dar. Ich habe nach Runin’ore’Waere geschickt, um mir von ihm berichten zu lassen. Daraufhin wurde er ermordet. Der Tempel ist mächtig. Mächtig genug, um die Macht in Urrungfaust an sich zu reißen. Doch es würde in einem Gemetzel enden, was selbst die Priester sich nicht leisten können. Daher versuchen sie es heimlich zu machen. Seit Jahrhunderten gibt es zwei alte heilige Bräuche unserer Rasse: Zum einen der Kampf Mann gegen Mann, um Recht zu sprechen. Zum andern die Opferung von Missgeburten an die alten Götter, wobei es in Urrungfaust ja nur noch Laduguer gibt. Die schwachsinnigen Kinder der Duergar wurden seit jeher gesammelt, um sie dem dunklen Gott zu opfern. Es war unser alter Brauch, das Schwache und das, was abseits des Althergebrachten war, in unserer Rasse auszumerzen. Doch seit einiger Zeit gibt es keine dieser Kinder mehr. Sie wurden nach ihrer Geburt in Gefängnisse gebracht, doch von dort wurden sie geraubt. Man sagt ich hätte dies befohlen.“ Der König erhob sich von seinem Thron und ging einige Schritte auf uns zu. Trotz seines Alters bewegte er sich sehr elegant. „Doch ich sage euch, sie lügen. Sie versuchen meinen Ruf, meine Ehre als König zu zerstören. Sie sagen mir schlechte Dinge nach. Deswegen frage ich euch Halbohr. Es könnte eine gute Zukunft für Urrungfaust, Unterirrling und den Tempel des Jensehers geben. Handel, Reichtum und Ehre werden auf uns warten. Doch seid ihr bereit alles dafür einzusetzen?“ Halbohrs Antwort brauchte nicht lange, dann sprach der der grimme Elf mit dem verbrannten Ohr: „Wer nicht alles einsetzt, kann nicht alles gewinnen.“
„Hört gut zu. Ihr seid in der Stadt entdeckt worden, doch es ist nicht bekannt, dass ihr in meinen Palast gekommen seid. Der Junge der euch mein Papier gegeben hat, wird dabei kein Problem sein. Der Tempel Glammringsfaust liegt im Norden der Stadt. Doch es ist nicht nur ein Tempel, sondern eine Festung. Seit Jahrhunderten bilden die Priester von Laduguer Anhänger in der Kunst der Kriegstaktiken aus. Sie konnten in der langen Zeit die Verteidigung des Tempels perfektionieren. Es gibt eine Möglichkeit die Macht des Tempels zu brechen. Ihr müsst den Abt des Tempels töten, den Erzgraf von Düstergrau. Ihn und seine drei Schreckensritter, Hornbald den Grausamen, Laargyr den Dunklen und Daurgonn den Grauen. Das ist aber noch nicht alles. Einer der drei Türme ist über eine Brücke mit dem Moorund Stein verbunden, einer der beiden großen Tropfsteinzapfen in Urrungfaust. Dort befindet sich das Herz des Tempels und dort befinden sich auch die Antworten - warum der Tempel gegen mich vorgeht und keine Verhandlung möglich ist. Die Verteidigung des Tempels ist gut, doch er ist nicht uneinnehmbar. Die direkteste Möglichkeit wäre ein frontaler Angriff, das wäre jedoch einem Selbstmord gleich. Eine andere Möglichkeit wäre, dass Ihr an einer der Zeremonien für die Bevölkerung teilnehmt. Doch ihr müsstet euch als einer der Unseren ausgeben, was so gut wie unmöglich ist. Die Priester des Tempels schaffen es, Verkleidungen und selbst Trugbilder schwarzer Kunst zu durchblicken. Eine dritte Möglichkeit, vielleicht die Beste, wäre Folgende: In dem Keller meiner Feste habe ich Meister der Alchemie beschäftigt, mit dem Brauen von Elmsflammwein. Diese Flüssigkeit brennt lange und heiß. Wenn man sie in höheren Konzentrationen entzündet, schafft sie ein Inferno, das selbst die Mauern des Tempels zum Schmelzen bringen kann. In dem Chaos, was sich dann ausbreitet, könntet ihr es schaffen, unbemerkt in den Tempel einzudringen.“
In meinen Gedanken breitete sich eine wohlige Wärme aus. Der zufällige Blick von Bargh zeigte, dass man es mir sogar ein bisschen ansehen konnte. Die Bilder von brennendem Mörtel und glühenden Metall blitzen in meinem Geist auf. Das Geräusch von berstendem Stein klingelte in meinen Ohren, als die Erinnerung an den Tempel der Ehre emporkamen. Wie wenig ich damals doch wusste und wie viel ich jetzt verstand. Wenn wir Erfolg hätten, versprach der König uns in seine Schatzkammer zu lassen. Er sagte, dass er dort mächtige Gegenstände, mit der Magie der Dinge, lagerten. Er erzählte uns von der nachtzwergischen Kunst dieser Magie, welche die unsichtbaren Strömungen in Edelsteine bannte. Das Versprechen nach Schätzen, egal ob Gold oder nachtzwergischer Magie, verblasste in Anbetracht unserer kommenden Taten. Ich würde ein weiteres Mal das ausbrennen, was diese Welt besudelt.