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[AD&D 2.5E] Von Feuer und Düsternis – Erzählungen aus Euborea

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Jenseher:
Die Luft um sie herum war erfüllt von flimmernder Hitze und beißendem Rauch. Es roch nach brennendem Stein, nach Gasen aus dem Erdinneren und nach Schwefel. Sie hatten nicht lange am See aus Lava verweilt und den brennenden Strom hinter sich gelassen. Auch der Eisenfeste Sverundwiel hatten sie den Rücken gekehrt und das imposante Bauwerk bald nicht mehr gesehen. Die Luft war zwar etwas kühler geworden, trotzdem hatte ihnen, insbesondere aber Kulde, die Hitze zu schaffen gemacht. Sie hatten sich daher entschieden eine Zeit zu rasten, um sich auf ihre Aufgabe vorzubereiten. Ihr kurzes Lager hatten sie im Schutze einer großen Felsnadel aus dunklem Basalt angebrochen. Sie waren alle durstig gewesen und hatten getrunken. Der jugendliche Hügelriese Kulde, der bereits eine Größe von mehr als vier Schritten erreicht hatte, hatte ungeduldig seinen Wasserschlauch hervorgezogen und gierig getrunken. Er war so hastig gewesen, dass ein Teil des Wassers an seiner Kleidung aus Fell und Rüstungsteilen heruntergelaufen war. Edda hatte dem nicht lange zugesehen und sprach den Riesen an. Der Morgen war bereits angebrochen, doch die ersten Strahlen der Sonne drangen nicht durch die Rauchschwaden. „Kulde, ihr solltet langsam trinken… es ist nicht gut so schnell zu trinken. Glaubt mir, ich weiß wovon ich spreche. Ich komme aus dem fernen Süden, aus Vintersvakt. Aus der großen Hitze.“ Die fast 17-jährige Schülerin der Akademie Schwarzenlohe schaute Kulde mit ihren großen blauen Augen an. Auch in Eddas symmetrischem Gesicht waren Wassertropfen zu sehen, die sich auf ihrer Stirn gebildet hatten. Sie stand vor dem sitzenden Kulde, der sich mit dem Rücken an die Felswand gelehnt hatte. Trotzdem überragte der Riese die junge Frau noch. Kulde glotzte Edda an, als ob er ihre Worte nicht verstehen würde. Sein Mund war schwachsinnig geöffnet, bevor er anfing zu sprechen. „Aber… Kulde dursshtig… dursshtig grossh.“ Edda schüttelte den Kopf und lächelte Kulde an. Ihre schwarzen langen Haare klebten an ihrer Stirn. „Nein… nein Kulde. Glaubt mir, ich weiß wovon ich spreche. Trinkt langsam, auch wenn ihr Durst habt. Sonst verschüttet ihr noch alles. Und… je mehr ihr trinkt, desto mehr schwitzt ihr auch.“ Kulde nickte, doch es schien, als hätte er ihre Worte nicht verstanden. Dennoch fügte er sich der Anweisung Eddas und trank nicht mehr. Als sich Edda wieder ihrem Zauberbuch zuwendete, hatte Kulde bereits vergessen, dass er durstig war. Sie verbrachten danach einen Teil des Vormittags in schweigsamer Stille. Nur das Schnarchen von Kulde war zu hören, denn der Hügelriese hatte den Kopf nach vorne sinken lassen und war in einen Schlaf gefallen. Dann erhob sich Neire und sprach zu seinen Begleitern. Kulde, Heergren und Edda bildeten einen Kreis mit dem Kind der Flamme. „Wir werden bald aufbrechen und ich frage euch hier und an diesem Ort: Seid ihr auf der Seite der Schwertherrscherin? Seid ihr auf der Seite von Jiarlirae.“ Heergren, der nicht unter dem Einfluss von Neires Augen stand, antwortete zuerst. Heergrens kobaldblaue Augen funkelten in seinem glatzköpfigen Schädel, unter dessen rechtem Ohr eine wulstige, noch rote Narbe zu sehen war. „Ich diene ihr und stehe auf ihrer Seite, jawohl. Wäre es nicht wegen ihr und wegen Meister Halbohr, wäre ich jetzt bereits tot. Sie holte mich aus dem Gefängnis und gab mir meine Chance auf Ruhm und Reichtum.“ Heergren nickte und sein langer geflochtener Bart wippte, als wolle er seine Worte unterstreichen. Auch Kulde schloss sich Heergren an und sprach mit langsamen lispelnden Lauten. In seinem hässlichen Gesicht mit der fliehenden Stirn und der platten Nase klebten seine dünnen, von Schweiß nassen, schütteren Haare. Er bewegte seinen Unterbiss ungelenk, während er seine Worte erhob. „Herrin gut, Herrin sshtark. Herrin von Feuer. Feuer heissh, Feuer sshtark.“ Zuletzt trat Edda an Neire heran. Sie legte ihre Hand um seine Schultern und lachte. „Ja, Kulde ihr habt Recht. Doch Neire zeigte mir auch das Heiligtum, die schwarze Sphäre der Schatten. Ich glaube an Jiarlirae, die Macht über Portale in Höllenwelten besitzt. Ich glaube und vertraue auch ihrem Propheten. Er zeigte mir die schwarze Kunst der Schatten. Und im Gegenteil zu den Priestern des Eises, verdammt sollen sie alle sein, erzählte er mir von Jiarliraes Geheimnissen und von der heiligen Stadt, von Nebelheim.“ Als sie die Priester des Eises ansprach, verzog Edda ihr hübsches Gesicht, als würde sie sich vor etwas ekeln. Jetzt antwortete Neire und schaute sie alle feierlich an. „Ich habe gebetet und um ihre Hilfe gefleht. Wir werden aufbrechen und ihren Segen haben. Da ihr Jiarlirae dient, wird euch ihr Segen zuteilwerden. Es ist der Schutz vor dem Feuer, den sie euch verleiht. Für euch, Kulde, soll es ein großer Kampf werden. Ihr habt noch keinen Namen, wie Gruschuk, der Grausame. Ihr müsst kämpfen Kulde! Ihr müsst heute für Jiarlirae kämpfen und euch euren Namen verdienen.“ Kulde streckte sich und erschien noch größer. Er ließ seine Muskeln spielen. Für einen Hügelriesen war er muskulös, offenbarte fast keine Spuren von Körperfett. Er schlug sich auf die Brust und streckte seinen Morgenstern in den von Schwaden gefüllten Himmel. „Kulde issht grossher Krieger. Kulde grössher, Kulde sshtärker als Grusshuk. Kulde bereit für Kampf.“ Neire nickte und seine Stimme verfiel in einen choralartigen Singsang. „Lasset uns beten, die alten Verse von Nebelheim. Sprecht mir nach, Diener von Jiarlirae. Sprecht die Weisen der Dame des aufsteigenden abyssalen Chaos und preiset die schwarze Natter, als Abbild unserer Göttin. Weinet nicht um die verglimmenden Feuer, weinet nicht um die erlischende Glut. Denn die Dunkelheit birgt ihre Ankunft, Schatten ist das Licht unserer Göttin und Flammen der Morgen ihrer Heiligkeit.“ Die Stimmen von Edda, Heergren und Kulde beteten die Worte. Kulde stammelte zwar, konnte aber einige Silben richtig sprechen. Ihre Stimmen hallten vom Felsen zurück, verloren sich aber im dumpfen Brodeln von ferner Magma und im Pfeifen der Gase des Höllenkessels.

Neire blickte seine Mitstreiter an, die vor ihm gingen. Das Donnern und das Tosen der Ströme von Magma verschluckten alle anderen Geräusche. Der See aus flüssigem Gestein schimmerte in orangenen bis hell-gelben Tönen; die Luft flimmerte vor Hitze. Nur durch die Schutzmacht von Jiarlirae, durch den Bannspruch, dessen Macht Neire seinen beiden Gefährten Heergren und Kulde gewährt hatte, waren die beiden in der Lage hier unbeschadet zu wandeln. Er hatte Kulde und Heergren die Schutzrune aus Quecksilber auf die Stirn gemalt und die silberne Flüssigkeit brennend in ihrer Haut schwinden sehen. Kulde hatte den Schutz mit - Feuer aussh, nissht mehr heissh, Göttin sshtark - kommentiert. Ihm selbst gab die Göttin fortwährenden Schutz und Edda trug den magischen Ring, den er ihr geschenkt hatte. Sie waren zum glühenden See hinabgeschritten, der durch die gleißenden, dünnflüssigen Fontänen gespeist wurde, die aus den Köpfen der zwergischen Kriegerstatuen hervortraten. Rechts neben ihnen ragte der schwarze Stahl der Festungswand auf. Sie schritten über die dunklen Stufen zu dem riesigen Portal, das in der Mitte der vier Statuen lag. Der See war jetzt hinter ihnen. Wäre es nicht um den Schutz vor der Hitze gewesen, hätten ihre Kleidung und Haare längst Feuer gefangen. Jetzt blickten sie auf das doppelflügelige, etwa fünf Schritt hohe und breite Portal, dessen linker Flügel verbogen war. Es so aus als ob jemand den Flügel hätte herausreißen wollen, wie vor langer Zeit. Neire schlich sich voran und untersuchte die Türflügel, während Edda nach Spuren suchte. Der Jüngling fand einen Mechanismus, der von einem eingelassenen Türknauf gesteuert wurde. Der Türknauf des anderen Flügels war durch die Beschädigung unbrauchbar geworden. Neire spürte wie Edda an ihn herantrat. Er hörte ihre Stimme, als sie ihm ins Ohr rief. Sie machte einen ängstlichen Eindruck auf ihn, seitdem sie sich Sverundwiel genähert hatten. „Es sind Spuren hier, einige Spuren. Von Riesen, aber auch von anderen. Kleinere Wesen. Die Spuren sind alt. Älter als sechs, vielleicht sieben Monde.“ Neire nickte und blickte in die Gesichter, die von brennendem Magmaschein erhellt wurden. Alle hatten ihre Waffen gezogen, als er begann den Türknauf zu drehen. Leise hörten sie ein Klacken, wie von einer Vielzahl von Mechanismen. Dann begann Neire den Flügel des Portals aufzudrücken. Anfangs musste er die Trägheit überwinden, doch dann glitt die Türe lautlos auf. Im Inneren lag eine imposante Kammer. Sie war unbeleuchtet und aus schwarzem Obsidian. Im unteren Bereich konnte er zudem zerstörte Türen sehen. Treppen führten auf Podeste und auch auf eine höhere Ebene. Vorsichtig lauschend schlich der Jüngling voran. Neires feine Ohren hörten ein fernes Geräusch, wie ein krankes Stöhnen, das sich mit einem heiseren, dunklen Husten abwechselte. Die Ferne der Geräusche sagte ihm, dass das, was immer es auch war, hinter einigen Türen und Kammern sein musste. Er zog seinen Tarnmantel zurück, blickte sich um und winkte die anderen hinein. Heergren drückte als letzter den Portalflügel zu und das Magmalicht verschwand in den Schatten. Das donnernde Geräusch der Fluten war jetzt gedämpft und die Luft war viel kühler. Neire hörte das Schnaufen von Kulde, der sich unsicher und blind in der Dunkelheit umschaute. Erst das Licht einer Fackel, das Neire für den Riesen entzündete, nahm ihm seine Starre. Neire reichte das Feuer seinem großen Begleiter, dessen penetranter Schweißgestank sich jetzt im Inneren der Halle ausbreitete. Er zeigte auf die Türen und zischelte zu Heergren und Edda. „Wartet hier, ich höre ein Geräusch, doch es ist weit entfernt. Ich werde mir anschauen, was hinter den Türen ist.“ Dann schlich er sich aus dem Lichtkegel hinfort in die Dunkelheit. Hinter den zerstörten Portalen fand er einen Tunnel, der in den Basaltstein des Berges geschlagen war. Neire bewegte sich vorsichtig weiter. Er entdeckte einige Gewölbe, die auf Wach-, Schlaf-, Ess- und Küchenräume hindeuteten. Die Einrichtung war zerschlagen und auf dem Boden verteilt. Waffen hatten angefangen zu rosten. Nachdem er den Rundgang um die Halle erforscht hatte, kehrte er zurück. „Ein Tunnel, der in Räume führt. Dort wurde geplündert, wie es scheint.“ Heergren trat jetzt zu Neire und seine blauen Augen schimmerten im Fackellicht. „Was ist mit meinem Volk, Prophet? Habt ihr Leichen, Spuren eines Kampfes gesehen?“ „Nein, da war nichts Heergren. Keine Leichen und keine Kampfspuren. Es müssen aber die Feuerriesen gewesen sein, die hier gewütet haben.“ Heergren nickte enttäuscht und Neire legte ihm seine verbrannte Hand auf die Schulter. „Kommt Heergren. Wir werden herausfinden, was in der Eisenfeste Sverundwiel passiert ist.“ Neire schlich sich wieder voran, die Treppen hinauf, die auf einem Podest mündeten. Von dort aus konnte er auf das Fackellicht von Kulde hinabblicken. Jetzt sah Neire das Strahlenmuster, das in den Boden der Halle eingelassen war. Zwergische Runen schimmerten dort und breiteten sich von einem Mittelpunkt aus. Jeweils zwei Strahlen waren in Gold, Silber und Ne’ilurum gearbeitet. Von dem Podest führten zwei freischwebende Treppen nach oben. In eine Ebene, die über ihm bereits geöffnet war. Auf der anderen Seite des Portals war ein weiteres solches Podest zu sehen, von dem ebenso zwei freischwebende Treppen hinaufführten. Neire schlich weiter. Die Treppen endeten an metallenen, zylinderförmigen Einfassungen – dort wo sie auf der oberen Ebene mündeten. In der Dunkelheit eröffnete sich vor ihm ein spitz zulaufendes Gemach. An der gegenüberliegenden Wand sah er sechs Throne. Zwei waren jeweils aus Gold, aus Silber und aus Ne’ilurum. Der Boden war mit Fellen ausgelegt und das Gemach musste einst, wie ein nachtzwergischer Thronraum, pompös ausgesehen haben. Jetzt waren die Felle vergilbt und fehlten in einigen Bereichen. Er bewegte sich weiter nach vorn und horchte. Atmen und Stöhnen waren lauter geworden, doch immer noch weiter weg. Hinter ihm hörte er die Schritte seiner Kameraden. Jenseits der Türen des Sechsthronraumes fand Neire ein umfassendes Gewölbe, das eine Art Waffen und Schreibkammer darstellte. Armbrüste, Munition und eiserne Halterungen waren vor Schießscharten angebracht, die in den Sechsthronraum zeigten. Zwei Wendeltreppen führten weiter nach oben. Hier war sich Neire sicher, dass das Stöhnen vom Ende beider Treppen herrührte. Er wartete bis seine Kameraden aufgeschlossen hatten, gebot ihnen auf seine Rückkehr zu warten und schlich sich hinauf. Lauter und lauter wurde das Geräusch von Husten und Sabbern. Er wollte sich anschauen was dort war. Dann würde er zu seinen Mitstreitern zurückkehren.

Kulde keuchte und knirschte mit den Zähnen. Er hatte nicht alle Worte verstanden, die Neire gesagt hatte. Zu schnell hatte der Prophet, sein bester Freund, zu ihm gesprochen. Er hatte das Wort Kampf und das Wort Feuerriesen gehört und seine Wut war explodiert. Jetzt kniff er die Augen zusammen und ging Schritt für Schritt die Wendeltreppe hinauf. Den Morgenstern trug er in der Rechten und die Fackel in der Linken. Heergren und Edda gingen hinter ihm, doch das hatte Kulde bereits vergessen. Jetzt hörte auch er ein Stöhnen und ein Sabbern. Dann war da ein Husten. Er ging schneller und schabte am Stein entlang. Kulde wollte kämpfen. Er wollte beweisen, dass er stärker als Gruschuk war. Stärker und grausamer. Er wollte töten. Dann war da plötzlich das Ende des für ihn engen Ganges. Da war Bewegung. Ein aschfahles Gesicht blickte ihm entgegen. Der Riese war größer als er und hatte rotes, verdrecktes langes Haar. Schaum hatte sich vor seinem Mund gebildet und seine bernsteinfarbenen Augen blickten, wie von einem wirren Hass getrieben. Die Gestalt vor ihm schrie, als sich spastisch, wie von einer Tollwut, seine Muskeln verkrampften. Sein Gegner hob seine Hand zum Schlag. Kulde nahm nicht die eiternden Wunden und die abgerissene linke Hand der Kreatur wahr. Er schlug mit seinem Morgenstern zu. Die schwere Kugel rammte gegen die Rüstung des Feuerriesen. Für den zweiten Angriff hatte er nicht genügend Weg zum Ausholen. Kulde versuchte sich noch unter dem Faustschlag hinweg zu ducken, doch die Wucht traf ihm auf den Kiefer. Er schmeckte das Blut, fühlte den Schmerz und seine Wut wurde zu Zorn, als er seinen Gegner verhöhnte. Kulde drängte den Feuerriesen zurück, mit all seiner Kraft. Dann holte er aus und rammte die Ne’ilurum Kugel gegen den Schädel seines Widersachers. Das Jochbein wurde eingedrückt und ein Auge quoll heraus. Mit spastischen Muskelzuckungen sank der Feuerriese zusammen. Kulde blickte sich um. Er brüllte, grunzte und schnaubte. Er wollte kämpfen und töten. Er sah nicht die tiefen Schnitte im Rücken des toten Riesen, die Neire dem Gegner zugefügt hatte. Dann war da dieses Geschöpf, wie ein Insekt. Er hob den Morgenstern zum Schlag. „Kulde, ihr blutet… lasst mich eure Wunde ansehen.“ Kulde kam die Stimme bekannt vor, er hörte seinen Namen. Der junge Riese hielt die Fackel hinab und sah das schöne Gesicht von Edda. Ihre Lippen glitzerten rötlich im Schein der Fackel. Kulde grinste sie an und seine Wut versiegte. Er nickte ihr zu, als er seine Muskeln spannte. „Guter Kampf, sshiegreissher Kampf. Kulde sshtark.“ Der stinkende Riese beugte sich zu dem Mädchen hinab und ließ sich auf ein Knie sinken.

Edda wendete geekelt ihren Blick ab. Der zweite Feuerriese hatte sie nicht angegriffen und lag siechend auf dem Boden. Er hustete Geifer aus seinem Maul und gab ein wehleidiges Stöhnen von sich. Sein linker Arm war ihm an der Schulter abgerissen und einer seiner Füße fehlte. Der gesamte Körper der Gestalt war von eitrigen Wunden bedeckt. Die Haare hatten angefangen auszufallen und ein großer Teil seines offenen Kiefers offenbarte eitriges Muskelfleisch. Neire hatte den Körper der Gestalt vorsichtig untersucht, nachdem sie die Wunde von Kulde versorgt hatten. Der Jüngling hatte ihr gesagt, dass er in den Wunden Konturen, wie von stumpfen Zähnen hatte entdecken können. Als Edda sich gerade abwendete hörte sie das leise Flüstern von Neire. „Edda kommt und schaut. Es gibt eine Bibliothek hier.“ Bei den Worten vergaß Edda ihre Furcht und schritt durch die dunklen Hallen. Seitdem sie mit Neire die Kunst der Schatten studiert hatte, konnte sie auch fast völlige Dunkelheit durchblicken. Ihr selbst kam es so vor, als würde sie mit einem dritten, unsichtbaren Auge blicken. Ein drittes Auge, dessen Kraft sie wie einen Muskel trainieren konnte. Sie kam vorbei an weiteren Wachräumen, deren Einrichtung geplündert und verwüstet war. Dann eröffnete sich das Felsgemach vor ihr, in dem sie Regale aufragen sah. Auch hier waren die Spuren von Zerstörung zu erkennen. Auf dem Boden lagen zerrissene und zerfetzte Bücher. Die Regale waren an einigen Stellen beschädigt. Neire stand dort, gebeugt über ein Pult. Er hatte seinen Schattenmantel zurückgezogen und blätterte in einem Wälzer. Als er sie eintreten sah, flüsterte er. „Kommt Edda. Das müsst ihr euch anschauen. Es sind ihre alten Aufzeichnungen. Ihr versteht doch die Sprache der Nachtzwerge.“ Edda nickte und ging zu Neire. Sie hatte die Sprache der Duergar gelernt, seitdem sie sich in der Akademie Schwarzenlohe eingeschrieben hatten. Sie war zwar noch nicht besonders geübt in der Sprache, konnte aber bereits viele Worte verstehen. „Was habt ihr gefunden Neire? Was steht in den Schriften?“ Neire gab ihr ein anderes Buch und lächelte sie an. „Hier, lest das Edda. Wer weiß wieviel Zeit wir haben. Es sind alte Aufzeichnungen über die Eisenfeste Sverundwiel. Einige Schriftstücke sind nur Auflistungen, andere aber erzählen die alte Geschichte dieses Ortes.“ Edda begann neugierig zu lesen. Sobald sie oder Neire neue Geheimnisse über diesen Ort entdeckten, teilten sie das Gefundene. So lernte sie über die Gründerväter dieses Ortes, die sechs Baumeister der Feste. Ein jeder dieser Altvorderen war ein Meister seines Faches. Ihre Namen waren: Dardal Vengerbergh, Meister des Goldes. Hulthrum Aschfall, Meister des Stahls. Thodek Nihthruk, Meister des Erzes. Hhelmin Niederstein, Meister des Steins. Daerdrin Balnheim, Meister des Feuers. Nimnor Steinbart, Meister des Werkzeugs. Sie alle wurden als stolze Vertreter der nachtzwergischen Rasse dargestellt und hatten Sverundwiel mit dem Ziel errichtet, Reichtum durch den Handel mit Oberweltlern anzuhäufen. Dieses Vorgehen hatte unter den Nachtzwergen wohl für Unmut gesorgt, betrachteten die die Duergar doch die Oberweltler als niederen Abschaum. In den Pergamenten gab es zudem Hinweise über Schätze jenseits des Goldes, verborgen in unerforschten Tiefen. Edda las von den Geheimnissen der Minen und Wichtigkeit der Suche nach neuen Erzen. Die Dokumente verfolgten aber andere Themen, je jüngeren Ursprunges sie waren. Sprachen die alten Schriften noch von den Künsten der Erzsuche und dessen Verarbeitung, geriet das Minengeschäft mehr und mehr in den Hintergrund. In den neueren Aufzeichnungen fand sie philosophische Ansätze über die Dualität des Seins, über Leben und Tod. Ein anderes Schriftstück ging auf Artefakte und verborgene Dinge ein. Im Speziellen wurde von einem Kragen der Träume gesprochen, der sich wohl irgendwo in der Nähe befinden sollte. Edda hatte schon in ihrer Heimat alte Geschichten gehört. Über Künste, die einem ein Eindringen in die Träume anderer erlauben sollen. Sie las die alten zwergischen Runen und hatte fast vergessen, an welchem Ort sie sich hier befand.

Jenseher:
Neire war vorrangeschlichen. Er war der Wendeltreppe nach oben gefolgt. An deren Ende war er in eine Halle gelangt, die in völliger Dunkelheit lag. Jetzt horchte Neire vorsichtig, während er die längliche Kammer durchblickte. Die Halle schien in das schwarze Vulkangestein des Berges geschlagen. Die Luft war hier wärmer und es roch nach Stein und Schwefel. An den Wänden konnte er große Nischen sehen, in denen Haufen von verschiedenste Bodenschätze lagen. Neben bergkristallhaltigem Stein, konnte er matte schwarze Barren, golden glitzernden Stein und gelbe Schwefelkristalle erkennen. Weiter entfernte Kammern bargen andere Substanzen, waren aber nicht erblickbar in der Düsternis der Kammer. Neire horchte, hörte aber nur das entfernte Grollen des Magmastromes und die Schritte seiner Mitstreiter hinter sich. Er schlich sich durch die Halle. Je weiter er kam, desto mehr Details konnte er erkennen. Am Ende der Halle öffnete sich ein Tunnel in den Berg, der mit einem runenbesetzten steinernen Bogen verziert war. Vor dem Tunnel standen zwei nachtzwergische Statuen. Beide waren detailreich bearbeitet, blickten grimmig und hielten einen Hammer, den sie vor sich auf dem Boden gestellt hatten. Neire sah zudem rostige Schienen aus dem Tunnel in die Halle hineinführen. Am Ende der Schienen stand eine Lore, die graue Steine mit Aushöhlungen von Bergkristallen trug. Neire kniete sich nieder und horchte. Die Halle sah aus, als wäre sie plötzlich verlassen worden. Die Nachtzwerge hätten bestimmt die Schätze mitgenommen, die hier noch ruhten. Als er hinter sich das Fackellicht von Kulde sah, zog er seine Schattenrobe zurück und wendete sich seinen Mitstreitern zu. Neben dem etwas über vier Schritt groß gewachsenen Hügelriesen waren Edda und Heergren zu erkennen. Edda hatte ihn bereits bemerkt und Neire winkte sie zu sich heran. Das Flüstern des Jünglings ging durch die verlassene Halle, als sich Kulde mit knirschenden Schritten näherte. „Kommt und schaut euch das an. Es sieht wie ein Umschlagplatz aus, ein Ort, an dem die Schätze der Erde gehandelt wurden. Doch alles scheint schlagartig verlassen. Selbst diese Lore trägt noch eine Ladung Steine.“ Neire sah, wie Kulde mit seinem Unterbiß das Wort „Steine“ lautlos nachsprach. Er unterdrückte ein Schmunzeln, als er an ihre Reise dachte. Dann hörte er die Stimme von Heergren. „Noch immer keine Spuren meines Volkes. Wo sind sie geblieben? Wieso haben sie nicht gekämpft? Ich würde gerne wissen, was hier passiert ist.“ Neire nickte dem Tiefenzwerg zu, der seine mit einer blassen und bläulichen Venen durchzogene Glatze aus Kuldes Licht wegdrehte. Deutlich war die rötliche Narbe über dem rechten Ohr zu sehen, die Heergren aus dem Aufstand von Unterirrling trug, dem er sich einst angeschlossen hatte. „Wir werden schon herausfinden was hier passiert ist Heergren. Was auch immer es war… sie werden nicht geflohen sein.“ Heergren blickte für einen Augenblick noch grimmiger drein, dann antwortete er Neire. „Nein, sie hätten bis zum letzten Mann gekämpft. Am Ende hätte es Sieg oder Niedergang geheißen.“ Bei den Worten schlug sich Heergren mit seinem Schildarm auf die Brust, als wolle er seine Worte betonen. Und obwohl Kulde die Worte wohl nicht ganz verstand, konnte Neire ein zustimmendes Grunzen des Riesen hören. Zudem versuchte Kulde die Bewegung von Heergren nachzuahmen. Dann trat Edda an Neire vorbei und ging auf den Torbogen am Minenschacht zu. Sie drehte sich zu Heergren um und sprach. „Kommt Heergren, worauf wartet ihr noch. Lasst uns die alten Runen eures Volkes entschlüsseln. Vielleicht finden wir etwas über den Verbleib der Bewohner der Eisenfeste Sverundwiel.“ Neire folgte der Schülerin der Schattenkunste und im flackernden Licht entzifferten sie die Schriftzeichen. Es war Edda, die die Schriftzeichen langsam vorlas. „Heil dem ehrenhaften Arbeiter. Wehe den frevelnden Taugenichsen.“ Heergren streckte stolz seine Brust hervor und nickte Edda zu. „Ja, Frau von Hohenborn… so oder so ähnlich kann man es übersetzen. Es sind die Huldigungen an jene, die die Reiche unter der Erde aufbauen. Nur diejenigen, die treu und ergeben ihre Arbeit verrichten, werden den Ruhm und die Ehre unserer Rasse mehren. Nur die Handelnden stehen in der Gunst des Schicksals. Die Faulenzer und Zauderer sollen im Staube vergehen. Sie werden ausgemerzt oder die verdammte Spinnengöttin wird sie einst holen.“ Heergrens Stimme schwoll an und Neire wollte gerade zur Stille mahnen, da trat Edda zu dem Nachtzwerg. Sie strich sich ihre langen schwarzen Haare zurück und ihr Lächeln war bezaubernd. Sie griff nach Heergrens Hand, als sie sprach. „Ihr habt bereits Großes vollbracht Heergren. Neire hat mir von euren Taten erzählt. Es ist beeindruckend, was für Schwielen ihr an euren Händen tragt.“ In diesem Moment wirkte Heergren etwas unsicher und zog seine Hand zurück. Er beugte seinen Kopf vor Edda und vor Neire und flüsterte rasch. „Stets zu euren Diensten, mein Prophet. Ihr ehrt mich. Die Göttin von Flamme und Düsternis ist stark. Ich verdanke mein Leben Jiarlirae und Meister Halbohr. Ich habe nun mein Leben vor mir, das ich der Arbeit und dem Kampf widme.“ Neire nickte gerührt und zischelte in die Dunkelheit. „Dienet der Göttin mit all eurem Herzen und sie wird euch stets belohnen. Sie wird euch an ihren Geheimnissen teilhaben lassen und zu eurem Ruhme beitragen.“ Neire sah wie Heergren sich erneut verbeugte und auch Kulde grunzte zustimmend. Als er sich umdrehte, hörte Neire ein weiteres Mal die Stimme von Heergren. „Wartet, Prophet. Das Licht… die Fackel von Kulde. Er sollte sie löschen. In der Mine wird das Licht auffallen. Wir werden leicht zu sehen sein.“ Kulde verstand zwar nicht wieso er das Licht löschen sollte, doch er folgte Neires anschließendem Befehl. Dann drehte sich Neire um und schlich in die Dunkelheit. Er folgte dem Tunnel der Mine, der leicht bergab ging und sich hier und dort verzweigte. An diesen Verzweigungen wartete er auf seine Mitstreiter und gab ihnen Anweisungen. Edda berichtete von den Spuren, die sie hier entdeckt hatte. Sie sagte, die Abdrücke von Stiefeln wären nicht alt, nur der kleine Bruchteil eines Tages. Neire fand außerdem mehrere kleine Feuerschalen, die mit Nägeln im Holz der Stützen der Mine aufgehangen waren. Sie enthielten ein poröses Gestein und ein Öl, das ihn an die Fackeln in Dreistadt erinnerte. Dann hörte er aus einem Tunnel ein Ächzen und ein Grunzen sowie ein wehleidiges Stöhnen. Er wartete auf seine Mitstreiter. Sie würden dem Geräusch auf den Grund gehen und vielleicht erfahren, was hier passiert war.

Kulde schwang seinen riesigen Morgenstern und stürzte auf das Licht zu. Die Höhle, in die Heergren ihn geführt hatte, tat sich vor ihm auf. Er sah dort die beiden Feuerriesen und die grauevolle Szenerie, die er jedoch nicht richtig verstand. Ein Gefühl tief in ihm sagte ihm jedoch, dass hier etwas nicht stimmte. Die Höhle war eine Kammer im Stein, in der Form einer gewaltigen Blase. Eine Wand zur rechten Seite schimmerte von Bergkristallen, die dort wohl einst geschürft worden waren. Das Licht, was die Höhle erhellte, kam von umgestürzten Schalen. Dort brannten die porösen Ölsteine mit kalten Flammen. Ein männlicher Feuerriese hatte sich gerade über die am Boden liegende Gestalt seines Kameraden gebeugt. Er trug einen Waffenrock, doch sein Gesicht war zu einer Fratze von verzerrten Muskeln verkrampft. Er biss dem am Boden liegenden Feuerriesen in den Arm und riss ein großes Stück Fleisch heraus. Dann richtete er sich auf und begann das Fleisch zu kauen. Von dem Riesen auf dem Boden war nur ein Wimmern zu hören, während dem anderen Riesen blutiger Sabber am Maul herablief. Kulde rannte weiter. Er hörte sein Keuchen und wollte den Riesen töten. Dann sah er Bewegung hinter der Kreatur. Aus den Schatten begann ein schwarzer Degen zu tanzen und fuhr dem Riesen mehrfach in den Rücken. Die spastischen Zuckung nahmen zu und dann brach der kollosale Leib zu Boden. Wut überkam Kulde - er schlug nicht mehr zu. Plötzlich stand sein bester Freund Neire neben ihm und er hörte dessen Stimme. Der Jüngling zeigte auf den Boden, wo Kulde den an vielen Stellen angefressenen Leib sah. „Tötet ihn, wenn ihr kämpfen wollt.“ Kulde schüttelte den Kopf. „Kein Kampf, nein… Riesshe sshwach.“ Dennoch hob Kulde seinen Morgenstern und schlug auf den Kopf ein. Schlag um Schlag zertrümmerte er den Schädel. Bis roter Brei und Knochenstücke den Boden bedeckten. Auch dann wurde seine Wut nicht weniger. Obwohl sein schwachsinniger Verstand es nicht ergründen konnte, ahnte ein Instinkt in ihm, dass sein Freund Neire ihn für einen Kampf vorbereiten wollte. Er wollte kämpfen, wie es einst Gruschuk getan hatte. Er wollte kämpfen und er wollte siegen. Er wollte seinen Namen, der einen größeren Klang haben musste, als Gruschuk der Grausame.

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„Ich habe so etwas noch nie gesehen, obwohl es dort wo ich herkomme viele merkwürdige Dinge gibt. In den Dschungeln um Vintersvakt gibt es die Skrälinge. Rohe Einwohner, die größtenteils auf Bäumen leben und mehr Affen als Menschen sind. Es gibt nur wenige Menschen, die ihre Sprache sprechen und noch weniger, die aus den Dschungeln zurückkommen. Die Skrälinge essen Menschenfleisch und kochen unsere Kinder in Töpfen. Doch das, was diese Feuerriesen sich gegenseitig antun, übersteigt die Geschichten der Skrälinge und jede Vorstellungskraft.“ Edda schüttelte sich, als sie an die Bilder der letzten Höhle und das Ende des Tunnels dachte, in dem sie jetzt standen. Sie hatten die blasenhafte Kaverne mit den Bergkristallen verlassen und waren weiter den Geräuschen gefolgt. Edda hatte sich hinter Kulde und Heergren gehalten und nicht an den Kämpfen beteiligt. Am Ende des Tunnels hatten sie dann die drei Gestalten gesehen. Zwei Feuerriesen lagen geschändet und tot auf dem Boden. Einer Frau war der Schädel derartig eingeschlagen, dass sich eine Delle in ihrem Gesicht gebildet hatte. Auch in ihrem Brustkorb zwischen ihren Brüsten war eine große Vertiefung zu sehen gewesen. Die zweite Leiche hatte ebenfalls einen eingeschlagenen Schädel. Die Nase des männlichen Feuerriesen war vollständig zerstört und ein Auge war zerplatzt. Was grauenvoller anzusehen gewesen war, war der Feuerriese, der aufrecht stand und mit beiden Fäusten gegen die blanke Felswand geschlagen hatte. An einer Hand standen die Finger gebrochen zu allen Seiten weg, doch die andere Hand war nur noch ein blutender Klumpen von Fleisch und Knochen. Kulde und Heergren hatten sich auf den Feuerriesen gestürzt, doch sie selbst war zurückgeblieben und hatte sich ängstlich umgeblickt. Sie hatte den Kampf aus der Ferne beobachtet und gesehen, dass der Feuerriese mit verkrampften Muskeln und wie ein Kind um sich schlug. Dann hatte ihn Kulde niedergemacht, dessen Morgenstern seinen Schädel geknackt hatte. Edda hatte aufgeschlossen und sprach gerade mit ihren Gefährten, die ihr aufmerksam zugehört hatten. Nur Kuldes kleine dunkle Augen starrten die toten Leiber schwachsinnig an und in seinem groben Gesicht mit dem langen, dunklen und schütterem Haar zuckete ab und ein an Gesichtsmuskel. Es war Heergren, der zu ihr sprach. „Die Skrälinge… hatten sie eine Krankheit? Gab es andere von ihnen, die sich nicht diesem Verhalten hingegeben haben?“ Edda erinnerte sich zurück an ihre Zeit in im Dschungel. Sie war damals durch die Hölle gegangen, doch sie hatte anscheinend die schlechten Erinnerungen im Laufe der Zeit verdrängt. Sie hatte lange nur an ihre erste Liebe gedacht. Jetzt und hier kamen die schrecklichen Bilder von damals wieder zum Vorschein. „Nein. Alle Skrälinge handeln so, wie ich es beschrieben habe. Ich habe es selbst gesehen und wäre fast von ihnen gefressen worden. Es liegt in ihrem Blute.“ Heergren nickte, spukte aus und murmelte eine Verwünschung. Edda fragte sich gerade, ob das die nachtzwergische Art war, Zuneigung zu zeigen. Dann hörte sie Neires Stimme. „Horcht her, Edda, Heergren und Kulde. Ich höre Stimmen und Schreie. Viele Stimmen. Sie kommen nicht näher und ich lausche ihnen seit einiger Zeit. Lasst mich vorgehen und folgt mir.“ Sie sah Neire in die Dunkelheit verschwinden. Sie wartete einige Zeit, dann folgte sie mit Heergren und Kulde. Sie schritten danach durch die Dunkelheit der Minenschächte. Dann sah sie das Licht im Tunnel vor ihr und sie erblickte die Szenerie. Durch den Gang hallte ein gewaltiges Gewirr von Stimmen. Da war ein gackerndes Lachen und ein brabbelndes Rufen; irres Bellen, wilde Brüllschreie, helles Schnauben und wehleidiges Stöhnen. Und ein Schlagen, wie von Hämmern. Kraft ihrer schattenmagischen Fähigkeiten konnte sie die gesamte Höhle überblicken, die sich kreisrund vor ihr auftat. Schienen führten aus verschiedenen Richtungen in die Kaverne, die vielleicht mehr als hundert Schritte im Durchmesser betrug und von dunklen Steinen bedeckt war. Das Licht, das die Höhle erhellte, kam von brennenden Schalen des porösen Ölgesteins. Diese Schalen waren chaotisch über den Boden verteilt. Der Gestank von Krankheit und von Fäulnis strömte ihr entgegen. Was sie dort sah, war das Epitom des Grauens, die Kakophonie des Verderbens. In der Höhle waren Feuerriesen eines jeden Alters. Sie sah eine Gestalt, die ihren Kopf mit aller Wucht und immer wieder gegen einen Felsen rammte. An einer anderen Stelle rissen zwei Feuerriesen die Gedärme einer Frau heraus und begannen sie schmatzend hinabzuwürgen. Eine heranwachsende Feuerriesin rammte gerade den bereits menschengroßen Leib eines Säuglings mit dem Kopf auf den Boden. Ein weiblicher und ein männlicher Feuerriese standen sich schwankend gegenüber und schlugen sich abwechselnd in ihre Gesichter, die bereits blutig und zerstört waren. Die Höhle war übersäht mit Leichen. In der Mitte sah Edda eine Vertiefung. Dort führten die Schienen der Loren aus verschieden Richtungen heran und dort erkannte sie eine Metallplatte, die wohl drehbar war. Sie versuchte sich ein Bild der lebenden Feuerriesen zu machten und zählte vierzehn männliche, 11 weibliche und 11 heranwachsende Feuerriesen. Gerade als Heergren und Kulde nach vorne stürzten, explodierte der Eingang in die Höhle in magmafarbenen Flammen. Im dem Feuer der Wand konnte sie schemenhaft die Umrisse Neires erkennen, der die Flamme des Chaos in seiner linken Hand trug. Die Riesen im Bereich der Wand begannen zu schreien und um sich zu schlagen. Sie schienen einem vollkommenem Wahnsinn zum Opfer gefallen sein, da sie keine Anstalten machten aus dem Feuer zu fliehen. Teilweise schlugen sie sogar gegenseitig auf sich ein, als wären sie blind vor Wut. Einige konnten sich kaum bewegen, vor anhaltenden Muskelkrämpfen. Vor ihr näherten sich Kulde und Heergren den Flammen. Kulde schien ausser sich zu sein und brüllte immer wieder. „Kulde will kämpfen. Kulde will töten.“ Edda sah, wie Neire weitere Flammen beschwor. Sie hörte die Gebete, die er zu Jiarlirae sprach und auch sie wollte helfen. Sie beschwor das invertierte Licht der Schattenblitze. Explosionen und krachende Blitzentladungen hörte sie hinter der Feuerwand. Sie beschwor ein weiteres Mal ihre Blitze. Dann kamen die Flammen plötzlich zum Erliegen und sie duckte sich in den Tunnel. Kulde und Heergren stürmten in die Höhle, wie von einem irren Blutrausch gepackt. Sie beobachtete das Geschehen aus der Ferne. Sie sah einen Feuerriesen, der sich Kulde entgegenstellte und den Leichnam eines heranwachsenden Feuerriesen nach ihm schleuderte. Doch Kulde hieb den Körper zur Seite und machte seinen Gegner nieder. Es folgte ein niederes Gemetzel. Hier und dort explodierten Feuerbälle aus Magma, die Neire warf. Gliedmaßen wurden zerfetzt und brennende Riesen liefen durch die Höhle. Dann wurden die Geräusche weniger und es waren nur noch die Siegesschreie von Kulde zu hören. Wie in einem totalen Blutrausch sah Edda den jungen Hügelriesen durch die Höhle stürmen. Zuletzt bemerkte sie, wie Heegren die Riesenfrau tötete, die gerade ihr eigenes Kind zerfleischte. Dann senkte Edda die Augen zu Boden. Sie sang leise den Choral Jiarliraes, den Neire ihr beigebracht hatte. Sie versuchte an ihren geliebten Neire zu denken, an die glücklichen Stunden, die sie gemeinsam verbracht hatten. Doch da waren die Bilder der Feuerriesen, die sie verfolgten. Die Bilder waren lebendig. Wie ein Parasit in ihrem Kopf, der die Harmonie von Flamme und Düsternis zerstören wollte.

Jenseher:
Über der Höhle von gewaltiger Größe lag ein abscheulicher Gestank. Es roch nach Krankheit, nach Fäkalien, Schweiß, Blut und verbrannter Haut. Vereinzelte Feuer kalter Flammen eines porösen Ölsteines brannten auf dem von schwarzem Geröll bedeckten Boden. Die kleinen Feuer der umgeworfenen Schalen warfen lange tanzende Schatten. Sie ließen das Grauen, das der Vielzahl von Leichnamen angetan wurde, nur erahnen. An einigen Stellen überragten größere Körper von Feuerriesen die Höhe des Gerölls. Anderswo waren im Licht des Feuers kleinere Leichen jüngerer Riesen zu sehen. Die Schädel der unseeligen Kreaturen waren teils eingeschlagen, die Gliedmaßen angefressen. Wundfäulnis war in verschiedenen Stadien zu erkennen. Kulde keuchte und zog die Luft ein. Die Umgebung um ihn herum nahm er kaum wahr. Er spürte auch nicht die Erschöpfung, so stark war der Rausch des Kampfes. Er wollte töten, er wollte den Ruhm der Schlacht für sich. Er fühlte sich stark. Es waren die furchtlosen, blutrünstigen Krieger seiner Rasse gewesen, die er als Kind bewundert hatte. Er hatte sich damals nie gefragt, wieso sie kämpften. Auch heute verstand er es nicht wirklich. Die Wut, die Gier und der Hunger trieben ihn an. Kulde blickte sich um und kniff seine kleinen schwarzen Augen zusammen. Er suchte nach Gegnern und stieß einen tiefen Brüllschrei aus. Dann bemerkte er die menschengroße Gestalt, die auf einen dunklen Vulkanstein geklettert war. Der Jüngling hatte seinen Mantel zurückgezogen und seine vollen, gold-blonden Locken kamen zum Vorschein. Kulde bemerkte zudem das Glitzern des Diamanten auf Neires Stirn, der von einer silbernen Krone getragen wurde. Berauscht vom Kampf und vom Sieg ging er auf seinen Anführer und besten Freund zu. Er hörte die Stimme Neires, die zischelnd und mit einem seltsamen schlangenartigen Singsang zu ihm sprach. „Ihr habt tapfer gekämpft Kulde.“ Kulde grunzte und streckte seinen Waffenarm mit dem Morgenstern in die Höhe. „Kulde Riesshen töten. Kulde grossher Krieger.“ Er machte dabei eine nickende Geste und wiederholte die Worte. Er sah wie Neire sich über den Körper eines Feuerriesensäuglings beugte, der bereits die Größe eines menschlichen Kindes hatte. Dann drehte sich Neire zu Edda und flüsterte ihr etwas zu. „Bei fast allen Feuerriesen ist Wundfäulnis zu sehen. Jedoch verschieden fortgeschritten. Ich kenne keine Krankheit, die solche Zustände hervorruft. Hat es vielleicht etwas mit dem Kragen der Träume zu tun?“ Kulde konnte den Sinn der Worte nicht verstehen. Noch bemerkte er die Furcht und den Ekel, die sich in Eddas schlankem Gesicht zeigten. „Ich weiß es nicht und ich will fort aus dieser Höhle. Im Tempel des Jensehers habe ich in einem Buch über den Kragen der Träume gelesen. Doch ich kann mich nicht an irgendwelche Krankheiten erinnern.“ Kulde verstand auch diese Worte nicht, obwohl Edda nicht flüsterte. Er spürte, wie sein Blutrausch nachlies und ihm langweilig wurde. „Kulde will kämpfen. Riesshen töten, Kulde will.“ Grunzte er und unterbrach den Propheten, der gerade anfangen wollte zu sprechen. „Ihr wollt kämpfen Kulde? Ihr werdet kämpfen. Noch tragt ihr nicht euren Namen, wie Gruschuk, der Grausame.“ Kulde schmatzte und verzog sein Gesicht. „Wahh… Gruschuk sshwach. Kulde sshtärker.“ Er sah Neire nicken und lächeln. Es gab ihm Selbstvertrauen und Mut. Jetzt war auch Heergren an sie herangetreten. Die weiße Haut des glatzköpfigen Zwergen schimmerte von Schweiß und war von bläulichen Venen durchzogen. Er hatte seine Axt in den Gürtel gesteckt und säuberte seinen langen geflochtenen Bart von Blutspritzern des Kampfes. „Ehrt ihr nicht eure Altvorderen, Riese? Mehren sie nicht den ewig währenden Tatenruhm eurer Sippe?“ Kulde versuchte das gesagte zu verstehen, doch bevor er antworten konnte, sprach Neire. „Wer waren diese Krieger Kulde? Wer war euer Vater?“ Erinnerungen an Schmerzen, Blut und Feuer kamen hoch in ihm. Erinnerungen, die er fast verdrängt hatte. „Vater von Kulde issht Nomrussh. Vater tot, Nomrussh sshwach. Jessht kein Krieger mehr sshein, kein Kampf mehr.“ Er sah Neire respektvoll nicken. „Nomrus war euer Vater und ihr seid auf dem Weg ein Anführer zu werden. Jetzt wird mir klar, woher ihr eure Stärke habt.“ Wieder grunzte Kulde und spannte seine Muskeln zur Schau. Dann sprach Edda zu ihm. „Wenn ihr euch einen Namen aussuchen dürftet, wie würdet ihr euch denn nennen?“ Als er die Worte langsam verstand, begann er zu grübeln. Kulde dachte und dachte, doch da war nichts. Dann blickte er sich um und sah die eingeschlagenen Köpfe auf dem Boden liegen. Er dachte daran, wie er dem Feuerriesen den Schädel eingeschlagen hatte. Jetzt grollte seine Stimme. „Kulde will mehr, wo sshind sshie. Kulde grossher Krieger. Name issht Kulde Kopfsshampfa.“ Seine Stimme schwoll zu einem hasserfüllten Schrei an. Er würde töten und sich nehmen, was er wollte. Sie würden ihn fürchten, denn er war Kulde Kopfstampfer.

Sie hatten danach die Tunnel der Mine erkundet, die aus der Höhle des Grauens hinfortführten. Neire war vorrausgeschlichen und Heergren hatte sich um Kulde gekümmert, den er immer wieder hatte zurückhalten müssen. Der junge Riese war voll von Kampfeswut gewesen und wäre am liebsten durch die Gänge gestürmt. Am Ende eines Tunnels hatten sie eine von Ruß bedeckte Höhle entdeckt, aus der gelbliches Licht geströmt sowie ein Blubbern und Plätschern zu hören gewesen war. In der wärmeren Luft hatten sich Schmiedenischen aufgetan, in denen hellgelbes Magma floss. Sie hatten den Worten von Heergren Nuregrum gelauscht, der die Kunst seines Volkes angepriesen und die Kanalisierung des flüssigen Steines bewundert hatte. Dann hatten sie den Ort wieder verlassen. Sie waren danach durch eine Reihe alter Schächte und Abraumkammern gelangt. Hier und dort waren Bergkristalle abgebaut worden, doch sie hatten nur leere und lange verlassen Hallen vorgefunden. Mehrfach waren sie in die Höhle des Grauens zurückgekehrt. Einer der letzten Tunnel hatte sie dann lange durch die Dunkelheit geführt. Der mehr als fünf Schritt hohe und breite Tunnel war hinab gegangen und die Temperatur war kühler geworden. Neire war wieder vorangeschlichen und er hatte keine Geräusche hören können. Er hatte aber mehrere abzweigende Gänge gefunden, die in Kammern aus schwarzem Vulkangestein geendet waren. Der Jüngling hatte nicht sagen können, von wem diese Kammern wohl errichtet worden waren. Sie schienen jedoch ins Leere geschlagen. Keine Spuren von Bodenschätzen waren dort zu sehen gewesen. Edda hatte zudem immer wieder nach Spuren gesucht und gesehen, dass die Feuerriesen hier gewesen waren. Die Spuren waren jedoch größtenteils ziellos und wirr gewesen. Dann hatte Neire eine Höhle entdeckt, die sich von den zuvor Entdeckten unterschied. Er hatte auf seine Mitstreiter gewartet und gemeinsam hatten sie in die Höhle geblickt. Neire zeigte gerade auf die Mitte der Vulkankaverne. Dort ragte, wie in einer geschlagenen Mulde, ein Podest auf, das ein fünfeck darstellte. Das Podest war aus dem Stein gemeißelt und Neire bemerkte dort ein Schimmern. Leise flüsterte er, während er sich nach vorn bewegte. „Ich werde mir das einmal anschauen. Sucht nach Spuren Edda.“ Neire wartete nicht auf die Antwort seiner Geliebten und bewegte sich Schritt für Schritt durch die Dunkelheit. Er tastete nach Fallen und hielt nach alten Flüchen ausschau, konnte aber keine Gefahr feststellen. Er sah, dass das Podest einen inneren Bereich besaß, der aus einem dunkleren Gestein gefertigt war. Auch der innere Stein besaß die Form eines Fünfecks. Auf äußerem Ring und innerem Kreis lagen sich jeweils fünf silbern-glänzende Runen gegenüber. Neire konzentrierte sich und konnte die Runen als uralte menschliche Schrift deuten. Er entzifferte auf dem äußeren Ring: Hitze, Wissen, Leben, Fels und Zeit. Auf dem inneren Ring stand: Ignoranz, Vergängnis, Fleisch, Stille und Kälte. Er begann auch den Ring nach Fallen zu untersuchen, doch auch hier konnte er nichts vorstellen. Dann hörte er die Stimme von Edda hinter sich. Sie war inzwischen an ihn herangetreten und er konnte ihre Anspannung hören. „Es führen viele Spuren in diese Kammer und weniger hinaus. Jene, welche hineinführen sehen geradlinig aus. Andere, die hinausführen, sind ziellos und wirr.“ Neire nickte und erzählte Edda von den Runen. Dann begann er zu murmeln. Als er den Spruch beendete, konnte er gleißende Magie durch den Sockel fließen sehen. Es war die mächtigste Form, die er jemals entdeckt hatte. Sie war aus der schwarzen Schule der Beschwörung, doch er konnte auch die gewobenen Fäden von Zeit- und Dimensionsmagie erkennen. „Ich sehe mächtige Magie Edda. So mächtig, wie ich sie zuvor noch nicht gesehen habe. Beschwörung und Spuren von Zeit- und Dimensionsmagie. Doch wieso diese Runen?“ Edda trat jetzt zu ihm heran und nahm seine linke Hand in die ihre. Neire spürte, dass sie zitterte. Sie bewegte ihre roten Lippen kaum, als sie sprach. „Erinnert ihr euch? Die alten Schriften der Nachtzwerge. Sie sprachen von philosophischen Studien der Dualität. Sind es nicht Gegenteile, die hier aufgelistet sind?“ Neire lachte leise auf, nahm Edda in den Arm und gab ihr einen Kuss. Dann drehte er sich zu Heergren um, der noch nicht nähergekommen war. „Heergren! Kommt und helft uns“, zischelte Neire in die Dunkelheit. Der Nachtzwerg kam näher und gemeinsam begannen sie die innere Platte nach unten zu drücken. Edda war zurückgetreten und betrachtete sie aus gebührendem Abstand. Dann begannen sie das Fünfeck zu drehen, bis sich die alten Runen des Dualismus gegenüberstanden. Erst dann ließen sie von der Platte ab, so dass diese langsam wieder nach oben stieg. Augenblicklich bemerkten sie die geräuschlose Änderung. Das schwarze Material begann porös zu werden und schälte sich ins Innere ab. Schwarzer Stein rieselte wie Staub in eine dunkle Tiefe darunter. Die innere Scheibe begann sich gänzlich aufzulösen. Neire beugte sich vor und blickte hinab. Dort führte ein breiter Tunnel senkrecht in die Tiefe. Die Wände glänzten matt und waren wulstig, wie Ausbeulungen von Polypen, wie fleischige Verwucherungen. Kein Geruch kam aus der Tiefe. Auch war keine Bewegung zu erkennen. Eine zeitlang standen sie dort und betrachten das seltsame Konstrukt. Dann drehte sich Neire zu Heergren und Kulde um.

Neire schlich sich durch den riesigen Tunnel. Der Fels war grau, von einem anderen Gestein als die Mine von Sverundwiel. Die Luft flimmerte, gefüllt von Veränderungsmagie. Dank seines zuvor gewirkten Spruches konnte er die Spuren deutlich erkennen. Er erinerte sich zurück an ihren Abstieg. Auf den Vorschlag von Heergren war Kulde mutig vorangegangen und hinabgeklettert. Die fleischigen Auswüchse waren wie ein elastischer Wulst gewesen und so hatte sich der junge Hügelriese festhalten können. Neire, Edda und Heergren waren ihm gefolgt. Dann war Kulde plötzlich unter ihm verschwunden. Neire war weitergeklettert und hatte eine Scheibe der Schwärze unter ihm gesehen, die den Schacht ausfüllte. Sein Gefühl hatte ihm gesagt, dass dies ein Portal sein musste. Ein Portal, das aber wahrscheinlich nicht in eine andere Welt führte. Vielleicht war es ein Tor, das nur an einen anderen Ort in Euborea führte. Neire war Kulde gefolgt und hatte nur die kühlere Luft gespürt, die auf dern anderen Seite herrschte. Irgendwann hatte sich der Schacht in eine Höhle geöffnet, die fünf Schritte unter ihnen lag. Kulde, der bei seinem Abstieg noch mit „Kulde kann klettern, Kulde kann kämpfen, Kulde kann alles“ getönt hatte, war plötzlich gestrauchelt. Seine Füße waren ins Leere gebaumelt und er hatte gewimmert „Kulde dunkel, Kulde nisshts sshehen“. Neire hatte ihn angewiesen weiter hinabzuklettern, bis er keinen Halt mehr fühlte und sich dann fallenzulassen. Das hatte Hügelriese dann schnaufend und ächzend getan. Kulde war mit einem tiefen Stampfen auf den Boden geprallt und hatte fast sein Gleichgewicht verloren. Nachdem er sie alle aus dem Tunnel hinabgehoben hatte, hatte sich Neire mit den Worten: „Jiarlirae ist mit uns“ verabschiedet. Nun hörte er die Stimmen aus der Ferne, die dumpf und mächtig grollten. Es hörte sich an, als ob ein Riese sich in eine Wutrede steigern würde. Aus dieser Richtung des Schachtes vernahm Neire zudem ein entfernt flackerndes Licht. Für einen Augenblick hielt er ein und lauschte der Rede. Doch er konnte keine einzelnden Worte vernehmen. Gerade, als er wieder weiterschleichen wollte, bemerkte er das Gesicht des alten Mannes, das dort in der Wand auftauchte und ihn betrachtete. Nur aus dem Augenwinkeln sah er den Blick. Schon während er sich drehte verschwand das Gesicht. Neire überkam das Gefühl von Panik. Da waren nur noch die Spuren der Veränderungsmagie. Er konzentrierte sich und folgte seinen Instinkten. Er war sich sicher, er wurde beobachtet. Das Gesicht hatte ihn bemerkt, obwohl er seine Schattenrobe trug.

Jenseher:
Das Gesicht des alten Mannes hatte sich in Neires Geist gebrannt. Er zitterte und blickte sich immer wieder um. Kraft seiner zuvor gewirkten schwarzen Kunst konnte er die Strömungen von Magie erblicken, die hier überall waren. Er konnte Nuancen der Schulen Veränderung, Beschwörung und Zeit erkennen. Fast mechanisch setzte er seine Bewegung fort. Er schlich vollkommen lautlos und war zudem durch seinen Schattenmantel getarnt. Wie konnte er hier bemerkt werden? Die Luft um ihn herum war feucht und roch nach Stein. Der riesige Tunnel schien natürlich zu sein, wie ein Teil einer Ausschwemmung. In weiter Ferne sah er den Lichtschimmer, dem er sich stetig näherte. Irgendwann konnte er einzelne Wörter der sonoren Stimme verstehen, die dort sprach. „Feigling“, „Schwächling“, „schweigt, verdammt…“, waren einzelne Wortfetzen. Dann kam es Neire vor, als würde die Decke über ihm zusammenbrechen. Er versuchte langsam Luft zu hohlen und nicht in Panik zu verfallen. Er dachte zurück an die Abenteuer, die er mit Halbohr, Bargh und Zussa erlebt hatte. Das Gefühl änderte sich, je näher er an das Licht kam. Dann spürte er den bohrenden Blick hinter sich. Neire fuhr herum, doch er sah nichts. Als er sich wieder dem Licht zuwendete, bemerkte er vor sich die Gestalt im Stein. Es war ein graues, gepeinigtes Abbild von ihm selbst. Doch das Wesen war zur Hälfte im Stein versunken. Es war, als ob er sich selbst in einer fernen Zukunft betrachtete. Er war dort als schwacher, schmerzleidender Greis zu sehen. Neire kniff die Augen zusammen, aber das Bild wollte nicht weichen. Dann fokussierte er sich auf das Zeichen seiner Göttin. Er sah die Rune von Feuer und Dunkelheit im Herzen der Irrlingsspitze. Das Bild gab ihm eine innere Ruhe. Als er ausatmete, war der gepeinigte alte Neire verschwunden – der Gang war leer, wie zuvor.

Vor ihm öffnete sich der Tunnel in eine Höhle. Von hier war das Licht gekommen, das Neire schon seit geraumer Zeit bemerkt hatte. Von hier kamen auch die Geräusche. Der Jüngling kniff seine Augen zusammen und starrte in das Licht kalter Ölfackelflammen, die in Abständen an den Wänden befestigt waren. Die Kaverne war fast kreisrund und von kolossalem Ausmaß. Bis zur anderen Seite waren es vielleicht dreihundert Schritte. Auch die Decke wölbte sich zum Inneren in große Höhen. Zur Mitte hin war der Boden der Halle abschüssig, so wie in einem gewaltigen Wasserbecken, das jetzt ausgetrocknet war. Neires Aufmerksamkeit war von dem Anblick gefesselt, den er an einem der beiden Ausgänge auf der rechten Seite beobachtete. Dort hatten sich sechs Kreaturen versammelt, von denen zwei eine dritte auf den Boden drückten. Der Riese, der niedergerungen worden war, hatte einen roten Vollbart und eine Glatze. Narben waren über sein gesamtes Gesicht verteilt, das jetzt die Spuren von Fausthieben offenbarte. Der Feuerriese war muskulös, von aschgrauer Haut und trug eine Kettenweste aus glänzendem Stahl. Die anderen Riesen waren nicht so muskulös, doch nicht weniger furchteinflößend. Ein Riese mit feuerrotem langem Haar und von schmalerer Statur, war von der Gruppe weggetreten. Er atmete, wie auch die anderen, tief. Neire sah, dass er ein zweihändiges Schwert in seiner Hand hielt, dessen Klinge bestimmt sechs Schritt lang war. Der Riese starrte auf die Waffe, als würde er sein Spiegelbild in dem schwarzen Stahl erblicken wollen. Doch bereits aus der Entfernung bemerkte Neire die matte lichtschluckende Konsistenz der Schneide. War das die Flamme von Thiangjord, die legendäre Klinge, die im Feuer des gleichnamigen Lindwurms geboren wurde? Neire schreckte hoch und verdrängte die Gedanken an Königin Huldas Geschichte. Er hörte den barschen Befehl des Riesen mit dem Schwert: „Hurolk, schafft ihn weg! Bringt ihn in die Höhle. Wir werden ihn nachher töten.“ Als die Feuerriesen dem Befehl Folge leisteten und den schlaffen, mit Blessuren bedeckten Körper des ohnmächtigen Kriegers hochwuchteten, schwante Neire die Situation. Es ist Jarl Eldenbarrer, der von seinen Anhängern niedergeschlagen wurde. Einer hat sich seines Schwertes bemächtigt und will seine Rolle als Jarl übernehmen, dachte Neire. Er horchte hastig in den Tunnel hinter sich, doch die folgenden Schritte seiner Kameraden waren weit entfernt. Er musste handeln, um Schlimmeres zu verhindern. Er erinnerte sich an sein Versprechen, was er Königin Hulda gegeben hatte. Er musste Jarl Eldenbarrer lebend zur Königin bringen. Neire griff in seine Tasche und ließ den Ring aus Kristall über seinen rechten Finger gleiten. Er drehte den Ring und konzentrierte sich. Dann begann er lautlos zu schweben. Er näherte sich dem Riesen mit dem roten langen Haar, der ihm den Rücken zugewendet hatte. Neire kam hinter der Kreatur zum Halt, die er nun auf Augenhöhe betrachten konnte. Er nahm seinen gesamten Mut zusammen und begann zu sprechen. Zischelnd hell und voll eines fremden Singsanges war seine Stimme. „Ihr dort, schaut nicht in das schwarze Schwert, horcht her!“ Der schwere Kopf begann sich augenblicklich zu drehen und Neire konnte in das Gesicht blicken. Er bemerkte aufgeplatzte Adern in den Augen der Gestalt, eine deutliche Übermüdung, als ob sie Tage nicht geschlafen hätte. Der Riese starrte durch ihn hindurch, legte zuerst sein Gesicht in Falten, fing dann aber verrückt an zu lächeln und drehte sich wieder um. Neire schwebte auf die andere Seite. Es kostete all seine Überwindung und er dachte an seine Göttin. Dann zog er seinen Schattenmantel zurück und erschien aus dem Nichts. Engelsgleich schimmerten seine gold-blonden Locken im kalten Licht und seine blasse Haut hatte einen übernatürlichen Glanz. Leuchtende Sterne glitzerten auf seiner schwarzen Erzmagierrobe. Neire versuchte laut und sicher zu klingen, seine Stimme zitterte aber vor Furcht. „Horchet her und lauschet meinen Worten. Ich bin gekommen den zu suchen, der sich Jarl Eldenbarrer nennt, Träger der schwarzen Klinge, der Flamme von Thiangjord.“ Jetzt weiteten sich die Augen der kolossalen Kreatur. Der Riese öffnete den Mund und ließ den schwarzen Zweihänder sinken. Dann vernahm Neire gestotterte Worte. „Welche List… nicht schon wieder… seid ihr echt?“ Der Riese kam näher und versuchte nach ihm zu greifen. Neire schrie auf und erhob den Zeigefinger seiner linken, verbrannten Hand. „Halt, keinen Schritt näher. Ich bin gekommen als euer Freund. Ich bin gekommen euch zu erretten von diesem Ort.“ Die Welt um Neire verwandelte sich in ein Meer aus Purpur. Da war der stechende Schmerz, als er die Linsen des Jenseher benutzte. Er konnte aber nicht in den Geist der Gestalt vordringen. Da war etwas, wie eine Barriere. Alles schimmerte in Karmesinrot, nur das schwarze Schwert war dunkel in seiner Vision. „Hauk kommt her und schaut euch das an“, rief der Riese jetzt. Die Gestalt, die aus dem Tunnel erschien, war der älteste der Riesen. Er hatte graues, langes Haar, Zahnlücken, keinen Bart und wenige Narben. Wie auch bei dem Riesen mit dem Schwert konnte Neire die Übermüdung erkennen. Außerdem schien der ältere Riese ausgemergelt, als ob er viel Gewicht verloren hätte. „Ja, ich sehe ihn. Ein Menschlein. Was hat es hier verloren? Es sitzt wie wir hier fest, in der verfluchten Falle.“ Neire versuchte die Augen des Jensehers einzusetzen, doch auch Hauk widersetzte sich seinem Versuch. „Wer seid ihr, wenn ihr echt seid?“ sagte der Riese mit dem Schwert, während er Neire weiterhin ungläubig musterte. Bevor Neire antworten konnte war ein dritter Riese aus dem Tunnel aufgetaucht, der auf die schnelle Frage Hauks – Furgrar, könnt ihr ihn sehen? – nickend antwortete. Neire Kopf schmerzte bereits, doch er setzte die Augen ein weiteres Mal ein. Furgrar, ein junger Feuerriesenkrieger mit kurz geschorenem braunem Haar, einem muskulösen Körper und einem eingefallenen Gesicht lächelte Neire zu. „Ich bin Neire von Nebelheim, der Prophet von Jiarlirae, der Göttin von Feuer und Schatten. Ich bin hier um Jarl Eldenbarrer zu Königin Hulda von Isenbuk zu bringen. König Dunrok von Isenbuk ist tot und die Königin sucht einen neuen König.“

Sie hatten sich danach einige Zeit unterhalten. Die Feuerriesen waren Neire gegenüber nicht feindselig gewesen und insbesondere Furgrar hatte ihm sein Vertrauen ausgesprochen. Dann hatte Neire von seinen Freunden erzählt, die er an diesen Ort mitgebracht hatte. Als Kulde, Edda und Heergren schließlich erschienen waren, hatte Neire sie vorgestellt. Insbesondere Kulde war von den Riesen angefeindet worden. Sie hatten den jungen Riesen als Abschaum aus den Hügeln bezeichnet und als den aus Schlamm Gezeugten beschimpft. Glücklicherweise hatte Kulde die Sprache der Feuerriesen nicht verstanden und Neire hatte die Situation wieder beruhigen können. Neire hatte darauf verwiesen, dass Kulde Kopfstampfer dem großen Anführer Meister Halbohr dienen würde. Die Riesen hatten wahrlich schon von Meister Halbohr gehört und von seinen Anhängern, denen ein Ohr abgeschnitten wurde. Der Riese mit dem schwarzen Schwert hatte sich dann als Gramraug vorgestellt, hatte aber das Wort an Hauk übergeben. Der ältere Riese hatte von der Eroberung der Eisenfeste Sverundwiel berichtet, wobei er versucht hatte Jarl Eldenbarrer, wo immer es ging, als lächerlich und inkompetent darzustellen. Seine Worte waren laut und scharf gewesen:

Hauk, der Feuerriese: „Die Königin sucht den glorreichen Jarl Eldenbarrer, der die Eisenfeste Sverundwiel erobert hat? Hahaha… Einen Teufel hat er getan. Hat uns ins Verderben geführt dieser Eldenbarrer. Eine tapfere Leistung hat uns dieser Jarl eingebracht… hahaha. Die Feste war leer, als wir ankamen. Kein ruhmreicher Kampf, keine Schätze. Noch viel schlimmer, wir durchstreiften die Minen und fanden diesen Stein, den die Nachtzwerge freigelegt hatten. Nach einigen Versuchen öffneten wir den Tunnel durch diesen seltsamen Darm. Wir stiegen hinab, wir alle. Wir stiegen hinab auf Jarl Eldenbarrers Befehl… Jawohl! Verdammt nochmal. Dann irrten wir durch die Hallen. Wir irrten in unser Verderben. Der Weg zurück ist verschwunden und hier gibt es keinen Ausgang. Nur die drei Höhlen, die sich an diese Halle anschließen und einen Tunnel der wieder hierhin führt… ja, es war zum verrückt werden. Gingen wir durch diesen Tunnel, brachte er uns zurück in diese Halle. Hexerei, schwarze Kunst, sage ich euch. Gut, dass es in diesem Tunnel eine Wasserstelle gab. Sonst wären wir schon längst verdurstet. Dann wurden unsere Vorräte weniger. Und es kamen die Visionen. Bei einem fing es an. Hat seltsame Dinge gebrabbelt. Hat erzählt, wie der Stein ihn verbrennen würde… verbrennen… einen unserer Rasse, dieser Schwächling. Es wurde schlimmer. Erst kaute er auf seinem Finger und dann hat ihn abgebissen und runtergewürgt. Wenn ihr mich fragt, es war in seinen Augen. Dieser Wahnsinn. Irgendwann ist er in einen Tunnel gewandert und wurde nicht mehr gesehen. Einfach so verschwunden. Dann fing es auch bei anderen an. Sie kratzten über den Stein, bis ihre Hände blutig waren, sich ihre Fingernägel abgelöst hatten. Neben einer jungen Feuerriesin öffnete sich auf einmal der Boden und sie wurde von der Dunkelheit geschluckt – war einfach fort. Was hat der große Jarl, Eroberer der Eisenfeste Sverundwiel getan, frage ich euch? Nichts hat er getan. Nichts ist zu wenig für den Ruhm und die Ehre eines Jarls unseres Blutes und deswegen muss er sterben.“

~

Neire kniete vor dem Kopf des bewusstlosen Jarls, der damit seine Höhe hatte. Er musste den Jarl Eldenbarrer wecken und mit ihm sprechen. Es war einiges geschehen, seit sie das Gespräch mit den Riesen Gramraug, Hauk, Furgrar und Hurolk beendet hatten. Neire hatte mit dem neuen Anführer Gramraug vereinbart, dass sie die Höhlen durchsuchen und einen Ausgang finden wollten. Der Anführer hatte resignierend zugestimmt, aber spottend gelächelt. In einer Höhle hatten sie dann den bewusstlosen Jarl Eldenbarrer gefunden, der von dem Riesen Wulfrug bewacht wurde. Neire hatte die Augen des Jenseher auch bei Wulfrug angewendet und war in seinen Geist vorgedrungen. Danach hatten sie die Höhlen durchsucht und Hauk und Furgrar hatten sie begleitet. Edda hatte an einer Wand einen sehr alten Buchstaben in der Sprache der Nachtzwerge gefunden, der mit einem Stein dort hineingeritzt war. In der zweiten Höhle hatten sie den Geruch von verfaultem Fleisch und Verwesung vernommen. Dort waren in einer Ausbuchtung blutige, abgeschälte Knochen zu sehen gewesen, die auf einem Haufen lagen. An einer anderen Stelle der Höhle lagen Bretter von Kisten, Messer sowie Haut und Sehnenfetzen. Die Riesen hatten hier anscheinend ihre Sippschaft geschlachtet, um sie dann zu verzehren. Heergren hatte sich mit Abscheu abgewendet und etwas von „lieber ehrenhaft sterben, als so zu Grunde gehen“ geflüstert, doch Neire hatte ihn zur Stille ermahnt. In der anderen Höhle hatten sie keine Besonderheiten gefunden. Dann waren sie in den Tunnel gelangt, von dem Hauk ihnen erzählt hatte. Sie hatten auch die Wasserstelle gefunden, die sich im Tunnel befand. Das Rauschen war schon von weitem zu hören gewesen. Mehrere Rinnsale hatten einen kleinen, länglichen See auf der linken Seite des Tunnels gespeist. Das Wasser war klar und tief gewesen und der See war fünf Schritt breit und dreimal so lang. Sie waren dem Tunnel gefolgt und tatsächlich wieder in die riesige Höhle zurückgekehrt. Dann war Neire die Idee gekommen mit großen Fässern Wasser zu schöpfen und es in die trockene Mulde der Höhle zu bringen. Er hatte von der Dualität von Hitze und Kälte, von Wasser und Luft gesprochen. Als sie mit den Fässern in den Tunnel zurückgekehrt waren und Wasser geschöpft hatten, war Neire aufgefallen, dass der Wasserstand nicht abgesunken war. Edda hatte daraufhin nach Zaubern gesucht und über dem kristallklaren Wasser mächtige Magie der allgemeinen Schule entdeckt. Danach hatte Neire seinen Rucksack abgelegt und war in die Fluten hinabgetaucht. Er war für Edda plötzlich verschwunden, doch als Neire wieder aufgetaucht war, hatte er auch seine Mitstreiter nicht mehr gesehen. Er hatte sich in einem ähnlichen Tunnel befunden und in der Ferne hatte er mehrere Leichname von Riesen gesehen. Dann war Neire wieder untergetaucht und nach einem nach einem nochmaligen Auftauchen zu seinen Mitstreitern zurückgekehrt. Er hatte ihnen von dem Weg auf die andere Seite erzählt und sie waren zu Gramraug zurückgekehrt. Sie hatten eine Weile über ihr weiteres Vorgehen beraten und Neire hatte darauf beharrt Jarl Eldenbarrer mitzunehmen. Das hatte Gramraug verneint und vorgeschlagen er selbst könne als Jarl Gramraug um die Hand von Königin Hulda anhalten. Neire hatte als Urteil von Jiarlirae einen Zweikampf vorgeschlagen und Gramraug hatte direkt eingewilligt. Der Riese hatte sich sogar bereits als König Gramraug bezeichnet und die Flamme von Thiangjord erhoben. Jedoch hatte Neire Zeit für die Vorbereitung von Jarl Eldenbarrer verlangt. Gramraug hatte eingewilligt, hatte aber als Aufpasser Hauk mitgeschickt. Jetzt sprach Neire zu der bewusstlosen Gestalt: „Jarl Eldenbarrer, wacht auf und hört her.“ Der Anführer der Feuerriesen reagierte nicht. Neire gab ihm kleine Ohrfeigen. Er sah, dass Eldenbarrer Blutsabber hustete und dann die großen, fast schwarzen Augen aufschlug. Neire spürte den Luftstrom gewaltiger Lungen. „Ich bin Neire von Nebelheim, Prophet von Jiarlirae und ich werde euch hier herausführen, Jarl Eldenbarrer. Königin Hulda von Isenbuk hat mich geschickt, denn ihr König Dunrok ist tot. Sie sucht einen Nachfolger und sie hat euch auserkoren.“ Eldenbarrer prustete und richtete sich langsam auf. Seine Augen betrachteten den Jüngling mit klarem Verstand. „Königin Hulda? Sie hat selber geherrscht und nicht König Dunrok, dieser fette, träge Bastard. Ich werde kein solcher König sein. Ich werde selbst herrschen.“ Neire nickte und die Welt um ihn herum verwandelte sich wieder in Purpur. Er drang in den Geist von Eldenbarrer ein und spürte keinen Widerstand. „Ich bin als Freund gekommen und habe Königin Hulda mein Wort gegeben. Es ist mir egal, wer herrschen wird, ihr oder Hulda. Ihr müsst mir nur versprechen, dass ihr eure Seele der Göttin von Flamme und Düsternis, meiner Herrin des aufsteigenden Chaos des Abgrundes, Jiarlirae, versprecht. Werdet ihr der Göttin dienen Jarl?“ Eldenbarrer grummelte und sprach. „Wenn ihr mich hier hinausbringen könnt, werde ich ihr gerne dienen. Ich vertraue euch, Menschlein.“ Neire nickte und legte grübelnd seine Stirn in Falten. „Es ist Gramraug, mein Jarl. Er hat euer Schwert und er hat euch zum Zweikampf herausgefordert. Ihr müsst kämpfen, doch ihr sollt den Segen unserer Göttin haben.“ Jetzt stieß Eldenbarrer einen dumpfen Schrei aus. „Was? Dieser Wurm, mein Schwert? Diese Anmaßung. Dafür werde ich ihn langsam sterben lassen. Ich werde ihm ganz gemächlich seine Haut vom Schädel ziehen.“ Neire nickte und winkte Kulde heran, der Jarl Eldenbarrer einen riesigen Zweihänder überreichte, der an einigen Stellen bereits Rost auf der Klinge angesetzt hatte. „Nehmt diese Waffe, Jarl Eldenbarrer. Neigt euren Kopf hernieder und empfanget den Segen von Jiarlirae. Sie wird euch den Sieg im Kampf bringen, mächtiger Jarl. Doch ihr müsst ein zweites Mal beschwören, dass ihr ihr freudig dienen wollt.“ Neire förderte bereits das flüssige Quecksilber hervor, das auf seiner verbrannten Hand dampfte. Der Jarl beugte seinen vernarbten, haarlosen Kopf und murmelte. „Ja, so soll es sein. Gebt mir den Segen eurer Göttin.“ Neire nickte und strich die Rune auf die Stirn des Jarls. Das Quecksilber brannte sich in die graue Haut. Es war seine Rune die er zeichnete. Es war die Dualität von Flamme und Düsternis und sie brannte sich in die Haut von Eldenbarrer. Dann kanalisierte er die Kraft seiner Herrin und die Wunden von Jarl Eldenbarrer schlossen sich.

Jenseher:
Edda von Hohenborn kam sich vor wie ein kleines Insekt. Die Höhle war so groß, dass sie nur die durch die Brennschalen erhellten Bereiche sah. Lichter flackerten in bleichen Ölflammen, die aus dem porösen Gestein aufstiegen. Die junge Schattenmagierin hielt sich hinter Neire und schaute hinauf in die grimmigen Gesichter der Feuerriesen. Sie sah ermüdete Antlitze mit geröteten Augen, die gehetzte Blicke in die Schatten warfen. Edda befürchtete, dass die Riesen sie übersehen und zertrampeln würden. Nach ihrer kurzen Rast hatten sie vor der Höhle Rufe gehört und waren herausgetreten. Sie hatten dort den Herausforderer Gramraug gesehen, der den Jarl Eldenbarrer zum Kampf beschworen hatte. Wieder und wieder hatte Graumraug nach Eldenbarrer verlangt, bis der der Jarl schließlich hervorgetreten war. Jetzt hielt der jüngere Riese das gestohlene Schwert, die Flamme von Thiangjord, hoch und brüllte einen Kriegsschrei. In seinen Augen bemerkte Edda jedoch Zweifel, als er flüchtig Jarl Eldenbarrer betrachtete. Oder war es die Feigheit, mit der er seinen, aus Neid getriebenen Verrat durchgeführt hatte. Gramraug strich sich seine langen roten Haare zurück, die ihm bis auf die Schultern fielen. Er warte darauf, dass ihm der verhasste Gegner entgegentrat. Jarl Eldenbarrer war im Vergleich zu Graumraug ruhig. Er musterte seinen Gegner kalt und berechnend. Eldenbarrer war viel muskulöser als Graumraug, hatte einen haarlosen Schädel voller Narben, einen roten Vollbart und kürzlich verheilte Wunden der Schlägerei. Bevor sich Eldenbarrer Gramraug stellte, beugte er sich tief zu Neire hinab. Edda konnte den kolossalen Kopf des Riesens aus der Nähe betrachten. Neire flüsterte Eldenbarrer Worte ins Ohr. „Ihr müsst es ein drittes Mal sagen Jarl Eldenbarrer. Nur so kann euch der Segen meiner Göttin zuteilwerden.“ Der Feuerriese nickte und sprach mit klarer, bestimmter Stimme. „Ich werde Jiarlirae dienen, wenn ihr mich hier herausbringt. Ich verspreche ihr meine Seele und ich werde diesen Kampf gewinnen.“ Edda hörte die Zustimmung von Neire; dann vernahm sie die gemurmelten Gebete des Jünglings. Sie spürte die Macht der Fürbitten, die auch ihr Zuversicht gaben. Eldenbarrer trat auf Gramraug zu. Die Stimmen der Feuerriesen klangen ab. Hauk, Furgrar, Wulfrug und Hurolk hatten einen Kreis gebildet. Kulde Kopfstampfer hingegen saß auf dem Boden und schaute zu. Ein vorfreudiges, niederträchtiges und debiles Grinsen hatte sich auf dem von einem Unterbiss geprägten Gesicht von Kulde breitgemacht. Dann stürmte Gramraug auf Eldenbarrer zu. Dreimal schwang er das schwarze Schwert zum Angriff. Der Zauber Jiarliraes war stark und Eldenbarrer wehrte die Klinge zweimal ab. Beim dritten Streich sprang er zu Seite. Dann ging der kampferprobte Jarl in den Gegenangriff über. Das rostige Schwert stieß tief in die Brust und Gramraug taumelte. In den Augen des jungen Feuerriesen war plötzlich eine Ungläubigkeit, die ihn zum Zögern brachte. Es war dieser Augenblick, der Gramraug sein Leben kostete. Der zweite Angriff kam von schräg oben, zerstörte den Schienenpanzer des Abtrünnigen und schälte die Haut vom Bein. Bis auf den Knochen dang das riesige Schwert Eldenbarrers, bis es einen Teil des Fußes abhackte. Blut spritzte auf und die Augen von Gramraug verklärten sich, als er auf seine Kniee sank und starb. Eldenbarrer baute sich über ihm auf und stieß ihm das Schwert durch den Kopf und den Leib hindurch, bis in den Boden hinein. Es blieb dort stecken und fesselte Gramraug in seinem Kniefall im Tode. Die vier verbliebenen Riesen jubelten Eldenbarrer zu. „Heil Eldenbarrer, Heil unserem Jarl.“ Als der Chor aufhörte setzte Hauk zu ehrfurchtsvollen Worten an. „Eldenbarrer hat gesiegt, wir alle wurden Zeugen seines Ruhmes. Er ist unserer Jarl und wird uns führen bis zu unserem Tode.“ Wieder bestätigten die anderen Riesen die Rede mit Heilsrufen. Nur Hurolk hielt sich zurück. Eldenbarrer schritt zu dem einst Abtrünnigen und murmelte Worte der Verwünschung. „Ihr alle dachtet wohl Gramraug würde siegen, eh? Nicht jeder der die Flamme von Thiangjord heben kann, kann sie auch führen. Doch ich kann auch eure Gründe verstehen. Nicht aber eure Hurolk. Ihr wart einfach nur feige.“ Eldenbarrer hatte sich vor dem Riesen aufgebaut und begann Hurolk mit beiden Händen zu würgen. Hurolk hatte ein rundliches Gesicht, braunes Haar und einen kurzen krausen Bart. Im Gesicht und Bauch waren deutlich die Hautlappen zu erkennen, die auf sein einst großes Körperfett deuteten. Zum Erstaunen von Edda schien der Riese sich nicht wehren. Vielleicht hoffte er noch auf Gnade. Sie sah Neire von sich forttreten. Der Jüngling schritt neben Eldenbarrer und schrie hinauf. „Mein Jarl, er hat es sicherlich verdient, aber ist es auch der Wille der Göttin? Lasst ihn im Kampf beweisen, ob er ihre Gunst hat.“ Zu ihrem Erstaunen wandelte sich der hasserfüllte Blick und der Jarl löste seine Hände. Dann schlug er Hurolk seine Faust ins Gesicht. Edda sah den gewaltigen Leib zu Boden sinken. Hurolk schnappte nach Luft und spie seine abgebrochenen Zähne aus. Er spukte blutigen Sabber als er sich wankend aufrichtete. „Hurolk wird Jarl Eldenbarrer dienen. Treu dienen. Mein Jarl, mein König.“ Eldenbarrer wandte sich mit einem Knurren ab und sprach zu den anderen Riesen. „Ihr habt den Propheten Jiarliraes gehört. Er ist zu mir gekommen mit der Botschaft, dass ich König werde. Das Feuer der Göttin wird uns den Weg durch ihre Schatten zeigen. Mit ihrer Hilfe werden wir noch größer werden. Größer in unserem Tatenruhm, größer in unserem Reichtum. Noch Generationen nach uns werden Lieder über uns gesungen werden. Es werden die Lieder unserer Rasse werden. Ich werde euch in den Krieg führen und die Dörfer der Menschlein werden brennen. Der Sieg wird unser sein.“ Die verbliebenden Feuerriesen hoben ihre Waffen und fingen an zu brüllen. Selbst Kulde wurde von der unbändigen Wut und dem lodernden Stolz mitgerissen. Edda hörte die Schreie durch kolossale Steinhalle dringen. „Heil Jarl Eldenbarrer. Heil Jiarlirae. Heil Prophet.“

Edda zog sich danach wieder in die Höhle zurück. Neire hatte verlangt, dass sie sich eine Zeit für die Vorbereitung ließen, bevor sie aufbrechen wollten. Jarl Eldenbarrer hatte daraufhin eingewilligt und war mit seinen Feuerriesen in der großen Halle geblieben. Neire und sie widmeten sich dem Studium der Zauberbücher. Schon bald hatte sie die Umgebung um sich herum vergessen. Edda nahm selbst das tiefe Schnarchen von Kulde nicht mehr wahr, der sich in einer Ecke schlafengelegt hatte. Der Hügelriese hatte sich in einer Embryonalstellung zusammengerollt. In seinem Gesicht, mit der fliehenden Stirn und der platten Nase, war ein Zucken zu sehen, dass sich ab und an in ein niederträchtiges Grinsen verwandelte. Edda versuchte die neuen Zauberformeln zu verstehen, die sie in den Büchern fand. Nicht alle gehörten der Schule der Schatten an, deren Erlernen ihr besonders leichtfiel. Die Zauber der anderen Schulen hatten andere Strukturen. Strukturen, die nicht die Formen und Züge von Schatten hatten. Als sie an eine Stelle kam, die sie nicht entschlüsseln konnte, wendete sie ihre Augen ab. Edda blickte in die Düsternis der Höhle und suchte nach Antworten. Auch Neire konnte ihr hier nicht helfen. Der Prophet hatte seinen Oberkörper entblößt und vollzog das Ritual der Fackeln, die er um sich aufgestellt hatte. Nein, sie musste die Antwort selbst finden. Sie ließ ihren Blick über die Kaverne schweifen und da war etwas. Es war eine schlanke Frau wie sie selbst, halb im Stein versunken. Sie schrie vor Schmerzen. Da war eine Klinge, die ihr die Haut vom schönen Gesicht schälte. Sie spürte den Schmerz. Dann wurde es Edda klar. Es war ihr eigenes Gesicht. Sie fing an schneller zu atmen und verfiel in Panik. Sie rief nach Neire, doch ihr Liebhaber war in einer Trance. Tränen rollten über ihre Wangen, aber sie spürte sie nicht. Sie wollte, dass der Schmerz aufhörte, dass diese Qual vorüberging. Dann verschwand das Bild der Frau und mit ihr die Schmerzen. Edda zitterte und blickte sich um. Dann raffte sie ihre Bücher zusammen und ging zu Kulde. Sie ignorierte den Gestank von Schweiß und Urin, der von dem Riesen aufstieg. In den Dschungeln vor Vintersvakt hatte sie Schlimmeres gerochen. Sie lehnte sich an Kuldes Körper und spürte sein ruhiges, tiefes Atmen. Das rhythmische Geräusch und die Bewegung des gewaltigen Leibes gab ihr ein Gefühl von Sicherheit. Der Bauch von Kulde wiegte sie vor und zurück. Langsam gewann sie ihre Fassung wieder. Dann begann sich ihren Schriften zu widmen.

Das Schnauben von Kulde schreckte Edda hoch. Sie musste wohl eingeschlafen sein und war immer noch an Kulde gelehnt. Da war das flatschende Geräusch von Rotz, als der Riese seine Nasenlöcher entleerte. Erst als er sich aufrichtete, bemerkte Kulde sie. Ungläubig gaffte er auf sie hinab. Er stieß dabei einen fragenden, tiefen Ton aus. Edda stand auf und raffte ihre Bücher zusammen. Sie lächelte Kulde an. „Ich hatte Angst Kulde und ihr müsst mir eines versprechen. Ihr müsst mich beschützen.“ Zuerst dachte Kulde nach. Dann fing er an debil zu lächeln. „Kulde heissht jetssht, Kulde Kopfsshamfa. Kulde grossher Krieger. Welsshe Angssht?“ Eddas Lächeln erstarb, als sie zurückdachte. „Etwas schnitt mir in mein Gesicht. Es war grauenvoll.“ Augenblicklich fing Kulde an zu brüllen und hob seinen Morgenstern. „Wo issht es, Kulde töten es.“ Doch Edda schüttelte mit dem Kopf. „Nein, es war vielleicht nur in meinem Kopf. Ich weiß es nicht. Vielleicht sind es die Schatten hier.“ Kulde verfiel wieder in ein Starren. Seine kleinen, bösartigen schwarzen Augen gafften Edda an, als er mit geöffnetem Mund anfing zu sabbern. Dann hörte Edda die Stimme von Heergren. Ihr nachtzwergischer Begleiter hatte sich bereits in seine Rüstung gehüllt und trug seine Schlachtenaxt. Heergren strich sich durch den grauen, geflochtenen Bart. Seine Glatze schimmerte bleich in der Dunkelheit, durchzogen von bläulichen Venen. „Keine Zeit dafür Kulde, macht euch fertig. Ihr habt bestimmt noch Gelegenheit die Dame von Hohenborn zu beschützen. Jetzt legt eure Rüstung an, denn der Prophet erwartet, dass ihr kampfbereit seid.“ Dabei zeigte Heergren auf den Schienenpanzer, den Kulde von Gramraug genommen hatte. Edda sah Kulde nicken. „Kulde Kopfsshamfa Rüsshtung. Mäschtiger Krieger, Kulde. Krieger Meisshter Halbohr und Prophet dient.“ Edda nickte und wendete sich um zu Neire. Sie hörte schon die Schritte aus der großen Höhle näherkommen. Die Feuerriesen hatten bestimmt den Lärm von Kulde gehört. Sie erinnerte sich an die Runen der Schatten, die sie zuvor gelesen hatte. Erst jetzt bemerkte sie, dass sie die Dunkelheit durchblicken konnte. Sie dachte an die Runen und starrte in die Ferne der großen Höhle. Es war, als ob sie wie bei Tageslicht sähe. Obwohl da nur Dunkelheit und Schatten um sie herum waren.

~

Der Kampf war jetzt vorbei und er keuchte. Raureif und Frost hatte sich über den rechten Teil seines Oberkörpers ausgebreitet. Von dort fühlte er keinen Schmerz. Ein fast unerträgliches Pochen strömte aber in anliegende Körperbereiche. Eldenbarrer blickte zu Hurolk, der wie er selbst, schwer verletzt war. Er hatte den Verräter voranschreiten lassen und gehofft, Hurolk würde bald sterben. Doch Hurolk hatte tapfer gekämpft. Stirbt er nicht jetzt, dann bestimmt im nächsten Kampf, dachte Eldenbarrer. Während ihrer Rast hatten Hauk und er bereits Pläne für die nähere Zukunft gemacht. Hauk hatte ihm erklärt, was der Titel eines Königs bedeutete. Er hatte ihm angeraten, sich zum König des Höllenkessels zu erheben. Er sollte keine unabhängigen Jarle unter den Feuerriesen akzeptieren. Alle sollten ihr Knie unter seiner Herrschaft beugen. Jarl Eldenbarrer verdrängte die Gedanken, die seine Machtfantasien beflügelten. Er hatte die Urgewalt von Jiarlirae gespürt, die der junge Prophet gebracht hatte. Und Neire von Nebelheim hatte sein Wort gehalten. Er hatte sie zur Wasserstelle geführt und sie waren, einer nach dem anderen, untergetaucht. Möglichst lautlos waren sie wieder aufgetaucht und hatten sich in einem anderen Tunnel befunden, der dem vorherigen sehr ähnlich gewesen war. Der Ausweg war also dort gewesen. Die ganze Zeit. Eldenbarrer hatte seinen Augen nicht getraut, aber sofort die Unterschiede entdeckt. Dann hatten sie den fremden Bereich erkundet. In einer militärischen Formation waren sie vorangeschritten und hatten im Schein der Ölfackeln die unterirdische Halle entdeckt. Eine Doppelreihe von schwarzen Säulen hatte die hohe Decke gehalten und vor jeder Säule hatte ein zwergischer Skelettkrieger gestanden. Die Säulen waren mit Fresken von zwergischen Gesichtern bedeckt gewesen. Es waren Antlitze wie von Helden gewesen. Der Kampf der dann ausgebrochen war, war erbittert geführt worden. Doch nur die Flamme von Thiangjord sowie die Klingen von Edda und von Neire hatten die Kreaturen verletzen können. Zudem hatten die Skelette ihre Mäuler geöffnet und blaue Strahlen von Frost auf Hurolk geworfen. Auch einen weiteren Zauber hatten sie eingesetzt, der alle magischen Gegenstände zum Glühen gebracht hatte. Nach dem Kampf hatten sie die Höhle durchsucht, aber keine Ausgänge gefunden. Sie waren dem Tunnel des Wasserlochs in die entgegengesetzte Richtung gefolgt und hatten eine ähnliche Höhle gefunden. Auch hier waren mit Fresken besetzte Säulen zu sehen gewesen und auch hier hatten sie gegen das Unleben gekämpft. Jetzt hatte sich Eldenbarrer auf ein Knie hinabgelassen und ließ Neire sich um seine Wunden kümmern. Er spürte das Feuer der Göttin, als einige Wunden sich schlossen. Er fühlte Hoffnung, Kampfeslust und Kameradschaft. Es war, als ob Neire einer der ihren war. Einer, dem er trauen konnte. Mehr als allen anderen. Eldenbarrer dachte nicht mehr an die Verzweiflung der letzten Monate. Wie sie das Fleisch ihrer Kameraden gefressen hatten. Wie sie dem Wahnsinn verfallen waren. Er nahm die Macht von Jiarlirae in sich auf und beobachtete den Tunnel, der aus der Halle in die Dunkelheit führte. Was würde sie dort erwarten?

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