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[AD&D 2.5E] Von Feuer und Düsternis – Erzählungen aus Euborea

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Jenseher:
Das geisterhafte Licht des Linnerzährn schien durch die Fichten auf uns herab und warf seine langen und unheilvollen Schatten über die stinkenden Leiber der Riesen. Ich konnte auf meiner Haut die Macht spüren, die von dem Schimmer ausging. Überall prickelte es und es war nicht der Kampf und auch nicht die Nähe meines geheimnisvollen Verbündeten. Kein einziger Tierlaut war zu hören, nur das Rauschen des Flusses, der durch die Schneeschmelze immer mehr anschwoll. Zudem das ständige Grollen der Flammen, die fortlaufend aus den Gipfeln der Irrlingsspitze schossen und förmlich von dem Kometen aufgesogen wurden.

Wir folgten dem Weg weiter bergauf, während der Fluss neben uns langsam zu einem reißenden Strom angeschwollen war. Je weiter wir ihm folgten, desto tiefer wurden die Fluten. Selbst einige Bäume konnten dem Wasser nicht mehr standhalten und wurden, mitsamt ihren Wurzeln, einfach mitgerissen. Wahrscheinlich wäre es Selbstmord, wenn wir versuchen würden hinüber zu schwimmen. Wir mussten aber auf die andere Seite, wenn wir weiter in die Richtung der Irrlingsspitze gehen wollten.

Während wir nach einigen Stunden der Wanderung am Fluss eine Pause eingelegt hatten, schlich von hinten eine schwarz gekleidete Gestalt auf uns zu. Halbohr bekam es direkt mit der Angst zu tun und versteckte sich hinter einem Baum. Doch es war nur die Gestalt Atahrs. Offenbar hatte er es vorgezogen, uns alleine mit den Riesen fertig werden zu lassen. Hier, in dem Licht des Linnerzährns, sah seine schwarze Haut aus wie dunkler Stein. Für mich wirkte es, als wolle Atahr einen Spaziergang machen. Seine federnden Schritte und sein Wanderstock ließen ihn schon fast fröhlich wirken. Doch wenn man genau hinschaute, sah man auch in seinem Gesicht die Anspannung, die Wut und ich denke auch das Kribbeln, das wir alle spürten.
Nachdem das Gefühl des Kampfes abgeklungen war, wurde es wieder ersetzt durch das eintönige Wandern. Immer weiter ging bergauf. Doch es fühlte sich an, als ob wir der Irrlingsspitze keinen Schritt näherkommen würden. Die Nacht wurde immer tiefer, obwohl ich das gar nicht so genau sagen konnte, da das Licht der Linnerzährns alles in sein gelbes feuriges Licht tauchte. Bargh und Halbohr fingen schon an sich eine Lagerstätte zu suchen. Dabei hatte ich ihnen schon so oft gesagt, dass wir uns beeilen müssten. Vor allem wollte ich das Laufen endlich hinter mir haben; auch wenn meine Füße langsam zu schmerzen begannen. Aber anscheinend meinten sie es ernst und suchten sich einen Unterschlupf unter einem großen Felsen und einigen Wurzeln. Und alleine weitergehen wollte ich auch nicht.

Zum Glück hatte Bargh noch etwas von seinem Weinvorrat. Der Wein tat gut, wesentlich besser als das Bier in dem Gasthaus. Der Wein wärmte meinen Bauch und meinen Kopf. Trotz des in Flammen gehüllten Berggipfels war es immer noch bitterkalt. Bargh erzählte Atahr von einer alten Geschichte, die er erlebt hatte. Offenbar hatte er schon früher mit dem elfischen Volk mit der dunklen Haut zu tun. Aber seine Geschichte hörte sich so an, als wenn es keine schöne Begegnung gewesen wäre. Er nannte sie Dunkelelfen und anscheinend beten sie Spinnen an, wie widerlich! Auch Bargh war dies wohl zuwider, denn er begann ein Gebet zu seiner Göttin anzustimmen. Als er sein Schwert zog, aus dessen Klinge immer noch die Schatten zu bluten schienen, war es, als ob selbst das unwirkliche Licht des Linnerzährns etwas dunkler würde. Es war, als ob alles um ihn herum in leichte Schatten getaucht würde. Ich ertappte mich dabei wie ich ihn fasziniert anstarrte. Diesen Krieger mit all seinen Muskeln und seinen Narben. So stimmte ich ein in sein Gebet, obwohl ich die Worte nicht kannte und damals auch noch nicht verstand. Aber was mich wirklich wunderte war, dass mein Verbündeter, den ich sonst nur spürte, wenn ich ihn um Hilfe anflehte, irgendwie viel näher war als sonst.

Mit grübelnden Gedanken legte ich mich in meine Ecke dieses Loches und schlief direkt ein. Doch wieder störten unruhige Träume meinen Schlaf. Ich träumte, dass ich irgendwo im Dreck lag und tausende kleine Kreaturen über meinen Körper liefen. Ich war starr vor Angst und konnte mich nicht mehr bewegen. Die kleinen Kreaturen krabbeln über meine Arme und über meine Brust. Als ich spürte, wie die ersten über meine Augen liefen, schreckte ich hoch. Doch schien es diesmal kein Traum gewesen zu sein. Eine Schar von Ratten stürmte über unser Lager hinweg. Vielleicht wurden sie von dem reißenden Fluss, der in der Nacht noch weiter angeschwollen war, aufgeschreckt und retteten sich vor den Fluten. Wir lagen wohl im Weg. Ich ekelte mich vor den kleinen stinkenden Leibern und ihrem hohen und schrillen Quietschen. Wie ein unaufhaltsamer felliger Strom schwemmten sie über uns und verschwanden im ansteigenden Bergwald. Die Sonne war schon aufgegangen, also war es sinnlos sich nochmal hinzulegen. Eine weitere Nacht, die viel zu früh zu Ende gegangen war. Das kalte und karge Frühstück machte die Sache nicht besser. Also blieb uns nichts anderes übrig als weiter zu ziehen.

Der Fluss schien in der Nacht etwas von seinem Wasser in das Tal hinab getragen zu haben. Jedenfalls stand die Fireldra nicht mehr so hoch wie noch am Abend vorher. Vermutlich hatten wir den Höchststand verschlafen. Die Leute in Wiesenbrück werden sich wundern, wenn ihre Deiche brechen. Wenn die Wassermassen und die mitgerissenen Bäume diese bersten lassen. Für uns war es gut, denn immerhin konnten wir jetzt leichter über den Fluss auf die andere Seite wechseln. Der Fluss hatte sich eine felsige Schlucht gegraben und hier und dort lagen einige, vor langer Zeit umgestürzte, Bäume über den Felsen. Atahr war offenbar ziemlich geschickt. Er nutzte einen Baum um auf die andere Seite zu klettern und band ein Seil dort fest. Über das Seil sollten wir wohl leichter auf die andere Seite gelangen. Halbohr dagegen fehlte einiges an Geschick. Er rutsche auf einer nassen Stelle auf dem Moos aus und hing kopfüber an einem Ast. Obwohl er nur einige Schritt über den schäumenden Fluten baumelte, musste ich kichern. Der bullige elfische Söldner machte nämlich einen unvorteilhaften Eindruck, als er um sein Leben kämpfte. Auch Atahr tuschelte etwas zu Bargh und ich hörte ihr Lachen. Doch die rauschenden Fluten der engen Felsenschlucht schluckten jedes Wort. Schließlich schaffte es Halbohr aber auch auf die andere Seite und wir konnten endlich unsere Wanderung fortsetzen.

Unser Weg wurde langsam immer steiler. Je höher wir kamen, desto kälter wurde es. Der Schnee, der weiter unten schon geschmolzen war, lag hier noch dicht über dem Wege. Selbst das Feuer des Kometen schaffte es nicht diesen zu schmelzen. Langsam aber sicher kamen wir den Felsen der Irrlingsspitze immer näher; wir stapften mittlerweile durch tiefen Schnee. Die Bäume lichteten sich zudem. Als die Sonne am höchsten stand und ihr Licht sich mit dem Licht Linnerzährns mischte, konnten wir sehen, dass unser Weg an einer Felswand endete. Dort eröffnete sich ein großes Portal mit Flügeln, Bolzen und Scharnieren wie aus dunklem Glas. Das immerwährende tiefe Grollen der Flammen war hier lauter und inzwischen konnten wir die Feuer riechen. Welche Urgewalten mochten wohl oben an der Spitze herrschen?

Vorsichtig näherten wir uns dem gähnenden Loch in die Dunkelheit. Halbohr, sich wohl seiner Fertigkeiten der Schurkenzunft besinnend, zog sich seine Schneeschuhe an und schlich leise einige Schritte voraus. Er sah tief im Schnee eingegraben eine Hand irgendeines armen Teufels hervorstehen, der wohl im letzten Todeskrampf versucht hatte sich frei zu graben. Er legte die Hand frei und fand unter der Schneedecke die Leiber von zwei, vielleicht drei Menschen deren Fleisch schon längst zu Eis erstarrt war. Atahr und Halbohr schlichen jetzt beide weiter zur Öffnung des Portals. Links und rechts davon türmten sich Geröll und Steine, doch der Weg direkt vor der Öffnung war frei. Die Schneefläche lag glatt davor. Das Grollen des Feuers schien jetzt nicht mehr nur von oben zu kommen, sondern auch aus dem Innern, irgendwo tief in der Schwärze, die sich hinter dem Portal eröffnete. Oder war das nur ein Echo? Atahr fasste seinen Mut zusammen und ging einige Schritte in den Tunnel hinein. Halbohr wartete auf Bargh und mich, bis wir bei ihm waren. Als ich zum ersten Mal in den dunklen Tunnel hineinblickte, bekam ich es wieder mit der Angst zu tun. Ich ließ mir natürlich nichts anmerken. Ich wollte nicht das kleine Kind sein, um das sich alle kümmern müssen und dem niemand etwas zutraut. Also nahm ich meinen Mut zusammen und schritt hinter Halbohr und Bargh ebenfalls hinein. Wenn sich uns jemand in den Weg stellt wird er schon die Klinge von Bargh zu schmecken bekommen.

Ich konnte Atahr schon gar nicht mehr sehen, denn das Licht drang nur wenige Schritte vom Eingang herein. Bei diesem Gang hatten sich die Erbauer wohl richtig Mühe gegeben. Der Stein sah so aus, als ob er in feinster Arbeit aus dem Fels gehauen wurde. Ich sah Halbohr noch in dem schwachen Licht, wie er über den Boden kroch und die feinen Steinritzen mit seinen Fingern abtastete. Wieder musste ich leicht in mich hinein kichern. Verstand ich doch noch nicht, was Halbohr wieder vorhatte. Doch da hörte ich von weiter vorne, vermutlich war es Atahr, einen unterdrückten, kurzen Schmerzenslaut. Und nur einen Moment später erhob sich Halbohr und hielt seine Hände hoch. Ich selbst konnte zwar nichts sehen, in dem schwachen Licht, doch er flüsterte uns zu: Dass hier überall auf den Boden unsichtbare Stachel liegen würden. Vermutlich war Atahr genau in einen dieser Stachel hineingetreten.

Vorsichtig gingen wir weiter ins Ungewisse. Ich ließ mich von Bargh durch die Dunkelheit führen, während Halbohr den Boden für uns freiräumte. Nach einigen Schritten, ich kann mich gar nicht mehr erinnern wie viele, stockten wir. Unser Weg wurde vor uns versperrt. Von einer Mauer aus dunklen Steinen, die bis zur halben Höhe des Ganges gebaut wurde. Auf der Mauer, die bestimmt drei Schritt hoch war, ragten eiserne Speerspitzen nach oben, um die nochmal ein stacheliger Draht gewickelt war. Wenn wir weiterwollen, müssten wir hier hinüber.

Alles roch nach einer Falle, doch Atahr schien wieder seinen Mut beweisen zu wollen. Er kletterte als erster die Mauerstücke nach oben und zwischen den Speeren vorbei. Dahinter sah er, dass sich der Gang in eine breite und große Halle eröffnete und in der Mitte der Halle eine weitere dieser befestigten Mauern stand. Doch Atahr konnte nur für einen Sekundenbruchteil einen Blick erhaschen. Plötzlich tauchten hasserfüllte Augen aus dem Nichts der Dunkelheit auf. Vier gewaltige Kreaturen waren plötzlich vor Atahr. Auf der anderen Seite der Mauer. Die Gestalten waren so riesig, dass sie selbst diese große Mauer spielerisch überragten. Mit eingefallenen Gesichtern und spärlichen grauen Haaren bedeckt, blickten sie auf Atahr und uns hinab und erhoben lange Lanzen. Atahr war starr vor Schreck als die grau-blauen Augenpaare der Kreaturen auf ihn starrten. In einer hässlichen Sprache, die ich nicht verstand, schrien sie irgendetwas. Sie rammten ihre Lanzen auf Atahr und durchbohrten ihn. Immer noch von Dunkelheit umgeben konnte ich zwar nichts sehen, aber ich hörte die Schreie Atahrs. Ich konnte mir vorstellen, wie die gespaltenen Klingen der Lanzen durch sein Fleisch drangen.

Bargh schrie mich an, ich solle meinen Verbündeten anflehen und diese Kreaturen verbrennen. Doch wie? Ich stolperte im Dunkeln und musste mich an ihm festhalten um nicht gegen die Wände zu laufen. Er schrie mich weiter an und ich schrie zurück. Ich war wütend und wusste nicht warum. Es waren nicht die Kreaturen; es war nicht, weil Bargh mich anschrie. Es lag einfach an diesem Ort und ich war wütend auf alles und jeden. Doch dann schrie Bargh, ich solle eine Fackel aus seinem Rucksack entzünden. Diesmal wusste ich, dass ich wütend auf mich selbst war. Dass jemand wie Bargh mich an so etwas erinnern musste.

Ich nahm also die Fackel und entzündete sie. Meine Augen waren für einen Moment geblendet, doch dann sah ich sie auch, diese riesenhaften, ekelerregenden Kreaturen, uns alle überragend. Atahr lag inzwischen regungslos vor der Mauer. Zwar konnte ich jetzt sehen, aber hell wurde es in dem Tunnel immer noch nicht. Die Wände selbst schienen das Licht in sich zu schlucken, so dass von der Flamme der Fackel nur ein schwacher Schimmer übrigblieb.

Mein Zorn brannte in mir und so sollten auch die Kreaturen verbrennen. Ich rief zu meinem Verbündeten und er schenkte mir flammende Speere die ich auf die Kreaturen schleuderte. Bargh feuerte mit seiner Armbrust tödliche Bolzen. Seine Geschosse und meine Feuer fuhren in die Verteidiger hinein, zerfetzten ihre Kehlen und verbrannten ihr Fleisch. Als sie tot umfielen, passierte jedoch etwas Merkwürdiges. Die toten Kreaturen schienen zu schrumpfen. Was übrig blieb, war nur ein Bruchteil von dem, was eben noch uns töten wollte. Sie erinnerten mich eher an die Geschichten des stämmigen Volkes der Unterberge.

Die letzte der Kreaturen fiel in sich zusammen, als ein weiter Bolzen von Bargh sich durch ihr Auge bohrte. Halbohr schloss zu Atahr auf, der zwar tiefe Wunden trug, aber noch am Leben war. Wir kletterten über den Wall und es gab jetzt keinen Weg zurück. Es konnte keinen Weg zurückgeben. Halbohr ging wieder voraus und näherte sich dem zweiten Wall. Uns war allen klar, dass dies eine Falle war und tatsächlich, als Halbohr gerade auf den zweiten Wall hochklettern wollte, erschienen ein weiteres Mal, wie aus dem Nichts, mehr dieser riesenhaften Kreaturen. Diesmal waren wir jedoch vorbereitet. Zwar hieben sie ihre Lanzen tief in den Körper Halbohrs, der sich nicht rechtzeitig weg ducken konnte, doch Bargh und ich gewährten ihnen keine Gnade.

Ihre stinkenden Leiber schrumpften zusammen, wir ihre Kameraden zuvor. Dort lagen sie nun in ihrem Blut. Ihre bleiche Haut, durchsetzt von blauen Venen, ihre ausdruckslosen Augen und ihre grauen und weißen Haare. Ihr Aussehen machte auf mich den Eindruck, als hätten sie das unterirdische Reich nie verlassen. Ihre fauligen Zähne und der modrige Gestank nach Erde und Stein, ließen mich an die Wurzeln alter kranker Bäume denken. Doch keine Zeit für weitere Gedanken. Der Weg unter die Irrlingspitze, in die Innereien des Berges, schien frei zu sein. Dann aber hörte Halbohr mit seinem guten Ohr leises Flüstern und Atmen. Gezischelte Töne der Sprache dieser Kreaturen. Wer konnte schon wissen, wie viele dort noch auf uns lauerten und welches Schicksal uns hier erwartete.

Jenseher:
Gebannt starrten wir auf die flackernden Lichter, die meine Fackel über die Barrikaden warf. Das Spiel der Schatten, was die Speere und das Drahtgeflecht erzeugten, war gespenstisch anzusehen. Ich konnte dabei zuschauen, wie die dunklen Mauern dieser Halle das Licht in sich aufzusaugen schienen. Der Anblick ließ mich erschaudern. Trotz der Kälte trat mir der Schweiß auf die Stirn. Die vielen Male, bei denen ich die Hilfe meines Verbündeten erbeten hatte, kamen mit einem Preis. Meine Kräfte waren am Ende.

Um uns herum lagen die zusammengeschrumpften Leiber der getöteten Angreifer und verströmten einen Geruch des Moders verfaulter Höhlen. Die Leiber, die noch vor wenigen Momenten riesengroß erschienen und uns mit ihren Speeren aufspießen wollten, waren jetzt klein. Sie reichten selbst Halbohr nur noch bis zur Brust. Bargh und Halbohr begannen die blass-häutigen Kreaturen zu durchsuchen. Sie fanden ein kleines Amulett, das einen daumennagelgroßen Kristall in der Mitte hielt, der aussah wie eine Kriegspicke. Anscheinend kannte Bargh dieses Symbol und erzählte uns, dass es das Symbol von Laduguer war. Offenbar eine Gottheit dieser Kreaturen. Laduguer, so berichtete Bargh, stand für die absolute Gehorsamkeit eines Kriegers, als auch für den Hass gegen alle anderen Rassen. Nun, für uns wohl umso besser. Sollen sie sich doch in ihrem blinden Gehorsam allesamt in das Schwert von Bargh stoßen, dann könnten wir endlich weiterkommen. Ich dachte wieder kurz an die Worte von Halbohr, dass er Stimmen und Atmen gehört hatte. Wie lange wollten die beiden denn noch die stinkenden Kadaver durchsuchen? Wir müssen weiter, verstehen sie das denn nicht?

Doch auch ich erkannte, dass Halbohr noch schwer verwundet war von dem Stoß der Stangenwaffe und vermutlich einen weiteren Kampf nicht lange überleben würde. Auch Bargh bemerkte dies und bot an die Wunden mit Hilfe seiner Herrin schließen zu lassen. Im Gesicht Halbohrs arbeitete es, da er wohl nicht sonderlich darauf erpicht war, irgendwann einmal den Preis entrichten zu müssen, den diese Hilfe mit sich bringt. Ich hatte noch immer nicht verstanden, warum Halbohr sich darum so zierte. Wenn es ihm hilft und es ihm Vorteile bringt, warum sollte er nicht die Hilfe der Schwertherrscherin annehmen? Ich hatte sowohl bei Bargh und Neire gesehen, welche Macht sie einem offenbar gewährt. Aber Halbohr dachte pragmatisch: Wenn er die Hilfe nicht annähme, würde er sterben. Also willigte er ein und sprach zusammen mit Bargh ein Gebet auf Jiarlirae und pries ihre Dunkelheit und ihre Flammen. Halbohr musste seine Hand auf die Klinge Barghs legen und die Schatten, die aus dem Stahl bluteten, sahen so aus als würden sie direkt in das Fleisch Halbohrs eindringen. Ich glaubte kurz ein Zischen zu hören und Halbohr zuckte dabei auf. Doch seine Wunden begannen sich tatsächlich zu schließen. Als ein Blutstropfen von ihm auf den Boden fiel, sah es so aus, als würde dieser zu einer kleinen Schattenwolke verdampfen, als er den kalten Stein berührte. „Alles hat seinen Preis, auch eine elfische Seele“ waren Barghs Worte.

Ich betrachtete nachdenklich das Amulett der Kreaturen. Als ich damals von Zuhause geflohen bin, hätte ich nie gedacht, was für merkwürdige Geschöpfe ich kennenlernen sollte. Leise in Gedanken flüsterte ich den Namen: Laduguer…

Als ob meine Worte selbst das Unheil heraufbeschwören würden, hörte ich keuchende Geräusche von der zweiten Palisade. Riesige Rüstungen bewegten sich auf uns zu und ein ganzer Trupp der Kreaturen rückte in militärischer Manier näher. Einige schwangen ihre gigantischen Lanzenwaffen, andere abscheuliche Kriegspicken. In zwei Reihen versuchten sie Halbohr und Bargh in die Zange zu nehmen. Ich reckte den Kopf empor und blickte in die fahl-blassen Gesichter, die von bläulichen Venen durchzogen wurden. Panik überkam mich. Während Bargh und Halbohr sich den Gegnern stellten, versuchte ich aus dieser Halle zu fliehen. Ich sah die kalten, mordlustigen Augen mir folgen. Dann widmeten sich die Kreaturen wieder Bargh und Halbohr. Doch entweder durch die Kälte oder durch meine Erschöpfung konnten meine Finger keinen Halt an der Mauer finden. So blieb mir nur noch übrig mich in einer dunklen Ecke zu verstecken und auf das Beste zu hoffen.

Halbohr und Bargh kämpften tapfer. Die Klinge von Bargh spie nicht nur Schatten sondern auch Feuer in die geschlagenen Wunden. Den Kreaturen schien alleine der Anblick auf das Schwert Schmerzen zu bereiten. Und auch Halbohr schaffte es mit seinen Dolchen eine Schneise in die Pickenträger zu schlagen. Kreatur um Kreatur fiel zu Boden und auch diese schrumpften auf eine mitleidige Größe zusammen, als sie ihren letzten Hauch taten.

Schwer keuchend und aus tiefen Wunden blutend gelang es den beiden schließlich, auch die letzte dieser Abscheulichkeiten niederzustrecken. Halbohr wurde dabei besonders mitgenommen. Auch wenn es mir eigentlich egal war, glaubte ich nicht, dass er lange überleben würde. Doch sah ich auch in seinem Gesicht die Raserei auftauchen, die ich sonst eher bei Bargh bemerkt hatte.

Wir schleppten uns weiter durch die Hallen, wobei schleppen für mich zutraf. Jeder Schritt schien eine Meile lang zu sein und schmerzte bis in meinen Kopf hinein. Nach mehreren Gängen verließen wir schließlich diese gemauerten Hallen und gelangten in eine große, natürlich gewachsene Höhle. Das Licht meiner Fackel konnte nicht einmal die Decke erhellen. Einzig das Tropfen von Wasser aus der Entfernung ließ uns einen Eindruck erhaschen, wie weit diese Höhlen sich durch die Dunkelheit zogen. Vielleicht war dies eine Art Mine, denn ich erkannte Adern von verschiedenen Metallen und Kristallen im Stein. Unsere Füße bewegten sich auf nassem, moosigem Untergrund vorsichtig in die Höhle hinein. Einige Schritte voraus fanden wir eine steinerne Türe, die inmitten der Felswand eingelassen war. Vorsichtig und mit zitternden Händen untersuchte Halbohr die Türe und öffnete sie. Dahinter fand er einen kleinen gemauerten Raum, aus dem eine weitere Türe herauszuführen schien. Doch Halbohr traute dem Schein wohl nicht und das war auch gut so. Ein perfider Mechanismus war in die hintere Türe eingebaut, hinter der nur blanker Stein war. Offenbar wollten die Erbauer, dass man die zweite Türe öffnete. Dann hätte sich wohl der ganze Raum mit großen Steinblöcken verschlossen und wäre mit irgendetwas geflutet worden - auf dass man hier jämmerlich ertrank. Halbohr deaktivierte den Mechanismus und es schien so, als wenn wir hier etwas Ruhe finden konnten.

Ich ließ mich direkt an eine Wand dieses Raumes sinken. In meinem Kopf drehte sich alles und selbst die Augen taten mir weh. Halbohr und Bargh wollten noch einen großen Felsblock untersuchen. Sollten sie doch. Ich konnte und wollte keinen Schritt mehr machen. Es dauerte auch nicht lange und die beiden kamen wieder zurück. Offenbar hatten unter dem Felsblock noch die knöchernen Überreste einer Hand herausgeschaut. Sie hatten den Felsen zur Seite gerollt und fanden darunter das zerschmetterte Skelett einer humanoiden Gestalt eines Kriegers. Dieser hatte wohl erkannt, dass sein Tod nahte und seine letzten Gedanken auf Pergament geschrieben, welches unter den Knochen lag:

„Der JENSEHER hat den Quell seines Sehnens unter der Irrlingsspitze gefunden. Wenn sich einst das Tor in die Anderswelt öffnet, mag Niroth unreine Mächte beherrschen. Mächte, weit jenseits von schwarzer Kunst. Mächte, die den sterblichen Geist in die ewige Nacht treiben. Das Tor ist die Quelle seiner Macht; es reicht in ein fernes Reich hinter den Sternen – unverständlich für unseren Geist und wider jeden gesunden Verstand. Es gibt nur einen Weg: Niroth muss sterben und das Anderstor muss wieder seinem ursprünglichen Fokus zugeführt werden. Die Schlüssel sind die drei Kristallstücke, die wir einst aus den entlegensten Winkeln der Welt zusammenführten. Doch wir haben uns in IHM geirrt. Gnade unserer Seelen…"

Sie fanden auch einen Ring, auf dem der Name Adanrik in alten Runen eingraviert war. Ich erinnerte mich an die Geschichte, die Halbohr in den Ritzereien des alten Nußbaums in der Taverne gelesen hatte. Offenbar hatte sich die Gruppe, die 23 Jahren vor uns hier eindrang, zerstritten. Vielleicht hatte Niroth etwas gefunden was es wert war, sich seiner Kameraden zu entledigen.

Als die beiden wiederkamen und die Türe hinter sich verschlossen, war ich schon in einem halben Dämmerschlaf verfallen und auch Halbohr und Bargh konnte man ansehen, dass sie sich nach einer Rast sehnten. Ich hoffte diesmal endlich eine erholsame Ruhe zu finden, was mir wohl auch im ersten Moment beschert wurde. Doch als ich aufwachte und einige Stücke von den widerlichen eingetrockneten Pilzen aß, die Halbohr mir gab, fing plötzlich meine Hand an zu zittern. Mein Magen drehte sich und mit einem brennenden Würgen gab ich die paar Bissen wieder von mir. Auch Bargh verhielt sich komisch, sein Kopf zuckte immer zur Seite, doch schien er es nicht zu bemerken. Es war fast schon rührend, wie er sich um mich sorgte. Er glaubte, es würde mir helfen, wenn ich mit ihm zusammen zu seiner Herrin bete. Vielleicht mochte er dabei Recht haben, für den Moment dachte ich mir einfach nur, dass mich die Worte auf andere Gedanken bringen und meinen Magen etwas beruhigen können. So rammte er sein Schwert der Schatten und des Feuers in den Boden und zusammen sprachen wir seine heiligen Worte, die ich immer besser mit ihm sprechen konnte.

Halbohr hätte ruhig mit uns beten können, vielleicht hätte das auch seinen rastlosen Geist etwas beruhigt. Stattdessen brach er auf und erkundete die dunklen Höhlen, obwohl er immer noch viele offene Wunden an seinen Körper trug. Aber gut, soll er doch, wenn er hinterrücks überfallen wird, wissen wir wenigstens was auf uns wartet.

Halbohr verschwand in dem Netz von Tunneln, während Bargh und ich am Eingang unseres Unterschlupfes warteten. Es dauerte fast eine Ewigkeit, die ich damit verbrachte dem Atmen von Bargh zu lauschen und mir die Beine in den Bauch zu stehen. Dann tauchte Halbohr wieder aus der Dunkelheit auf. In seinem gegerbten Gesicht warf meine Fackel tiefe Schatten. Er erzählte uns kurz, dass sich vor uns ein weites Höhlensystem ausbreitete. In einer Kammer hatte er drei riesige Skelett-Kreaturen gesehen, in deren hohlem Brustkorb eine gleißende Flamme brannte. Er war klug genug sich von diesen fern zu halten. Auch fand er Verstecke der Vertreter des stämmigen Volkes, von wo aus sie uns erwartet hatten und uns überfallen konnten.

Und schon verschwand er wieder in der Dunkelheit und ließ uns erneut zurück. Diesmal wollten wir jedoch nicht mehr tatenlos herumstehen. Bargh zog mich an meinem Arm und zusammen folgten wir in die Richtung, in die Halbohr gegangen war. Was sich für Halbohr als glücklicher Zufall herausstellte. In der Ferne hörten wir plötzlich Kampfeslärm. Bargh stürmte voraus und fand Halbohr, wie er vor einer skeletthaften Gestalt zurückwich. Der Angreifer war gekleidet in alte, verstaubte Roben. Ein rötliches Glühen brannte in den leeren Augenhöhlen und die knöchernen Finger streckten sich nach Halbohr aus. Bargh trat der Gestalt entgegen und rammte sein Schwert in die Knochen. Mit nur zwei Hieben zerbarsten die alten Gebeine und fielen in den Staub der Höhle.

Doch auch jetzt wollte Halbohr nicht auf uns warten, sondern schlich erneut in die Dunkelheit hinein. Wieder dauerte es lange und wieder mussten wir wartend zurückbleiben. Bis dann, nach einer halben Ewigkeit, Bargh meinte etwas zu hören. Irgendwelche Geräusche, aber weiter weg, weshalb er nicht sicher war, was er dort hörte. Ich selbst konnte zwar nichts vernehmen, doch bei dem Gedanken was Halbohr in der Dunkelheit aufgeschreckt haben könnte, wurde es mir wieder mulmig im Magen. Bargh zog mich mit und schritt in die Richtung der Geräusche. Wir passierten einen kleinen Seitenarm. Kamen die Geräusche hierher? Ich war mir nicht sicher, aber Bargh erkundete den Tunnel. Die Luft hier schien plötzlich viel kälter zu werden und ich bekam eine Gänsehaut. Vor uns lag eine geöffnete Türe, aus der geisterhafte Nebel von kalter Luft herausströmten. War Halbohr schon hier und hatte die Türe geöffnet oder hatte etwas anderes sie geöffnet? Wir sahen dahinter einen kleinen Raum, in welchem an Wand und Decke Fresken eingearbeitet wurden. Diese Fresken zeigten ein Inferno von Knochengestalten, die offenbar in ihrem eigenen Fegefeuer verbrannten. In dem Raum standen vier Sarkophage, die jedoch allesamt zerschmettert waren. In gesamten Raum waberten dicke Schatten über den Boden.

Bargh wollte gerade auf diese Türe zu gehen, als wir hinter uns Halbohrs Befehl „Halt!“ hörten. Der Söldner trug einige neue Wunden. Offenbar hatte er wieder Bekanntschaft mit einigen Kreaturen gemacht. Doch sein Ruf kam im richtigen Moment. Gerade als Bargh seinen Fuß wieder zurückzog, öffnete sich der Boden unter ihm und offenbarte ein gähnendes Loch. Dort erwarteten ihn aufblitzende Spitzen von Stacheln oder Speeren. Doch es war bereits zu spät. Die Düsternis des Bodens verdichtete sich und heraus wuchsen vier Gestalten. Wabernde Schatten umwoben die Kreaturen wie Umhänge, doch glaubte ich dahinter Gestalten mit einer Ähnlichkeit zu Atahr zu erkennen. Auch diese merkwürdig schwarze Haut, aber völlig verfault und mit glühenden Augen in dem Schädel. Sie glitten über das Loch im Boden und griffen uns mit ihrem verfaulten Klauen an. Die Kälte, die von ihnen ausging, war fürchterlich, doch ließen Bargh und Halbohr sich davon nicht beeindrucken. Sie stürmten nach vorne und hackten durch ihre verfaulte Haut. Als die erste der Kreaturen zu Boden fiel, lösten sich die Schatten um sie herum auf. Was übrig blieb war ein stinkender Haufen von Knochen. Eine weite fiel und ich fand neuen Mut. Ich flehte meinen Verbündeten an und er schenkte mir flammende Pfeile die ich auf die Wesen schleuderte. Eine weitere und schließlich die letzte Kreatur verwandelte sich in Knochen. Langsam verschwand auch die Kälte.

Ab jetzt gingen wir zusammen, auch wenn es Halbohr vielleicht nicht gefallen würde. Aber wir konnten es uns nicht leisten. Wer weiß schon, was uns in den weiteren dunklen Tunneln noch alles erwarten würde.

Jenseher:
Immer noch fühlte ich die Kälte dieses Mausoleums, wie sie mir die Haare zu Berge stehen ließ. Vielleicht waren es aber auch die Bilder an den Wänden der kleinen Kammer. Die Bilder des Infernos, das dort durchaus sehr detailliert dargestellt wurde. Halbohr suchte gerade seine Dolche aus den Knochenhaufen zusammen. Als er sich bückte verzog sich sein Gesicht zu einer schmerzhaften Fratze. Einige der alten Wunden, aber euch neue, von denen wir immer noch nicht wussten woher sie stammten, platzen wieder auf.

Ich blickte auf das kleiner werdende Licht meiner Fackel. Jetzt weiter durch die dunklen Höhlen zu streifen, wäre vermutlich unser Tod. Zumindest der von Halbohr. Also beschlossen wir uns, noch für eine Nacht (war es überhaupt Nacht?) in den kleinen Raum zurückzuziehen, den wir schon einmal für unsere Rast genutzt hatten. Dort angekommen, betete Bargh zu seiner Herrin und bot Halbohr an, in sein Gebet einzustimmen. Es war schon interessant anzusehen. Erst sah es so aus, als ob Halbohr den Glauben von Bargh einfach nur ablehnen würde. Aber entweder sah er es ein, dass es Vorteile mit sich bringen würde oder er begann seine Meinung zu ändern. Tatsächlich betete er mit Bargh und zuckte kurz zusammen, als der Krieger mit dem verbrannten Gesicht ihm seine Hand über das verstümmelte Ohr legte. „Freien Geistes bin ich bereit in Feuer und Schatten zu schreiten und einen Teil von mir zu geben. Jiarlirae, oh Schwertherrscherin. Ich huldige ihren Namen“. Erst die tiefe Stimme von Bargh. Dann die kratzige Stimme Halbohrs. So priesen sie ihren Namen und an der Stelle, an der Bargh das Ohr Halbohrs anfasste, fing es leicht an zu zischen. Kleine Rauchschwaden stiegen dort auf. Doch Halbohr verspürte anscheinend keine Schmerzen. Im Gegenteil: Einige seiner Wunden begannen sich zu schließen, als ob sie mit einem heißen Eisen kauterisiert würden.

Während der Rast suchten mich wieder unheilvolle Träume heim. Diesmal waren es keine Ratten oder anderes Getier. Diesmal träumte ich, dass ich in der Höhle lag. Begraben von Splittern eines dunklen Glases. Überall auf meinem Körper kroch grüner Schleim meine Haut empor. Ich spürte das leichte Kribbeln und in meinem Unterbewusstsein wurde mir klar, dass dieser Schleim mich langsam aber sicher verdaute. Was noch schlimmer war: Ich fühlte weder Schmerz noch Angst, sondern eine Art von Glücksgefühl mit jeder Zelle, die sich auflöste und Teil des Schleimes wurde.

Der Schrei von Bargh ließ mich aus dem Traum hochschrecken. Er selbst schlief noch und es sah so aus als, ob er im Traum ertrinken würde. Als er aufwachte, war er völlig verwirrt und stammelte davon, dass er in einem See von Schlamm versunken wäre. Ich wusste nicht, was mich mehr beunruhigte: Bei lebendigem Leibe von irgendeinem Schleim verdaut zu werden oder dass es mir nichts auszumachen schien. Ich hoffte nur, dass wir möglichst schnell wieder aus den Höhlen herauskommen und ich die Antworten finde, die ich schon so lange suchte. Ich wusste noch nicht, wie sehr ich mich irren sollte.

Wir verließen ein weiteres Mal unser Versteck in der kleinen Kammer. Dies bedeutete ein weiterer Tag weniger Zeit für uns, bis der Schein des Linnerzährns wieder verblassen würde. Halbohr schlich sich auf seinen Elfenfüßen aus unserem Versteck. Bargh und ich waren wieder dazu verdammt, in der Dunkelheit auf Zeichen von ihm zu warten. So stapften wir weiter durch Höhlen und Tunnel, bis Halbohr irgendwann wieder zu uns zurückkehrte. Er sagte, er habe eine Höhle gefunden, die zur Hälfte völlig mit Schlamm bedeckt wäre. Offenbar verbirgt sich in unseren Träumen ein Funken Wahrheit. Und so musste ich direkt an den Traum Barghs denken. Aber die Neugierde von Bargh war anscheinend viel größer als das mulmige Gefühl, was der Traum ihm gab. Obwohl ich eher glaubte, dass er einfach zu stolz war auch nur das leichteste Anzeichen von Angst zu zeigen. Halbohr und Bargh vergaßen auch jetzt wieder, dass wir keine Zeit zu verlieren hatten. Sie begannen die Höhle zu untersuchen.

Tatsächlich war der hintere Teil der großen Kaverne ein einziger See mit Schlamm. Gebannt starrten wir auf die Oberfläche. Doch nichts rührte sich, nicht mal die geringste Bewegung. Halbohr nahm einen Trank, von dem er der Meinung war, dass er ihm das Atmen unnötig machen würde. Ich hielt es immer noch für unsinnig und unnötig, aber wenn er meint sich in den Schlamm stürzen zu müssen, soll er doch. Er band sich ein Seil um seinen Körper und mit einem widerlichen Platschen ließ er sich in den stinkenden braunen Schlamm herab. Es dauerte eine Zeit, bis er sich wieder aus dem Schlamm-See erhob - ein Klumpen aus Dreck und Matsch. Nur in entferntester Weise war Halbohr zu erkennen. Allerdings kam er nicht mit leeren Händen. Offenbar war irgendwo auf dem Grund des Schlamms ein Paar Armschienen aus einem merkwürdigen Glas verborgen gewesen. Dieses dunkle, rauchige Glas kam mir bekannt vor. Leicht durchsichtig, aber hart, war es schwer wie Stahl.

Halbohr machte sich notdürftig etwas sauber, wobei er jetzt fürchterlich nach modrigem Matsch und Nässe stank. Ich möchte mir nicht ausmalen, wie wir alle mittlerweile rochen. Hatten wir doch bereits seit einigen Tagen kein richtiges Bad mehr genommen. Halbohr verschwand wieder in die Dunkelheit, doch diesmal dauerte es nicht so lange bis er wiederkehrte. Offenbar hatte er einen Gang gefunden, der an einer Steintüre endete. Von dort hatte er Gestalten hören können. Durch eine Art Guckloch hatte Halbohr diese als unheimliche Vertreter des stämmigen Volkes identifiziert. Wir schmiedeten einen Plan, so dass wir uns vorsichtig an diese Türe anschleichen wollten und versuchen würden sie zu überraschen. Soweit so gut. Tatsächlich kamen wir unbehelligt in die Nähe der Türe. Trotz eines Leuchtkristalls, der den Gang in ein schwaches kühles Licht hüllte. Halbohr machte sich daran das Schloss dieser Türe zu öffnen. Ich hielt meinen Atem an und versuchte mich zu konzentrieren als langsam die Türe aufgezogen wurde.

Doch dann überschlugen sich die Ereignisse: Nur einen Wimpernschlag später standen wie aus dem Nichts vier weitere dieser hässlichen Kreaturen in der Türe und zielten mit großen Armbrüsten auf uns. Halbohr konnte gerade noch von der Türe aufschauen, als das Surren der Bolzen durch den Tunnel hallte. Einige davon trafen Halbohr und Bargh, doch ich glaubte, dass Bargh nur darauf gewartet hatte. Das heimliche und vorsichtige Vorgehen ward wider seine Natur. Mit einem Brüllen stürmte er nach vorne. Seine Klinge aus Schatten und Feuer hoch erhoben. Der merkwürdige Stahl traf auf das fahle, von bläulichen Venen durchzogene Fleisch der Gestalten und die Schatten entzündeten sich. Schreiend fielen die ersten unserer Gegner, während ich selbst mit der Hilfe meines Verbündeten dafür sorgte, dass sich ihre Kehlen zusammenschnürten. Röchelnd standen sie dort, als Halbohr seinen Dolch mit den nordischen Runen in ihre Kehle rammte.

Bisher lief es gut für uns, keiner dieser niederen Kreaturen konnte uns das Wasser reichen. Doch dann machten sich die anderen in dem Raum angriffsbereit und wie schon so oft nutzten sie ihre Kraft, um sich auf enorme Ausmaße zu vergrößern. Mit ihren gigantischen Stangenwaffen stürmten sie auf uns zu. Ich wich Schritt für Schritt zurück und sah aus dem Augenwinkel eine kleine Gestalt hinter mir. Erst dachte ich diese feigen Kreaturen wollten uns umzingeln. Aber dann fiel mir auf, dass die Gestalt anders aussah. Er war klein, hatte aber nicht diese von bläulichen Venen durchzogene blasse Haut. Nicht nur sein Gesicht war rundlicher, sondern auch ein Bauch war zu erkennen. Die Gestalt murmelte irgendetwas. Ich wollte die anderen warnen, als plötzlich vor uns der gesamte Raum in einer gewaltigen Feuersbrunst unterging. Wir spürten die Hitze auf dem Gang und wir hörten die Schreie der Kreaturen, als sie bei lebendigem Leibe verbrannten. Einige versuchten an Bargh und Halbohr vorbeizukommen, doch die beiden stießen sie wieder zurück in die Flammen, wo sie das Schicksal ihrer Kameraden teilen konnten. Bei dem Anblick stimmte Bargh ein verrücktes Lachen an und stellte sich den brennenden Kreaturen entgegen. Vermutlich um sicherzugehen, dass keiner hier lebend herauskam. Seine massige Gestalt warf vor den Feuern einen langen Schatten in den Gang und die lodernden Flammen schienen ihn nicht zu berühren. Es war, als bog das Feuer um ihn herum, während mir selbst, obwohl ich noch weiter weg stand, die Haut von der Hitze brannte.

Doch so schnell die Flammen gekommen waren, so schnell ebbten sie wieder ab. Übrig blieben die rauchenden, stinkenden Kadaver dieser Höhlenbewohner. Auch die Gestalt, die ich wegen des Feuers aus den Augen verlor, erschien wieder vor mir. Tatsächlich konnte dies kein Angehöriger der gleichen Rasse sein. Er war dicklich und älter und machte auf mich einen eher verwirrten Eindruck. Seine schon ergrauten Haare standen wirr von seinem Kopf ab und die dicke Nase ragte inmitten eines faltigen Gesichtes hervor. Er fing an etwas zu brabbeln. In einem merkwürdigen Kauderwelsch. Dabei zuckten sein Mund und sein Kiefer mit jeder Silbe, als wenn er ihn nicht unter Kontrolle hätte. Nachdem wir ihn alle fragend anstarrten, dämmerte es ihm offenbar, dass wir ihn nicht verstehen konnten. Er fing an in der gemeinen Zunge zu sprechen. Auch das war schwer für uns zu verstehen, da seine Worte und seine Aussprache eine eigenartige Färbung hatten.

Der Fremde stellte sich als Ortnor Wallenwirk vor. Nun, das waren auch erstmal die einzigen sinnvollen Worte, die aus seinem Mund kamen. Danach hatte er nichts Besseres zu tun, als mich zu beschimpfen - diese kleine hässliche Missgeburt. Nannte mich Mädchen, dumm und dilettantisch. Ich hatte nicht wenig Lust diesem kleinen Wicht zu zeigen, wie dilettantisch ich bin, wenn ich ihn kochen ließe. Oder noch besser, soll er mal richtige Bekanntschaft mit Bargh machen. Bargh schien meine Gedanken zu erraten. Er trat vor den Wicht in all seiner Größe und Stärke und nahm ihn wie ein Spielzeug in seinen großen und starken Händen. Die Schatten, die sein Schwert blutete, lechzen wohl wieder nach einem Opfer und begannen bedrohlich die Gestalt von Ortnor einzuhüllen. Auf einmal wurde er ganz freundlich und wir waren keine Dilettanten, Nichtskönner, Idioten oder Dummköpfe mehr. Ich halte für mich fest: Ortnor ist ein Wicht und ein Feigling zugleich. Ich hoffte, dass Bargh in zerquetschen würde, doch leider beruhigte sich der heilige Krieger Jiarliraes wieder und ließ ihn herab.

Ortnor erzählte uns, dass wir wohl gerade vor einem Außenposten dieser Kreaturen standen, die er als Duergar bezeichnete. Er selbst stamme von einem Volk, das er die Svirfneblin nannte. Offenbar hatten die beiden Völker schon seit langer Zeit eine Blutfehde, denn er ließ während seiner Erzählungen keine Gelegenheit aus, die Duergar als Abschaum zu beschimpfen. Er erklärte uns, dass sich hinter diesem Vorposten eine noch recht junge Minenstadt erstrecke, die tief in den Berg der Irrlingsspitze hineinführe – von ihm Unterirrling genannt. Dort bauten die Duergar ein Erz ab, dass er als Ne‘ilurum bezeichnete. Es war jenes merkwürdige Glas, aus dem auch die beiden Armschienen gefertigt wurden, die sich inzwischen an meine Unterarme schmiegten. Und, so fuhr er fort, stehe diese Minenstadt auch nur in den Diensten eines wohl noch größeren Reiches, dass er Urrungfaust nannte. Er hatte auch den Namen Waergo gehört, ein Krieger aus der Gruppe der Abenteurer, die sich vor 23 Jahren vor uns aufgemacht hatten, die Geheimnisse des Berges zu enträtseln. Jedoch war wohl dieser Waergo von seinem eigentlichen Plan abgekommen und hatte sich stattdessen zum Anführer der Minenstadt hochgearbeitet. Das besondere hierbei war, dass er nicht zum Volk der Duergar, sondern zum stämmigen Volk der Schneeberge gehörte. Diesem Volk begegneten die Duergar wohl seit jeher mit Hass und Verachtung. Von den Geschichten über den Linnerzährn und das Portal wusste er auch nichts Genaueres. Nur die Legenden über das graue Volk waren ihm bekannt, das sich in längst vergessener Vergangenheit ein Domizil im Irrling baute. Und die Legende des Eingangsportals nach Unterirrling, das sich nur öffnen sollte, wenn der Linnerzährn sein Feuer auf den Berg spie.

Er bot uns an uns zu begleiten, doch als er seinen Plan erklärte, kochte ich vor Wut. Er meinte, ich solle mich als minderbemittelte Sklavin ausgeben und dass er mich zum Verkauf anbieten würde! Was dachte dieser kleine Wicht sich nur! Ich würde mich von ihm bestimmt nicht rumschubsen lassen oder gar anfassen lassen. Was diese Kreaturen auch immer mit Sklavinnen machen würden. Ich dachte mir schon, dass Halbohr diese Idee vermutlich wunderbar finden würde, doch Bargh würde bestimmt auf meiner Seite sein. Mit Halbohr hatte ich tatsächlich Recht. Natürlich fand er es toll. Vielleicht sehnte er sich insgeheim danach, selbst der Sklavenherr zu sein. Doch ich täuschte mich in Bargh. Er ließ sich von Halbohr und diesem Ortnor überreden. Auf mich wollte ja keiner hören. Vermutlich hätte Bargh mit mir zusammen auch alleine all diese Kreaturen abschlachten können. Na gut, wenn sie es so haben wollten, sollten sie alleine klarkommen. Ich würde ihnen nicht mehr helfen, sondern die Sklavin spielen. Ortnor holte ein Tuch aus seinem Rucksack und schleuderte es in die Luft, wo es wie durch Zauberhand hingen blieb. Er schlüpfte dahinter, wie durch einen Vorhang. Man hörte hinter dem Vorhang ein Poltern und rumpeln, und nach einiger Zeit kam Ortnor wieder zum Vorschein, mit einigen alten Lumpen. Wer weiß woher er die hatte. Sie zogen mir die nach Öl stinkenden Lappen über und nahmen die Sachen, die ich bei mir trug. Lächerlich! Ich sollte eine Prinzessin aus der Oberwelt spielen und Ortnor würde mich auf einem Sklavenmarkt verkaufen wollen. Bargh und Halbohr sollten zwei Söldner darstellen, die Ortnor beschützten.

Ortnor führte uns durch den Vorposten hindurch in das Gangsystem. Schon bald stießen wir auf die ersten Ausläufer der Minenstadt. Vorbei an Schienen für Lorenwagen, sahen wir die ersten Arbeiter der Duergar. Sie schlugen mit ihren Meißeln das dunkle, glasartige Erz aus dem Felsen, das sich hier wie in Adern durch den Stein zog. Die Arbeiter selbst schienen sich nicht wirklich für uns zu interessieren, doch trafen wir schon wenig später auf Soldaten, die die Arbeiterschaft bewachten. Diese waren schon wesentlich interessierter. Jedoch trat Ortnor zu ihnen und sprach mit ihnen in der merkwürdigen Sprache, die anscheinend hier unter den Bergen gesprochen wurde. Was auch immer er ihnen sagte, es reichte offenbar. Die Soldaten ließen uns unbehelligt weiterziehen. Er führte uns näher in Richtung der Minenstadt und wir traten an einer Höhle vorbei, wo drei riesige achtbeinige Kreaturen an den Felsen gekettet waren. Vor ihnen lagen die Überreste von anderen kleinen Kreaturen, die diese schwarzhaarigen Spinnen genüsslich mit ihren Kieferzangen verschlangen.

Die Luft schien wärmer zu werden, als wir weiter durch die gehauenen Gänge schritten. In verrauchten Felsenkammern sahen wir die ersten Hochöfen, Hier verarbeiteten die Duergar ihr kostbares Erz. Es konnte kein Feuer sein, womit sie die Öfen betrieben, sondern irgendetwas anderes. Von den Essen ging ein gleißendes Licht aus, dass mir nach der langen Zeit in der Dunkelheit in den Augen brannte. Sie machten aus dem Erz Ne‘ilurum Stangen, die sie in großen Körben weiter lieferten. Dort war auch ein Apparat, den Ortnor als Aufzug bezeichnete. Damit konnte man offenbar nach oben oder nach unten fahren. Halbohr und Ortnor diskutierten, wie sie weitergehen sollten. Anscheinend wusste Ortnor auch nicht, welcher Weg zum Sklavenmarkt führte. Jemanden nach dem Weg fragen, wäre eine denkbar schlechte Idee gewesen. Sie entschieden sich einfach darauf zu warten, bis jemand den Aufzug in Gang brachte. Was auch bald geschah. Nachdem weitere Körbe dort eingeladen wurden, begann einer der Duergar wieder zu wachsen. Diese Fähigkeit scheint ihnen zu eigen zu sein, wie anderen das Laufen. Sie setzen es nicht nur für den Kampf ein. Der Duergar wuchs auf beachtliche Größe an und griff ein Seil über der Kabine des Aufzugs. Ein Seil, das wir nicht erreichen konnten. Dann setzte sich der Apparat rumpelnd in Bewegung. Keiner von uns konnte sagen wohin er uns führen würde und ob wir jemals wieder das Tageslicht erblicken würden.

Jenseher:
Wir lauschten dem Rumpeln und Knarzen der Apparatur, die sich in die Tiefe bewegte. Ab und an gab es ein kleines Krachen, als die hölzerne Plattform ins Wanken kam. Die riesenhaften Gestalten der Duergar rissen wechselseitig an dem Seil, so dass der Aufzug an den steinernen Schacht schlug. Ich selbst war noch gekleidet in die dreckigen und stinkenden Lumpen, die mir der kleine Wicht Ortnor übergestülpt hatte. Ich war mir sicher: Er, aber auch Halbohr hatten ihre Freude, wenn sie mich so erniedrigen konnten. Natürlich wusste ich, was sie damit bezweckten. Ich bin nicht dumm und verstand den Plan sehr wohl. Aber hätte nicht auch jemand anderes den Sklaven spielen können? Halbohr zum Beispiel? Einmal war ich mir sicher, dass ich dem runden Gesicht von Ortnor ein hässliches Grinsen entnehmen konnte. Ich blinzelte ihm böse zurück, gerade lang genug um ihm klar zu machen, dass er keine Spiele mit mir treiben konnte. Nur einen Vorteil sah ich in den stinkenden Lumpen. Mein eigener Geruch überdeckte jetzt den Schweißgestank der Tiefenzwerge.

Mit einem lauten Poltern und einem letzten Ruck kam der Aufzug zum Stehen. Wir hörten Geräusche von Hämmern und Schmiedearbeiten aus dieser Ebene. Durch die sich öffnenden Türen sahen wir hinter den dunklen Tunneln das Schimmern weiteren Hochöfen. Ortnor ging wieder voran, Bargh und Halbohr nahmen mich in ihre Mitte. Der Tunnel führte uns vorbei an mehreren kleinen Essen und Lagerstätten, wo sie ihr kostbares Ne‘ilurum in Stangen lagerten. Die meiste Zeit starrte ich meine Stiefel an, wie sie über den verrußten Boden stapften. Ortnor konnte ich nicht anblicken, sonst wäre ich vermutlich vor Wut geplatzt. Wir kamen schließlich zu einer weiteren Steintüre und hörten alle dahinter ein Gewirr von hunderten verschiedenen Stimmen sowie das Klimpern von vielen Münzen, die anscheinend den Besitzer wechselten. Ortnor hatte wohl etwas mit seiner Angst zu kämpfen. Er fing wieder damit an, uns als unfähig zu beleidigen. Ich sah deutlich das Aufblitzen von Wut in Halbohrs normalerweise eher gelangweilt dreinblickenden Augen. Wer weiß, welche Bilder er sich in seiner Vorstellung gerade auftaten - für Ortnor waren sie bestimmt nicht schön. Ich grinste heimlich in mich hinein, als Bargh aber auch schon mit seinen kräftigen Armen die steinerne Türe öffnete.

Als die Türe aufschwang wurden wir überwältigt vom Geruch und Geräusch einer wahren Masse von Duergar, Menschen und anderen Kreaturen. Grünliches, künstliches Licht, getragen von großen Steinsäulen, warf die Szenerie in einen fremden Anblick. Vor uns eröffnete sich eine riesige Halle, übersäht mit Zelten, Regalen und kleinen Emporen. Überall waren die seltsamsten Kreaturen, die die Tiefen der Eingeweide der Erde ausspucken konnten. Eine Geruchswolke von Kräutern, Tieren und Getränken waberte auf uns zu. Die Häute der Zelte und der Stände sahen aus wie schwarze Spinnfäden die zu dunklen, fast durchsichtigen Planen zusammengewebt wurden.

Ortnor schritt wieder voran, Bargh und Halbohr nahmen mich in die Mitte. So wir traten in die Halle ein. Es war fast so, als würden wir eine andere Welt betreten. Der größte Teil der Gestalten schien dem Volk der Duergar anzugehören. Ich fühlte ihre Blicke auf mir. Wie sie mich und auch die anderen mit ihrem überheblichen Hass anstarrten. Es gab hier auch einige wenige Menschen und auch einige Verwandte von Atahr. Elfen mit ihrer fast schwarzen Haut, violetten Augen und weißen Haaren. Als wir an einer Kreatur vorbeikamen, ist mir vor Furcht aber fast das Herz stehen geblieben. Diese Kreatur war anders als alles, was ich bisher gesehen hatte: Das humanoide Geschöpf hatte keinen Mund, sondern nur abscheuliche Tentakel, die dort emporzuckten, wo man normalerweise einen Mund vermutete. Rote, hasserfüllte Augen starrten mich an. Sie starrten nicht nur in meine Augen, sondern sie schienen direkt in meinen Verstand hineinzustarren. Und die Gestalt schien nicht nur zu starren, sondern es war mir, als wenn sie einfach nur zum Vergnügen mit meinem Verstand spielen würde. Zum Glück wurde dieses Wesen von einem anderen Besucher dieses Marktes abgelenkt und sein Blick ließ von mir ab. Zügig schritten wir weiter.

Wir bewegten uns zwischen den Ständen hindurch. Alles was das Herz begehrt und auch nicht begehrt wurde hier feilgeboten. Es gab verschiedenste Stände mit Kräutern, Nahrungsmitteln, Waffen und Rüstungen. Auch einfache Gegenstände wie Schüsseln und Töpfe, Teppiche oder nur kleine Pilze, die kunstvoll beschnitten wurden. An einem Stand gab es merkwürdige kleine Gerätschaften, von denen ich mir nicht vorstellen konnte, was man damit anfangen könnte. Als Bargh diese sah meinte ich in seinen Augen diese Lüsternheit zu sehen, die ich von ihm eigentlich nur kannte, wenn er betrunken war. Viele der Gegenstände, auch einfache Würfel oder andere Spielgeräte, waren aus dem Erz gefertigt, das sie hier unter dem Irrling abbauten. Und wir sahen auch Stände, an denen sie tatsächlich arme Wichte als Sklaven anboten. Einschließlich verschiedener Gerätschaften, um diese im Zaum zu halten. Über uns konnten wir erkennen, dass diese Halle eingerahmt war von einer Empore. Dort gab es keine Stände mehr, aber stattdessen sahen wir, dass dort weitere dieser gewaltigen achtbeinigen Biester entlang schritten. Auf Sätteln trugen die Spinnen Duergar, die mit wachsamen Augen den Markt beobachteten.

Ortnor erblickte auf dem Markt weitere Gestalten seiner Art. Diese, Svirfneblin nannte er sie, glaube ich, wirkten in diesem Getümmel etwas fehl am Platz, fehlte ihnen doch dieser immerwährende Hass auf alles andere. Die drei boten uns einen Unterschlupf in ihrem Zelt an, während Bargh und Halbohr sich weiter auf dem Markt umsahen. Also ließen sie mich allein zurück, in den Händen dieser kleinen Wichte. Na schön, wenn sie meinen. Allerdings wusste ich schon, dass ich für nichts garantieren könnte, wenn Ortnor wieder mit seinen Tiraden über meine Fähigkeiten anfängt. Zumindest von Bargh hätte ich besseres erwartet, aber auch er wurde vom Rausch des Handels gepackt.

Eine gefühlte Ewigkeit verging die ich damit verbringen musste, diesen kleinen dicklichen Kreaturen zuzuhören, wie sie in ihrer merkwürdigen Sprache schwatzten. Ich verstand zwar kein Wort, war mir aber sicher, dass sie sich insgeheim über mich lustig machten, wie ich dort in ihrem Zelt saß, in meinen stinkenden Lumpen. Natürlich würden sie es sich nicht trauen, offen über mich zu lachen. Aber jedes Mal, als sie zu mir blickten und sich wieder umdrehten, war ich mir fast sicher ein Lachen zu hören und ein Grinsen zu sehen. Plötzlich vernahm ich von außerhalb des Zeltes das laute Schlagen einer Türe. Ich hörte eine tiefe und dröhnende Stimme, wie sie schimpfte und offenbar Duergar-Wachen anbrüllte. Merkwürdigerweise aber in der gemeinen Zunge. Die Stimme lallte dabei und ich stellte mir vor, wie ein völlig betrunkener Duergar dort polterte und tobte. Halbohr, der zusammen mit Bargh zurückkehrte, erzählte später, dass ich gar nicht so weit von der Wahrheit entfernt war. Allerdings war es kein Duergar, sondern ein Vertreter des stämmigen Volkes der Oberwelt. Doch erzählte Halbohr, dass seine Haut aussah, als wenn er kurz vor dem Tode wäre. Über und über war sein Gesicht mit eiterndem Schorf bedeckt. Die roten Haare wuchsen nur noch an einigen Stellen und unter seiner linken Schädelhälfte sah es so aus, als ob dort Maden oder anderes Getier krochen. Aber trotz seines Aussehens oder seiner Herkunft hatten die anderen Duergar Angst vor ihm und gehorchten jedem Wort. Dies musste dann wohl Waergo von Naarbein sein, einer der Abenteurer, die vor 23 Jahren wie wir aufbrachen um die Geheimnisse der Irrlingsspitze zu erkunden. Waergo hatte sich dann aber zum Anführer der Minenstadt von Unterirrling gemausert. Wenn auch der Rest der Geschichten stimmte, vor allem der Brief, den wir bei der zerschmetterten Leiche in der Höhle gefunden haben, dann hat Waergo einen der Schlüssel, um das Portal zu öffnen? Oder zu justieren? Mir wurde wieder klar, wie wenig wir eigentlich wussten, was es mit diesem Portal auf sich hat. Aber sei es wie es ist, unser Weg kreuzt den von Waergo. Ich war mir sicher, dass er uns nicht einfach so passieren ließe.

Halbohr sagte, er habe gesehen wie Waergo torkelnd auf die Empore stieg und dann hinter einer Türe verschwand; vielleicht sein Gemach. Ortnor hatte daraufhin eine Idee: Offenbar besaß er die Fähigkeit, sich durch Zeit und Raum zu bewegen und von einer Stelle direkt zu einer anderen Stelle zu gelangen. Allerdings müsse er sein Ziel einmal gesehen haben. Halbohr wurde auserkoren, dies zu ermöglichen. Er solle sich an den riesenhaften Spinnenreitern und den anderen Wachen vorbei schleichen und entlang der Empore bis zu der Türe gelangen. Diese solle er einmal kurz öffnen. Ortnor würde an der Wendeltreppe, die zu der Empore führte, warten. Dort habe er eine gute Übersicht, auch auf die Empore. Sobald Halbohr die Türe öffnete, würde er seine Fähigkeiten einsetzen und sich selbst, Bargh und mich dorthin bringen. Ich sah es in Halbohr Gesicht arbeiteten. Grübelnd kratzte er sich an den vernarbten Überresten seines Ohres und ich konnte sein Zögern tatsächlich verstehen. Alleine vorbei an den Wachen und wer weiß was sonst noch. Dass Ortnor erwähnte, eher nebenbei, dass es Geschichten gab, in deren einige Wachen sogar unsichtbar waren, machte die Sache nicht einfacher. Allerdings wurde es Halbohr schnell klar, dass wir keine andere Möglichkeit hatten. Also stimmte er zu und machte sich bereit.

Er mischte sich unter die Besucher des Marktes und verschwand aus unseren Blicken. Ab und zu sahen wir ihn zwischen den Schatten der Säulen auftauchen, wie er auf die Empore kletterte. Ich versuchte seinen Bewegungen zu folgen. Wirklich schaffte er es, sich geschickt von Nische zu Nische und von Schatten zu Schatten zu drücken. Einmal sah ihn ganz kurz auftauchen, wie er mit einem eingefrorenen Blick in die Leere starrte. Ich folgte seinen Augen, konnte aber nicht wirklich etwas erkennen, was ihn erschreckt hatte. Vielleicht war da ein kleines Flimmern in der Luft, mehr aber nicht. Hatte er einen unsichtbaren Spinnenreiter gehört? Ein weiteres Mal tauchte er auf. Direkt neben der Türe, die zu dem Gemach von Waergo führte. Ortnor hielt sich bereit und auch Bargh und ich selbst hielten die Luft an. Wie in Zeitlupe sahen wir, wie sich die Türe langsam öffnete. Wir hörten, wie Ortnor neben uns arkane Formeln murmelte. Es war genau abgepasst: Wir konnten gerade noch von dem Markt einen kurzen Blick auf den Raum werfen, als wir von der Magie Ortnors durch die Dimensionen geschleudert wurden. Es fühlte sich merkwürdig an, als ob irgendetwas einen packen würde, durch einen dichten Nebel schleudern und unsanft auf den Boden werfen würde. Ich brauchte einen Moment um wieder klar denken zu können, doch dann sah ich mich tatsächlich in dem Raum stehen und Bargh und Ortnor neben mir.

Das Zimmer, in dem wir auftauchten, war von einer Art Vorhang getrennt der aus dunklen Schuppen irgendeines Tieres der Unterreiche gemacht wurde. Doch war es nicht Waergo, der uns in dem Raum erwartete, sondern einer seiner Untergebenen. Der Duergar saß an einem Tisch und studierte irgendwelche Papiere. Wir sahen schon, wie Halbohr sich in den Rücken der Gestalt schlich, als diese mit unserem Erscheinen aufsprang. Plötzlich ging alles sehr schnell. Der Duergar konnte zwar noch nach Waergo rufen, doch das Schwert von Bargh hieb auf die Gestalt ein. Sein Blut spritze auf, als der Hieb tief in seinen Leib drang. In einem letzten Akt des Todes schaffte er es, seinen Speer, der neben ihm lag, Bargh ebenfalls tief in die Brust zu rammen. Bargh schrie vor Schmerzen, doch entfachte der Schmerz auch seine Wut. Mit einem Gebrüll holte er aus und richtete seinen Widersacher mit seinem Schwert. Die Schatten der Klinge begannen sich zu entzünden und hüllten den schwarzen Stahl in einen Schein von Feuer. Der Hieb traf den Duergar am Hals und fuhr ohne zu stoppen durch ihn hindurch. Das Klatschen, als der abgetrennte Kopf auf den Boden aufschlug, hatte fast schon etwas Belustigendes. Bargh keuchte schwer von dem Stich des Speeres, doch Halbohr verlor keine Zeit und schob den Vorhang etwas zur Seite. Dahinter offenbarte sich ein weiterer Raum, mit einem Tisch, auf dem wir etwas ähnliches wie eine Karte sahen, mitsamt mehreren platzierten Figuren. Auch hier war alles aus Ne‘ilurum gefertigt. An einigen Stellen waren zudem mit weißer Farbe Augen und Tentakel auf den Tisch gemalt. Doch konnten wir uns von der zur Schau gestellten Dekadenz nicht ablenken lassen. Wir hörten das Poltern hinter einer weiteren Türe. Diese war zwar auch aus Stein, jedoch war sie mit schwarzer Farbe angemalt, so dass sie sich deutlich von dem restlichen Gemach unterschied. Die Türe flog auf und heraus kam die Gestalt Waergos. Jetzt sah auch ich das, was bisher nur Halbohr erzählte. Früher mag es wohl mal ein stattlicher Vertreter seiner Rasse gewesen sein. Jetzt konnte man es nur noch erahnen. Sein rotes Haar wuchs nur noch an einigen wenigen Stellen. Der Rest sah aus, als wenn er bei lebendigem Leibe verwesen würde. Schorf und Eiter bedeckte die kahlen Stellen und unter der Haut pulsierte es so, als ob wirklich irgendetwas unter der Haut leben würde. Das waren wohl die sogenannten „Hauttiere“, die von Waergos Gesicht speisten und vor denen uns Ortnors neue Freunde gewarnt hatten.

Mit grimmigem Gesicht erhob Waergo seine Axt und sein Schild. Das Ne’ilurum, aus dem beides geschmiedet war, glitzerte beängstigend in dem schwachen Kerzenlicht des Raumes. Auch seine Rüstung bestand aus den Platten dieses seltsamen Unterreicherz. Er stellte sich Bargh, doch haftete sein Blick auf Ortnor und seine Augen lechzten nach dem Blut des Svirfneblin. Bargh versuchte den Moment auszunutzen und erhob sein geweihtes Schwert. Die Schatten begannen sich wieder zu entzünden und feuriger Odem tropfte wie Magma hinab. Barghs Muskeln spannten sich, als er die Klinge auf Waergo hieb, doch dieser brachte seinen Schild hervor. Waergos Lachen ging in dem Geräusch von Stahl unter, als das Schwert an dem Erz abprallte. Aber Bargh stand ihm nicht alleine gegenüber. Halbohr schaffte es sich hinter Waergo zu bewegen und stach zielsicher seine Dolche zwischen die Lücken seiner Rüstung, während ich selbst meine feurigen Pfeile auf ihn schleuderte. Waergo wendete sein Gesicht zu Halbohr und spie ihm ins Gesicht. Ich dachte erst, er wolle ihn nur verhöhnen, doch dann sah ich, dass sich in seiner Spucke eine weiße dicke Made befand, die jetzt versuchte durch die Glieder des Kettenhemdes von Halbohr zu gelangen. Dieser streifte sie, zum Glück für ihn, schnell genug ab und zertrat sie auf dem Boden.

Es entbrannte ein erbitterter Kampf. Waergo erwies sich als mächtiger Krieger. Geschickt wehrte die Hiebe von Bargh und auch die glitzernden Kugeln, die Ortnor auf ihn schleuderte, ab. Letztere zerplatzen mit einem Knall auf seinem Schild und liefen wie schwarzer Schleim herunter. Wieder und wieder hieb Waergo mit seiner Axt nach Bargh und viel zu oft schnitt die schwarze Klinge aus Ne‘ilurum in das Fleisch des Kriegers hinein. Ein besonders kräftiger Streich traf ihn in den Arm. Bargh schwankte und für einen Moment sah es so aus, als könnte er nicht einmal sein Schwert halten. Doch der schwarze Griff des Schwertes schmiegte sich wie von selbst um seine Hand. Aber auch Waergo wurde unseren Hieben und meinem Feuer verletzt. Es war Halbohr der ihm den hinterhältigen Todesstoß versetzte. Sein Dolch fand seinen Weg zwischen den Panzerplatten seiner Rüstung direkt in sein Herz. Er röchelte und fiel mit dumpfem Aufschlag auf den Boden - in die Lache seines eigenen Blutes.

Zeit zum Verschnaufen blieb uns jedoch keine. Schon kurz nachdem das letzte Zucken von Waergos totem Körper aufhörte, hörten wir von außen schon die Rufe der Wachen. Wir erstarrten alle, sahen wir uns doch schon mit der gesamten Minenstadt konfrontiert. Aber obwohl Ortnor ein widerlicher kleiner Wicht war, handelte er blitzschnell. Er schaffte es seine Stimme so zu verstellen, dass sie wirklich der von einem der Duergar ähnelte. Irgendetwas rief er in ihrer Sprache. Was es war konnte keiner von uns verstehen, aber offenbar gaben sich die Wachen damit zufrieden und kamen nicht in den Raum hinein. Dennoch durften wir keine Zeit verlieren. Schnell schafften wir die beiden toten Körper zusammen und versuchten zumindest die gröbsten Spuren des Kampfes zu beseitigen. Halbohr und Bargh zogen die beiden in das Gemach von Waergo hinein. Dieses Gemach schien das Zimmer eines Wahnsinnigen zu sein: Wände, die Decke, der Schrank, der hier stand und Stuhl und Bett waren mit schwarzer Farbe bemalt. Nur ein Tierfell auf dem Boden war aus reinstem Weiß, so dass es einen fast blendete. Eine weitere Türe führte aus dem Raum heraus. Doch wäre es Selbstmord gewesen, jetzt einfach ins Ungewisse zu stürmen. Bargh blutete aus einer Vielzahl von Wunden und konnte sich kaum auf den Beinen halten.

Mehr durch Zufall bemerkten wir lockere Bretter auf der Rückseite des Schrankes. Dahinter eröffnete sich eine geheime Kammer. Diese war zwar recht klein, aber nicht leer: Einige Säckchen lagen auf dem Boden und da war eine kleine abgeschlossene Schatulle, die kunstvoll mit Marmor verziert war. Halbohr vergaß wohl für den Moment die Gefahr, in der wir schwebten und widmete sich den Gegenständen. Dem Schloss der Schatulle schaffte er es zwar nicht habhaft zu werden, jedoch fand er in den Säckchen neben einer gewaltigen Menge von Münzen und Edelsteinen und einen kleinen Stab, der in Gänze aus einem roten Saphir bestand. Augenblicklich begannen Ortnors Augen zu blitzen: Dies war wohl eine der drei Kristallkomponenten, die auch in dem Brief von Adanrik erwähnt waren. Zumindest waren die Strapazen also nicht umsonst. Wir verschanzten uns zusammen mit den Leichen in der kleinen Kammer, verwischten unsere Spuren und brachten die Bretter wieder an. Mein Herz blieb fast stehen als, wir nach einiger Zeit wieder Stimmen hörten. Wachen der Duergar, die sich mit der Erklärung von Ortnor wohl nicht mehr zufriedengaben und nachschauten, was geschehen war. Doch fanden sie nichts oder ließen sich nichts anmerken. Wir hielten alle den Atem an und lauschten den Schritten und leisen Stimmen, bis sie nicht mehr zu hören waren. Ich kann nicht von mir sagen, dass ich besonders erleichtert war. Wusste ich doch nicht, was sie vielleicht gefunden haben und welche Schlüsse sie daraus zögen. Unsere Nerven waren alle bis zum Zerreißen gespannt. Ortnor begann sogar mit sich selbst zu sprechen. Besser gesagt, mit sich selbst zu streiten. Ob er die Karte in dem Tisch des Vorraums verstehen würde und dass er leise sein sollte. Wenn sein Verstand verliert, sollten wir uns von ihm trennen. Bevor er uns mit seinem Wahnsinn mitreißt. Aber später, erst mussten wir hier herauskommen. Ob es besser oder noch schlimmer werden würde, würde sich schon bald zeigen.

Jenseher:
Eingepfercht lagen wir in der kleinen versteckten Kammer, hinter dem Gemach von Waergo. Ab und zu hörten wir noch ein paar Laute der Soldaten, die die Kammer durchsuchten, doch auch diese Geräusche versiegten igendwann. Zumindest fürs Erste schienen sie sich beruhigt zu haben und nicht weiter nach Waergo zu suchen. Bargh versorgte seine Wunden. Als er seine blutenden Verbände abnahm, sah ich im schwachen Licht, welches durch die Bretter des Schrankes drang, dass sich bereits einige Schnitte geschlossen hatten. Es war fast als ob man zusehen konnte, wie neues Fleisch und Haut über die tiefen Einstiche wuchs.

Nachdem er seine verbleibenden Wunden gereinigt hatte, legte Bargh die Platten der Rüstung aus Ne’ilurum an, die er dem toten Anführer abgenommen hatte. Auch nahm er Waergos Schild, der aus Erz dieses Minenreiches geschmiedet war. Ortnor ging unruhig in der Kammer hin und her, immer noch mit sich selbst diskutierend. Es war, als ob er mit sich selbst streiten würde. So lamentierte er über unsere nächsten Schritte und drang sich selbst zum Weitergehen. Für mich ist er ein kleiner Wicht, aber was das angeht, hatte er Recht. Wenn wir hier noch länger säßen, alle zusammen auf kleinstem Raum und ich mir seine kleine Gestalt mit den wirren Haaren und dem ständigen Zucken noch weiter anschauen müsste…Der Gedanke ihm zu zeigen was ich tatsächlich kann, erschien mir von Minute zu Minute schöner.

Zum Glück für ihn war Bargh bald fertig und wir traten wieder durch die Rückseite des Schrankes in das vollständig schwarz angemalte Gemach von Waergo hinein. Wir wendeten uns der Türe zu, die vermutlich einen Nebeneingang in das Gemach darstellte. Dann passierte etwas Merkwürdiges: Ich hörte plötzlich ein Flüstern von Stimmen. Im ersten Moment dachte ich es wäre wieder Ortnor, der mit sich selbst redete oder Bargh, der etwas zu mir sagte. Doch es war nicht nur eine Stimme, sondern eine Vielzahl. Leise flüsterten sie in meinen Kopf. Manche redeten Vorwärts, manche klangen so, als ob sie Rückwärts sprechen würden. Auf eine Stimme konnte ich mich konzentrieren und die anderen Stimmen schienen dies zu merken und folgten der einen Stimme wie ein Echo: „Tötet das Fremde, tötet das Niedere, vernichtet die Starren und die Unverrückbaren!“ Das Flüstern hatte nichts Beängstigendes an sich. Im Gegenteil: Ich spürte ein Gefühl des Glücks, wie in einem Rausch. Konnte es sein, dass zum allerersten Mal mein Verbündeter, jene geheimnisvolle Macht, die zwar immer in meiner Nähe aber nie richtig fassbar, direkt zu mir sprach?

Halbohr war es, der mich wieder in das hier und jetzt zurückriss. Er machte sich gerade an der Türe zu schaffen und öffnete sie vorsichtig. Wir konnten alle eine gedämpfte Stimme hören. Sie hielt eine Art Predigt, wobei es sich für mich fast schon nach Hoffnungslosigkeit klang. Ich lauschte eine Weile der Stimme: "Wir müssen jetzt Stark sein; wir sind seiner Heiligkeit verpflichtet. Ehrenhaft wie unsere Vorfahren werden wir einst in sein Reich schreiten. Dort herrscht er grimmig von seinem Thron aus purem Eisen. Sein Name soll geheiligt sein. Wir nennen ihn Laduguer, unser höchster Gott; Gott des Krieges und der Waffen. Er spricht durch mich und da von Waergo keine Spur zu finden ist, übernehme ich die Kontrolle über die Stadt." Offenbar werden die Lücken in der Herrscher-Reihenfolge sehr schnell geschlossen. Wir schlichen uns leise die Treppe hinab, die sich hinter der Türe anschloss und ich hörte wieder das Flüstern in meinem Kopf. Wieder waren es mehrere Stimmen, wobei mir jetzt klar wurde, dass es eigentlich nur eine Stimme war die aber vielmals sprach. Wieder die Worte wie anfangs, doch jetzt mischten sich andere Worte mit hinein: "Folget der Flamme und der Düsternis, folget ihrem jüngsten Kind". Konnte die Stimme Bargh damit meinen? Zu dieser Zeit nahm ich es jedenfalls an, also folgte ich den Spuren des großen Kriegers, besser gesagt den Geräuschen seiner Stiefel. Denn als die Türe sich hinter uns schloss tauchten wir wieder in eine tiefe Dunkelheit ein und ich traute mich nicht, Bargh nach einer Fackel zu fragen.

Wir passierten einen kleinen Vorraum und kamen an eine weitere Türe. Die Stimme des Predigers war deutlich dorthinter zu hören und das Flüstern in meinem Kopf schien stärker zu werden. Es machte mir immernoch keine Angst, sondern füllte mich mit Mut. Stumm sah ich in Barghs Augen und konnte sehen, dass auch er etwas spürte. Vielleicht sogar ähnliche Stimmen. In seinem rechten Rubinauge loderte ein grimmiges Feuer. Wissend blickten wir uns an. Ein Wissen, das den anderen verborgen blieb. Halbohr erkannte, dass Bargh kurz davor war in den Raum dahinter zu stürmen. Ihm war klar, dass uns nichts davon abhalten konnte, also machte er sich bereit uns zu folgen.

Bargh stieß die Türe auf und schwang seine Klinge von Schatten und Feuer. Vor uns eröffnete sich eine unterirdische Kapelle, wo jene des stämmigen Volkes der Unterreiche ihrer Gottheit huldigten. Eine langgezogene steinerne Halle, an deren Kopfende sich ein Altar aus einem schwarzen Block befand. Vielleicht aus Obsidian, vielleicht aber auch aus Ne'ilurum. Vor dem Altar brannte in einer Grube ein Feuer, dessen Flammen merkwürdig dunkel züngelten. Überall standen massive Säulen, in denen das Konterfei eines alten stämmigen Gesichtes eingearbeitet wurde, das grimmig dreinblickte. So stellten sich die Duergar wohl ihr Idealbild vor. Hinter dem Altar stand der Prediger, diesmal aus Fleisch und Blut. Mit schütternen, fettigen Haar blickte er in die Kapelle. Dort waren vier weitere Duergar, die seinen Worten lauschten. Ein Priester mit seinen Schülern, vermutete ich. Der Priester trug ein Kettenhemd aus Ne'ilurum, eine schwarze Robe mit dem Symbol des zerbrochenen Armbrustbolzen und neben sich gelehnt, einen großen Kriegshammer, aus Ne'ilurum. Noch hinter den Schülern erblickte ich vier weitere Gestalten - allesamt Spinnenreiter. Sie hatten ihre abscheulichen Tiere vor den großen Portalen positioniert, die vermutlich wieder zum unterirdischen Markt führten, wenn mich meine Orientierung nicht täuschte. Ich blickte in Richtung des Priesters und spürte fast schon schmerzhaft die Falschheit und die Schwäche, die er vertrat. Ich war mir sicher, dass auch Bargh dies spürte. Mit einem Brüllen stürmte er voran auf den Priester hinzu. Seine Klinge lechzte danach diese Falschheit zu bezwingen und die Schatten gierten danach sich zu entzünden. Mit zwei schweren Hieben die eine Spur von Feuern hinter sich herzogen rammte er das Schwert Glimringshert in den Leib des Priesters. Die Gottheit des Fremden vermochte ihn nicht zu schützen. Sah man doch zuletzt die pure Furcht, die sich in seinen Augen widerspiegelte. Mit einem dumpfen Geräusch sank sein Leichnam zu Boden.

Dennoch waren wir hier noch nicht fertig. Es gab schließlich noch weiter Anhänger, von denen wir diese Welt reinigen mussten. Ich beschwor Flammen aus meinen Fingern und fühlte, als ich die Worte sprach, meinen Verbündeten, wie nah er mir war. Weitere Kreaturen badeten in den Feuern und schrien vor Schmerzen. Auch Halbohr und Ortnor waren nicht untätig und kümmerten sich um die Spinnenreiter. Der kleine Wicht vermochte es, einen Strahl aus Blitzen zu beschwören, der durch etliche Spinnen fuhr und diese rauchend zu Boden sinken ließ. Mit einer wundervollen Genugtuung, sah ich den letzten der Akolythen an seinem Blut ersticken, als Halbohr seinen Dolch durch seine Kehle trieb. Da war sie wieder, die Stimme, das Flüstern. Vermutlich war sie die ganze Zeit da gewesen, doch konnte ich sie erst jetzt wieder hören: „Findet den See aus Blut und befreit was unrein, was nicht sein, was jetzt mein!“ Ich folgte dem Klang des Flüsterns. War ich anfangs noch etwas vorsichtig, so gab ich mich dieses Mal dem Singsang hin. Ich stellte mir die Stimme vor, wie sie zu mir sprach. Ich konnte fast fühlen wie aus dem Flüstern eine Hand wuchs, die mich führte in Richtung Bargh. Willig und gehorsam ließ ich mich führen und ging zu Bargh, der gerade noch mit einem der Spinnenreiter stritt. Dieser schaffte es gerade noch sein Horn zu heben und einen lauten Ton daraus zu blasen, bevor auch er niedergestreckt wurde. Aber die Spinnen, die Priester und die anderen Duergar waren mir egal, es gab für mich nur das das Flüstern der Stimme. Sanft nahm ich Bargh an die Schulter und gab die Worte wieder, die mir zugeraunt wurden: „Öffnet den Geist und folgt meinem jüngsten Kind, der da ward geschaffen als Euboreas Prophet, der da ward geschaffen als kindlicher Prophet der Flammen!“ In Barghs Augen schimmerte Erkenntnis auf, erkannte er doch in den Worten nicht sich selbst, sondern Neire. Der Kampf ums herum tobte weiter; es kamen gerade weitere der Duergar in die Kapelle hineingestürmt, angelockt von dem Ton des Horns. Halbohr und Ortnor traten ihnen entgegen, doch Bargh und mir war dies einerlei. Es war, als ob wir eine Art Verbindung hatten, die die anderen wohl niemals verstehen würden.

Beide blickten wir den dunklen Altar an und ohne wirklich miteinander zu redden, wusste jeder was zu tun war. Bargh erhob seine Klinge und als ob der Stahl es selbst schon nicht mehr erwarten könnte, fing das schwarze Herz in dem Kristall am Knauf von Glimringshert wild an zu pochen. Es war, als wenn es vor Erregung schneller schlagen würde. Die Schatten aus den Adern in der Klinge pulsierten stärker und entzündeten sich, sobald sie aus der Klinge hervortraten. Mit einem gewaltigen Schlag hieb Bargh das Schwert auf den Altar. Die Ohren klingelten mir, als sich erst ein gewaltiger Riss in dem Obsidian ausbreitete und dann der ganze Altar mit einem Krachen auseinander barst. Aus dem Riss stieß eine Wand von Flammen hervor, die den ganzen Raum ausfüllte. Bargh hob schützend sein Schwert vor sich. Die Wand von Flammen teilte sich vor uns und konnte uns nicht mehr berühren. Die anderen hatten weniger Glück. Ich hörte das Schreien, sowohl der Verstärkung, als auch von Ortnor und Halbohr. Aber auch das war mir einerlei. Wenn sie nicht stark genug waren den Flammen zu widerstehen, war es ihr Problem. Der Riss des Altars zog sich weiter bis zu der Wand dahinter und es begannen einzelne Steine aus dem Riss heraus zu fallen. Wir sahen sich eine Öffnung auftun. Anscheinend gab es hier noch eine weitere versteckte Kammer. Ich blickte durch die immer größer werdende Öffnung und mein Herz raste. Die ganze Kammer war aus schwarzem Obsidian gefertigt und mit einem blutroten Marmor verziert. Am hinteren Ende war, halb in der Wand, halb hervorstehend, ein gewaltiges steinernes Herz angebracht; ebenfalls aus Marmor und mit glänzenden Streifen. Es wirkte so, als ob es pulsierende Adern wären. Weitere Steine fielen von der Öffnung, die jetzt endlich groß genug war damit wir durchgehen konnten. Fast wie in Trance bewegte ich mich weiter, zog Bargh mit mir. Auch jetzt kam mir dieser Ort und diese Zeit wie in einem Traum vor, alles war verschwommen aber auf eine unerklärliche Art und Weise auch unglaublich klar.

Wir näherten uns dem Herzen und sahen wie das, was ich als glänzende Streifen erkannte, wirklich Adern darstellte. Auch das Pulsieren war keine Spielerei von Licht und Schatten. In diesen Adern schlug eine unheimliche, aber falsche Macht. Ich konnte mir vorstellen, wie die Priester des schwachen Gottes Laduguer ihre Anhänger auf dem Altar opferten und ihr Blut und ihre Seelen hier speicherten. Die Schreie und Rufe sowohl unserer beiden Gefährten, als auch ihrer Gegner, gerieten immer mehr in den Hintergrund. Feierlich gab ich die Worte der flüsternden Stimme wieder, war es doch für mich klar, was zu tun war: “Findet den See aus Blut und befreit was unrein, was nicht sein, was jetzt mein!” Bargh vernahm meine Worte und auch er verstand sie: Er holte aus und stieß sein Schwert mit einem kräftigen Ruck in das pulsierende, steinerne Herz. Als die Klinge mit einem Knacken den Stein durchbohrte, ergoß sich gleich einer Explosion eines Sprühregens ein Schwall von Blut über uns. In dem Blut spürten wir die Kraft und die Macht der Seelen, die an das einstige Opfer gebunden war. Das warme Blut rann mir über den ganzen Körper und gab mir ein Gefühl der Geborgenheit und der Kraft, wie ein erfrischendes Bad, nur hunderte Mal stärker. Gleichzeitig fühlte ich aber auch die Heimsuchung der gefangenen Seelen. Das Flüstern sprach: “Öffnet die Tore des Geistes, lasst hinein was unrein, was nicht sein, was jetzt mein!” Ich fürchtete mich, vor allem vor den tausenden von Gedanken, die die Seelen kundtaten - gleich Todesschreien. Doch ich vertraute dem Flüstern, das trotz der vielen Seelen klar war; viel stärker als das, was in dem Blut gefangen war. Also tat ich, wie mir das Flüstern hieß.

Eine größere Kraft hatte ich bisher noch nie in mir gespürt. Es war wie ein gewaltiger Rausch. Ich folgte im Geiste dem Flüstern und es leitete mich, wie ich die Kraft der Seelen in mich aufnehmen konnte. Jede einzelne nahm ich und verschlang sie. Jede einzelne schrie noch einmal auf, doch ihre Schreie verhallten im Nebel zwischen Sein und Nichtsein. Und mit jeder Seele die ich verschlang verschlang ich auch ihre Energien und nahm sie in mich auf. Wie ein elektrisierendes Kribbeln füllte sich mein Körper, Seele für Seele. Und mit einem Mal war mir alles völlig klar: Mein geheimnisvoller Verbündeter, diese unheimliche und mir unbekannte Macht, die stets über mich wachte und meine Schritte lenkte, war Jiarlirae, die Schwertherrscherin selbst. Jetzt, wo ich die Seelen gekostet hatte offenbarte sie sich mir und ich verstand: Ich war noch nicht bereit für dieses Wissen, doch sie trat an mich heran als Flamme in der Düsternis. Dieser Gedanke gebahr in mir ein Glücksgefühl, was ich nicht vermag in Worte zu fassen. Ich tanzte im Blut des aufgeschlitzten Herzes. Ich kostete die Essenz, ich badete im Saft und kannibalisierte Seelen, die jetzt die meinen und damit IHRE waren.

Langsam fiel mir auf, dass die Kampfgeräusche abgeebbt waren. Wie aus einem tiefen Traum kam ich wieder in die wirkliche Welt zurück. Ich blickte mich erstaunt um, was passiert war. Die Duergar starrten stumm und voller Furcht in die Kammer hinein, wo Bargh und ich standen, völlig von dem Blut ihres Heiligtums bedeckt. Aber so sollte es sein, sie sollten erkennen, wie schwach und unbedeutend sie eigentlich waren. Lächelnd trat ich ihnen entgegen. Halbohr und Ortnor, die drauf und dran waren beste Freunde zu werden, waren sich ihrer Sache wohl nicht so sicher. Inzwischen waren weitere der Duergar in die Kapelle eingetreten. In einer militärischen Formation marschierten sie herein, was besonders auf Halbohr einen gehörigen Eindruck machte. Jetzt verhandelten sie mit den blasshäutigen Wichten. Es ging um freies Geleit. Ich ließ sie reden und lächelte mit meinem blutverschmierten Gesicht jeden einzelnen an. Nach kurzer Zeit schienen sie sich geeinigt zu haben. Was mir eigentlich direkt klar war, denn man konnte die Furcht in den Augen der Duergar deutlich zwischen dem Hass auf uns sehen. Sie nahmen uns in ihre Mitte und zusammen in diesem großen Pulk schritten wir durch die Hallen dieser Minenstadt. Ich fragte mich, mit einem Grinsen im Gesicht, welche Reden und welche Lieder sie uns widmen würden. Wir kamen sogar an ihrer Zuchtstätte vorbei, wo sie diese widerwärtigen Spinnenkreaturen aufzogen. Ein älterer Vertreter der Duergar hatte sichtlich sein Leben einzig dieser Aufgabe gewidmet. In einer Geräuschkulisse von dem Knistern vieler Spinnenbeine starrte er uns finster an, während kleinere Spinnen auf seinem Körper und auf seiner Axt krabbelten.

Aber auch ihn ließen wir zurück und traten durch einen dieser Wachräume, die wir schon einmal passierten, als wir in ihre Minenstadt eindrangen. Mit diesem letzten Vorposten verließen wir ihr Reich und gelangten wieder in die Höhlen der Irrlingsspitze. Wie zuvor waren da diese merkwürdigen Wände, die das Licht zu schlucken schienen. Halbohr schlich sich voran und erkundete die Höhlen vor uns. Es dauerte eine Zeit, dann kam er zurück und berichtete von einem Schmatzen, was er in einer Höhle vor uns hörte. Wir folgten ihm, bis wir die Höhle sahen, die er meinte. Es waren jedoch eher mehrere Höhlen, die ineinander gewachsen waren. Mir gab er noch den leuchtenden Kristall den wir gefunden hatten, bevor wir in die Minenstadt kamen. Doch als das Licht in die Höhlen eindrang, erblickte ich nichts Angenehmes: An der Wand der Höhle hausten Kreaturen, wobei man diese nicht mal mit Sicherheit als Kreaturen bezeichnen konnte. Es waren eher Berge aus Fleisch, aus denen an verschiedenen Stellen Münder, Köpfe, Arme und Beine herauswuchsen. Mit plumpen Bewegungen kamen sie auf uns zu. Ihnen folgte ein Gestank, von Eiter und Fäulnis. Sie versuchten ihre Mäuler um Bargh zu schließen, doch seine Rüstung aus Ne’ilurum konnten sie nicht durchdringen. Barghs Schwert und die Dolche von Halbohr konnten sie schnell erledigen. Der Gestank den sie verbreiteten, als ihr schwarzes Blut auf den Steinboden tropfte, brachte mir fast einen Würgereiz hervor. Doch kaum als die letzte der Kreaturen sich nicht mehr regte, vernahmen wir von weiter hinter der Höhle weitere Geräusche. Diesmal jedoch wie eine Vielzahl von Kreaturen. Und schon sahen wir sie: kleine Humanoide, muskulöser, drahtiger Statur. Mit wirren rötlichen Augen starrten sie wie gebannt in das Licht, dass ich bei mir trug. Wie wild erhoben sie ihre knöchernen Knüppel, Krallen, Messer oder was sie sonst an Waffen gefunden hatten. Wie eine Woge pelziger Meereswellen aus Krallen und Zähnen strömten sie auf uns zu. Ich konnte kaum zählen wieviele, aber es waren bestimmt über 50 dieser kleinen Wesen. Blindlings, kreischend und ohne Sinn oder irgendeinen Verstand, strömen sie auf mein Licht zu, vorbei an Bargh und an Halbohr.

Es war ein wahres Gemetzel. Immer mehr kamen aus der Dunkelheit und immer mehr fielen unseren Klingen und meinen Feuern zum Opfer. Ihre Leichen türmten sich in der Höhle, doch sie kannten keine Furcht oder waren vielleicht dem Wahnsinn verfallen. Auch dachte ich an wilde Tiere, die auf ein schmerzendes Licht zuströmten. Wir keuchten alle inzwischen. Halbohr hatte einige Wunden davongetragen. Dort, wo die Kreaturen ihre Krallen in sein Fleisch schlugen. Doch schließlich machten wir auch den letzten Gegner nieder und unser Weg ward frei. Wir mussten weiter, ich spürte es. Zwar konnte ich das Flüstern nicht mehr hören, doch fühlte ich, dass es der Wille meines Verbündeten, der Wille von Jiarlirae war, der uns weiter in die Tiefen der Irrlingsspitze rief.

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