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[AD&D 2.5E] Von Feuer und Düsternis – Erzählungen aus Euborea

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Jenseher:
Das debile Lachen und Weinen der Kinder über uns erstarb mit einem Mal, als Bargh die Luke über uns wieder schloss. Der kurze Schacht führte uns in einen neuen Tunnel. Um uns herum roch es nach rostigem Eisen. Trotzdem sah es so aus als ob der Tunnel natürlich gewachsen wäre, wie es auch immer möglich war, dass etwas aus Metall natürlich entsteht. Überall in unserem Schacht waren kleine Löcher, die ihrerseits wieder in kleine Tunnel führten. Wenn nicht das klingende Geräusch von unseren Stiefeln auf den Metallboden gewesen wäre, hätte man meinen können, man ginge durch einen wurmzerfressenden Apfel.

Unser Tunnel endete nach einer Weile an einem Becken mit trübem Wasser. Ein leichter Schimmer kalten, grün-gelblichen Lichtes war im Wasser zu sehen, vielleicht von irgendwelchen Algen oder Pflanzen. Pilze hatten sich dank des Wassers hier angesiedelt und sich auf den rostigen Stellen des Eisens festgesetzt. Der Rost war hier ohnehin sehr stark. Überall glitzerte es von Nässe und an den Wänden waren braune Farbtöne hinabgelaufen. Irgendetwas war auch im Wasser. Ab und zu konnte ich dort kleine Tiere sehen, zuckend wie schnelle Schatten. Vielleicht irgendeine Art von Fischen? Halbohr beugte sich vorsichtig über die Kante und tauchte die Spitze seines Dolches in das trübe Nass. Der Elf hatte wohl wirklich Angst vor dem Wasser. Ich war versucht ihm einen kleinen Schubs zu geben, vielleicht würde er dann auch besser riechen. Aber dann erhob er sich auch wieder. An der Spitze der Klinge lag ein kleiner Tropfen denn er sich betrachtete. Bargh war etwas mutiger. Der große Krieger beugte sich hinab und selbst das schwache Licht fürchtete ihn und berührte ihn kaum. Er benetzte einen Finger und berührte es mit seiner gespaltenen Zunge. Leicht verzog er das Gesicht. Es schmeckte salzig. Doch er erinnerte sich an Erzählungen, dass wohl Alchemisten in seiner Stadt Fürstenbad solche Flüssigkeiten benutzten um Brandwunden zu heilen. Ich glaubte, es waren eher Ammenmärchen, denn so wie er es erzählte wurde man dort komplett hinein getaucht und man konnte trotzdem atmen, als ob man ein Fisch wäre. Ich wollte ihn danach genauer fragen, doch als er von Fürstenbad erzählte, verfinsterte sich seine Miene. Wahrscheinlich wäre es besser es dabei zu belassen. Er hörte offenbar wieder die Stimme Jiarliraes. Und ihr Wille war es dem Wasser zu folgen. Ich konnte nichts dergleichen hören. Hatte sie mich wieder verlassen? Nein, das konnte nicht sein, ich hatte sie nicht enttäuscht. Oder vielleicht doch? Hätte ich ihr noch besser dienen können? Ich wusste es einfach nicht.

Unser Weg war klar, und wir baten unsere Herrin um den Segen, dass wir uns in der glitschigen Flüssigkeit besser bewegen konnten. Lyrismar war der erste der in das Wasser eintauchte. Einige wenige Blasen zerplatzten noch an der Oberfläche, dann war von dem Krieger des Abgrundes nichts mehr zu sehen. Halbohr folgte als nächstes, danach ich. Das Wasser fühlte sich seltsam auf meiner Haut an. Aber Bargh hatte recht. Ich hielt die Luft an und hatte keinerlei Probleme immer weiter die Luft in mir zu behalten. Langsam atmete ich aus und ließ ich mich nach unten sinken. Ich sah zurück, wo Bargh als letzter kommen sollte. Doch es war merkwürdig. Der Herold Jiarliraes bewegte sich mit rasanter Geschwindigkeit. So schnell, dass ich kaum die Konturen des großen Kriegers erkennen konnte. Erst als er ins Wasser sprang bewegte er sich wieder normal. Aber vielleicht haben mir meine Augen in diesem Wasser einen Streich gespielt. Sie juckten immer noch dort, wo die Linsen sich in meine Augen verwachsen hatten. Bargh breitete seine dunklen Rabenschwingen aus und schwamm mit seinen kräftigen Armen durch das Wasser. Er sah aus wie ein Drache, geboren aus Schatten.

So schwammen wir durch die Dunkelheit. Hier und da wuchsen weitere jener Pflanzen, die ihr gelbliches kaltes Licht verströmten. Sie waren aber nur sehr selten. Die kleinen Fische wurden dagegen immer mehr. Sie zuckten von uns weg, wenn wir in ihre Nähe kamen. Es waren auch keine richtigen Fische, eher so etwas wie Kaulquappen mit vier Flossen an der Hinterseite mit denen sie sich wegstießen. Der Tunnel durch den wir schwammen ging manchmal in die Tiefe, manchmal waagerecht nach vorne. Und ich sah wieder, wie die Bewegungen des Letzten unglaublich und unnatürlich schnell abliefen. Erst als derjenige wieder näherkam, wurde es normal. Aber wenn jemand von uns vor schwamm sah es so aus als ob er sich nur noch mit quälender Langsamkeit vorwärtsbewegte. Je tiefer wir schwammen, desto mehr schien die Zeit selbst auseinander zu laufen. Wer weiß wie lange wir in Wirklichkeit schon hier drin waren. Vielleicht würden Tage oder Wochen vergehen, bis wir wo auch immer herauskommen würden.

Nach einiger Zeit sahen wir auch die ersten schwarzen Tentakel durch die eiserne Wand wachsen und auch tauchten an einigen Stellen Aussparungen im Tunnel auf. Dort waren kleine Kammern die mit einem Wulst von Tentakeln verschlossen waren, wie Gitterstäbe. In den Kammern schwebten in der Flüssigkeit weitere Kinder. Sie schienen zu schlafen. Einige knirschten dabei mit den Zähnen und ihre aufgedunsenen debilen Köpfe zuckten leicht. Vermutlich träumten sie irgendetwas in ihren zurückgebliebenen Gedanken. Die Kaulquappen waren hier schon etwas größer und es wurden immer mehr. Wir sahen richtige Schwärme, die vor unseren Bewegungen in das gelb-grüne Zwielicht flüchteten. Nach einer langgezogenen Kurve tauchte eine Kreatur vor uns auf. Es war eine weitere dieser Tentakel-Kreaturen. Die weißen Augen standen offen, doch sie blickten ins Leere. Drei große schwarze Tentakel, die aus der Wand kamen, wuchsen direkt in die Gestalt hinein und verschwanden dort in ihrem Körper. Der Brustkorb unter der dunklen Robe hob und senkte sich langsam und ruhig. Wir alle blieben erstarrt stehen, doch die Kreatur rührte sich nicht. Halbohr bewegte sich langsam nach vorne. Beinahe in Zeitlupe setzte er einen Schritt nach dem anderen, immer darauf bedacht in dem Wasser keine Wellen oder Strömungen zu verursachen, die uns verraten könnten. Und es funktioniert. Keine Unachtsamkeit, wie zuletzt ein übersehenes Spielzeug. Als er auf der anderen Seite der Kreatur ankam, machten wir es ihm nach. Einer nach dem anderen schwammen wir an der Kreatur vorbei. Ihr Atem beschleunigte sich nicht. Vielleicht war sie ja doch schon längst tot und nur die Tentakel hielten sie noch gerade so am Leben.

Die Tentakel wucherten immer stärker, je tiefer wir kamen. Lange folgten wir den Gängen; ich kann gar nicht sagen wie lange. Hinter einer Ecke öffnete sich plötzlich eine große Kammer. Aus dem Metall hatte irgendjemand eine Höhle erschaffen, die wie zwei aufeinander liegende Pyramiden aussah. Auch hier wuchsen Tentakel, aber sie waren eher rötlich. Und sie wucherten auch nicht ziellos, sondern sammelten sich an drei Stellen, teils über uns, teils unter uns. Die Wucherungen wuchsen über eiserne Pulte. Auch waren hier wieder die Kugeln aus Obsidian in den Ecken. Alles wirkte falsch, nichts passte wirklich zusammen. Als ich genauer hinschaute, bemerkte ich, dass über jedem dieser drei Gebilde eine Art Scheibe lag. Wobei es nicht wirklich eine Scheibe war, sondern eher eine metallene Platte, die die Innenseite von einem Gesicht hatte. Alles triefte von Schleim, aber in dem Schleim konnte ich auch noch Runen erkennen. Alte, sehr alte Runen. In einem der Bücher die wir gefunden hatten, waren die Formen einmal erwähnt gewesen. Sie stammten von einer uralten Rasse, die dort die Steuermänner oder die Steuernden genannt wurde. Anscheinend war es eine Rasse, die fremde Welten auf Schiffen bereist hatten, die durch den Himmel und das was dahinter lag fuhren. Der Autor des Buches hatte sogar gemutmaßt, dass die Schrift jener Rasse vielleicht die elfische Schrift begründet hatte, vielleicht sogar die elfische Rasse selbst. Wir schwammen zu einem der kopfartigen Tentakelkonstrukte und aus der Nähe konnte ich die Runen entziffern. Die erste trug den Titel: „Gesicht des Streiters“. Das zweite Gesicht hieß: „Gesicht des Wirkenden der schwarzen Künste“ und das dritte lautete: „Gesicht des Verborgenen“. Es war bestimmt kein Zufall, dass diese Gesichter genau unsere Künste zeigten. Der Streiter war der Krieger Bargh, der Verborgene war der heimliche Halbohr und die Wirkende der Künste war ich selbst. Und tatsächlich, als ich mir die Konturen anschaute sah ich das große, schlanke und junge Gesicht von Bargh und das halb verunstaltete Gesicht von Halbohr. Jemand erwartete uns. Und ich konnte die Stimme von Jiarlirae wieder hören. Sie sprach wieder zu mir, also wusste sie, dass ich ihr mit allem diene was ich zu bieten habe, vielleicht sogar noch mehr. Sie sagte uns, dass wir unsere Gesichter in die Schalen legen mussten, aber wir mussten es alle gleichzeitig tun. Also ging jeder von uns zu seinem Gesicht. Nur Lyrismar hatte keines. Aber es schien ihn nicht zu beunruhigen. Ruhig und gelassen schwebte er in der Mitte dieser Halle im Wasser. Er wachte dort mit gezogenen Schwertern. Halbohr zählte mit seinen Fingern herunter und als der letzte Finger sich senkte legte ich mein Gesicht auf das kalte und schleimige Metall.

Zuerst passierte gar nichts, doch dann begann die Welt um mich herum zu verschwimmen. Ich raste plötzlich durch ein dunkles Nichts. Dann tauchten helle Punkte auf die immer näher kamen. Sie wurden größer und es waren keine Punkte, sondern eine Sonne und dann noch eine. Ein ganzer Haufen von verschiedenen Sonnen die sich zu einer gigantischen Scheibe zusammen taten. Doch auch an dieser raste ich vorbei in die Leere dazwischen, wo keine Sonne mehr schien. Es war ruhig, doch ich spürte in meinem Kopf, dass jemand auf uns wartete und es um Leben und Tod ging. Es war mein Schicksal und das des Unbekannten. Dieser Jemand wusste, dass wir kommen, doch wir wurden vor eine Wahl gestellt: Ich konnte entweder den Ort meiner Begegnung wählen oder in welcher Umgebung diese Begegnung stattfinden würde. Ich wusste, dass der Unbekannte auch eine Wahl hatte. In meinem Kopf musste ich für einen Moment überlegen, was es für Auswirkungen haben könnte. Doch dann entschied ich mich. Die Begegnung sollte auf meiner Welt stattfinden, in Euborea. Dort wusste ich, dass meine Herrin mir nah war, dort kannte ich mich aus. Ich entschied mich und plötzlich stand ich in einer steinernen Kerkerhalle. Es roch nach Fäkalien und ich konnte Ratten quietschen hören. Einige Pechfackeln flackerten im unruhigen Licht. Dort waren zwei gewaltige eiserne, verschlossene Türen. Und ich war nicht allein. In der Ecke gegenüber stand eine monströse Gestalt. Bestimmt fünf Schritt groß mit gewaltigen Fleischmassen, die wie Buckel aus dem Rücken wuchsen. Schwarzes ausgefranstes Haar fiel von einem missratenen Kopf hinab. In der rechten Hand trug er eine riesige rötlich glühende Schlachtenaxt und ein übergroßes Schwert mit einem bläulichen Schimmer in der Linken. Hass war in seinen Augen und brüllend stürmte er auf mich zu. Doch ich besann mich auf meine Künste. Es brannten Fackeln, das bedeutete die Kreatur brauchte Licht um zu sehen. Dieses Licht würde ich ihr nehmen. Ich beschwor die Schatten, die Jiarlirae innewohnen und sie schluckten das Licht der Fackeln. Durch ihr Geschenk konnte ich immer noch sehen und erkennen, dass diese Kreatur im Dunkeln herumstocherte. Mit der geweihten Klinge sprang ich zur Seite und der Chaos-Stahl senkte sich mit unglaublicher Geschwindigkeit in das Fleisch. Die Axt sauste auf mich herab, doch traf nur den Boden. Das Schwert schwang zur Seite. Ich war zu langsam und die Klinge rammte tief in meine Schulter. Ich schrie auf, doch machte mich das nur noch wütender. Immer wieder glühten die Chaos-Runen auf meinem Säbel auf und fanden ihr Ziel. Blut tränkte sie dabei. Mein Atem keuchte. Doch dann geriet die Kreatur ins Wanken und fiel auf ein Knie. Das war meine Gelegenheit. Dieses Opfer würde ich ihr widmen. Die Klinge fuhr nach vorne und durchbohrte die Kehle der Kreatur. Doch das sollte noch nicht ihr Ende sein. Ich konnte sehen und spüren wie die Seele dieser Kreatur in einem rötlichen Nebel das Fleisch verließ. Die Energie kribbelte auf meiner Haut. Ich wollte sie haben, sie sollte mir gehören. Also zog ich sie in mich. Das was noch von der Kreatur übrig war schrie vor Pein, doch das machte meinen Genuss nur noch größer. Eine gewaltige Kraft wohnte dieser inne und ich wollte noch mehr. Meine Haut begann zu glühen und ich spürte ein Ziehen. Doch ich wollte noch viel mehr. Meine Haut begann zu platzen und ein Leuchten war dort, anstelle von Blut. Es schmerzte je mehr ich nahm. Erst im letzten Moment, bevor mich die Energien zu zerreißen drohten, ließ ich davon ab und es wurde wieder dunkel um mich herum.

Erst später erfuhr ich von den anderen, welche Herausforderungen sie erwartet hatten. Halbohr erschien auf einem Feld mit großen Runensteinen. Er hatte auch Euborea als Ort gewählt und das silberne Mondlicht tauchte die großen Obelisken in lange, düstere Schatten. Ein Feigling eines Dunkelelfs lauerte ihm von oberhalb einer dieser Steine auf und sprang auf ihm herab. Eine scharfe Klinge zuckte in Richtung seines Herzens, doch die Robe die er trug, rette ihm das Leben. Anstelle Halbohr traf dieser Dunkelelf nur die Luft, als die Gestalt Halbohrs plötzlich wenige Schritte neben ihm erschien. Halbohr erzählte von dem verschlagenen vernarbten Gesicht und von dem Degen, dessen Stahl wie Perlmutt schimmerte. Halbohr wollte seinerseits mit dem Dolch aus dem Tempel des Jensehers, Eugorn, der Gestalt die Kehle aufschlitzen, doch der verdammte Dunkelelf bewegte einen Ring an seiner Hand und war verschwunden. Der Gegner war nicht weit, denn er hatte sich nur auf eine weitere Stehle bewegt. Dort stieß er wieder den Degen nach Halbohr und dieses Mal traf er. Es musste ein Kampf auf Leben und Tod gewesen sein, doch Halbohr gewann irgendwann die Oberhand. Sein Einhorndolch fand den Weg in das Herz der Gestalt und diese röchelte seinen letzten Atemzug aus. Und auch aus dieser sprudelte die Energie seiner Seele. Ich weiß nicht ob Halbohr dieser Versuchung widerstand, aber so wie ich ihn kenne war er sehr vorsichtig und hat viel der Macht einfach verpuffen lassen.

Barghs Herausforderer war eine engelsgleiche Gestalt die jedoch vom Hass übermannt war. Der gefallene Engel und der Antipaladin trafen sich an gegenüberliegenden Enden einer großen Nebelschlucht. Barghs Gegner hatte wohl angenommen, er wäre ein leichtes  Opfer, doch er hatte ihn bei weitem unterschätzt. Barghs Rabenflügel trugen ihn über die Schlucht und die Macht seiner Klinge beschützte ihn vor der Magie der Gestalt. Noch im Flug fuhr sie nach vorne. Der Engel hatte auch eine Klinge aus durchsichtigem Stahl und wollte sie heben um Barghs Angriff zu parieren. Das war töricht. Der Krieger schlug der Gestalt das Schwert zur Seite und Grimlingshert schnitt durch den Schwertarm und trennte ihm vom Körper ab. Ein gewaltiger Schwall von Blut ergoss sich über Bargh und der Gegner des Antipaladins hauchte seine Seelenenergie aus, an der sich der Sieger labte.

Jenseher:
Vorsichtig öffnete ich meine Augen. Ich wusste zwar wo ich war, denn ich spürte wieder das schleimige Nass um mich herum und schmeckte das Salz des Wassers. Ich hatte Angst als ich mir vorstellte, was in der Zeit um uns herum passiert wäre. Ich schwamm wieder in der großen pyramidenförmigen Halle. Ich blickte mich um und sah auch die anderen, wie sie ihre Köpfe von den Tentakel-überwucherten Masken nahmen. Die rötlichen Tentakel hatten wohl ihren Zweck erfüllt. Sie verloren ihre fleischige Farbe und wurden grau und mürbe. Wie totes Gewebe zogen sie sich zurück von den Maskenpulten sowie den Wänden dieser Halle. Ich blickte in die Gesichter der anderen. Deutlich sah ich bei Bargh wie er es genoss, die Seelenenergie seines Gegners in sich aufgenommen zu haben. Das vernarbte, haarlose aber junge Gesicht strahlte neue Kraft aus. Halbohr schien wie immer nachdenklich zu sein. Vermutlich konnte er das Geschenk, was er mit der Hilfe Jiarliraes erhalten hatte, nicht richtig würdigen, vielleicht auch nicht richtig verstehen. Wir trafen uns bei Lyrismar, der uns mit seien violetten Augen fragend anblickte. Bei Bargh war es offensichtlich, dass er seine Schwimmbewegungen mit noch nie gesehenem Geschick ausführte. Auch mich blickte Lyrismar fragend und auch etwas überrascht an. Ich verstand nicht direkt warum, bis ich an mir herunterblickte. Ich fühlte mich stärker und sah auch etwas kräftiger aus. Aber wir alle konnten die Stimme unserer Herrin jetzt lauter hören. Sie war nähergekommen. Und sie hieß uns weiter zu gehen. Die Tentakel an den Wänden dieser Kammer hatten sich zurückgezogen und gaben einen kleineren Tunnel frei, der durch das Metall führte und auf einen größeren Kreisgang schloss. Und schon nach wenigen Metern sahen wir einen kleineren Einschnitt. Er endete an fleischigen Hautlappen, die eine Art Türe bildeten. Die Lappen aus rötlichem Muskelfleisch erinnerten mich an das Innere eines überdimensionalen Herzens. In einem Herz gab es auch solche Klappen, die immer wieder kleine Mengen Blut in das Innere des Herzens lassen. Ich hatte es in einer der alten Schriften in der Irrlingsspitze gelesen. Vielleicht war es hier ähnlich, nur, dass das Herz im Inneren einer Welt aus Eisen schlug.

Wir näherten uns dieser Klappe. Um uns herum huschten weiter die Schwärme der Kaulquappen die inzwischen mehr als faustgroß waren. Ich beobachtete eines dieser Geschöpfe und als sie kurz vor einer Klappe schwamm, sah es so aus als ob sie dort regungslos verharrte. Nur beim genaueren Hinsehen konnte man das ganz langsame Schlagen von vier Flossen am Ende sehen. Also spielte auch hier weiter die Zeit ihre Spielchen mit uns, nur noch schlimmer als vorher. Wer weiß wie viel Zeit für Neire im Tempel des Jensehers vergehen würde. Als Halbohr kurz vor der Klappe ankam, schnappte das fleischige Portal mit einem hässlichen Flatschen auseinander. Dahinter öffnete sich ein riesiger Raum. Die Wände waren, zumindest das was wir sehen konnten, komplett mit rosigem Fleisch überzogen. Fleisch, das in einem rosa Schimmer glühte. Das Licht verlor sich jedoch schon bald in der trüben Flüssigkeit. Und wir spürten alle einen Sog der uns in die Mitte zog. Es war als ob wir fallen würden, aber nichts schien richtig, nicht einmal was oben oder unten war. Wir fielen in die Mitte hinein. Anfangs versuchten wir dagegen anzuschwimmen. Als Halbohr versuchte sich an der fleischigen Haut festzuhalten, hörten wir alle eine Stimme in unserem Kopf, die uns als Fremdkörper bezeichnete. Wir sollten uns entfernen sonst würden wir sterben. Die Stimme hatte keine rohe Wut inne, sondern war kalt und berechnend. Wir schwammen am Rand dieser Höhle entlang, immer wieder gegen den Sog ankämpfend. Die ganze Höhle war wie eine riesige Kugel gebaut und wir waren in ihrem Innern. Aber es war schwer die Orientierung zu behalten. Keiner von uns wusste mehr wo oben oder unten war, geschweige denn wo wir hereingekommen waren. Irgendwann ließen wir uns einfach treiben und kamen schließlich in der Mitte dieser Kugel an. Schwerelos schwebten wir in der Flüssigkeit. Ich konnte Jiarlirae deutlich hören und sie sagte mir, dass wir hier auf jeden Fall richtig wären. Aber hier war nichts. Halbohr schwamm aufs gerade wohl in eine Richtung, aber auch er fand nichts weiter. Der beste Einfall kam von Bargh. Wir sollten beten und uns wieder besinnen. Also schloss ich die Augen und genoss die Nähe von Jiarlirae.

Nach einiger Zeit schreckte ich hoch als eine weitere Stimme in meinem Kopf zu hören war, leise aber bestimmt: „Eingedrungen seid ihr in unserem Zuhause. Ergreift jetzt die Möglichkeit und flieht. Es wird euch nichts geschehen.“ Bargh sah verwirrt aus und fragte, warum es uns nicht einfach tötete, wenn es könnte. Warum redete es nur mit uns. Wahrscheinlich waren es nur leere Drohungen und es konnte uns nicht töten. Vielleicht hatte es auch Angst, dass dieses Zuhause, wie die Stimme es nannte, dieses Herz, dabei beschädigt würde. Aber die Stimme hörte uns offenbar zu und antwortete: „Oh, glaubt uns, wir können euch töten und wir werden euch töten, wenn ihr nicht flieht.“ Diese Drohungen waren mir zuwider. Wer viel redet, kann nicht angreifen und erst recht nicht töten. Sollen sie doch herkommen und es versuchen! Die Antwort auf meine Gedanken kam fast augenblicklich. Im Wasser hörten wir ein Flatschen und wir wussten dass jemand durch die fleischigen Lappen kam. Schnell baten wir Jiarlirae um ihren Segen, denn kurz darauf sahen wir die ersten Kreaturen auftauchen. Es waren furchterregende Kreaturen der Hölle. Insektenkörper größer als ein Mensch mit dämonenartigen Köpfen. Rötlich glühende Facettenaugen starrten uns an und einige hielten in ihren dünnen Gliedmaßen gekrümmte Schwerter aus einem roten Stahl. Dahinter schwammen mit mechanischen Bewegungen komplette Rüstungen. Sie erinnerten mich an die belebten Rüstungen aus Urrungfaust, aber im Gegensatz zu den Panzern von Glammringsfaust hatten sie an ihren Helmen Aussparungen. Dort waren metallisch geformte schwarze Tentakel, die dort herauswuchsen. Als letztes folgten weitere der Kreaturen mit Tentakelköpfen, jedoch waren sie größer und sechs Tentakel wuchsen dort, wo eigentlich ein Mund sein sollte. Aus allen Richtungen versuchten sie uns zu umzingeln, doch Bargh ließ ihnen keine Zeit. Mit einem kräftigen Zug schwamm er den ersten Insektendämonen entgegen und schwang sein Schwert Glimringshert. Wir alle folgten Bargh und spürten die Aura der Klinge die uns umgab. Und es war gut so, denn einer der Dämonen erschuf eine Kugel aus glitzernden violetten Blitzen um uns herum, die das Wasser in ätzende Säure verwandelte. Doch die Macht Jiarliraes, gebündelt im Stahl, nahm die fremde Magie in sich auf und vernichtete sie. Rücken an Rücken ließen wir die Kreaturen zu uns kommen. Wir alle rammten unseren Stahl in die Leiber hinein. Mein Chaos-geweihter Säbel schnitt der ersten einfach die Kehle durch, auf dass schwarzes Blut sich mit der Flüssigkeit mischte. Barghs Schwert glühte als sich die Schatten entzündeten. Aus dem Wasser stiegen Blasen auf als die Hitze der Flammen es zum Verdampfen brachte. Ein Teil der Rüstungen folgte und griff uns ebenfalls an, doch die anderen Rüstungen hielten sich auf Abstand. Dann hörten wir aus dieser Richtung ein ohrenbetäubendes Kreischen von tausenden debilen Kindern, die ihre Qual herausbrüllten. Es kam direkt aus den Rüstungen und betäubte unseren Geist. Doch mit der Macht der Gebete Jiarliraes konnten wir uns wehren, bis auf Lyrismar. Ein kleiner Moment des Zweifels und des Zögerns wurde ihm zum Verhängnis. Einige Blutstropfen drangen aus seinen Ohren und seine Augen verdrehten sich. Seine Arme und Beine zuckten und er konnte nichts anders mehr machen als sich wieder in die Mitte der gewaltigen Fleischsphäre treiben lassen. Die Rüstungen folgten jetzt den anderen in den Kampf.

Die Schlacht tobte ohne Lyrismar weiter. Die Klingen der Insektendämonen und Rüstungen zuckten nach vorne. Ein Speer eines Insekts durchbohrte meine Schulter, dafür spaltete ich seinen Kopf. Ein Morgenstern einer Rüstung drückte mir meine Rippen ein, dafür durchbohrte ich seine Brust. Als meine Klinge durch den Stahl drang, hörte ich wieder das schmerzhafte Seufzen der Kinderseelen die dort gefangen waren. Ich sah auch, dass auf der Innenseite eine Schicht aus Fleisch auf dem Stahl gewachsen war. Darunter war die lebende Rüstung jedoch hohl. Die Tentakel-Kreaturen hielten sich immer noch im Hintergrund und beobachteten den Kampf mit ihren weißen Augen. Immer mehr der Rüstungen und Insekten fielen und ihre toten Körper schwebten dem Mittelpunkt entgegen. Bargh nutzte die Lücke und flog fast auf die Tentakel-Kreaturen zu, die uns jetzt in einem großen Kreis umringten. Seine Klinge spaltete der ersten den Schädel, doch die anderen sandten wieder diese Welle von Energie auf uns, um unseren Verstand zu zerstören. Und jetzt fühlte es sich tatsächlich so an, als ob unser Verstand nicht nur eingefroren werden sollte, sondern völlig vernichtet würde. Wir würden wie diese debilen Kinder enden, vielleicht sogar noch schlimmer. Doch unser Geist war stärker und die Welle prallte an uns ab. Ich und Halbohr folgten Bargh und einer nach dem andern fiel unseren Klingen zum Opfer. Nur noch einer war übrig. Das Wesen musste erkannt haben, dass es uns nicht besiegen kann. Der Körper fing an silbrig zu schimmern und löste sich in kleine silberne Blitze auf.

Die Leichen der Kreaturen und die reglosen Rüstungen sammelten sich alle in der Mitte. Das Blut bildete eine durchsichtige rötliche Kugel als es ebenfalls von der Schwerkraft angezogen wurde. Halbohr schwamm wieder in eine Richtung bis zum Rand der Sphäre und er wurde er fündig. Er fand eine weitere Türe aus fleischigen Hautlappen, doch hier waren sie viel dicker und mit schwarzen Adern durchzogen. Wir folgten und Barghs Wut wurde entfesselt. Er hieb einfach mit Glimringshert auf die Haut des Portals. Als der Stahl das Fleisch berührte entlud sich eine Welle von Magie von der gesamten Wand der Sphäre. Gleißende Blitze schlugen in alle Richtungen, doch die Macht des Schwertes konnten sie nicht überwinden. Wie in einem eigenen Kampf siegte die Macht der Klinge und vernichtete die Entladungen. Wieder hörten wir die Stimme von Jiarlirae. Wie eine Mutter sprach sie zu uns und riet uns vorbereitet zu sein. Ein weiteres Mal erbaten wir ihren Segen und keinen Moment zu früh. Aus dem Wasser sahen wir abermals eine Formation von Rüstungen und den Tentakel-Kreaturen auf uns zu schweben. Als letztes war jedoch eine andere Gestalt zu sehen. Sie war größer als Lyrismar und schlank. Sie trug schwarze Roben mit rötlich glühenden Schriftzeichen. Man sah nur die Hände und den Kopf der Gestalt, doch das was man sah, war nur verfaultes schwarzes und totes Fleisch. Faulige dunkle Tentakel wuchsen auch aus dem Kiefer. Die Augen waren nicht mehr da, stattdessen konnte man die Knochen des Schädels in den leeren Augenhöhlen sehen und ein rötliches Glühen daraus. Die Gestalt erhob ihren Finger und zeigte auf mich. In meinen Ohren hörte sich die donnernde Stimme wie sie nur das Wort „Stirb!“ herausstieß. Dieses Wort war so mächtig, dass für einen Moment mein Herz drohte stehen zu bleiben. Doch die Seelenenergie des Riesen hatte mich stärker gemacht und mein Herz schlug kräftig weiter.

Bargh schwamm den Rüstungen entgegen und zerschlug mit einem mächtigen Hieb die Brustpartie. Doch er hielt sich nicht weiter damit auf. Wie in einem Rausch schwamm er an den anderen einfach vorbei, der untoten Kreatur entgegen. Die Rüstungen und auch die anderen Tentakel-Kreaturen hieben nach Bargh doch trafen sie nur das leere Wasser. Er war jetzt etwas weiter weg und ich konnte wegen dem trüben Wasser nicht so gut sehen. Aber ich meinte, dass Bargh kurz seine Augen schloss als er seine Klinge zum Schlag erhob. Und ich wusste was er vorhatte. Der Herold gab sich vollständig Jiarlirae hin. Die Schwertherrscherin sollte seine Klinge führen und ihre Macht sollte direkt durch den Stahl geleitet werden. Die Klinge glühte vor Hitze fast weiß und seine Flügel breiteten sich aus, als die Klinge auf die Kreatur fiel. Das tote Fleisch fing an zu kochen als der erste Schlag in sie eindrang. Ein weiterer und noch einer prasselten auf sie hinein. Der letzte drang durch den Kiefer. Der Schwert war so stark geschlagen, dass durch die Wucht und mit einem Knacken die obere Kopfhälfte über dem Oberkiefer abgerissen wurde. Eine Welle von Energie drang in dem Moment durch die Sphäre und wir konnten alle einen furchtbaren Schrei hören der sich immer weiter entfernte bis er nur noch ein leises Echo war. Das Licht aus den Augenhöhlen verblasste und verschwand und die Fleischhaut der Wände begann zu nekrotisieren. Nicht nur auf der Kreatur, sondern auch das Fleisch, was die Sphäre auskleidete wurde dunkel. Einige Adern platzten und das Fleisch wurde spröde. Brocken begannen sich zu lösen und wurden von dem Wasser hinfortgespült. Weitere Adern platzten auf und Reste von Blut sickerten heraus bis auch sie schwarz wurden. Alles um uns herum starb. Die letzten Kreaturen waren ihres Meisters beraubt und fielen einer nach dem anderen unseren Klingen zum Opfer. Nur wir lebten noch, Jiarlirae sei Dank!

Nachdem wieder etwas Ruhe einkehrte, verstanden wir auch die Sphäre. Gänge mit fleischigen Pforten zweigten zu allen Kardinalpunkten ab, auch nach oben und unten - wobei diese Begriffe inzwischen in den Hintergrund traten. Wir durchsuchten die Räume und eine Halle in der die toten Überreste eines gewaltigen Gehirns schwammen. Überall in dem Raum waren Stücke verteilt. Es sah aus als ob es geplatzt wäre, als Bargh der Kreatur den Schädel abschlug. Jetzt labten sich die Kaulquappen an den Resten. Weitere Zellen waren rings um die Sphäre angeordnet, wo eine Vielzahl der debilen Kinder in ihrem Wahn vegetierten. Und eine Kammer war dort, wo eine magische Barriere das Wasser daran hinderte einzudringen. Triefend traten wir seit langer Zeit das erste Mal wieder ins Trockene und fanden die Schätze der untoten Kreatur. Gold, Silber, Juwelen und auch Wissen, das, wer weiß wie lange, hier gehortet wurde. In den Schriften waren die Versuche aufgezeichnet. Der Herr des Hauses war Ghuur’Bhaal’Barnas, ein unsterblicher Meister der schwarzen Künste. Er wollte anscheinend eine Perversion erschaffen. Eine Verbindung der Geister der Tentakel-Kreaturen, mit den der schwachsinnigen Kinder im lebenden Metall der Rüstungen, die vielleicht sogar irgendwann das Metall dieser ganzen Welt korrumpieren sollte. Es sollte der Triumph der Rasse der Illithiden werden. Es hatte auch bereits in den Rüstungen funktioniert, wo die Geister von schwachsinnigen Kindern mit denen der Gedankenschinder in ewiger Qual verbunden wurden. An diesem Ort wollte er eine Unmenge an diametral entgegengesetzten Geistern – schwachsinnig-debil und genial – in einem gewaltigen Würfel aus schwarzem Metall zu einer neuen Lebensform ausbrüten. Der Würfel war die Welt in der wir uns befanden und wurde in den Schriften als Araphyx bezeichnet. Welche Macht hätten sie wohl erlangt, wäre der gesamte Würfel, der in den Schriften auch als hyperdimensionale Rüstung bezeichnet wurde, zu einem lebenden Wesen geworden. Es wäre eine gottgleiche Entität gewesen, das lebendige Araphyx, in dessen getötetem Herz wir jetzt standen. Jetzt war es nur noch totes Metall. Wir hatten gesiegt über Araphyx und Jiarlirae sei gepriesen!

Jenseher:
Triefend von dem salzigen Nass der Unterwasserhöhlen bahnten wir uns unseren Weg wieder zurück auf die metallene Oberfläche. Es musste wirklich einiges an Zeit vergangen sein. Als wir an den Zellen vorbeikamen, waren einige der dort eingesperrten Kinder nur noch abgemagerte Überreste. Wer weiß schon, wann hier das letzte Mal jemand vorbei kam um sie zu füttern. Erst recht, wo wir den Anführer der Gedankenschinder - so wurden sie in den Büchern genannt - getötet hatten. Auch das Dorf der primitiven, blinden Kreaturen sah nicht besser aus. Auch hier hatten wir ihren Anführer getötet. Die Zeit hatte dazu geführt, dass Chaos ausbrach. Chaos um die Lücke der Macht, die wir geschlagen haben. So huschten wir durch Höhlen und Tunnel und kamen unbehelligt wieder auf die Oberfläche. Hier erwartete uns der milchige, sonnenlose Himmel und die Einöde aus scharfkantigem, rostigem Metall. Im Himmel konnte ich deutlich das Aufblitzen eines der riesigen Würfel sehen. Das Himmelsobjekt schien näher gekommen zu sein. Wer weiß ob der Würfel irgendwann hier einschlagen würde. Bis jetzt waren auch keine Schrapnelle zu sehen oder zu hören, dennoch nahm ich die Beine in die Hand und rannte zum Portal was, der Göttin sei Dank, auch noch aktiv war.

Wieder war da dieses Ziehen, wieder das Gefühl an einer Sonne nach der anderen vorbei zu rasen. Einige dieser Reisen hatte ich nun schon gemacht, aber ich werde mich wohl nie daran gewöhnen. Mir wurde leicht übel und ich schloss die Augen, obwohl im Flug zwischen den Welten ohnehin nichts zu erkennen war. Irgendwann ließ das Ziehen nach und ich roch die abgestandene Luft von Mauern und totem Fleisch. Ein Schritt und ich spürte Boden unter meinen Füssen. Ich hätte nie gedacht, dass ich den Duft von Stein mal so vermissen würde. Ich brauchte einige Momente um mich wieder zu sammeln, doch dann erkannte ich den Raum des alten Altars wieder. Die Leichen die das Portal auf dieser Seite gebildet hatten waren schon bis zu Unkenntlichkeit verwest, ebenso wie die Körper der Gedankenschinder. Ich suchte die Leiche des Abtes. Jemand musste hier gewesen sein, denn es fehlte jede Spur. Auch der Ausgang aus dem Altarraum blieb uns verwehrt. Irgendjemand hatte in unserer Abwesenheit die Halle komplett zugemauert. Nicht einmal ein Staubkorn konnte die steinerne Mauer vor uns durchdringen. Bargh war bereits vor mir durch das Portal geschritten und sah sich zu mir um. Ich konnte mein Gesicht in seinem spiegelnden Schild sehen und erschrak kurz. Völlig verdreckt war ich. Ein Bad, ich musste unbedingt ein langes Bad nehmen um den ganzen Dreck und Unrat dieser Gedankenschinder von mir zu waschen. Er untersuchte gerade den Boden und fand auch Spuren, die aber schon mehr als ein Jahr alt waren. Seitdem waren wir die ersten die diesen Raum wieder betraten.

Hier kamen wir nicht weiter und Bargh fragte Lyrismar ob er uns durch Magie wieder zu dem König bringen könnte. Schließlich hatten wir einen Vertrag, wie Halbohr mehr als nur einmal betonte. Lyrismar schrak auf, als wenn er mit seinen Gedanken gerade völlig woanders wäre. Er hatte auf dem Weg mehrere Male wieder seinen glühenden Ölstab auf seiner Brust gedrückt und offenbar war er in seinem Geiste immer noch nicht wieder völlig klar. Aber er war sich sicher, dass er für einen Zauberspruch konzentriert genug war. Wir fassten uns an den Händen und wieder wurde mir etwas schwindelig, aber es war bei weitem nicht so schlimm und nur ganz kurz. Ein Zucken durchfuhr meine Haut dann wurde es wieder hell. Wir befanden uns wieder in dem pompösen Gemach des Königs von Urrungfaust. Er saß dort auf seinem Thron, aus Basalt und mit funkelnden Edelsteinen verziert. Doch seine Gestalt wirkte noch älter und viel gebrechlicher als bei unserem letzten Treffen. Die dicken Augenringe und rote Nase sagten mir, dass er sich lieber dem Suff hingegeben hatte, als zu regieren. Dennoch hatte er immer noch eine Spur von vergangener Pracht und Kraft. Und seine Hand lag wie immer auf dem Griff der glitzernden Kriegspicke, die das Blut von unzähligen Dunkelelfen hatte schmecken durfte. Offenbar hatte er uns noch nicht bemerkt und redete gerade mit einer anderen Duergar Frau. Umringt wurde er von seinen Grauwegur Rittern. Von den Leibwächtern des Königs schreckte einer kurz zusammen, als er uns dann doch erblickte und sie erhoben ihre Waffen. Der König kniff seine geröteten Augen zusammen und dann kam auch bei ihm die Erkenntnis und Erinnerung. „Meister Halbohr?! Ihr wagt es euch nach fast vier Jahren einfach so und ohne Ankündigung in meinen Palast zu stehlen?“ Dann grinste er in seinem faltigen Gesicht und fing an zu lachen: „Kommt näher und erzählt. Ich dachte, ihr würdet nie wieder zurückkommen.“ Seine Ritter beruhigten sich und die Duergar Frau schickte er fort.

Wir erzählten ihm die Geschichte unserer Reise, angefangen von unserem Sturm auf den Tempel, den Geheimnisse, die sich in den Tiefen abgespielt hatten und schließlich die Welt aus Metall und die Gedankenschinder im Hintergrund. Der König hörte zu, sah aber verwundert aus. Er prahlte damit, dass seine Rasse besonders gut darin wäre den Geist zu verschließen und dass gerade die Priester der Laduguer für ihren unbrechbaren Verstand bekannt seien. Offenbar nicht für die Gedankenschinder. Aber das Gerede fing an mich zu ermüden und ich erinnerte den König an unsere versprochene Belohnung. Ich wunderte mich, dass Halbohr nicht auch etwas sagte, schließlich gehörte das zu seinem Vertrag dazu. Der König grinste wieder und erhob sich langsam von seinem Thron. Auf der Rückseite drückte er auf irgendwelche Schalter und der gesamte Thron bewegte sich zur Seite. Eine Treppe wurde sichtbar, auf die der König, begleitet von seinen Rittern, herab schritt. Wir folgten ihnen in die Tiefe und kamen in einen alten Tunnel. Staub lag auf dem Boden. Der König bemerkte, dass es wohl lange her war, seit ein Nicht-Duergar hier unten war. Wahrscheinlich wären wir auch die ersten überhaupt. Ab und zu flogen glühende Funken von Asche durch die Luft, was merkwürdig war, denn hier brannte kein Feuer. Die Luft war heiß und die Wände des Tunnels waren gesäumt von den steinernen Bildnissen alter Könige. Einen erkannte ich wieder, es war einer seiner Vorfahren, Norbin von Werunstein der im Krieg gegen die Dunkelelfen gekämpft hatte, aber dort auch fiel. Ich sprach den König darauf an und er setzte wieder sein Grinsen auf: „Ihr kennt euch gut aus mit den Königen und unserer alten Geschichte. Dann solltet ihr doch auch wissen, dass niemand, der diese heiligen Hallen betritt, sie auch wieder verlässt.“

Sofort fühlte ich mein Herz schneller schlagen, doch keiner von uns hatte Zeit zu reagieren. Krachend fiel hinter uns eine Wand aus purem Ne’ilurum herunter und versperrte den Rückweg. Der König lachte laut auf und zog sich seinen Helm über den Schädel. Die Grauwegur Ritter wandten sich um und richteten ihre Waffen auf uns. Verträge, pah! Das hat man davon, wenn man sich an Verträge hält. Der Krieger Bargh zog seine Schattenklinge Glimringshert und stürzte sich auf den ersten Grauwegur Ritter. Als die Klinge aus der Scheide befreit wurde, fühlten wir die Dunkelheit um uns herum, wie sie uns beschützte. Auch ich und Halbohr zogen unsere Waffen. Mit der Chaosklinge schnitt ich in Windeseile einem der Ritter ins Fleisch. Seine Rüstung konnte den Stahl aus dem Abgrund nicht aufhalten. Ich sah das Blut, doch die Ritter waren zäh. Kein Schrei, nicht einmal ein Stöhnen drang unter der Rüstung hervor. Bargh hieb ebenfalls auf die Gestalt ein. Als die Schatten seines Schwertes sich in gleißendem Feuer entzündeten konnte er doch dem Ritter einen wunderschönen Schmerzensschrei entlocken und er fiel zu Boden. Das Lachen des Königs erstarb. Lyrismar war noch etwas weiter hinten und beschwor gleißende Blitze die durch die Ritter und auch durch den König fuhren. Die Grauwegurritter trotzten der Macht und duckten sich hinter ihre Schilde, um nicht verbrannt zu werden. Diesen Moment nutzten wir und griffen weiter an.

Der König polterte vor Wut. Dann konnte ich ein Knacken hören und sah, wie sich seine Knochen und sein ganzer Körper aufblähte und wuchs. Mehrere Schritte groß, blickte er auf uns herab und schwang seine Picke. Die Spitze des Rabenschnabels traf Bargh tief in die Brust und der große Krieger torkelte zurück. Auch die Grauwegur Ritter wurden vom König angestachelt und gingen in den Angriff über. Tief schnitten sich Äxte, Speere und Streitkolben in unser Fleisch. Auch mich griffen sie an, doch ich spürte den Schmerz kaum, so groß war der Hass. Dann aber beschwor Lyrismar eine Lanze von Schattenenergien auf den König. Das brachte Bargh die Sekunden um sich zu berappeln und sein Schwert nach vorne zu stoßen. Der letzte Grauwegur Ritter fiel durch den Dolch von Halbohr und Bargh stieß Glimringshert in den Kiefer des Königs. Der Stahl drang durch Knochen und Gehirn und die Spitze platzte durch den Schädel wieder nach außen. Kein Lachen war mehr zu hören, der König sank zitternd zu Boden und wurde wieder zu dem alten gebrechlichen Elend. Doch sollte es noch nicht unser Sieg sein. Wir wollten uns gerade um unsere Wunden kümmern, da tauchte am Ende des Tunnels etwas Leuchtendes auf. Glühende gewaltige Augen einer riesigen Kreatur konnte ich kurz sehen und mit einem Mal explodierte alles um uns herum in einem Meer von Flammen. Die Flammen verzehrten die Toten und die Lebenden; den König, seine Ritter und auch uns. Der Schmerz der mich durchfuhr ist nicht mit Worten zu beschreiben. Ich konnte zusehen wie meine Haut sich von meinem Körper ablöste, wie die Muskeln darunter anfingen zu kochen. Ich konnte mein eigenes verbranntes Fleisch riechen und für einen ganz kurzen Moment konnte ich darin sogar etwas Faszinierendes erkennen. Dann wurde es schwarz um mich herum und ich muss wohl bewusstlos zu Boden gefallen sein.

Als ich wieder erwachte, hörte ich wie durch einen Schleier die Schreie der anderen. Ich spürte irgendeine Flüssigkeit, die mir jemand einflößte. Ich fühlte, wie sich meine Wunden schlossen. Meine Augen öffneten sich. Vor mir sah ich Bargh. Flammen wüteten um uns herum, der gesamte Gang brannte in einem gleißenden Feuer. Doch um Bargh hatte sich eine Insel gebildet, in der die Flammen nicht eindrangen. Schützend hielt er das heilige Schwert Glimringshert vor sich, als er sich wieder erhob. Die Schatten, die aus den Adern der schwarzen Klinge quollen, schienen die Sphäre des Schutzes anzureichern. Ich ahnte, dass mir die Klinge des heiligen Ritter Jialiraes das Leben gerettet hatte. Ich zog mich an ihm hoch und langsam torkelte ich, Bargh folgend, dem Ende des Tunnels entgegen. Als ich aus der Flammenwand hervorkam, versuche ich mich davonzustehlen. Ich konnte mich kaum bewegen. Ich schaute mich nicht um. Dann explodierte ein weiteres Mal die Luft um mich herum. Gerade geschlossene Haut platzte wieder auf, doch der größte Teil der Woge konnte die Macht von Bargh und von Jiarlirae nicht durchdringen. Der Tunnel hatte sich in eine große Höhle geöffnet in deren Mitte ein gigantischer Haufen von Schätzen lag. Unmengen von Münzen, Geschmeide, Edelsteinen, Schwertern und anderen Reichtümern waren hier aufgetürmt. Und über allem thronte die gigantische Gestalt einer drachenähnlichen Kreatur. Sie hatte keine Flügel, aber das machte sie nicht weniger furchterregend. Das Maul in dem langen Schädel war fast so groß wie ein Haus. Lange Zähne wie scharfe Säbel ragten daraus empor. Die rötlichen Schuppen brachen das Licht der Feuersbrunst. Mehr noch, die Kreatur selbst strahlte einen rötlichen Glanz aus. Als ob ihre Schuppen wie Kohlen glühen würden. Sie erhob sich und ich sah auf der Brust einen großen schwarzen Fleck, in dem das Fleisch verwest aussah wie ein großes Geschwür. Da erkannte ich die Kreatur. Es war der Feuerlindwurm Thiangjord, jene legendäre Kreatur, die im Kampf mit dem Dunkelelfen den Duergar den Sieg einbrachte. Angelockt von den Reichtümern, die ihm versprochen wurden, verließ er sein altes Heim im Höllenkessel und zog in das Reich unter den Reichen. Hier saß der Lindwurm nun über den gesammelten Schätzen aus jahrhundertelanger Zeit von Krieg und Steuern. Die Dunkelelfen hatten nur einen Schlag gegen ihn vorbringen können und die Magie des Abgrundes, die in diesem Streich gebannt wurde, brachte der Kreatur die schwarze Narbe aus ständig wucherndem Gewebe. Ich zitterte immer noch, war kaum imstande mich richtig zu bewegen, geschweige denn der Kreatur zu trotzen. Mit letzten Kräften schleppte ich mich in eine Ecke und kauerte mich nieder. Die anderen stellten sich der Kreatur und Dolch und Schwert drangen zwischen den Schuppen ins Fleisch. Doch die Kreatur schien nicht beeindruckt zu sein und lange tobte der Kampf. Lyrismar beschwor magische Geschosse. Seine Magie zerplatzte einfach wie Wassertropfen auf der Gestalt. Der Lindwurm griff immer wieder an und brachte den Streitern Jiarliraes grauenvolle Wunden. Dann schloss sich das Gebiss um Halbohr und ich konnte seine Schreie hören. Doch Bargh nutzte den Moment aus und Glimringshert fand die schwarze Stelle am Bauch. Ob die Kreatur hier wirklich verwundbarer war, würden wir wohl nie erfahren, jedoch schrie sie. Ein weiteres Mal ließ sie Feuer regnen doch verstand sie immer noch nicht, dass wir mit Jiarlirae im Bunde waren. Und das Licht des Feuers warf lange Schatten, anders geht es gar nicht. So auch hier. Glimringshert schluckte die Flammen und Bargh setzte zum erneuten Schlag ein. Er hatte sich die Stelle gemerkt. Wieder und wieder stieß er auf die faule Stelle und beim dritten Schlag fand die Klinge im Herzen der Kreatur ihr Ziel. Thiangjord brüllte ohrenbetäubend und wandte sich. Sein schlangenhafter Körper bäumte sich noch einmal auf und fiel dann berstend auf seine Schätze. Ein Regen von schwarzem Blut kam auf uns hernieder. Und als ob es sein letzter Atemzug sei, hörten wir in unserem Kopf die Stimme die sprach: „Ich bin Thiangjord! Mein Name hat in der Ewigkeit einen Klang, Meister Halbohr. Ihr seid ein Nichts und werdet alsbald vergessen werden.“ Dann kam die Ruhe, denn die Wand der Flammen im Tunnel hinter uns fiel plötzlich in sich zusammen.

Wir leckten unsere Wunden und kümmerten uns um das goldene Vermächtnis des Lindwurms. Doch waren damit weitere Probleme entstanden. Bargh sprach es aus: „Wir haben nicht viel Zeit. Es wird schon bald auffallen, dass ihr König nicht mehr da ist.“ So wurde ein Plan gesponnen wie auch die mächtige Stadt Urrungfaust Jiarlirae zu Diensten sein konnte, ohne dass die Stadt es erfahren würde. Daera Düsterung wurde auserkoren den Platz des Königs einzunehmen. Offenbar besaß sie die Fähigkeiten dies zu tun. Es würde nicht für lange sein. Der König war ohnehin alt und hätte nicht mehr lange zu leben gehabt. Er hatte einen Sohn. Daera würde ihn sich angucken, ob er geeignet wäre als König eingesetzt zu werden. Wenn nicht...Nun, in jeder Geschichte um Könige gibt es Streitereien um die Nachfolge in denen die Nachkommen des alten Königs nicht selten dem Tode geweiht sind. Lyrismar sprach wieder die arkanen Formeln und verschwand in Richtung des Tempels des Jensehers. Er wollte keine Zeit verlieren und schon kurz danach kam er zurück. Nicht alleine, mit dabei waren die bezaubernd aussehende Daera Düsterung, der Edelmann Mordin von Norisfyring und noch jemand, dessen Erscheinen ich nicht erwartet hatte und mich deswegen umso mehr freute. Neire hatte Lyrismar begleitet. Das Wiedersehen war herrlich. Neire schien uns vermisst zu haben in den Jahren, auch wenn er keinen einzigen Tag älter aussah. Neire hatte immer noch das güldene lockige Haar eines Jünglings und sein Gesicht wirkte auf mich anziehender als jemals zuvor. Ich glaube selbst Halbohr freute sich über das Wiedersehen, obwohl der Griesgram dies nicht zeigte.

So tauschten wir die Geschichten aus, die uns widerfahren waren. Neire erzählte uns von den Geschehnissen im Tempel des Jensehers, die nicht weniger interessant als unsere eigenen Erfahrungen waren.

Jenseher:
Die Geschichten von Neire mussten leider noch etwas warten, denn wir hatten wirklich ein Problem. Wir waren immer noch in der großen Halle unter dem Thronsaal und wussten nicht was mit Urrungfaust passieren sollte. Die anderen hatten schon angefangen die Berge von Schätzen zu verstauen. Es stank grauenvoll nach verbranntem Fleisch. Das Fleisch des Königs und seiner Ritter. Aber auch nach meinem Fleisch. Der Trank der Heilung hatte zwar in Windeseile die Wunden wieder geschlossen, dennoch zuckte mein ganzer Körper zusammen bei der Erinnerung. Halbohr schien auch nicht ganz er selbst zu sein. Er hockte auf dem Boden und spielte mit einigen Münzen. Tauschte sie aus, stapelte sie und entfernte einige. Vielleicht war es aber auch kein Spiel. Vielleicht versuchte er einen viel zu komplizierten Plan auszuarbeiten, wie es nun mal seine Art ist. Und der gehäutete Leib des kolossalen Lindwurms schien alles aus seinen toten Augen zu beobachten.

Jetzt galt es unser Problem zu lösen. Der König war nur noch ein verbranntes Etwas, doch wir brauchten einen König. Wir konnten uns nicht durch die ganze Stadt Urrungfaust kämpfen. Doch genau das würde passieren, wenn wir ohne den König wieder auftauchen würden. Die Lösung unseres Problems sollte Daera Düsterung sein. Die wunderschöne Dame mit ihren schwarzen Tätowierungen, die auf ihrer milchig weißen Haut im starken Kontrast hervorstachen, hatte die Fähigkeiten dazu. Offenbar konnte sie nicht nur den Geist von anderen beherrschen, wie auch Neire, sondern sie verstand es auch ihre Gestalt zu ändern. Sie hätte am liebsten die Frau gespielt die wir kurz im Thronraum gesehen hatten, doch half uns dies nicht bei dem Problem mit dem König. Schließlich, nach zeitraubenden und langweiligen Diskussionen, stand der Plan. Daera würde die Gestalt des Königs Granryks annehmen. Fehlten noch die Grauwegur Ritter. Wenn einer der Ritter fehlen würde, würde dies sicherlich nicht besonders auffallen. Doch wenn alle fehlten, würden sich unangenehme Fragen anschließen. Also schafften wir einige Orks aus dem Tempel des Jensehers heran. Und dann wurde ich mit in das Versteckspiel einbezogen. Ich hatte eine Idee und niemand sollte die schweinsähnlichen Kreaturen für etwas anderes als stolze Grauwegur Ritter halten. Ich half nach und mit der Hilfe der Herrin ließ ich ihre Knochen, Haut und Haare zu denen der Duergar werden. Zusätzlich brach Neire mit seinen Augen des Jensehers ihren Geist. Sie sollten nicht nur so aussehen wie Nachtzwerge, sondern sie sollten alles vergessen was sie vielleicht vorher gewesen waren. Einige widerstanden wie durch ein Wunder. Sie wurden getötet und entsorgt. Wir konnten es uns nicht erlauben, dass eine geistige Stärke in diesen Kreaturen heranwuchs. Andere konnten die Schmerzen, die die Umwandlung ihnen bereitete, nicht aushalten. Sie verwandelten sich in verkrümmte Abscheulichkeiten. Irgendetwas zwischen Ork und Duergar, bevor ihr Herz den Qualen nicht mehr standhalten konnte. Irgendwann hatten wir genug, um sie in die Rüstungen zu stecken. Einer fehlte jedoch immer noch. Die letzte Grauwegur Rüstung war durch die Flammen komplett verbogen und nicht mehr zu gebrauchen. Aber das war nicht schlimm. Dann würde eben ein Grauwegur Ritter immer gerade auf Botengängen sein. Auch Daera war nicht untätig geblieben. Als wir mit den verwandelten Orks aus Nebelgard zurückkamen (Neire ist dortgeblieben), war von ihr nichts mehr zu sehen. Aber wir standen plötzlich wieder vor dem König Granryk von Werunstein, als wenn ihm kein Haar gekrümmt worden wäre. Jedes kleinste Detail hatte sie nachgeahmt. Nur weil sie gerade neben dem verkohlten Leichnam stand konnte ich überhaupt auf den Gedanken kommen, dass dies in Wahrheit Daera war. Sie wies die Orks im Körper der Duergar zurecht und sie zogen sich die Rüstungen an. Sie waren noch etwas ungeschickt dabei und brauchten Hilfe. Der falsche König hatte auch die Rüstung angezogen und Waffen und Schild geschultert. Zusammen gingen sie wieder zurück in den Thronsaal. Wir warteten erst einmal bis Daera sich umsehen konnte, ob irgendjemand schon Verdacht geschöpft hatte. Daera wolle auch herausfinden wer diese Frau gewesen war, die mit König Granryk von Werunstein bei unserem Besuch gesprochen hatte.

Nach etlichen Stunden kam Daera wieder zurück. Ihr Gang war überaus selbstsicher. Und sie hatte den Rat, den ihr ihr gegeben hatte, bereits berücksichtigt, dass der König des Öfteren in das Lachen eines Säufers gefallen sei. Bereits jetzt konnte sie es täuschend echt nachahmen. Daera berichtete, sie fände die Frau nicht mehr wieder. Niemand hatte sie wieder gesehen. Offenbar war es die neue Gemahlin des Königs, Thunriel von Grauroch. Die alte Frau, Idriania von Werunstein war wohl vor kurzem gestorben. Ich fand es merkwürdig, dass die neue Königin nicht auch den Namen des Mannes angenommen hatte. Sollte vielleicht der alte Wurm Thiangjort etwas damit zu tun gehabt haben? Aber wer weiß schon, welche Gepflogenheiten bei den Nachtzwergen geduldet werden und vielleicht war es ja die neue Frau des Königs. Daera hatte etwas über einen Sohn des Königs, Breodin von Werunstein herausfinden können. Obwohl er als Abkömmling der nachtzwergischen Rasse noch im Alter eines Kindes, vielleicht eines Heranwachsenden, war, schien er doch stärker zu sein als man meinen könnte. Vielleicht würde er uns irgendwann einmal Probleme bereiten, aber jetzt widersetzte er sich den Befehlen des neuen Königs nicht. Und der erste Befehl war, dass ein neues Bündnis mit Unterirrling geschlossen werden sollte. Dieses Bündnis sollte den Grundstein für den Reichtum von Urrungfaust legen. Und in Wahrheit sollte Urrungfaust an den Tempel des Jensehers und damit an Jiarlirae gebunden werden.

Für uns gab es nichts mehr zu tun und wir verließen die stinkende Stadt des Unterreichs über die breite Brücke, auf dem Weg auf dem wir gekommen waren. Es war das gewaltige Bauwerk über den See von Arbolbaar, das von den Nachtzwergen Brücke Irrlingglomm genannt wurde. Keiner behelligte uns auf den Weg, auch wenn uns einige immer wieder misstrauische Blicke zuwarfen, vor allem unserem „Meister Halbohr“. Wir waren fast schon über die breite und imposante Brücke gelangt, als Bargh etwas Merkwürdiges auffiel. Er zeigte in die Richtung, in der die Brücke sich dem Ufer der Höhle näherte. Keiner von uns verstand im ersten Moment worauf er hinaus wollte, bis er sagte: „Schaut, die Wägen!“. Dann fiel es mir auch auf. Der immerwährende Strom von Karren, Kutschen und Kolonnen war in unsere Richtung abgebrochen. Einige Wägen betraten gerade noch die Brücke um ihre Waren in Urrungfaust anzubieten, doch es kamen keine neuen aus dem Dunkel der Tunnel. Halbohr sprang schnell zu einem der letzten Wagen. Der ältere Nachtzwerg der ihn zusammen mit seinem Sohn führte, erkannte ihn fast direkt. Er wusste auch etwas, doch die Gier dieser Geschöpfe war unermesslich. Selbst für eine einfache Frage wollte er bezahlt werden. Ich hätte ja die Worte mit glühendem Stahl aus ihm heraus gebrannt, doch Halbohr war schwach und gab nach. Zwei blitzende Citrine hielt er ihm vor seine knollige Nase. Das lockerte seine Zunge. Er erzählte, dass sie tatsächlich in den Tunneln etwas gesehen hatten. Ein Glitzern von Metall, wie von Rüstungen. Das war auch gar nicht weit weg gewesen. Und er hatte Stimmen gehört. Sein Sohn bestätigte es. Er hatte sogar etwas mehr gesehen: Die Schatten von Gestalten, die aber viel zu groß waren um Duergar sein zu können.

Das Ganze war sehr besorgniserregend. War neben dem Tempel und Urrungfaust noch eine dritte Macht im Spiel die sich bisher bedeckt hielt? Das sollte und durfte nicht sein. Wir mussten die einzige Macht sein und unsere Vorherrschaft durfte von niemanden angefochten werden. Lyrismar nahm magischen Kontakt zu Neire auf. In seinem Geist hielt er eine kurze Zwiesprache mit Neire, der weit weg im Tempel des Jensehers verweilte. Er fragte den Propheten des Tempels des Jensehers um Rat. Neire berichtete, dass dort ein Spitzel ausfindig gemacht wurde. Dieser hatte unseren Weg und unsere Ziele verraten, nämlich, dass wir von Urrungfaust aufbrachen. Wer dieser Spitzel war und von wem er bezahlt wurde wusste er noch nicht. Die Folterungen brachten jedoch eine Spur, die nach Fürstenbad führte. Barghs Gesicht wurde grimmig als Lyrismar die Worte die er hörte wiederholte. Was wollten sie hier und was hatten sie mit uns zu tun? Wollten sie an Bargh Rache nehmen? Oder war es nur reiner Zufall? Ich rätselte über die Gründe, als Bargh ein weiteres Mal rief und auf das dampfende und stinkende Wasser des Sees deutete. Jetzt sah ich, was er meinte. Irgendetwas machte eine Spur von Wellen im Wasser, und diese Wellen kamen auf uns zu. Wir zogen unsere Waffen und sprachen unsere Gebete zum Lob von Jiarlirae. Dann brach wie aus dem Nichts die Kreatur hervor, die sich im Tiefflug unsichtbar über das Wasser bewegt hatte.

Ein gewaltiger Schatten der die Lichter der Dunkelfeuer von Urrungfaust schluckte legte sich über uns. Eine Kreatur mit riesigen Schwingen und schuppigen Körper. Hier und da blitzten die Schuppen wie Kupfer auf, doch an vielen Stellen sahen sie aus, als ob das Kupfer vom Grünspan zerfressen wurde. Die Augen der Kreatur brannten in grünem und rötlichem Licht. Der gewaltige Schädel warf sich nach hinten. Doch der Schwanz der Kreatur war kürzer als man es eigentlich erwartet hätte. Ab der Mitte schien es, als ob der Rest weggebrannt wurde. Schwarze vernarbte Schuppen waren das Einzige, was übriggeblieben war. Die Kreatur trug auf ihrem Rücken ein Geschirr mit mehreren Sätteln wovon einer besetzt war, von einer Frau mit langen silbernen Haaren und einer Haut die so hell war wie kaltes Mondlicht. Als ich den Schwanz sah, erinnerte ich mich in einem Buch von so einer Kreatur gelesen zu haben. Dies musste der alte kupferne Drache der Wildweberberge sein, Lysseryth’Branthil. Die Berge, in denen er in den Geschichten lebte, waren ganz in der Nähe von Fürstenbad. Auch wurde von einem Kampf zwischen Lysseryth‘Branthil und einem anderen Drachen mit roten Schuppen erzählt, bei dem der kupferne Wurm als Verlierer hervorging und dabei einen Teil seines Schwanzes einbüßen musste. Der Schädel stieß zu uns herab und aus den Tiefen des Rachens spie er eine grüne Flüssigkeit auf uns alle. Schon als der erste Tropfen meine Haut berührte, brannte es fürchterlich und dann kam der Rest der Flüssigkeit auf mich. Ich musste aufschreien als sich meine Haut begann aufzulösen. Den anderen ging es nicht besser. Und dabei hatten wir noch Glück denn wir konnten alle noch ein Stück zur Seite springen. Auf der Brücke nach Urrungfaust tauchten weitere Gestalten auf. Ganz vorne schritt ein Krieger in einem Feldharnisch aus einem matten Stahl, auf dem Runen und das große Bild eines Adlers prangerten. Unter dem Helm quollen lange blonde Haare hervor und er trug einen purpurnen Mantel über seine Rüstungen. Dieser wehte durch die Schwingen des Drachen zur Seite und ich konnte darauf das widerliche Symbol von Torm sehen. Hinter ihm folgte ein Trupp von Rittern und weiteren Soldaten, die schon ihre Bögen spannten. Der Ritter des Torm stellte sich uns entgegen und brüllte über die Brücke: „Meister Halbohr, ihr werdet bezahlen für eure Taten. Stellt euch ehrenhaft im Kampf und sterbt!“ Ich rappelte mich auf. Sie sollten die wahre Macht Jiarliraes zu spüren bekommen. Ich beschwor einen gleißenden Blitz und schleuderte ihn auf die Drachenkreatur. Doch er fuhr einfach an den Schuppen entlang, ohne dass die Kreatur etwas davon zu bemerken schien. Stattdessen jedoch fuhren die Energien auf die Frau im Sattel die gerade schon begonnen hatte Zauberformeln zu rezitieren. Sie schrie auf, als auch ihre Haut aufplatze und ihr Fleisch begann zu kochen.

Zur gleichen Zeit stürmte Bargh den Rittern entgegen. Das Wappen von Fürstenbad setzte ihn in Rage. Die Schatten von Glimringshert tropften aus der Klinge. Der Ritter erhob sein Schild und Barghs Schwert krachte scheppernd dagegen. Er wollte den Angriff mit seinem Hammer erwidern doch auch Bargh wehrte den Angriff mit seinem Schild ab. Ich hörte das Klingen von Stahl auf Stahl, das für eine Weile tobte. Dann war da ein fürchterlicher Schrei. Glimringshert zog einen Flammenschweif hinter sich und der vor Hitze glühende Stahl fuhr durch das Bein des fremden Ritters. Sauber schnitt Bargh durch Muskeln und Knochen, als ob sie nur aus Luft bestünden. Der stolze Ritter fiel zur Seite, als Bargh sein Bein an der Hüfte abhackte. Dennoch feuerte er unter Schmerzen seine Kameraden weiter an. Die Soldaten in den letzten Reihen entließen ihre gespannten Bögen und ein Pfeilhagel legte sich über uns, während die anderen Ritter an Bargh vorbei stürmten. Sie wollten Halbohr um jeden Preis. Lyrismar beschwor mit seinem Stecken weiter Blitze, aber auch dieses Mal fuhren sie einfach der Schuppen des kupfernen Wurmes entlang in den Körper der Frau hinein. Sie schrie kurz auf, dann fiel der tote Körper mit einem dumpfen Knacken auf die steinerne Brücke. Ihr schöner elfischer Schädel hatte sich geöffnet und etwas Rotes hatte sich dort verteilt. Ich freute mich, als ich sie stürzen sah und musste trotz meiner Schmerzen auflachen, als sie dort am Boden lag. Wie sich nachher herausstellte, hatten wir die alte elfische Hexe der Wildweberberge getötet, die elfische Königin Learwy’thi’Silgur. Die Ritter trafen jetzt auf uns, aber ich und Halbohr erwarteten sie schon. Mein dem Chaos geweihter Säbel blitze nach vorne, viel zu schnell, als dass der Ritter ebenfalls sein Schild erheben konnte. Auch der Dolch von Halbohr fand sein Ziel und stach in den Hals eines anderen Ritters. Bargh war ihnen in der Zwischenzeit gefolgt und griff sie von hinten an, doch als ob seine Wut auf Fürstenbad ihn übermannt hätte stolperte er. Glimringshert dürstete es nach Blut und es war der Klinge egal wessen Blut es werden sollte. So senkte sich der Stahl in Barghs eigenes Bein. Es sah so aus als ob der Kampf nicht gut enden würde für uns, doch dann kam der Prophet von Flamme und Düsternis zu uns.

Wie ein Engel aus Schatten erschien er in der Luft über der Brücke. Sein Gesicht war noch eingehüllt in seinen Mantel, doch konnte ich die blonden Locken erkennen. Aus seiner Hand schossen mehrere glitzernde Geschosse aus Schatten in den Kopf des Drachen die nicht mehr einfach abflossen, sondern an den Schuppen aufplatzten. Die Kreatur brüllte als sich dunkles Blut über die Brücke ergoss und ein riesiges Stück Kupfern-besetztes Fleisch aus ihrem Körper gerissen wurde. Ein Diener des Torm rief die anderen zum Sturm, während er selbst eine Säule der Flammen auf uns warf. Doch Glimringshert konnten die Flammen nicht schaden. Das Schwert saugte sie in sich auf und brach die Macht des schwachen Gottes. Der Anführer der Ritter, ein Krieger mit Namen Sigwolv von Ulminrun, wie wir später erfahren sollten, hauchte seine letzten Atemzüge, während das Blut in Strömen aus dem Beinstumpf floss. Mit einem röchelnden Schrei rief er: „Verzagt nicht, meine Brüder. Tötet sie!“ Dann verdrehten sich seine Augen und er starb in der Gewissheit versagt zu haben. Neire hatte die Wendung gebracht und das ist ihm bewusst geworden. Der Drache war schon in einer Taumelbewegung als weitere Geschosse von Neire in den Körper trafen. Eine gewaltige Wunde platzte dabei auf und die Kreatur rammte mit einem kolossalen Getöse in den Stein der Brücke. Lyrismar beschwor eine Feuersbrunst die sich mit einem Bersten über die restlichen Soldaten legte. Ich sah Teile von Körpern durch den Druck einfach wegfliegen, als ob jemand einen kleinen Zweig aus einem Ast reißen würde. Auch Bargh war wieder auf den Beinen, seine Wunde war zum Glück nicht so tief. Von hinten schnitt das Schwert den Rücken eines Ritters auf und von vorne teilte ich die Kehle eines anderen. Einer nach dem anderen fiel. Doch waren sie verblendet und sahen nicht wie hoffnungslos ihr Kampf geworden war. Der letzte Anhänger des Torms lag in einer Lache seines Blutes. Zitternd versuchte er noch zu sprechen, als ob das, was er sagen würde noch irgendeinen Wert hätte: „Seht was ihr angerichtet habt. Ihr seid mit Dämonen im Bunde…“.

Ich lachte ihn aus, denn ich wusste, dass er log. Nein, wir waren im Bunde mit der Schwertherrscherin Jiarlirae, der Herrin über Feuer und Schatten. Wir hatten Nebelgard, den Tempel des Jensehers, Unterirrling und Urrungfaust erobert, doch ich wollte mehr. Bald schon, sehr bald würde auch Fürstenbad mit meiner Herrin im Bunde sein, oder es würde brennend untergehen.

Jenseher:
Die Luft des Gemachs roch nach fluoreszierenden Tinkturen, nach den alchemischen Flüssigkeiten, die dort in den Schatten aufgebahrt waren. Für Ungewohnte mochte der Hauch abstoßend sein, zu beißend und zu fremdartig. Neire störten die Dämpfe kaum noch. Zudem musste er sich jetzt konzentrieren. Er musste seine Müdigkeit überwinden, musste sie abschütteln wie eine zweite Haut. Der junge Priester ließ für einen Augenblick seine zitternden Hände sinken und betrachtete die Dietriche, die er zwischen seinen Finger verhakt hatte. Er senkte seinen Kopf mit dem gold-blond gelockten Haar und dachte an die beiden letzten Wochen zurück. Seit der Abreise von Bargh, Zussa und Halbohr, hatte Neire seine freie Zeit in dem alten Lagerraum verbracht. Er hatte wenig geschlafen und die Pläne und Unternehmungen von Halbohr vorangebracht. Doch innerlich war Neire von Zweifeln geplagt gewesen. Er hatte die Tätigkeiten unterschätzt, die Halbohr mit seiner minutiösen Planung verfolgt hatte. Nicht nur die sture Beharrlichkeit Halbohrs hatte Neire nicht aufbringen können, sondern auch die Anweisungen und Unterredungen, die er mit den neuen Dienern Jiarliraes abhalten musste, waren ihm unangenehm. Viel lieber flüchtete er sich in den alten Lagerraum, den er langsam in ein kleines Labor umgerüstet hatte. Hier hatte er die Apparaturen aus Ortnors magischer, extradimensionaler Kammer aufgebaut, die sie vor Barghs Abreise dort herausgeholt hatten. Hier hatte er auch die drei sphärischen Gegenstände aufgebahrt, die Lyrismar Schwefelschimmer ihm vor einigen Tagen aus Urrungfaust gebracht hatte. Die Sphären waren aus Ne’ilurum, besaßen eine Käfig-ähnliche Struktur und Kristallglasverbindungen. Nur ein mattes Licht drang aus den Fenstern aus Bergkristall, die im dunklen Ne’ilurum Stahl eingelassen waren. Doch auch die Gedanken an die wundersame Bestimmung der Sphären, die Neire zu ergründen versucht hatte, waren für den Moment in weitere Ferne gerückt. Neires Aufmerksamkeit lag auf der kleinen bleiernen Tür, die er hinter einem Schrank entdeckt hatte. Sie war verschlossenen; Halbohr, Bargh und Zussa mussten sie wohl übersehen haben. Neire atmete tief ein und begann die Dietriche in das Schloss einzuführen. Er hatte die Tür bereits nach Fallen untersucht und eine giftige Nadel entdeckt. Der Schlossmechanismus war sehr alt und kompliziert. Er musste bereits von den elfischen Erbauern des Tempels konstruiert worden sein. Neire begann die Dietriche an den Kraftpunkten zur fixieren. Seine Hände waren jetzt ruhig. Als er sich sicher war, dass er genügend Halt hatte, leitete er die Bewegung ein. Das Metall der Dietriche begann sich zu spannen, das alte Schloss knirschte. Für einen Augenblick glaubte er, die Fixierung würde reißen. Doch er hatte auch Glück. Die Bewegung hakte nicht und endete schließlich mit einem Einrasten. Neire atmete aus. Sein Herz raste und er hörte seinen Puls in den Ohren. Er zog vorsichtig die Tür auf. Dahinter sah er ein kleines, etwa drei mal drei Schritt großes Gemach liegen. Die Wände waren mit Blei beschichtet. Eine dicke Schicht Staub verhinderte ein Schimmern. Dennoch drang genügend des vielfarbigen Lichtes hier hinein. Der Raum war leer, bis auf ein kleines eisernes Podest. Dort lag ein funkelnder Ring auf einem verwelkten Stück Samt. Neire schlich sich langsam näher und betrachtete seinen Fund. Der Ring war aus einem Kranz von schwarzem Opal, der über glänzendes Mithril geschoben war. Vorsichtig untersuchte Neire das Podest und den Ring nach Fallen und Flüchen. Nur als er sich sicher war, nahm er den Ring auf. Ein merkwürdiges Kribbeln floss durch seine Finger und stieg seinen Arm hinauf. Es war, als würde er ein fernes Flüstern hören. Er versuchte sich zurückzuerinnern. Er hatte schon einmal von einem solchen Ring gelesen. Es musste sich um einen der Svaerendor handeln – ein Arkefakt aus einer fernen Welt; Ringe, die okkulte, mächtige Geisterwesen an sich gebunden hatten. Neire hatte auch von einem alten Fluch gehört, doch er hatte keine direkte Gefahr verspürt. Er begann sich den Ring über den Ringfinger der linken Hand zu ziehen. Das Flüstern wurde stärker. Wie eine ferne Stimme sprach es zu ihm. Lieblich, eindringlich und flehend zugleich. Es war ein besonderer Zustand, in den sein Verstand glitt. Fast wie der, des geöffneten Geistes. Neire betrachtete das funkelnd schwarze und helle Schimmern. Er begann den Ring zu drehen. Zuerst wurde das Säuseln geringer. Dann war es plötzlich da. Ein kalter Windhauch erfüllte den Raum und silbriges Licht war zu sehen. Sein Atem kondensierte in der zuvor warmen Luft; Eiskristalle begannen sich an den Wänden zu bilden. Da war ein Gesang, wie von alten elfischen Runenliedern. Neire spürte, dass ihn etwas von hinten betrachtete. Langsam begann er sich umzudrehen. Vor den Lichtern des alchemischen Gemachs, den Steintischen und Regalen, stand die geisterhafte Gestalt. Sie war lieblich anzusehen; von bleicher Haut und silbrigem, langen, lockigem Haar. Ein Hauch von Frost war um sie herum, doch sie fröstelte nicht. Im Gegenteil. Silberne feine Ketten, an denen kleine blaue Juwelen funkelten, bedeckten Brust und Scham ihres sonst nackten Körpers. Magisch blau leuchtende Augen blickten ihn aus einem noblen Gesicht an. Hohe Wangenknochen, eine gerade Stirn und spitze Ohren charakterisierten die Schönheit ihrer übermenschlichen Symmetrie. Der junge Priester stand in diesem Moment da und betrachtete das Wesen aus einer anderen Zeit. Dann hörte er ihre Stimme.

Ringgeist: „Ihr habt mich gerufen Meister des Rings. Ich gebe mich euch hin und begrüße euch, Neire von Nebelheim, Diener von Jiarlirae.“
Neire: „Ihr… ihr dient dem Ring, Svaerendor, ist es nicht so? Wie ist euer Name Geist?“
Ringgeist: „Weise seid ihr, mein lieblicher Junge. Ihr kennet die Namen aus alter Zeit. Mein Name ist Fraertha, doch ein Geist bin ich nicht. Gebunden bin ich, fern in Raum und Zeit, doch aus Fleisch und Blut. Jetzt diene ich euch. Fragt mich, wie ich an diesen Ring gefesselt wurde und befreit mich, wenn ihr mich befreien wollt.“
Fraertha schenkt Neire ein kaltes Lächeln. Ihre langen silbernen Locken umspielen ihre nackten Hüften. Sie kommt einen Schritt näher. Ihre Augen leuchten blau.
Neire: „Wir alle dienen alle unserem Herrn. Ich diene der Schwertherrscherin, der Königin von Flamme und Düsternis, der Dame des abyssalen Chaos. Ihre Stimme sagt mir, dass ihr nicht die ganze Wahrheit sprecht, Fraertha. Sie spricht von einem Fluch der Bindung, von verborgenem Wissen. Das Verborgene treibt den Wissenden zur Erlösung des Fluchs oder in den Wahnsinn, in dem er einst vergehen wird, sollte er den Fluch nicht brechen können.“
Fraerthas Lächeln erstirbt, als Neire die Worte zischelt. Sie hebt den Zeigefinger ihrer linken Hand, als sie spricht. In der kleinen bleiernen Kammer haben sich Eiskristalle gebildet.
Fraertha: „So sagt mir Neire, was ist euer Begehr? Ich diene euch, bis ihr mich wieder in die Schatten entlasst.“
Neire: „Die alten Sagen und Mythen sprechen von drei Wünschen, die ihr mir erfüllen müsst. Doch gebunden seid ihr an den Ring. Welche Macht gewährt ihr dem Träger?“
Jetzt tritt der Jüngling näher an Fraertha heran und streicht sich die gold-blonden Locken zurück. Sein schattenhafter Umgang verbirgt seine äußeren Konturen. Das Glitzern von Sternen sowie dunkle Aussparungen von Tentakeln sind auf seiner Robe zu erkennen.

Eine Zeit hatte sich Neire mit Fraertha unterhalten und sie nach ihrer alten Zeit gefragt. Zuerst hatte sie sich gesträubt und ihm kurze Antworten gegeben. Dann hatte sie Neire nach der Rasse der Schneeelfen gefragt und Fraertha hatte ihm von ihrer vergangenen Welt erzählt. Sie hatte von Inseln ewigen Schnees im Nordmeer berichtet, von Kriegen und von der Herrschaft ihrer hohen Rasse über versklavte Menschen und Zwerge. Sie war einst eine Hexenmeisterin am kaiserlichen Hofe gewesen. Sie hatte im Blute menschlicher Jungfrauen gebadet und schlimmere Dinge getan. Sie hatte den alten Chaosgöttern gedient. Sie hatte Arioch als ihren Herrn genannt. Sie hatte die Macht der Portale in andere Welten beherrscht und war deren schwarzer Künste Herrin. Sie gewährte Neire seinen Wunsch, den er dreimal wiederholte. Seine Worte waren: „Gewähret mir Wortgewandtheit, Ausstrahlung und Einfluss.“

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