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[AD&D 2.5E] Von Feuer und Düsternis – Erzählungen aus Euborea

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Jenseher:
Je näher wir dem rötlichen Glühen kamen, desto mehr konnte ich die wunderbare Stimme in meinem Kopf wahrnehmen. Ich wusste natürlich, dass die Stimme nicht wirklich da war. Ich war schließlich nicht verrückt. Aber irgendwie war sie doch da. Sie säuselte mir zu, gab mir Kraft und Zuversicht. Ich wusste auch wem die Stimme gehörte, hatte ich sie doch schon lange gemisst. Die Stimme meiner geheimnisvollen und doch wunderbaren Herrin war wieder bei mir. Es war, als ob sie die Prüfungen, die ich über mich ergehen ließ, als bestanden ansah. Verlassen hatte sie mich nie, aber jetzt war sie so nah wie schon lange nicht mehr. Ich trug meine Maske, deswegen konnten die anderen nicht sehen wie ich lächelte. Aber wahrscheinlich hätten sie es eh nicht verstanden. Halbohr auf keinen Fall. Auch wenn der Elf mit dem einem Ohr mit ihr im Bunde stand, so würde er niemals die Nähe zu ihr haben können, wie ich sie habe und auch Neire und Bargh.

Halbohr hielt plötzlich inne. Irgendetwas schien er zu hören. Seinem Flüstern nach, weitere Nachtzwerge vor uns. Sie warteten auf eine Lieferung. Vorsichtig schlichen wir uns voran. Lyrismar ging neben mir, im Schatten des Drachentöters Bargh. Er hatte noch immer noch den Gestank dieser Dirnen an sich. Da der Geruch der Essen immer weniger wurde, drang das Parfüm der Sklavinnen jetzt noch stärker in meine Nase. Die Bilder der Erinnerungen kamen mit dem Geruch und es widerte mich an. Doch ich ertappte mich auch, indem ich Lyrismar heimlich beobachtete. Als sich der Tunnel in eine Höhle öffnete, sahen wir, woher das rötliche Glühen kam. Sie hatten hier in Käfigen Feuerkäfer gefangen. Auch wenn diese Sorte keine Flügel hatte. Dennoch verströmten sie ihr Licht wie glühende Kohlen. Wir waren noch im Schatten des Ganges, daher konnten wir den ein oder anderen Blick riskieren. Ein Gatter versperrte einen dieser Schächte, in denen sie Plattformen durch ihre Konstruktionen nach oben und unten bewegen konnten. Vor dem Gatter standen vier gerüstete Krieger der Nachtzwerge. Die Höhle breitete sich nach rechts aus und dort standen drei lebendige Rüstungen. Ihre Arme endeten in Schwertern und Äxten. Sie waren schwer zu erkennen, da sie fast schon außerhalb des Lichts der Feuerkäfer standen.

Der Plan war schnell gefasst. Wir würden in den Raum hineinstürmen und die Wachen niedermachen. Danach uns um die Rüstungen kümmern. Ich beschwor weitere meiner gefangenen Seelen. Vielleicht würden sich einige ihre Freiheit verdienen, wenn sie mich beschützten. Aber wahrscheinlich führen sie direkt zu Jiarlirae, um ihre Flammen zu nähren. Wir wollten uns bis an den Rand des Lichtes schleichen und dann loslaufen. Doch unsere Schritte waren zu laut. Sie konnten einen zersplitternden Stein hören und waren sofort aufmerksam. Einer schrie noch „Eindringlinge“ und schon brachten sie sich in Formationen. Nun gut, es hätte nichts geändert. Sie waren mir ohnehin nicht gewachsen, das wusste ich von dem Flüstern in mir. Ich beschwor flammende Pfeile die sich in die Leiber bohrten und ihre Kleidung entzündeten. Schreiend liefen sie umher, nur um von Barghs und Lyrismars Klinge erlöst zu werden. Eine Türe flog auf und weitere Schergen strömten dort heraus. Ein Gestank von Schweiß und Fäkalien drang aus dem Raum dahinter und ich konnte kurz sehen, dass sich dort eine Art Pferch für Sklaven befand. Ein großes Rad mit eisernen Sprossen war an weiteren Mechanismen festgemacht, so dass die Sklaven dort drin hineinsteigen und es drehen konnten. Die Wachen drängten sich durch die Türe. Sie stürmten vorwärts, in ihr eigenes Verderben. Ich flehte zu Jiarliare um zerstörende Schatten und sie schenkte mir eine surrende Lanze, die die Leiber der Wachen und einige der Sklaven einfach zerfetzte. Einer der Soldaten konnte sich noch mit einem beherzten Sprung retten, doch der blutende Einhorndolch von Halbohr erwartete ihn schon.

Die Rüstungen hatten sich noch kein Stück bewegt. Halbohr trat in den Sklavenpferch hinein. Ich verstand nicht was er jetzt wieder für einen Plan hatte, als er mit einer größeren Ork-Kreatur sprach. Er wollte sie zu irgendetwas überreden, aber die Kreatur machte keine Anstalten Halbohr zuzuhören. Ich musste schmunzeln. Halbohr hatte wohl vergessen dem Ork zu erklären, dass er jetzt Meister Halbohr war. Es war vergeudete Zeit. Hinter den Rüstungen konnten wir Stimmen hören. Ein Hauptmann befahl wohl einem Trupp, das „Unternehmen Morund“ in Bewegung zu setzen. Was das hieß, sollte ich schon bald am eigenen Leib erfahren.

Wir versteckten uns in verschiedenen kleineren Öffnungen. Meine war eine kleinere Höhle, wo sie große Marmorblöcke lagerten. Bargh und die anderen waren in einer größeren Höhle, wo Haufen von Schilf, Ölfässern und anderen Sachen aufgebahrt waren. Dort warteten wir, wie Halbohr es vorschlug. Doch nichts passierte. Ein weiterer Plan von Halbohr, der uns nicht weiterbrachte. Nicht nur ich wurde unruhig, auch Bargh trat immer wieder aus der Höhle raus. Nach einer gefühlten Ewigkeit trafen wir uns in der offenen Halle und gingen vorsichtig einige Schritte zu den Rüstungen. Schon als wir uns näherten setzten sie sich ruckhaft in Bewegung. Mit schweren stampfenden Schritten gingen rückwärts in die Dunkelheit. Wir folgten ihnen vorsichtig. Ich konnte fast nichts mehr sehen. Das Licht der Feuerkäfer war direkt hinter uns und vor uns nur die Schwärze der Dunkelheit. Doch plötzlich gab es ein Rasseln von schweren Ketten und Funken von Metall auf Metall stoben auf. Die Funken schenkten uns ganz kurz einen Blick, aber das was ich sah war grauenvoll. Aus der Decke des Ganges schossen große metallene Spitzen heraus und die ganze Decke begann auf uns zu stürzen. Halbohr und Bargh gingen ziemlich weit vorne. Die Spitzen rammten sich durch die Rüstung und durch ihr Fleisch. Ich konnte sie im Dunkeln aufschreien hören. Lyrismar schaffte es rechtzeitig nach hinten weg zu springen, doch ich hatte nicht so viel Glück. Die Spitzen fielen auf mich herab, doch die verdammten Seelen sammelten sich. Sie waren meine Sklaven und würden mich noch im Nachleben beschützen müssen. Ich konnte ihre Schreie hören, als sie sich gegen die Spitzen warfen. Nur einige wenige Splitter bohrten sich mir ins Fleisch, als sich die Decke wieder schleifend nach oben bewegte. Auch die Rüstungen wurden durchbohrt, doch ich konnte noch deutlich hören, wie sich quietschend weiterbewegten. Ein Flammenschein erhellte plötzlich den Gang. Es war die Klinge von Bargh. Die Schatten hatten sich entzündet und die gleißende Hitze zerschmolz die Panzerplatten der Rüstungen. Wir standen vor einer weiteren Wand und auch hier drangen kegelartige Spitzen hervor. Auf den Boden sah ich jetzt deutlich drei Schienen die in unsere Richtung führten. Die Wand bewegte sich noch nicht, ich ahnte aber, dass es war nur eine Frage der Zeit war.

Das Licht von Barghs Schwert erlosch und ich war wieder in Dunkelheit gehüllt. Immer noch dieses verfluchte Leuchten dieser Käfer was mir die Sicht nahm. Sie waren Abnormitäten, nicht so wie Funkenträger. Ich wollte irgendetwas töten, also schleuderte ich einige Kugeln aus magischer Energie auf diese Kreaturen. Sie zerplatzten in ihren Käfigen und ihr leuchtendes Sekret tropfte auf den Boden unter ihnen. Vielleicht war das ja eine Möglichkeit. Ich tauchte meinen Säbel in die Flüssigkeit und sie leuchtete weiter an der Klinge. Jetzt konnte ich wenigstens etwas mehr sehen. Plötzlich trat auch Halbohr neben mich. Warum war er nicht da vorne und kämpfte? Brauchte Meister Halbohr etwa meine Hilfe? Traute er sich nicht ohne mich? Ich schrie ihn an und zusammen gingen wir wieder dem Kampfeslärm entgegen. Aber Bargh und Lyrismar brauchten gar keine Hilfe. Zusammen hatten sie schon die Rüstungen in ihre Einzelteile zerlegt. Jetzt konnten wir die Wand genauer sehen. Die Spitzen ragten uns bedrohlich entgegen, aber die Wand reichte nicht bis zur Decke. Man könnte an den Spitzen hochklettern, um sie zu überwinden. Fast so wie wir es am Eingang zu Unterirrling gemacht hatten. Doch ich erinnerte mich noch gut daran, was uns hinter den Speeren erwartet hatte. Hier würde mir das nicht passieren, hier würde ich mich nicht überraschen lassen. So dachte ich zumindest.

Halbohr und Lyrismar kletterten geschickt die Spitzen hoch. Der gesalbte Krieger Jiarliraes zog sich mit seinen ungewöhnlich langen Armen geschwind Wand hoch. Bargh faltete seine schwarzen Rabenfedern auf und stieß sich mit schweren Schlägen seiner Schwingen nach oben. Auch ich zog mich an den Spitzen hoch. Immer wieder schnitten sie mir leicht in die Arme und ich kam nur schleppend voran. Plötzlich konnte ich von der anderen Seite der Wand einen lauten Befehl hören: „Unternehmen Morund: Zweite Wand! Jetzt!“. Das Knacken eines Hebels war die einzige Vorwarnung. Plötzlich schoss die Wand, an die ich mich noch immer klammerte, wie ein Katapult nach vorne und schleuderte mich zurück. Ich schlug hart auf den Boden auf. Mein Rücken schmerzte grauenvoll, genauso wie meine Arme, meine Beine und mein Kopf. Etwas konnte ich mich noch abrollen dennoch schlug ich auf dem Stein auf. Alles drehte sich für einen Moment und ich bekam keine Luft mehr. Doch ich durfte jetzt nicht aufgeben. Gerade jetzt, wo ich meiner Herrin wieder so nahe war. Es war fast als ob sie mich in meinem Kopf anschreien würde. Ich musste aufstehen. Jetzt! Also gehorchte ich, trotz der Schmerzen. Ich musste wieder zurück. Diese feigen hinterlistigen Kreaturen würden dafür bezahlen mit Blut und Qualen. Die Wand kam zwar nach vorne, dennoch versperrte sie noch immer den Gang. Also musste ich wieder hochklettern, schneller diesmal.

Als ich oben ankam konnte ich besser sehen. Das Licht der Käfer wurde von der Mauer abgehalten. Die anderen waren schon in einer weiteren Höhle. Weitere der Duergar-Schergen waren dort. Einer hatte eine silberne Kordel um die Schulter geworfen. Auf diesen wollte sich Halbohr stürzen, doch er prallte plötzlich gegen etwas Unsichtbares. Ich kniff meine Augen zusammen und konnte einen leichten milchigen Schimmer erkennen. Dort stand eine durchsichtige Wand aus Energie und die Nachtzwerge dahinter grinsten Halbohr an. Ich konnte die Stimmen eines Gebetes hören und der Nachtzwerg mit der Schnur brüllte einen weiteren Befehl. Das Flimmern in der Luft fiel in sich zusammen und die Duergar stürzten sich auf die drei. Der Kampf entbrannte. Barghs Klinge spie Flammen, die Dolche von Halbohr fanden ihren Weg. Doch auch Axt und Picke der Nachtzwerge rammten sich in das Fleisch ihrer Gegner. Es war ein harter Kampf und ich musste mich beeilen. Ich würde sie alle brennen lassen. Als Lyrismar ebenfalls magische Energien beschwor, brach das Chaos aus. Die Axt des Anführers traf Lyrismar im gleichen Moment, als er die magischen Energien entfesselte. Als das geschah explodierte die Welt um Lyrismar herum. Ein Meer von Flammen füllte die ganze Höhle aus. Ich konnte nichts mehr erkennen, nur die Schreie waren noch da. Es war als ob die Herrin selbst Rache nehmen wollte und sich Lyrismar als ihr Gefäß ausgesucht hatte. Kampfeslärm und Todesschreie waren das Einzige, was noch da war. Ab und zu sah man die massive Gestalt von Bargh auftauchen. Die Flammen stoben um ihn herum, berührten ihn aber nicht. Aus den Flammen sprang Halbohr heraus und suchte sein Heil in der Flucht. Irgendwann brüllte Bargh etwas, was ich nicht verstand, doch das Flammenmeer bewegte sich dann langsam auf mich zu. Von der Spitze der Wand konnte ich etwas über die Flammen sehen. Dort wo das Feuer sich jetzt weg bewegte, waren nur noch die verkohlten Leichname der Duergar übrig. Ich sah Bargh schwer keuchend und verletzt dort stehen, sein Schwert bedeckt mit verbranntem Blut. Es dauerte noch etwas, dann verschwanden die Flammen wieder. Dort war auch Lyrismar, wütend und fluchend. Die Flammen hatten sich anscheinend um ihn herum gebildet und waren ihm gefolgt. Doch man sah ihm an, dass dies nicht von ihm gewollt war. Er riss die Haut des Höllenhundes von sich und warf sie auf den Boden begleitet von Verwünschungen. Er war wohl der Meinung, dass diese Haut es war, die seine Magie gestört hatte. Aber er war sich seiner Sache selbst nicht sicher. Er hielt inne und betrachtete die Haut. Sie hatte ihm bisher vor Flammen beschützt. Daran erinnerte er sich auch wieder. Immer noch fluchend, aber inzwischen leiser, nahm er die Haut wieder an sich und warf sie über.

Wir plünderten das, was von den Leichen übrig war. An der Höhle hinter der Stachelwand schloss sich eine kleinere Kammer an, die sie als kleineren Wachraum nutzten. Wir fanden auch einige Hebel, die Lyrismar direkt ausprobierte. Mit knackenden Geräuschen steuerten die Hebel die Wände des Ganges und sogar die flimmernde Barriere von Magie. Und schließlich fanden wir unseren weiteren Weg, eine breite Wendeltreppe, die in die Tiefe führte.

Ich war aufgeregt, aber auch vorsichtig als ich die Stufen hinab schritt. Man konnte von unten ganz schwach ein Rauschen hören, wie von Wassermassen. Da war aber auch ein dumpfes Dröhnen. Der ätzende Geruch des Sees wurde wieder stärker und drang langsam und beißend in meine Nase. Die Außenseite der Treppe öffnete sich mit einem Mal. Sie führte an einer Felswand um einen Abgrund entlang. Neben uns ging es hinab und auf der anderen Seite konnten wir den spiralförmigen Tunnel unter uns sehen. Ein falscher Schritt und wir würden hier in endlose Tiefen stürzen. So gingen wir weiter und weiter nach unten. Inzwischen konnte ich vom Abgrund her ein verwaschenes Licht sehen. Gift-gelblich und grün, schimmerte es wie ein leuchtender Nebel. Ein dumpfes Dröhnen drang aus der Tiefe empor. Lyrismar wurde mit jedem Schritt nachdenklicher, was ich bei ihm noch nicht gesehen hatte. Irgendwann hielt er inne und streckte seine Hand über den Abgrund aus. Seine Stirn legte sich nachdenklich in Falten und er sagte: „Der Nebel, das Licht...Irgendetwas stimmt hier nicht. Ich kann es spüren, irgendeine Veränderung. Es fühlt sich fast wie meine Heimat an, aber doch irgendwie anders. Wir müssen mit unserer Magie vorsichtig sein. Die Kunst, die einen an andere Orte bringt, wird hier nicht funktionieren.“ Ich hörte seine Worte, aber ich würde weiter gehen. Natürlich nicht für einen König. Ich würde weiter gehen, weil es mein Weg ist, der mir gewiesen wurde. Ich spürte die Furcht, die Angst vor meinem Tode. Doch die Stimme meiner Göttin war mit mir, wie sie auch mit Bargh und Lyrismar war. Ich würde meinen Tod freudig erwarten, denn ich würde in ihr Reich hinabsteigen. Und mit mir wären meine Begleiter. Die Seelen der auf ewig Verdammten, die ich an mich gebunden hatte. Ich lauschte ihren Schreien und ihrem Flehen. Sie gaben mir glorreiche Erhabenheit, einen unstillbaren Durst auf das Nachleben im Reich der Dame des aufsteigenden Chaos des Abgrundes.

Jenseher:
Die Rampe bohrte sich immer tiefer hinein, in den im gelblich-grünlichen Licht wabernden Abgrund unter uns. Es war wie eine Schnecke, die sich in eine andere Welt grub. Das Licht weiter unten machte alles diffus und mit ihm drang auch der beißende Geruch des Arbolbaar Sees wieder an meine Nase. Unser Weg hinab war untermalt von dem dumpfen Geräusch, das irgendwo aus den gift-gelben Nebeln und der Tiefe kam.

Einer weiteren Windung folgte noch eine, doch dann verschwand die Rampe vor uns. Dort wo die Säulen eigentlich hätten stehen sollen, die den steinernen Weg stützten, fehlte ein großes Stück der Felswand - vielleicht herausgebrochen und das auch schon vor langer Zeit. Aber es war nicht das Ende unseres Weges. Kurz vor der Kante stand eine steinerne Türe und führte in den Felsen hinein. Es war keine dieser Türen, wie sie die Nachtzwerge gerne benutzten. Diese hier schien kunstvoller, sie wirkte irgendwie fehl am Platze. Wir waren jetzt schon recht tief und inzwischen konnten wir in dem gelben Dunst unter uns einige Konturen erkennen. Die einzelnen Umrisse sahen aus wie Seile und da war etwas, das an den Seilen hing - vielleicht Kisten oder eher Käfige. Halbohr bemühte sich die Türe leise aufzudrücken, doch wir alle konnten die lauten Geräusche dahinter hören, den Lärm von Kindern, die riefen, lachten und schrien. War es wirklich das, was ich dort hörte oder spielte dieser unheilige Ort mit meinen Gedanken? Als sich die Türe öffnete, konnten wir dahinter einen großen Raum erkennen und wieder schien es mir, als ob wir die Stadt der Nachtzwerge schon lange hinter uns gelassen hätten. Auch dieser Raum hatte Bogen-ähnliche Verzierungen. Doch welch kranker Geist auch das Bauwerk vollbracht hatte, hatte überall die Muster von Tentakeln hineingearbeitet. Das Ganze sah aus, als ob man versucht hatte eine Krankheit von Geschwüren darzustellen. Der Boden war übersät mit allerlei kleinen Gegenständen. Rasseln, Murmeln, Puppen, hölzerne Räder, Kreisel und sonstiger Kram lag verstreut herum. Ich verstand nicht, wozu diese Dinge alle dienen sollten. Wenn hier wirklich Kinder sein sollten, wieso hatten sie dann nichts Besseres zu tun als mit diesen Dingen zu spielen? Mussten sie denn keine Arbeit verrichten?

Vorsichtig tasteten wir uns weiter. Kleine Treppen führten hinab in einen weiteren Raum wo eine große Tafel voller Essen aufgebaut war. Dort saßen sie alle und verschlangen Fleischstücke und Tintenfische. Die Kinder waren allesamt Duergar, doch sie hatten alle Missbildungen. Ich konnte ihre aufgeblähten Köpfe und verdrehten Augen erkennen. Ich sah, dass sie debil waren. Weitere der zurückgebliebenen Kinder, die in Urrungfaust eigentlich geopfert werden sollten? Sie wurden umsorgt von einer jüngeren Matrone der Duergar, die zwischen den Stühlen hin und her huschte und verzweifelt versuchte für etwas Ordnung zu sorgen. Was ihr aber nur schwer gelang. Immer wieder hielt es einer der Bälger für lustig, laut zu furzen und die anderen, bar jeglichen Verstandes, lachten lauthals mit. Auch trommelten sie mit ihren Gabeln oder mit nackten Händen auf den Tisch. Das Gejohle klang hell wie hohl und wurde durchbrochen von einzelnen schwachsinnigen Lachschreien. Die meisten hatten schon ihr Essen beendet und die Frau begann die Schüsseln wegzuräumen. Der Teller vor einem Kind hatte noch ein großes Stück gebratenes Fleisch darauf und offenbar wollte der Junge noch weiter essen. Er öffnete seinen Mund und zwischen seinen faulen Zähnen drangen dumpfe Laute hervor. Vielleicht sollte das ein Schreien sein, aber sein missgebildeter Verstand konnte keine vernünftigen Laute vorbringen. Als er aber seine Hand nach dem Fleisch ausstreckte begann das Stück plötzlich in der Luft zu schweben. Das Kind machte eine ruckhafte Bewegung und das Fleisch flog wie von selbst in seinen Mund. Die Duergar Frau schien davon aber nicht wirklich beeindruckt zu sein. Doch aus anderen Ecken des Raumes traten zwei Gestalten in den Raum und als ich sie sah, blieb mir kurz der Atem weg. Ein außerweltliches, fremdes Grauen war in die unwirkliche Szene gebrochen. Auf den ersten Blick wirkten sie wie zwei Menschen, gekleidet in schmutzige Roben, aber ihr Schädel war mit rötlichen Wülsten bedeckt und glänzten schleimig. Der Kopf drehte sich etwas und ich konnte deutlich den Mund sehen. Allerdings war dort kein Mund, sondern vier Tentakel wuchsen an dessen Stelle. Ich erkannte sie wieder. Diese Kreaturen hatten wir schon in Unterirrling auf dem Markt gesehen. Und ich erinnerte mich auch an die Stimmen, die ich in meinem Kopf gehört hatte. Nicht lieblich und angenehm waren sie gewesen, sondern abscheulich und erschreckend. Die Augen hatten keine Pupillen und waren einfach nur weiß. Trotzdem schienen sie des Sehens fähig, als sie das Kind mit großem Interesse betrachteten. Sie schauten die Duergar Frau an und sie nickte einfach nur und sagte: „Jawohl meine Meister, ich werde nur noch die Tafel abräumen“. Von keiner der Kreaturen war auch nur der kleinste Laut gekommen, doch die Duergar Frau schien trotzdem verstanden zu haben.

Halbohr schlich sich nach vorne, von Lyrismar war schon nichts mehr zu sehen. Leise folgte er der Duergardienerin, doch er hatte nicht aufgepasst. Sein Stiefel trat auf eine Rassel, die mit einem lauten Knacken auseinander¬sprang. Plötzlich richteten sich alle Augen auf Halbohr. Vorbei war es mit der Heimlichkeit. Es war mir ohnehin lieber und so sparten wir uns Rederei. Als die weißen Augen der Kreaturen uns anstarrten, spürten wir, wie in unseren Köpfen etwas wütete. Eine Kälte jagte durch unseren Geist und lähmte alle unsere Nerven. Doch Jiarlirae ist stärker als diese Kreaturen. Ich spürte wieder ihr Säuseln in meinem Kopf und merkte wie allein ihr Dasein die Macht der fremden Kreaturen zunichtemachte. Lyrismar erschien aus dem Schatten direkt hinter einer der Kreaturen und stach seine gezackte Klinge durch den Brustkorb. Auch Bargh und Halbohr stürmten nach vorne. Schnell lagen die Kreaturen in ihrem eigenen Blut. Die Duergar Frau versuchte zu fliehen doch Bargh schaffte es sie einzuholen bevor sie durch eine weitere Türe verschwinden konnte. Seine Klinge blutete Feuer und das Feuer verzehrte die Frau.

Die Kinder waren zu dumm um zu verstehen was geschehen war. Für sie war es nur laut und sie bekamen Angst. Dümmlich begannen einige zu schreien. Tränen strömten über ihre rundlichen Gesichter und gelber Sabber lief über ihr Kinn. Bargh und Lyrismar schleiften die Leichen in einen Küchenraum, während Halbohr den Kindern Spielzeug zuwarf. Tatsächlich begannen sie sich zu beruhigen. Ihre ärmlichen Gedanken hatten offenbar nicht genug Platz für viele Erinnerungen und der Schrecken war schnell wieder vergessen. Ich schlug vor den Kindern ein neues Spiel zu zeigen. Nämlich das Spiel wie man fliegen lernt. Der Abgrund würde sich gut dafür eignen und es würde ein richtig schönes Spiel werden. Und ein Einfaches, sogar diese Missgeburten würden es verstehen. Entweder sie würden schnell lernen zu fliegen oder sie würden verlieren. Lyrismar fand die Idee auch gut, doch Bargh und Halbohr konnten wir nicht überreden.

Weitere Räume schlossen sich der Essstube an. Es waren Schlafkammern wovon zwei sogar von außen ein Schloss hatten. Immerhin etwas beruhigendes in dieser Fremdheit. Auch hier wurden ungehörige Kinder bestraft. Wir folgten einer Treppe hinab, wohin die Duergar Frau versucht hatte zu fliehen. Vor einer Türe hörten wir weitere Stimmen. Jemand gab Anweisungen, irgendetwas mit einer Murmel und in welche Richtung sie rollen sollte. Halbohr drückte vorsichtig die Türe auf. Der Raum dahinter war in ein warmes, grün-gelbes Licht getaucht und am anderen Ende war an der Wand eine weitere Art von Spiel aufgebaut. Metallnägel waren in regelmäßigen Abständen in Holz gehauen. Auf der Oberseite waren Öffnungen und ein debiles Mädchen, mit zwei kurzen, geflochtenen dunkelblonden Zöpfen an der Seite und schmalen Augen, warf gerade zwei Murmeln in die mittlere Öffnung hinein. Wir konnten sehen wie sie mit einem Klacken von Nagel zu Nagel fielen. Eigentlich erwartete ich, dass die Murmeln einen zufälligen Weg nehmen würden, doch stattdessen fielen sie, zumindest eine davon, immer zur linken Seite. Neben ihr stand eine weitere Duergar Frau und gab ihre Kommandos: „Nein nein, sie müssen beide hierhin. Versucht es mit beiden Kugeln.“. Und: „Jetzt in diese Richtung!“. Die rechte Seite des Raumes war ausgefüllt mit einem gläsernen Bildnis. Wir konnten das Spiegelbild des Raumes darin sehen, doch die Reflexion sah irgendwie merkwürdig aus. Halbohr schlich sich weiter nach vorne in den Rücken der Duergar Frau. Sein Einhorndolch glitt durch ihren Hals. Blut spritzte auf und röchelnd sank sie zu Boden. Das Mädchen wollte schreien doch Halbohr drückte ihr schnell seine Hand auf ihren Mund. Dann hörten wir das helle Klingeln von Glöckchen. Wir konnten keinen Ursprung des Geräusches ausmachen.

Wir hatten es gehört, doch konnten mit dem Geräusch nicht wirklich etwas anfangen. Das Klingeln klang nah, aber dann doch wieder so, als ob es ganz weit weg wäre, wie von einem Echo. Es ebbte etwas ab und dann spürten wir die Welle von Kälte über uns hinwegfegen. Wieder zuckten alle Nerven in meinem Körper zusammen. Es war noch stärker als beim letzten Mal. Das Mädchen konnte nur noch die Augen vor Schreck aufreißen, dann froren sämtliche Muskeln von ihr ein. Wie aus dem Nichts erschienen mitten in dem Raum sieben dieser schrecklichen Kreaturen. Aus nächster Nähe konnte ich die Saugnäpfe auf ihren Tentakeln sehen und den Schleim den sie absonderten. Bargh und Halbohr zögerten nicht lange und drängten auf die ersten Kreaturen. Auch ich war nicht untätig. Ich beschwor eine Lanze von wirbelnden Schatten. Doch anstatt die Monstrositäten zu zerfetzen, floss die Magie einfach um sie herum. Nicht jedoch das Glasgemälde. Innerhalb nur eines Herzschlages zitterte erst das Glas und sprang dann mit einem Krachen in tausende kleine Splitter. Hinter dem Glas offenbarte sich ein weiterer Raum. Keine Spielsachen, sondern blutverschmierte Tische waren zu erkennen. Auf einem lag der tote Leib eines weiteren Kindes. Der Schädel war ihm geöffnet worden und das extrahierte Gehirn ruhte fein säuberlich daneben. Auf dem Tisch daneben lagen nur noch Knochen. Das Fleisch war sauber abgeschält worden und aufgeschichtet, als wenn es schon bald in einem Kochtopf landen sollte. Ich konnte mir vorstellen, dass sie den schwachsinnigen Kindern weiter oben das Fleisch ihrer geschlachteten Kameraden servierten. Schnell verwarf ich den Gedanken und betrachtete hastig den Raum. Gläser enthielten weitere Gehirne. Zwei der Kreaturen standen dort vor dem Tisch. Über ihren dreckigen Roben trugen sie schwere Lederschürzen, die voll mit frischem Blut waren. Eine weitere Welle dieser Geisteskälte flog über uns, doch immer noch konnten sie unseren Glauben an unsere Herrin nicht brechen. Ich packte den schwarzen Säbel an meiner Seite und stürmte auf die Gestalten mit den Tentakelmäulern zu. Die zwei Hiebe auf den Körper taten richtig gut. Sie schrien zwar nicht auf, dafür fehlten ihnen wohl die Münder. Aber dennoch konnte man den Schmerz erkennen. Zusammen mit Bargh und Lyrismar machten wir sie nieder. Halbohr sprang durch das zersprungene Glas und rannte den beiden Fliehenden hinterher. Sie hatten wohl erkannt, dass sie hier keinen Sieg mehr erringen konnten. Sie versuchten über eine weitere Türe zu entkommen, doch sie waren nicht schnell genug. Jetzt waren auch die anderen da und der Tod der beiden letzten Tentakel-Kreaturen kam schnell.

Wir fanden ihr Gemach. Eine dunkle und stinkende Kammer. Die schwarzen Möbel, die dort standen, waren mit Schleim bedeckt. Wir fanden Notizen, doch die Schrift hatte noch niemand von uns gesehen. Auch fanden wir diese Glöckchen, die wir gehört hatten. Als ich mir eines anschaute spürte ich etwas – ein Gefühl, das ich kannte. Es war so ähnlich wie das was ich spürte, als wir durch das Portal im Tempel des Jensehers geschritten waren. Ein weiteres Glöckchen war etwas anders. Im Gegensatz zu den anderen war es aus Kristall, nicht aus Silber. Ich glaubte, wenn man dieses Glöckchen klingen lässt weiß jemand anderes, wo es passiert ist.

Eine weitere Türe führte uns wieder zurück in die Säule und auf die Rampe. Weiter abwärts. Das Leuchten wurde stärker. Und wir konnten sehen, dass tatsächlich Käfige an stählernen Seilen über der Leere aufgehängt waren. Dort drin vegetierten verschiedene Körper. Ich konnte einige Dunkelelfen sehen, auch Menschen und einige wenige der Nachtzwerge, aber keine Kinder. Wir folgten der Rampe weiter nach unten und gelangten an einen weiteren Einbruch und eine Türe, die wieder in den Felsen führte. Dieses Mal war es eine doppelflügelige Türe, die wieder mit Tentakeln verziert war. Bargh fand die Spuren von Laargyr, aber sie waren sehr alt. Es waren auch andere Spuren zu sehen. Keine von den Duergar, sondern sie schienen eher den Tentakelkreaturen zu gehören. Das Portal führte uns in eine Höhle. Die Tentakel hier waren nicht mehr aus Stein, sondern sie waren lebendig. Schleimig pulsierten sie und gruben sich durch den Stein. Wir waren wirklich nicht mehr in Urrungfaust. Diese andere Welt darunter versuchte sich ihren Weg nach oben zu bahnen und die Tentakel waren wie eine Krankheit, die sich von hier ausbreitete. Es stank bestialisch. Nicht mehr so sehr nach dem Arbolbaar See, sondern nach Fäule und Verwesung. Die Spuren von Laargyr führten hier durch. Er hatte anscheinend stets darauf geachtet, die Tentakel nicht zu berühren. Als wir uns weiterbewegten, machten wir dasselbe. Die Höhle führte an mehreren alten Türen des stämmigen Volkes vorbei. Dort waren nur die Spuren der Tentakelkreaturen zu erkennen, also machten wir einen großen Bogen darum. Die Spuren, denen wir folgten, führten in einen kleinen Tunnel. Abzweige endeten an Türen, von denen Halbohr ein schweinisches Grunzen und Stöhnen hören konnte. Es klang entfernt wie Ork Kreaturen, aber auch irgendwie anders. Ein Abzweig führte zu einer alten verfallenen Kapelle. Irgendwann musste jemand hier einmal Laduguer gehuldigt haben, doch das war schon lange her. Wer es auch war, sie mussten festgestellt haben, dass ihr Gott schwach war. Die Tentakel haben diese Kapelle für sich erobert und schlängelten sich um das, was von den Statuen übriggeblieben war. Eine war in der Mitte aufgebrochen und offenbarte einen alten geheimen Gang. Und dahin führten auch die Spuren von Laargyr.

Der Gang offenbarte sich als Zellentrakt. In kleinen Nischen in der Wand konnten wir die verschlossenen Türen sehen. Über jeder führte ein dickes stählernes Seil an Rollen zu dem Abgrund. Wer auch immer dieses Gemäuer gebaut hatte, musste ein Meister sein. Ich nahm an, dass man mit komplizierten Mechanismen die Zellen mit denen tauschen konnte, die über den Abgrund schmorten. Der Gang führte an einer weiteren Türe vorbei und endete schließlich an einer Wendeltreppe. Von der Türe konnten wir wieder das Grunzen der Orkrasse hören. Es hörte sich an als, ob sie gleichzeitig fressen würden und sich mit Frauen vergnügten. Dieses Bild sollte erst überhaupt nicht in meinen Kopf hinein, sonst würde nur wieder der Ekel und die Abscheu über diese primitiven und minderwertigen Kreaturen hochkommen. Vorsichtig gingen wir an der Türe vorbei und betraten die Treppe nach unten. Der Geruch von Fäkalien und auch von Verwesung wurde wieder stärker. Es war mir klar, dass wir noch tiefer in das faulende Herz dieser fremden Welt hinein tauchen würden. Und wenn wir dort ankommen würden wir es herausreißen. Solch eine Fäule, solch eine Krankheit muss heraus gebrannt werden. Das wusste doch jeder.

Jenseher:
Wir schritten in die Tiefe. Weiter hinab in das verdorbene Herz des Morund-Steines. Die von Schleim feuchten Wände gaben mir immer mehr die Sicherheit, dass es ein krankes Herz war. Durchzogen von irgendeiner fremden Fäule. Im Stein sah ich kleine Löcher. Wie Maden fraßen sich dort Tentakel nach außen. Maden, die das Fleisch von Urrungfaust fressen wollten. Vermutlich war die Stadt schon lange tot, sie wusste es nur noch nicht. Es stank widerlich nach Verwesung aber auch der beißende Hauch des Arbolbarer Sees war wieder stärker geworden. Es kostete mich einiges an Überwindung in den Tunnel zu schreiten, der sich hinter der Wendeltreppe öffnete. Den anderen schien es nichts auszumachen. Wer weiß durch welchen Unrat sie sich schon wühlen mussten, bevor ich sie kennengelernt hatte. Oder sie konnten es gar nicht riechen. Bei Bargh war ich mir zum Beispiel nicht sicher. Hinter seiner grünen Maske regte sich nichts. Nur der Opal, der sich vor seinem Rubinauge befand, glitzerte merkwürdig ohne äußeren Lichteinfluss. Es sah so aus, als ob der schwarze Edelstein in seinem Innern brennen würde, als ob der in seinem Auge verwachsene glühende Rubin dort sichtbar würde.

Vor uns zweigten zwei Tunnel ab und wir konnten wieder ein Grunzen und ein Stöhnen hören. Es klang dumpf. Es klang nach riesigen Brustkörben. Halbohr und Lyrismar schlichen voran. Der Abgesandte Jiarliraes bewegte sich in seiner roten Chaosrobe fast lautlos über den glitschigen Stein. Beide mussten immer wieder Haufen von Fäkalien ausweichen. Wer auch immer hier hauste, er hielt es nicht für nötig einen Abort zu besuchen, sondern legte sein Geschäft einfach im Gang ab. Es mussten Tiere sein. Beide spähten in die Tunnel hinein und kamen nach kurzer Zeit wieder zurück. Flüsternd beschrieb Halbohr die beiden Höhlen, die sich hinter den Durchgängen eröffneten. Dort hausten Kreaturen die so ähnlich wie Orks aussahen, jedoch viel größer waren. Sie hatten riesige Schweinekreaturen dabei. Angeblich hatten sie lange Hauer, Sattel und Rüstungen. Vielleicht dienten sie ihnen als primitive Reittiere. Als Halbohr erzählte, dass ein Ork versucht hatte eines der Schweine von hinten zu begatten, war ich mir nicht mehr sicher, ob sie sie nur als Reittiere nutzten. Die anderen Orks hatten den Schweineliebhaber wohl mit Bierhumpen beworfen und sich mit stupiden, brüllenden Lachschreien über ihn lustig gemacht. Er hatte dann von dem Tier abgelassen, bevor es zum Akt kam. Aber ich war mir sicher, dass beide, Orks und Schweine, nur wilde, wertlose Tiere waren.

Ich wusste was zu tun war. Die Stimme in meinem Innern flüsterte es mir zu. Die anderen sollten sich bereit machen. Ich würde sie ausräuchern und was noch übrig war, konnten sie erlegen. Jiarlirae schenkte mir wieder die Macht der Flammen. Ich formte sie zu einem Ball den ich behutsam in eine der Höhlen lenkte. Die anderen waren schon in Position. Krachend zerplatzte die kleine Kugel aus Feuer in der Höhle und beschwor ein flammendes Inferno. Ich genoss die Schreie der Kreaturen, wie sie dort brannten. Aber sie waren schnell. Ich glaube nicht, dass sie wirklich so etwas wie Verstand hatten, vielleicht waren es eher tierische Instinkte. Einige konnten zur Seite springen und in der gegenüberliegenden Höhle formierten sie sich. Halbohr und Lyrismar stürmten in die andere Höhle hinein, während Bargh und ich uns um das kümmerten, was noch übrig war. Als Bargh in das drecke Wachgemach eindrang, rutschte er jedoch auf dem schleimigen Boden aus. Er versuchte sich zwar noch zu halten, aber durch sein Taumeln wurde sein kostbares Schild aus Ne‘ilurum zur Seite geschleudert. Aber Bargh wäre nicht der Drachentöter, wenn er nicht auch damit fertig werden würde. Schnell raffte er sich auf und griff mit der freien Hand zu seiner Klinge Blutstein. Die Schneide war aus Knochen und sie dürstete es nach Blut. Ihr Durst sollte schon bald gestillt werden und als Blutstein in das Fleisch eines Orks eindrang saugte sich der Knochen damit voll. Der Durst war noch lange nicht gestillt, aber schon jetzt begann der Knochen zu glänzen und sah mehr nach blankem Stahl aus. Barghs Klingen und meine Schatten zerschmetterten die Überlebenden. Auch die Schweinskreaturen, die bestimmt mehrere Schritte umfassten und die Größe von kleinen Pferden hatten, gaben ihr Leben. In der anderen Höhle sah ich Halbohr umringt von einer Meute von Orks. Einige Male rammte ein Streitkolben in die Seite des elfischen Söldners. Aber auch Halbohr war im Bunde mit Jiarlirae und das schien er auch immer mehr zu begreifen. Seine Einhornklinge schlitze die Bäuche von Schweinen und Orks gleichermaßen auf. Mit der Hilfe von Lyrismar waren auch diese Kreaturen recht bald nur noch Haufen von totem Fleisch.

Der Tunnel endete an einer der steinernen Türen, die aus vergangen Zeiten der Duergar zu stammen schien. Dahinter kamen wir wieder zurück in das hohle Zentrum des Morundsteines, mit der in die Wand geschliffenen Rampe, die uns weiter nach unten brachte. Doch wir kamen unserem Ziel näher. Der Grund dieses Schlundes tat sich vor uns auf. Der dicke grün-gelbe Dampf waberte dort über den Boden. Ich konnte spüren, wie er in meiner Lunge brannte. Hier hatten die Baumeister in steinernen Nischen Armbrust-Apparate aufgestellt, doch der Rost, mit dem sie zerfressen waren, zeigte mir, dass sie schon seit langer Zeit nicht mehr funktionierten. Laargyrs Spuren führten durch eine große doppelflügelige Türe aus Stahl, die mit alten Runen der Duergar verziert war. Ich wusste nicht genau was diese Runen bedeuten sollten, aber sie erzählten etwas von Verehrungen, vermutlich für Laduguer, obwohl er doch hier schon lange keine Macht mehr hatte. Halbohr zog einen der Türflügel auf. Er wollte dabei wie immer besonders vorsichtig und leise sein, doch stattdessen hörten wir ein lautes Knirschen durch den Stein gehen. Soviel zur Heimlichkeit. Hinter dem Tor lag ein breiter Säulengang. An den Wänden waren die Bildnisse nachtzwergischer Krieger als Fresken eingelassen. Einige Türen, aus dem harten Eisenpilzholz der Unterreiche gefertigt, lagen an den Seiten. Auch hier waberte der giftige Dampf über den Boden. Am Ende unseres Sichtbereichs, wo sich der Gang verzweigte, konnte ich jedoch einen anderen Nebel erkennen. Nicht gelb und giftig, sondern weiß, fast schon strahlend. Aber viel dicker. Wie eine Wand zog er sich durch den Gang und keiner von uns konnte dort hindurchschauen.

Halbohr wollte sich gerade zum Boden bücken, um den Spuren zu folgen, da öffneten sich die Türen an den Seiten. Heraus traten die Kreaturen, die uns dank des Knirschens wohl schon erwartet hatten. Weitere dieser abscheulichen Rasse, mit den Köpfen von Tintenfischen. Die Tentakel in ihren Mäulern zuckten wild hin und her und die weißen Augen blitzten uns mit kaltem Hass an. Eines blickte mir direkt in die Augen und ich konnte die Stimme dieser Kreatur in meinem Kopf hören. Sie versuchte die Stimme der Herrin zu übertünchen. Sie säuselte etwas von unserer verlorenen Aufgabe und wie ich mich retten könnte. Pah! Meine Herrin war mächtiger, bei weitem. Die Stimme der Kreatur wurde leiser, nur noch ein Flüstern. Ich stellte mir eine flammende Wand vor mit der ich die Stimme aussperrte. Ich weiß nicht ob diese Kreaturen Überraschung zeigen konnten, aber als Bargh, Lyrismar und Halbohr mit erhobenen Klingen auf sie stürmten, meinte ich eine kurze Reaktion in den Schädeln gesehen zu haben. Barghs flammende Klinge schnitt mit einem Hieb durch die erste Kreatur hindurch. Die anderen versuchten wieder mit ihrer Geisteswelle unsere Muskeln zum Erstarren zu bringen, doch auch dieses Mal hatten sie keinen Erfolg. Eine stand direkt vor mir und ich lachte ihr ins Gesicht. Mein Säbel zuckte nach vorne und ich schlitzte sie auf.

Es dauerte nicht lange und dann zuckten keine Tentakel mehr aus den Kreaturen. Doch dann geschah etwas Merkwürdiges. Die liebliche Stimme, die ich hörte, war jetzt kein Säuseln mehr, sondern sie wuchs an und wurde zu einem aufgeregten Rufen. Sie rief mich zur Eile, sie drängte mich. Ich musste jetzt sofort loslaufen, durch die Wand aus dem silbernen Nebel hindurch. Ich blickte zu Bargh und Lyrismar. Auch sie schienen etwas zu hören oder vielleicht auch nur zu fühlen. Selbst bei Halbohr konnte ich die Unruhe sehen. Ich ließ mir keine Zeit zum Nachdenken, es musste jetzt passieren. Also rannte ich los. Bargh rief einen Angriffsbefehl und zusammen stürmten wir durch den silbernen Nebel.

Der Nebel ragte nicht weit in den Tunnel hinein. Schon nach einem Schritt waren wir hindurch und sahen das, was dahinter lag. Der Gang erweiterte sich zu den Überresten einer kleineren unterirdischen Kapelle. Man konnte eine Doppelreihe von Säulen sehen, die aber auch von schwarzem Schleim und Tentakeln überwuchert wurden.
Auf einer Empore, dort wo früher vielleicht mal ein Altar stand, war ein widerlich anzusehender Haufen von schwarzen Tentakeln. Die Tentakel wuchsen dabei in einem Bogen über den Resten und ich konnte jetzt sehen, dass in den Tentakel verstrickt die immer noch lebenden Leiber von Kreaturen hingen. Die Leiber wurden durchzogen von Geschwüren und Tentakeln wie ein wucherndes Rankengewächs. Durch das Fleisch hindurch hatten sie sich gebohrt. Zusätzlich waren vier Maschinen darin verwoben. Die Maschinen kamen mir bekannt vor, aber erst nach dem zweiten Blick erkannte ich sie. Es waren die gleichen Kugeln, die wir bereits im Tempel des Jensehers gesehen hatten. Im Tempel des Jensehers hatten sie pulsierend die unwirkliche Scheibe versorgt, die sich in Mitten des Raumes gedreht hatte. Es fiel mir auch wieder ein, dass im Tempel einige dieser Orben gefehlt hatten, weswegen die Scheibe sich nie richtig materialisieren konnte. Hier waren sie also. Irgendwie hatten sie es geschafft den Gefahren des Tempels zu trotzen und diese Maschinen zu rauben. Ich konnte ein Prickeln auf meiner Haut spüren, denn inmitten des Bogens aus Tentakeln und Körpern sah ich die spiegelnde Fläche, aus der ein milchig-silbernes Licht strahlte.

Das Licht warf lange Schatten von den Gestalten, die sich vor dieser Konstruktion versammelt hatten und uns schon erwarteten. Direkt vor der spiegelnden Fläche stand in einer leuchtenden Mithril Rüstung ein Nachtzwerg. Die Rüstung war überzogen mit einer Schicht von Frost. In seiner Hand trug er einen langen Speer, dessen Spitze ebenfalls aus Mithril zu bestehen schien. Um seinen Hals hing an einer Kordel ein Amulett mit einem Opal, dessen eine Seite schwarz wie die Nacht und dessen andere Seite milchig, wie ein düsterer Tag war. Das musste der Erzgraf von Düstergrau sein, der Abt des Tempels Glammringsfaust. Ich konnte seine blitzenden Zähne sehen, als er mit halb geschlossenen Augen Gebete an seinen Herren sang. Das war der Grund warum wir nicht zögern sollten. Es war das erste Gebet. Wenn er Zeit gehabt hätte, weitere von sich zu geben, wäre er noch gestärkter gewesen. Vor ihm reihten sich vier muskulöse Orkkrieger auf und dahinter vier der Tentakelkreaturen. Halbohr und Bargh stürmten ohne zu zögern der Reihe der Orks entgegen. Lyrismar dagegen beschwor eine Lanze der Schatten, dessen Spitze in den Erzgraf traf. Doch der Nachtzwerg hielt seinen Speer vor sich, der einen Teil der Magie in sich aufsog. Dennoch konnte ich sehen wie sich sein faltiges Gesicht vor Schmerzen zusammen zog. Er würde die Macht von Jiarlirae zu spüren bekommen. Ich selbst erbat von meiner Herrin eine flammende Kugel. In einem hohen Bogen schleuderte ich das Geschoss aus den heiligen Flammen ihm entgegen und mit einem Bersten platzte diese über ihm. Auch hier hielt er seinen Speer vor sich und auch hier schien es, als würden die Feuer um ihn schwächer werden. Dennoch konnte er ihnen nicht komplett widerstehen. Selbst eine der Tentakelkreaturen konnte sich dem Feuer nicht entziehen. Die Flammen trotzten dem Wesen und ich konnte in meinem Kopf den Schmerzensschrei hören. Ich flehte um weitere Magie und wieder wurde sie mir geschenkt. Mehr im Hinterkopf konnte ich spüren, dass die Herrin immer näherkam, je mehr sie mir ihre Macht schenkte. Der Erzgraf änderte sein Gebet zu einem unvorstellbar komplexen Gesang. Ich erkannte direkt was er vorhatte. Sein Gesang sollte Welten jenseits der unseren erreichen und von dort weitere Kreaturen anlocken. Doch wie immer unterschätzten sie mich, sahen in mir immer noch das kleine Mädchen. Ich warf blitzschnell kleine Kugeln aus Energie auf den Erzgraf und seine Worte gerieten ins Stocken.

Vor mir drang das Klingen von Stahl auf Stahl, als Bargh den letzten der Orkkreatur fast das ganze Bein abschlug. Halbohr und Lyrismar waren schon weiter vorne und töteten die Tentakelkreaturen. Von allen Seiten drangen wir jetzt auf den Erzgraf ein. Seine stahlgrauen Augen blitzten zu Halbohr, als er sprach: „Ihr wisst nicht mit wem ihr es zu tun habt, Meister Halbohr! Nach mir werden viele andere kommen. Wir sind alle eins, unser Geist ist eins!“ Um den Erzgraf brach ein unvorstellbares Getümmel aus. Schläge der Schwerter wurden pariert, die Spitze des Speers schnellte nach vorne, traf aber nur Luft. Er war geschickt mit seiner Waffe. Gerade als ich dachte er würde sie ein weiteres Mal nach vorne stoßen, drehte er sie in der Luft und hieb damit wie ein Schwert nach Halbohr. Dieser war nicht schnell genug und die scharfe Schneide schnitt tief in sein Fleisch. Er strauchelte kurz und der Erzgraf nutzte die Gelegenheit und den Speer in seinen Bauch zu treiben. Doch Halbohr hielt sich tapfer und ging zum Gegenangriff über. Auch Bargh und Lyrismar rammten ihre Klingen in seine Seite. Ich schleuderte weiter magische Kugeln auf ihn und schließlich begannen seine Augen zu zittern. Keuchend sank er auf die Knie. Blut lief aus seinem Mund und aus der Vielzahl von Wunden. Er war dem Tode nahe und dieses Mal wusste er es. Röchelnd hauchte er mit seinem ersterbenden Atem sein Leben aus. Es war, als würde er aus einem tiefen Schlaf aufwachen: „Was haben wir getan? Wir wurden hintergangen...Schließt das Portal…“ Dies waren die letzten Worte des Erzgrafes von Düstergrau, dem höchsten Vertreter des Laduguer von Urrungfaust, die wir tief unter den Morundstein hörten.

Bargh nahm sich keine Zeit zum Verschnaufen. Mit Abscheu blickte er auf die Ranken von Tentakeln und begann sie wie in einem Rausch zu zerschlagen. Klappernd fielen die Maschinen zu Boden, zusammen mit den Körpern. Es war ein Blutbad das er anrichtete. Seine schwarze Klinge Glimringshert durchschnitt Leiber, wie Geschwüre. Schwarzes Blut spritzte auf und die verwachsenen Zwerge, Menschen und Elfen – allesamt Opfer der fremden Tentakelwesen – schrien in ihrem Tode. Doch der Spiegel war immer noch da, als wollte er uns anlocken - oder eher verspotten? Bargh hatte die Leiber zerstört und war von schwarzem Blut besudelt. Was war diese Scheibe, dieser Spiegel, der dort milchig-silbern schimmerte. Um eines war ich mir sicher: Der Erzgraf war schwach, sein eigentlicher Meister würde irgendwo auf uns warten.

Jenseher:
In dem verfallenen Tempel des Laduguer war wieder Ruhe eingekehrt. Nur das Knistern des Portals durchbrach die Stille und erzeugte mir ein Kribbeln im Nacken. Das Blut der verfaulten Leiber, die das Portal noch gehalten hatten, begann schon langsam zu stinken. Aber die milchig schimmernde Oberfläche des Portals war immer noch da, sogar als wir diese sphärenartigen Maschinen aus den Tentakeln- und Fleischmassen geschält hatten. Inzwischen war der Boden bedeckt mit Körperteilen von Nachtzwergen, Menschen, Elfen. Zudem waren da die im Kampf getöteten Leichname der Orks und der Tentakelkreaturen. Einige ihrer Tentakel zuckten noch leicht und ich glaube, einmal habe ich mich sogar etwas erschreckt. Zum Glück hatten Bargh und Lyrismar es nicht gesehen. Mit dem neuen Säbel schnitt ich der Kreatur schnell die Tentakel ab. Jetzt zuckten sie nicht mehr. Die Rüstung des Drachentöters war besudelt mit dem Blut der Kreaturen und auch mit seinem eigenen. Mit den Maschinen trat er an Lyrismar und befahl ihm sie zurück in den Tempel des Jensehers zu bringen. Damit sollte das Weltentor wieder vollständig herzustellen sein. Es sollte unser eigener Zugang sein, nach Euborea und zu anderen Welten außerhalb. Lyrismar aber schien Bargh nicht direkt zu verstehen. Seinem Blick nach zu urteilen, hatte er immer noch einige Nachwirkungen seines Öles im Kopf. Noch einmal sprach Bargh ihn an, dann reagierte er. Er sagte, es würde einige Zeit dauern und sei auch nicht ungefährlich, doch er nahm die Kugeln und bewegte sich mit seiner Magie durch Raum und Zeit. Sagte er nicht, dass diese Art von Magie hier unten nicht richtig funktionierte? Wenn etwas schief läuft, erscheint er am Ende im Tempel des Jensehers inmitten des Bauches einer der Riesen. Ich stellte mir seinen Blick vor, wenn er sich durch den Körper nach außen schneiden musste und grinste dabei. In dem Moment verwandelte er sich in brennende Schatten und war verschwunden. Nur glühende Asche schwebte langsam zu Boden. Wir durchsuchten die Räume, in denen sie gehaust hatten. Wir fanden mehrere der kleinen Glöckchen und weitere Schriftstücke sowie Bücher in der seltsamen geschriebenen Sprache der Kreaturen. Und sie hatten mehrere grünlich schimmernde Steine gehortet. Sie waren leicht warm. Doch als ich genauer hinschaute, zog ich meine Hand schnell zurück. Es waren Steine, die auf der Haut widerliche Geschwüre erzeugen konnten, wenn man sie nur lange mit sich herumtrug. Aber man konnte sie auch für die Herstellung starker Säuren benutzen. Bestimmt würden sie noch nützlich werden, also schaffte ich sie vorsichtig in das außerweltliche Laboratorium, was Ortnor uns freundlicherweise nach seinem Tode überlassen hatte.

Ein weiterer Raum offenbarte uns, was für absonderliche Versuche diese Kreaturen durchführten. In dem Raum standen auf Säulen mehrere der Sphärenmaschinen, doch sie sahen irgendwie anders aus, fast als ob sie in falscher Weise selbst erbaut wurden. Wir hörten ein tiefes Summen und Knallen aus dem Gemach. Zwischen den Maschinen zuckten helle Bögen aus elektrischer Energie und in der Mitte des Raumes stand auf einem Sockel ein großes Gefäß aus Kristall. Ein Haufen grüner Schleim war dort drin, doch dieser bewegte sich. Es war nicht nur ein Bewegen, sondern es war, als ob er sich in meine Richtung drehen würde. Ich sah keine Augen oder irgendetwas, was man als Kopf bezeichnen könnte, dennoch spürte ich, dass mich dieser Schleim direkt anschaute. Er zuckte und blubberte in seinem Gefäß, doch sein Gefängnis war mit einem schweren eisernen Deckel verschlossen. Auf einem Tisch lagen die Überreste eines Menschen. Er hatte ein großes Loch in seinem Schädel und seine Haut war bereits schwärzlich verfault. Irgendetwas hatte ihm sein Gehirn direkt durch den Kopf ausgesaugt. Wir fanden weitere Bücher, dieses Mal aber in der Schrift der Nachtzwerge verfasst. Eins beinhaltete eine Anleitung, wie man die Sphärenmaschinen bauen könnte. Doch es hatte offenbar nicht richtig funktioniert. Wir fanden auch das Gemach des Erzgrafen. Dieser hatte hier eine Sammlung von verschiedenen farbigen Flüssigkeiten in großen Gläsern, die das Licht von den Kristallen hier wie einen Regenbogen warfen. Auch waren überall weitere Bücher und Notizen verteilt. Halbohr fand eines besonders interessant. Es enthielt Anweisungen wie man Grausud herstellen konnte. Er meinte, er könnte die Rezeptur sogar noch verbessern. Das würde Neire bestimmt gefallen, war doch sein Vorrat bereits so gut wie aufgebraucht.

Lyrismar war dann wieder aufgetaucht und gerade dabei Halbohr die Neuigkeiten aus dem Tempel mitzuteilen. Ich hörte nur beiläufig zu. Irgendetwas besprachen sie über Neire und einige Einzelheiten gefielen Halbohr nicht. Wahrscheinlich war er einfach zu unzufrieden, weil Neire die Sachen nicht so langweilig werden lässt, wie er selbst. Ich konnte es kaum noch abwarten herauszufinden, was hinter dem Portal lag. Auf jeden Fall war es stabil und man konnte damit auch wieder zurückkehren. Zwar spürte ich eine Kälte davon ausgehen, aber nicht so kalt wie es in den Gletschern der Kristallnebelberge war. Nur einen Schritt müssten wir tun, mehr brauchte es nicht. Nach kurzer Beratung war es soweit. Wir murmelten alle ein Gebet an unsere Göttin und traten durch die seltsame Oberfläche in das Ungewisse.

Ein Schmerz durchzog mich. Mein Gesicht fühlte sich an, als ob jemand mir die Haut vom Schädel reißen würde. Alles bewegte sich falsch, während ich durch den Durchgang gezogen wurde. Ich blickte mich um und sah die verzerrte Gestalt von Lyrismar hinter mir. Er bewegte sich, aber viel schneller, als ob die Zeit für ihn gerafft wäre. Licht und Dunkelheit wechselten sich wie ein Gewitter in dunkler Nacht ab. Und es war kalt. Nicht einfach kalt wie ein Winter. Irgendetwas zog mir die eigene Wärme aus meiner Haut. Dann spürte ich festen Boden unter meinen Füßen. Alles drehte sich noch, doch langsam festigten sich die Konturen um mich herum. Ich spürte, dass meine Stiefel harten Boden berührten. Kein Stein, sondern Metall. Ich konnte einen Himmel erkennen, doch weder Sonne noch Mond und Sterne. Alles war grau, als ob der Horizont mit einer dicken und ewigen Wolkendecke verhangen wäre. Im Himmel konnte ich aber etwas erkennen. Ich dachte erst es wäre der Mond, aber das dort war eckig. Ein gigantischer Würfel bewegte sich dort und spiegelte das karge Licht. Wo waren wir hier? Was ist das für ein Ort wo im Himmel Würfel aus Metall flogen? Alles war aus Metall. Auf dem Boden lagen Reste von großen Metallstücken, die vielleicht von irgendeiner Maschine abgebrochen waren und schon vom Rost zerfressen wurden. Keinerlei Holz oder Stein, nirgendwo. Wir mussten auf einer Empore sein, denn die Oberfläche auf der wir standen hatte links und rechts und auch vor uns eine scharfe Kante hinter der nur der Abgrund war. Aber ich konnte vor uns etwas erkennen. Eine Öffnung oder vielleicht ein Loch mit den Konturen einer Treppe. Mir war unwohl an diesem Ort und meine Neugier war schon gestillt. Bargh und Lyrismar ging es nicht anders, nur Halbohr schien wie immer unbeeindruckt zu sein. Allerdings glaube ich nach wie vor, dass er uns das nur vorspielt und in Wahrheit seine Knie schlotterten vor Angst. Bargh murmelte: „Dies ist kein Ort unserer Göttin. Sie ist weit entfernt und ich kann sie kaum noch spüren“. Er hatte Recht. Sie war zwar immer noch da, diese freundliche Stimme in meinem Kopf. Aber nur ein Wispern, kaum zu verstehen.

Plötzlich krachte es neben uns. Metallsplitter flogen durch die Luft und prasselten vor uns nieder. Dort wo sie hinabkamen war plötzlich eine tiefe Mulde im Eisenboden entstanden. Ich schaute mich verwirrt um. Ich konnte nicht sehen, was dort passiert war und was dort eingeschlagen war. Und erst recht nicht von wo. Dann ein zweites Krachen und dieses Mal viel näher. Ein Splitter schoss mir durch meinen Arm und ich schrie auf. Für einen kurzen Moment konnte ich das Geschoss sehen. Eine große Kugel aus massivem Eisen flog offenbar direkt aus dem Himmel herunter. Es blieb keine Zeit nachzudenken. Wir rannten um unser Leben. Der Beschuss wurde immer stärker und immer treffsicher. Mit einem Donnern schlug eins nach dem anderen um uns herum ein und die Schrapnelle durchbohrten uns. Eins war so groß wie ein Speer und schlug Lyrismar durch die Brust. Ich rannte noch schneller, was auf dem Metallboden nicht einfach war. Mittlerweile liefen wir durch einen Regen von Metallschrapnellen. Ich musste den scharfen Kanten ausweichen, musste mich auf die Trümmer des Bodens konzentrieren. Ich blickte mich um zu Bargh. Er war nicht so schnell wie wir, aber ich konnte ihn nicht einfach zurücklassen. Doch dann faltete er schon seine Rabenschwingen auseinander und hob sich mit schweren Schlägen in die Lüfte. Wir hasteten schneller und noch schneller. Doch je schneller wir liefen desto mehr Geschosse prasselten auf uns nieder. Das rettende Loch kam immer näher doch noch nicht nah genug. Mein Herz raste und doch versuchte ich noch schneller zu laufen. Endlich war es da. Ohne nachzudenken sprang ich hinein. Alles war besser, als weiter hier zu bleiben.

Der Fall tief und schmerzhaft. Irgendetwas krachte in meinen Knien. Vielleicht hatte ich mir etwas gebrochen. Mir blieb für einen Augenblick die Luft aus den Lungen weg. Die Treppe, die ich gesehen hatte, ging am Rande dieses eckigen Schachtes entlang. Auch sie war aus Eisen und vom Rost halb zerfallen. Und auch sie war wie alles andere hier eckig, kantig und irgendwie anders. Nichts sah so aus als ob es natürlich gewachsen wäre. Nicht einmal der Boden. Wir zogen uns hastig in die Dunkelheit des schützenden Schachtes. Über uns krachten noch immer die Geschosse, doch sie wurden etwas weniger. Das Geräusch, der Metallklang, waren noch immer ohrenbetäubend. Halbohr vermutete, dass die Nachtzwerge uns schon erwartet hatten und uns mit Belagerungswaffen angegriffen hatten. Doch Lyrismar hatte viel mehr Erfahrung, was die Welten jenseits unserer Eigenen angeht. Für ihn waren diese Geschosse eher so etwas wie ein Gewitter. Statt Blitze und Regen hagelte es Brocken aus Metall – ein Sturm aus Eisen Da war ich mir nicht sicher was schlimmer wäre. Nachtzwerge, die selbst hier Fuß gefasst hätten oder ein Regen aus Schrapnellen. Ich wollte und konnte nicht darüber nachdenken. Nach dem Schock spürte ich den überwältigenden Schmerz. Blut strömte nicht nur aus meinem Körper. Bargh half mir die rostigen Geschosse aus meinem Fleisch zu ziehen. Ein Schrapnell hatte sich durch den Rücken meiner Hand gebohrt. Ich wollte schreien, doch ich biss die Zähne zusammen. Tränen liefen über meine Wangen hinab. Ich wollte nicht weinen, ich wollte nicht das Mädchen sein, das ich früher war. Halbohr war am übelsten mitgenommen von uns. Bargh beschäftigte sich eine längere Zeit mit ihm. Wir verbanden unsere Wunden und behandelten sie mit Heilkräutern. Vor unserer Ruhe beschwor Bargh seine die heilenden Mächte von Flamme und Düsternis und ich schöpfte ein wenig Hoffnung, als ich die vertraute Kraft spürte. Meine Wunden schlossen durch die Wundheilung meiner Herrin und meine Tränen versiegten.

Ich schlief zwar, aber es war alles andere als entspannend. Die scharfen Kanten des Eisens schnitten mir immer wieder in meine Haut. Es roch nach unserem Blut und nach Rost. Wie schön es doch wäre, noch einmal in einem weichen und bequemen Bett zu schlafen. Die Wärme einer wohligen Schankstube zu spüren. Mit Verbänden und dem Segen Jiarliraes kümmerten wir uns nach unserem Schlaf ein weiteres Mal um unsere Wunden. Bargh schien auch nicht so gut geschlafen zu haben, zumindest hatte er ein nachdenkliches Gesicht, als er aufwachte. Er hatte geträumt. Er sah Neire, wie er schon alt war. Ich fragte ihn, wie Neire mit grauen Haaren ausgesehen hätte, doch konnte er sich schon nicht mehr an alles erinnern. Aber er wusste noch, dass es Neire war, wie er in einer fernen Zukunft sein würde. Und mir war klar, dass dies ein Bild von Jiarlirae war. Sie zeigte Bargh, dass es Neire auch noch in der Zukunft geben würde; dass er leben würde. Und wenn er lebendig war, würde er sein Ziel auch erreicht haben, denn nicht einmal der Tod könnte ihn davon abhalten.

Wir brachen auf und folgten der Treppe eine Zeit in die Tiefe. Wir stießen auf einen Tunnel am Ende der Treppe. Der Tunnel war hier durch das Eisen getrieben und gewährte uns einen Ausweg. Aber ich hatte mich geirrt. Nicht alles hier war aus Eisen. An den Wänden des Tunnels wuchsen anfangs spärlich, später immer stärker, Pilze. Das erste lebendige, was es hier überhaupt gab. Man konnte sie sogar essen, auch wenn sie vermutlich furchtbar schmecken würden. Bargh fand auch Spuren. Es waren die Spuren der Kreaturen mit den Tentakelköpfen. Da waren aber auch andere Spuren. Größere Kreaturen, die den Abdrücken nach Krallen an den Füßen hatten. Wir folgten den Spuren und hörten schon bald ein Geräusch durch den Tunnel hallen. Es war wie ein Schnalzen einer Zunge. Es wiederholte sich unregelmäßig. Der Tunnel öffnete sich in eine größere Höhle. Hier war ein richtiger Wald von Pilzen, die teilweise mehrere Meter wuchsen. Und es führten weitere Tunnel hier heraus. Es sah aus wie Geflecht von Adern, durch ein eisernes Herz. An den Wänden war Rost hinabgelaufen. Wir folgten den Spuren weiter. Zu dem Schnalzen gesellten sich die Geräusche von Stimmen und auch Schreie dazu. Eine weitere Höhle öffnete sich, eigentlich sogar zwei. Die erste war recht klein und viereckig. In den Ecken waren vier große schwarze Opale eingelassen, die wie schwarze Augen auf die Mitte starrten. Dort stand ein Sockel mit einigen Hebeln, die aber verbogen und kaputt aussahen. Vor dem Sockel saßen vier muskulöse Kreaturen die mit weißen Augen diese Opale anstarrten. Die Schnalzgeräusche kamen von ihnen, ihre Kiefer bewegten sich leicht. Sie hatten eine dicke schuppige Haut und langes, gewelltes schwarzes Haar. Gekleidet in dreckigen Lumpen, sahen sie aus wie heruntergekommene Krieger, mit langen krummen Messern an ihrer Seite. Eine Vielzahl von Gegenständen lag vor dem Sockel, fast wie Opfergaben, für wen auch immer. Dahinter konnte ich leichten Feuerschein erkennen und die Umrisse einer viel größeren Höhle. In der riesigen Kaverne konnte ich sogar noch die Konturen von einfachen Hütten erkennen.

Halbohr und Lyrismar schlichen lautlos nach voran und postierten sich hinter den Kreaturen. Ich starrte ihnen gespannt nach. Zwar sah es so aus als ob die Kreaturen blind seien, aber sie konnten bestimmt etwas hören und vielleicht konnten sie ja doch sehen. Aber die beiden kamen unentdeckt an und hoben ihre Klingen. Gleichzeitig stachen sie ihre Waffen in die Hälse von zwei Kreaturen, die röchelnd zu Boden sanken. Die beiden anderen schreckten auf, doch Halbohr und Lyrismar waren schneller. Halbohr stach den Einhorndolch tief in das Herz der einen und die Klinge von Lyrismar zeigte ihre Sägezähne. Quer über den Bauch schnitt sie und die Stränge der Gedärme verfingen sich darin. Mit einem Ruck zog er sie einfach raus und die Eingeweide fielen flatschend und warm dampfend zu Boden.

Die größere Höhle lag vor uns. Die Spuren der Tentakelkreaturen führten dorthin und auch ein vielfaches Schnalzen war zu hören. Wo hatte uns Jiarlirae hingeführt?

Jenseher:
Die Gedärme der Kreatur stanken. Als Lyrismar sie mit seiner Sägeklinge herausriss, hatten sich vermutlich schon einige Fäkalien dort angesammelt. Ruhig starrten die schwarzen Opale der Wände auf die Leichen dieser muskelbepackten Kreaturen, deren dunkles Blut an ihrer geschuppten Haut herabrann. Die Augen von einer Gestalt waren noch weit geöffnet. Die vollständig weißen Augäpfel waren mir etwas unheimlich. Ich fragte mich die ganze Zeit, wie diese Kreaturen denn überhaupt überleben und sich verbreiten konnten, ohne irgendetwas zu sehen. Als ich sie betrachtete, fingen auch meine Augen wieder an zu brennen. Ich dachte es wären die kristallenen Linsen, die ich trug. Vielleicht vertrug ich sei nicht mehr. Doch als ich sie herausnehmen wollte, fühlte ich sie nicht mehr. Sie waren verschwunden. Noch immer konnte ich aber die Umrisse der warmen Körper meiner Mitstreiter erkennen, genauso klar wie die langsam kälter werdenden Körper der Leichen. Ich wusste, Jiarlirae hatte mich gesegnet. Um ihr besser dienen zu können, hatte sie mir die Gabe geschenkt zu sehen, ohne auf irgendwelche dummen Kristalle angewiesen zu sein.

Die größere Höhle vor uns schloss sich fast direkt zu dieser kleineren an. Ab und zu konnten wir das Schnalzen der Zungen hören, was diese Kreaturen von sich gaben. Hier und da brannte ein Feuer in einer schäbigen Hütte und warf die Schatten von verrammelten Fensterläden zu uns herüber. Ich glaubte auch zwischen dem Schnalzen irgendein Wimmern zu hören, fast wie das Gezeter kleiner Kinder. Halbohr und Lyrismar beschlossen die größere Höhle zu erkunden. Ich blieb bei Bargh. Der Krieger strahlte eine Ruhe und Stärke aus, die ich als sehr angenehm empfand. Vielleicht war es auch seine Klinge. Die Schatten, die beständig aus den dunklen Adern von Glrimringshert, bluteten besänftigten mich und versicherten mir, dass wir in Jiarliraes Sinne handelten. Als ich wieder zu der Höhle blickte konnte ich nur noch die letzten Umrisse von Lyrismar erkennen. Sein vollkommen verbranntes Gesicht ging beinahe im Dunkeln unter, nur seine violetten Augen stachen hier und da hervor. Wir hatten verabredet, dass wir ihnen etwas Abstand lassen und dann folgten sollten. Also wartete ich kurz und trat ebenfalls in die Höhle hinein. Der Gestank wurde stärker. Fäulnis, Fäkalien und einfacher Dreck bestimmten den Geruch hier. Die Hütten waren aus dem Holz der großen Pilze dieser Welt gefertigt und schmiegten sich fast an die Höhlenwand. Nur ein schmaler Abstand war hier, wo ich auch kurz die Gestalt von Halbohr auftauchen sah. Die widerlichen Kreaturen gaben sich nicht die Mühe ihre Notdurft weg zu schaffen. Sie ließen sie einfach hinter ihren Hütten ab. Für sie war das vielleicht kein Problem, für mich hieß es aber, wenn ich Halbohr und Lyrismar folgen wollte, an den Haufen vorbei, die direkt vor mir lagen. Ich konnte an den Spuren sehen, dass Halbohr dies wohl nichts ausmachte. Er lief einfach hindurch. Ich wollte aber nicht für Ewigkeiten den Gestank an mir haben. So wichtig war diese ganze Heimlichkeit auch wieder nicht. Ich nahm kurz Anlauf und sprang über den Haufen vor mir hinüber. Der Boden hier war auch wie die Wände und alles andere aus Metall, aber zum Glück vom Rost etwas angefressen, so dass ich recht weich landen konnte.

Zwischen den Hütten konnte ich einen Turm aufragen sehen. Der Gebilde war aus rostbraunem Eisen. Ich weiß nicht wie diese Kreaturen es geschafft hatten so etwas zu bauen, ohne Stein oder Holz. Aber vielleicht wachsen auf dieser Welt Gebäude aus Metall einfach aus dem Boden, wie anderswo Bäume. Der Turm ragte wie ein gerader Zylinder etliche Schritte in die Höhle und mindestens eine eiserne Leiter war an einer Seite festgemacht. Auf der glatten Spitze konnte ich auch zwei bewaffnete Gestalten sehen. Sie reckten ihre weißen Augen nach unten und gaben ihr Schnalzen wieder. Dann warteten sie einen Moment und drehten sich wieder um. Bargh und ich folgten Halbohr hinter einer weiteren Hütte entlang. Plötzlich krachte vor uns die Türe der Hütte auf und ein widerliches Etwas trat hervor. Man könnte es vielleicht als Frau bezeichnen. Aber eine hässlichere Frau habe ich bisher noch nicht gesehen. Sie kam völlig nackt heraus. Ihre fetten Brüste baumelten auf ihrem dicken Bauch herum. Speck hatte sich auch an ihrem Hinterteil und an ihren Oberschenkeln gesammelt. An ihrem Mund liefen noch die Reste einer braunen Suppe hinab. Dem Rülpsen nach, dass sie von sich gab, hatte es ihr wohl geschmeckt. Sie schnalzte kurz in die Dunkelheit und kam uns entgegen. Ihr Gesicht war knöchern, hässlich – schwarzes, wirres, dreckiges Haar rahmten einen breiten Mund mit angespitzten Zähnen sowie disproportionierte weiße Augen ein. Bargh packte mir auf die Schulter und wir beide standen im Schatten der Barackenwand wie Steinstatuen. Ich wagte es nicht einmal zu atmen, was sich als sehr gut herausstellte. Die Gestalt blickte blind mit ihren weißen Augen in unsere Richtung, sah aber nicht so aus als ob sie uns sehen würde. Dann hockte sie sich hin. Es war wie eine Folter. Mit lauten Geräuschen erledigte sie direkt vor uns ihr Geschäft. Rülpsend und spuckend genoss sie es richtig, während ich all meine Kraft sammelte um mich nicht direkt zu übergeben.

Für mich wirkte es wie eine Ewigkeit, dazu verdammt zu sein dieser Kreatur zuzuschauen. Irgendwann gab sie ein zufriedenes Schnalzen von sich, raffte sich auf und ging wieder in ihre Hütte. Man konnte kurz das Geschrei von Kindern von innen hören. Ich hielt immer noch die Luft an. Zwar war die direkte Gefahr vorbei, aber der Gestank war bestimmt furchtbar. Ich nahm kurz Anlauf um in einem weiten Bogen über den frischen Haufen zu springen. Aber ich hatte mir eine schlechte Stelle ausgesucht. Mit einem lauten Knirschen durchbrachen meine Stiefel eine morsche Stelle im Rost des Eisens. Fast augenblicklich blickten zwei weiße Augenpaare von dem Turm herab und ein Schnalzen von Zungen war zu hören. Die Kreaturen zeigten in meine Richtung. Ich drückte mich zwar in die Schatten, doch war es schon zu spät. Das Chaos brach los.

Halbohr reagierte sehr schnell und warf seine Dolche auf die Kreaturen auf dem Turn. Ein Dolch blieb im Hals des ersten Höhlenbewohners stecken. Als er röchelte tropfte ein Rinnsal von Blut dem Mundwinkel entlang. Neben uns krachte die Türe wieder auf. Dieses Mal war es aber kein weibliches Geschöpf, sondern eindeutig ein männliches. Auch dieses Exemplar war groß und muskulös, mit dicker, schuppiger Haut und langem, schwarzen Haar. Völlig nackt sprang er aus der Hütte heraus, gerade als Bargh und ich in Richtung des Turmes laufen wollten. Er hatte angespitzte Zähne im Maul, aus dem er auch das Schnalzen von sich gab. Sein Ohr hielt er dabei in unsere Richtung. Dann drehte er sich abrupt zu uns und gab ein hohes Zischen von sich. Damit rannte er auf uns zu, doch direkt in den Schwertarm von Bargh. Die Klinge des Antipaladins schnitt beinahe ohne Widerstand durch den Körper hindurch und sein schwerer fleischiger Leib klatschte wie ein nasser Sack zu Boden. Wir liefen weiter in Richtung des Turmes, zur senkrechten Leiter. Aus dem Augenwinkel konnte ich noch die weibliche Kreatur in der Hütte sehen. Aufgeregt schnalzte sie vor sich hin und hielt eine wimmernde Schar von verwahrlosten Sprösslingen hinter sich. Weitere Kreaturen tauchten am oberen Rand des Turmes auf. Einer hielt seine Klauenhand nach oben und drehte die Finger dabei ineinander. Fast zeitgleich flogen aus der offenen Hütte einige Splitter sowie Messer und Gabeln heraus und rasten auf Halbohr zu. Eine Gabel blieb in Halbohrs Hals stecken. Er verzog das Gesicht, als er sich gerade dran machte die Leitern, die auf den Turm führten, hoch zu klettern. Lyrismar war etwas schneller. Auf einer anderen Seite flog er fast die Leiter hoch und schlug mit seinem Schwert auf die verbliebenen Kreaturen. Dem ersten Wesen schnitt er quer über den Brustkorb. Es torkelte und fiel dann mit einem lauten Platschen und Knacken von Fett und Knochen auf den Metallboden vor mir. Der Turm war frei, also rannten wir. So schnell ich konnte zog ich mich die Sprossen der Leiter hoch.

Von hier oben hatte ich einen guten Ausblick. In der Mitte des Turms konnte man die Umrisse einer runden Luke erkennen die wohl in den Turm hinein führte. Doch ich erkannte keinen Öffnungsmechanismus. Ich wandte meinen Blick wieder hastig dem Geschehen zu. Die Höhle verzweigte sich noch etwas und weitere Hütten waren zu sehen. Sie brachten fortwährend Kreaturen hervor, die aussahen, als ob sie gerade aus dem Schlaf gerissen wurden. Ein Schwall von Schnalzgeräuschen erfüllte jetzt die Höhle, während blinde Augen in alle Richtungen starrten. Jetzt war ich mir sicher, dass diese Kreaturen tatsächlich blind waren und diese Geräusche nutzten, um ihre Umgebung auszumachen. Nur drei Leitern führten zu dem Turm hoch. Es wäre Selbstmord, wenn sie versuchen würden hier hinauf zu stürmen. Doch was sie vielleicht an Intelligenz hatten, wurde von einem brennenden Hass, einer Gier nach Fleisch überstrahlt. Sie sammelten sich kampfbereit an den Leitern. Einer nach dem andern kletterte die Sprossen empor und wurde von Halbohr und Lyrismar bereits erwartet. Krachend fiel eine Kreatur nach der anderen nach unten. Ich wollte gar nicht so lange warten. Auf meiner Seite kletterten bereits drei die Leiter nach oben und unten sammelten sich noch viel mehr. Jiarlirae schenkte mir einen Strahl schneidender brüllender Schatten der durch die Kreaturen fuhr. Der Lärm war für sie noch schmerzhafter als das Aufplatzen ihrer Körper. Sie mussten ein sehr feines Gehör haben. Das Metall der Leiter löste sich von dem Strahl. Die wenigen die sich noch an ihr klammerten wurden mitsamt der Leiter hinab gerissen. Unten türmten sich die Leichen. Einige versuchten unserer habhaft zu werden, indem sie weitere Gegenstände aus den Hütten mit ihrer Gedankenkraft auf uns schleuderten. Doch auch das konnte sie nicht mehr retten.

Etwas tiefer in der Höhle sah ich Bewegungen. Ein großer Trupp der Kreaturen hatte sich gesammelt und marschierte auf unseren Turm zu. An der Spitze stolzierte ein besonders großes Exemplar dieser fremden Rasse. Fast so groß wie Bargh war er und trug einen glänzenden und fast durchsichtigen Feldharnisch. Das Metall sah aus als ob es auch aus Ne’ilurum gefertigt wurde. Wie es auch immer hier an diesen Ort gelangen konnte. In seiner Rechten ragte eine schwarze Schlachtenaxt auf und in seiner linken trug er einen Schild, dessen Oberfläche so glattpoliert war, dass man sich darin spiegeln konnte. Hinter dem offensichtlichen Anführer gingen drei weitere Krieger mit dicken stählernen Plattenpanzern und dahinter schließlich eine Vielzahl weiterer Kreaturen. Wie ein Rudel von wilden Tieren scharten sie sich um ihren Anführer und kamen mit wankenden Schritten auf uns zu. Und dieses Schnalzen! Hatte ich mich zuerst gefürchtet, machte es mich jetzt wahnsinnig. Es hallte von den Wänden der Höhle hin und her.

Der Anführer war wohl ein etwas klügerer Vertreter seiner Art. Zumindest konnte er reden, wenn auch sehr grob. Von unten schallte seine Stimme zu uns herauf: „Freunde! Gäste! Wieso diese Gewalt? Kommt runter von unserem Turm. Ihr eingeladen zu Festmahl! Legt Schwerter nieder, schließt euch uns an!“ Ich war mir nicht sicher ob die Kreatur wirklich dachte, wir würden uns darauf einlassen. Keine noch so dummes Wesen würde einfach so einen Fremden einladen, der gerade noch etliche seiner Gefährten niedergeschlachtet hatte. Er musste doch die Berge der Leichen sehen. Ich rief zurück: „Kommt ihr doch zu uns herauf! Wir haben hier schon ein Festmahl für euch vorbereitet, das euch sicher schmecken wird!“ Tatsächlich folgten sie meiner Einladung und der Anführer und seine drei Begleiter kletterten die Leiter hoch. Schnalzend und in die Leere starrend standen sie uns gegenüber. „Ihr seid meine Gäste in Grumelrönslag, ich Feringoth Gruum, ich Anführer.“ Die Kreaturen stanken. Es war mir, als ob Ausdünstungen direkt aus ihrem Fleisch entweichten, was ich dem Anführer direkt sagte. Ich hatte einmal gehört, dass es ein Zeichen von Höflichkeit ist, wenn man ehrlich wäre. Feringoth Gruum ließ sich aber nicht aus der Ruhe bringen. „Fleisch ist gut von der Jagd, von Würfeln aus Metall. Menschen gut, Zwerge gut, Elfen sehr gut! Elfenfleisch, jaaa…“ Er grinste dabei Halbohr an. Aber keiner von uns war besonders begierig die Gastfreundschaft in Anspruch zu nehmen. Bargh brachte es auf den Punkt: „Wir sind nur zufällig hier. Wir wollen hier durch.“ Der Krieger Jiarliraes trat auf die Luke in der Mitte des Turms. Der Anführer verzog das Gesicht: „Nein… nein, Öffnung nur von innen.“ Er wurde sichtlich nervös und zeigte auf mich: „Ihr seht schwach aus, ihr müsst essen.“ Ich trat einen Schritt nach vorne und zeigt nach unten: „Ihr meint ich sei schwach? Fragt doch die dort unten wie schwach ich bin!“ Damit war das Gerede beendet. Feringoth hielt seinen spiegelnden Schild hoch: „Mädchen hat wenig Fleisch, aber sehr schmackhaft. Verhandlung beendet, jetzt kommen Waffen.“ Ich sah mich dort selbst, aber als ob er den Spiegel absichtlich so hielt, war ich dort viel kleiner. Ich sah wirklich aus wie ein kleines Mädchen, dass ich aber wirklich nicht bin. Dieses Geschöpf lachte mich aus dabei, als er den Schild in meine Richtung hielt. War es überhaupt ein Lachen? Es sah zumindest für mich so aus. Ich spürte die Wut in mir hochkochen und brodeln. Ich wollte ihn hier und jetzt mit meinen Händen erwürgen und ihm die Zähne ausschlagen. Doch kurz bevor meine Wut explodierte, konnte ich mich etwas beruhigen. Es wäre töricht jetzt einfach auf ihn zuzustürzen. Er sollte brennen. Er lachte auch nicht mehr und mein Spiegelbild in seinem Schild war wieder größer geworden. Wieder schenkte mir Jiarlirae als Strafe für die Kreaturen die Lanze der Schatten und sie brachte die Knochen der Kreaturen zum Brechen. Bei einer platzten die Augen und vermutlich auch das Herz. Sie stürzte rücklings vom Turm hinab.

Der Anführer war kein Gegner für Bargh. Glimringshert entzündete sich und schnitt durch sein Fleisch. Halbohr und Lyrismar kümmerten sich um die drei anderen. Plötzlich krachte die Klappe im Boden auf und eine Kreatur schwebte dort nach oben. Es war eine weitere dieser Kreaturen mit Tentakelköpfen, doch dieser hatte sogar noch mehr Tentakel aus dem Maul. Sie war auch etwas größer und hatte dunklere violette Haut unter der Schicht aus Schleim. Auf ihrem kahlen Schädel trug sie einen Schmuck aus Dreiecken, Kreisen und Quadraten. Lyrismar reagierte sehr schnell. Er wendete sich zu der Kreatur und rammte seine Klinge in das Fleisch. Die Tentakel zuckten, doch kein Schrei von Schmerzen. Sie holte aus ihrer schwarzen Robe ein kleines silbernes Glöckchen hervor. Lyrismar strauchelte kurz, doch er fing sich wieder und öffnete mit schnellen Schnitten der Gestalt den Bauch auf. Erst taumelte sie dann fiel sie die offene Luke hinunter. Über die beiden äußeren metallenen Leitern strömten wieder weitere Kreaturen nach oben, die sich sogleich in meine Klinge des Chaos stürzten. Aus den Hütten drangen Schreie und zwischen den Fensterläden konnte man hier und dort ein Gesicht auftauchen sehen. Einer nach dem anderen kletterte in sein Verderben und nach einiger Zeit wurde es wieder ruhig. Kein Schnalzen mehr und am Fuß des Turmes hatte sich ein Haufen von Leichen gesammelt.

Die Luke offenbarte einen tiefen Schacht an dessen Seite eine Leiter herabführte. Von unten drang faulige Luft nach oben. Entfernte Geräusche von Lachen, Lallen und Weinen waren zu hören, wie von schwachsinnigen Kindern. Vorsichtig kletterten wie die Sprossen runter und Bargh zog die Luke über uns wieder zu. Auch hier war alles aus Metall und jedes Geräusch wurde wieder und wieder hin und her geworfen durch das Eisen. Der Schacht verbreiterte sich und führte an mehreren Etagen vorbei, die ringsum einen Rundgang mit kleinen Zellen enthielten. Dort hauste eine Vielzahl von Kreaturen. Nicht nur Nachtzwerge, sondern auch Menschen und Elfen, aber keine älter als vielleicht 14 Winter. Einige spielten mit kleinen Metallsplittern und ließen sie vor ihren Gesichtern einfach schweben. Dümmlich grinsten sie dabei. Eine Kreatur, offenbar ein Elfenkind, machte das gleiche mit einem Haufen Kot und lachte dabei in Richtung Halbohr. Vielleicht hatte Halbohr ja tatsächlich einen neuen Freund gefunden. Die Kreaturen griffen auch mit ihren unsichtbaren Kräften nach uns. Ich spürte wie etwas an meinen Haaren zog und an meiner Robe zerrte. Wir kletterten weiter nach unten und kamen schließlich am Boden des Schachtes an. Der Körper der Tentakel Kreatur war den ganzen Schacht heruntergefallen und der zerschmetterte Körper lag neben einer weiteren Luke. Hier war nicht nur ein Rad, sondern direkt vier Räder. Zudem waren die Räder hier auf der uns zugewendeten Seite. Halbohr schaute sich die Konstruktion genau an. Man musste jedes Rad in eine bestimme Richtung drehen, sonst würde irgendetwas schlechtes passieren. Ich blickte mich um und sah im Rost des Metalls die verdeckten Umrisse von mehreren Türen. Das gehörte wohl auch zu dem Schlechten was passieren würde. Aber Halbohr und Lyrismar waren sich sicher, welches Rad man wohin drehen musste. Tapfer meldete sich Bargh freiwillig und Halbohr erklärte ihm jeden einzelnen Schritt. Dann kletterten wir die Leiter wieder rauf während Bargh unten vorsichtig das erste Rad bewegte. Ratternd bewegte sich das Metall und bei jedem neuen Rad was er berührte, hielt ich jedes Mal neu die Luft an. Doch es passierte nichts Schlechtes. Stattdessen gab es nur ein lauteres Klacken. Quietschend zog Bargh die verrostete Luke auf und ein weiterer Schacht führte uns weiter in die Tiefe dieser Welt aus Eisen und Stahl.

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